L 11 KR 213/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 2 KR 3086/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 213/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 11.12.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten in der Hauptsache noch über die Gewährung von Krankengeld (Krg) über den 30.04.2012 hinaus.

Der 1957 geborene Kläger bezog von der Beklagten Krg vom 26.05.2008 bis 26.06.2010 (Ablauf der Höchstdauer) insbesondere wegen einer Belastungsstörung, einer Alkoholabhängigkeit und wegen Bandscheibenschäden. Vom 27.06.2010 bis 01.09.2010 bezog der Kläger Arbeitslosengeld. Am 29.07.2010 war er wegen eines Mundbodenkarzinoms operiert worden. Vom 22.09. bis 20.10.2010 absolvierte er eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme im Stimmheilzentrum B. R., aus der er arbeitsunfähig entlassen wurde. Am 01.12.2010 meldete sich der Kläger erneut arbeitslos. Mit Gutachten vom 01.02.2011 kam der ärztliche Dienst der Bundesagentur für Arbeit zu der Einschätzung, dass der Kläger für leichte Tätigkeiten vollschichtig leistungsfähig sei. Der Kläger bezog erneut Arbeitslosengeld vom 01.12.2010 bis 05.12.2011.

Vom 06.12.2011 bis 14.02.2012 erfolgte einer stationäre Rehabilitation wegen der Alkoholerkrankung, aus der der Kläger arbeitsfähig entlassen wurde. Vom 16.02.2012 bis zunächst 30.04.2012 bezog der Kläger erneut Arbeitslosengeld. Die Bewilligung wurde für den Zeitraum 03. bis 30.04.2012 von der Agentur für Arbeit aufgehoben und das Arbeitslosengeld zurückgefordert. Ab 21.02.2012 war der Kläger wegen Gonarthrose arbeitsunfähig krank. Der Facharzt für Allgemeinmedizin S. stellte am gleichen Tag Arbeitsunfähigkeit (AU) fest. Herr S. attestierte ua wegen der og Diagnose folgende AU-Zeiten: AU festgestellt am mit voraussichtl Ende der AU 21.02.2012 AUB 02.03.2012 16.04.2012 AUB 30.04.2012 16.04.2012 Auszahlschein k.A., nächster Praxisbesuch 02.05.2012 11.05.2012 Auszahlschein k.A., nächster Praxisbesuch 25.05.2012 12.06.2012 Auszahlschein k.A., nächster Praxisbesuch 30.06.2012 25.06.2012 Auszahlschein k.A., nächster Praxisbesuch 09.07.2012 25.07.2012 Auszahlschein k.A., nächster Praxisbesuch 10.08.2012

Vom 29.06. bis 20.07.2012 befand sich der Kläger erneut zur stationären Rehabilitation im Stimmheilzentrum B. R ... Die Entlassung erfolgte arbeitsunfähig. Ab 01.08.2012 bezog der Kläger Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende.

Mit Bescheid vom 19.07.2012 lehnte die Beklagte die Gewährung von Krg ab 21.02.2012 ab. Innerhalb der Rahmenfrist vom 26.05.2008 bis 25.05.2011 sei die Höchstbezugsdauer von Krg erreicht. Ein neuer Krg-Anspruch sei ab 21.02.2012 nicht begründet worden. Zwar habe der Kläger dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestanden, allerdings bestehe mit der Alkoholerkrankung weiterhin das gleiche Beschwerdebild, es sei lediglich eine neue Erkrankung (Gonarthrose) hinzugetreten. Der Kläger legte eine Bescheinigung von Herrn S. vor, wonach seit 14.02.2012 keine Krankheitsaktivität der Alkoholerkrankung bestehe.

Der von der Beklagten beauftragte Medizinische Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) kam mit Gutachten vom 15.08.2012 zu der Einschätzung, dass abgeleitet vom Entlassungsbericht des Stimmheilzentrums B. R. ein vollschichtiges Leistungsvermögen bestehe (Dr W.). Mit sozialmedizinischer Fallberatung vom 16.08.2012 teilte Dr M.-W. vom MDK mit, dass nicht davon ausgegangen werden könne, dass die Alkoholerkrankung die AU nicht verursache. Herr S. habe diese als Diagnose in einem Auszahlschein angegeben, auch im Reha-Entlassungsbericht tauche diese Diagnose auf. Herr S. teilte mit Schreiben vom 20.08.2012 ergänzend mit, die Alkoholerkrankung werde als chronische Erkrankung in der Software weitergeführt, auch wenn der Patient inzwischen trocken sei. Der Vermerk auf dem Auszahlschein sei nicht korrekt gewesen. Die Reha im Sommer 2012 sei zudem aufgrund der Tumorerkrankung erfolgt.

Den Widerspruch des Klägers vom 30.08.2012 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.11.2012 zurück. Seit dem Leistungsablauf am 26.06.2010 sei der Kläger nicht für mindestens sechs Monate nicht wegen psychischer Störungen arbeitsunfähig gewesen.

Hiergegen richtet sich die am 11.12.2012 zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhobene Klage. Der Kläger hat geltend gemacht, er sei seit 06.12.2011 trocken, die Rehamaßnahme sei trocken angetreten worden. Er sei daher länger als sechs Monate arbeitsfähig gewesen. Eine Alkoholerkrankung führe nicht per se zur AU.

Mit Urteil vom 11.12.2014 hat das SG die Beklagte verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 17. bis 30.04.2012 Krg zu gewähren und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Anspruch auf Krg ab 21.02.2012 sei nicht bereits wegen der zum 26.06.2010 erfolgten Aussteuerung wegen Erreichen der Höchstbezugsdauer ausgeschlossen. Bei Beginn einer neuen Blockfrist sei der Anspruch auf Krg nur wegen derselben Krankheit ausgeschlossen. Der Kläger sei ab 26.05.2008 zunächst wegen einer Anpassungsstörung und sodann auch wegen Alkoholproblemen arbeitsunfähig gewesen. Ab 21.02.2012 sei die AU durch Gonarthrose bedingt, die Alkoholerkrankung habe keine AU mehr ausgelöst. Selbst wenn die AU ab 21.02.2012 durch die Alkoholerkrankung mitbeeinflusst worden wäre, bestünde dennoch ein neuer Anspruch auf Krg, da der Kläger nach Erreichen der Höchstbezugsdauer länger als sechs Monate nicht arbeitsunfähig gewesen sei und dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestanden habe. Der Kläger habe vom 26.07. bis 01.09.2010 und vom 01.12.2010 bis 05.12.2011 Arbeitslosengeld bezogen, er sei leistungsfähig gewesen für leichte Tätigkeiten. Ein Anspruch auf Krg habe für die Zeit vom 21.02. bis 02.04.2012 jedoch wegen der Zahlung von Arbeitslosengeld geruht. Für die Zeit vom 03. bis 16.04.2012 fehle es an der ärztlichen Feststellung der AU, so dass auch insoweit kein Anspruch auf Krg bestehe. Für die Zeit vom 17. bis 30.04.2012 bestehe der Anspruch auf Krg, danach sei der Kläger jedoch nicht mehr mit Anspruch auf Krg versichert gewesen. Die Versicherung als Arbeitsloser ende mit dem 30.04.2012. Danach habe eine Auffangversicherung nach § 5 Abs 1 Nr 13 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) bestanden, für die ein Anspruch auf Krg ausgeschlossen sei. Ein nachgehender Versicherungsschutz nach § 19 Abs 2 SGB V habe nicht bestanden, da zum damaligen Zeitpunkt nicht davon auszugehen gewesen sei, dass innerhalb eines Monats eine andere Art der Pflichtversicherung eintreten werde. Erst am 11.05.2012 habe sich der Kläger erneut bei Herrn S. vorgestellt. Zu diesem Zeitpunkt sei er nicht mehr mit Anspruch auf Krg versichert gewesen.

Gegen das seiner damaligen Bevollmächtigten am 19.12.2014 zugestellte Urteil richtet sich die am 19.01.2015 eingelegte Berufung des Klägers. Einer AU-Bescheinigung komme zwar in der Praxis eine hohe Bedeutung zu, sie binde jedoch weder Krankenkasse noch Gerichte. Im Umkehrschluss müsse dies bedeuten, dass auch das Nichtvorliegen einer durchgehenden AU-Bescheinigung die Gerichte nicht binde. Zudem habe die Beklagte dadurch, dass sie bis zum Bescheid vom 19.07.2012 kein Krg ausbezahlt habe, dem Kläger signalisiert, dass eine Leistung nicht erbracht werde. Für den Kläger sei daher die Vorlage durchgehender AU-Bescheinigungen entbehrlich gewesen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 19.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.11.2012 zu verurteilen, dem Kläger Krankengeld über den 30.04.2012 hinaus bis zur Höchstbezugsdauer in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Obliegenheit des Versicherten, seinen Krg-Anspruch durch ärztliche Feststellung lückenlos nachzuweisen. Über den 30.04.3012 hinaus habe der Kläger die AU nicht lückenlos nachgewiesen. Bis zur Entscheidung am 19.07.2012 habe die Beklagte keine Veranlassung gegeben, dass der Kläger annehmen könne, sie verweigere ihm das Krg. Wäre der Kläger tatsächlich der Auffassung gewesen, er müsse seine AU nicht ärztlich nachweisen, hätte er weder den Auszahlschein vom 11.05.2012 noch die AU-Bescheinigung vom 16.04.2012 erwirken müssen.

Im Erörterungstermin am 14.07.2015, an dem nur die Beklagte teilgenommen hat, hat die Berichterstatterin darauf hingewiesen, dass die Zurückweisung der Berufung durch Beschluss beabsichtigt ist. Mit der auch an den Kläger übersandten Niederschrift ist ihm Gelegenheit zur Stellungnahme bis 04.08.2015 gegeben worden. Mit Schreiben der Berichterstatterin vom 27.07.2015 ist der Kläger nochmals darauf hingewiesen worden, dass beabsichtigt ist, die Berufung ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss nach § 153 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuweisen, da der Senat die Berufung einstimmig für unbegründet und einer mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Kläger hat nochmals Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 12.08.2015 erhalten.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Der Senat weist die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter gemäß § 153 Abs 4 SGG zurück, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden.

Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs 1 SGG) eingelegte Berufung ist statthaft (§ 143, 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG) und damit zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Der angefochtene Bescheid vom 19.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.11.2012 ist, - soweit ihn das SG nicht bereits unter Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Krg für den Zeitraum 17.04. bis 30.04.2012 aufgehoben hat - rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Streitgegenstand ist der Anspruch auf Krg über den 30.04.2012 hinaus. Soweit die frühere Bevollmächtigte des Klägers im Schriftsatz vom 10.02.2015 die Gewährung von Krg ab 17.04.2012 beantragt hat, ist dieser Antrag im Hinblick auf das für den Zeitraum 17.04. bis 30.04.2012 zusprechende Urteil des SG sachgerecht dahin auszulegen, dass die Gewährung von Krg für den allein noch streitigen Zeitraum über den 30.04.2012 hinaus begehrt wird. Die Beklagte hat das Urteil nicht angefochten.

Rechtsgrundlage des Anspruchs auf Krg sind die §§ 44 ff Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Nach § 44 Abs 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krg, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär behandelt werden. Der Anspruch auf Krg entsteht bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung von ihrem Beginn an, im Übrigen von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt (§ 46 Satz 1 Nr 2 SGB V). Grundsätzlich setzt daher der Anspruch auf Krg die vorherige ärztliche Feststellung der AU voraus. Dem Attest des behandelnden Arztes mit der Feststellung der AU kommt lediglich die Bedeutung einer gutachtlichen Stellungnahme zu, welche die Grundlage für den über den Krg-Bezug zu erteilenden Verwaltungsakt der Krankenkasse bildet, ohne dass Krankenkasse und Gerichte an den Inhalt der ärztlichen Bescheinigung gebunden sind (BSG 08.11.2005, B 1 KR 18/04 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 7). Die von der früheren Bevollmächtigten des Klägers zur Argumentation herangezogene fehlende Bindung der AU-Bescheinigung bezieht sich allerdings nur inhaltlich auf das Vorliegen von AU, nicht auf die Tatsache der ärztlichen Feststellung.

Die Voraussetzungen eines Krg-Anspruchs, also nicht nur die AU, sondern auch die ärztliche Feststellung der AU, müssen bei zeitlich befristeter AU-Feststellung und dementsprechender Krg-Gewährung für jeden Bewilligungsabschnitt jeweils erneut vorliegen (BSG 26.06.2007, B 1 KR 8/07 R, SozR 4-2500 § 44 Nr 12). Zudem muss der Versicherte die AU und deren Fortdauer grundsätzlich rechtzeitig ärztlich feststellen lassen und seiner Krankenkasse gemäß § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V melden (BSG 08.11.2005, B 1 KR 30/04 R, SozR 4-2500 § 46 Nr 1).

Die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit ist keine reine Formalität, sondern Voraussetzung der Entstehung des Anspruchs auf Krankengeld. Mit dem Erfordernis vorgeschalteter ärztlich festzustellender Arbeitsunfähigkeit sollen beim Krankengeld Missbrauch und praktische Schwierigkeiten vermieden werden, zu denen die nachträgliche Behauptung der AU und deren rückwirkende Bescheinigung beitragen könnten. Als Regelfall geht das Gesetz davon aus, dass der in seiner Arbeitsfähigkeit beeinträchtigte Versicherte selbst die notwendigen Schritte unternimmt, um die mögliche Arbeitsunfähigkeit feststellen zu lassen und seine Ansprüche zu wahren. Mit Blick darauf muss die AU nach der ständigen Rechtsprechung des BSG der Krankenkasse vor jeder erneuten Inanspruchnahme des Krankengeldes auch dann angezeigt werden, wenn sie seit ihrem Beginn ununterbrochen bestanden hat. Auch dann muss der Versicherte die Fortdauer der AU grundsätzlich rechtzeitig vor Ablauf der Befristung der bisherigen Attestierung ärztlich feststellen lassen und seiner Krankenkasse melden, wenn er das Erlöschen oder Ruhen des Leistungsanspruchs vermeiden will. Sowohl bei der ärztlichen Feststellung als auch der Meldung der Arbeitsunfähigkeit handelt es sich um eine Obliegenheit des Versicherten; die Folgen einer unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen Feststellung oder Meldung sind deshalb grundsätzlich von ihm zu tragen. Regelmäßig ist danach die Regelung des § 46 Satz 1 Nr 2 SGB V strikt zu handhaben (BSG 08.11.2005, B 1 KR 30/04, BSGE 95, 219, SozR 4-2500 § 46 Nr 1; vgl auch BSG 10.05.2012, B 1 KR 20/11 R, (juris)). Die Obliegenheit zur rechtzeitigen Meldung entfällt selbst dann nicht, wenn das Ende der Frist auf einen Sonntag fällt oder der Arzt den Versicherten nicht oder unzutreffend rechtlich beraten hat (BSG 04.03.2014, B 1 KR 17/13 R, SozR 4-2500 § 192 Nr 6).

Das bei Entstehen eines Anspruchs auf Krankengeld bestehende Versicherungsverhältnis bestimmt, wer in welchem Umfang als "Versicherter" Anspruch auf Krankengeld hat. Zwar endet nach § 190 Abs 12 SGB V die Mitgliedschaft von Beziehern von Arbeitslosengeld mit Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung bezogen wird, hier also 02.04.2012. Nach § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V blieb die Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten auch nach Beendigung des Bezugs von Arbeitslosengeld bis 30.04.2012 erhalten. Soll die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung durch einen Anspruch auf Krg aufrechterhalten werden, muss der Versicherte seine AU vor Ablauf jedes Krankengeldbewilligungsabschnitts erneut ärztlich feststellen lassen (BSG 04.03.2014, B 1 KR 17/13 R, aaO). Dies ist hier nicht erfolgt. Die AU-Bescheinigung vom 16.04.2012 belegte AU bis 30.04.2012. Der Auszahlungsschein vom gleichen Tag widersprach dem nicht, denn dort wurden keine Angaben zur voraussichtlichen Dauer der AU gemacht (zur Wirkung der Angabe AU "bis auf weiteres" in Auszahlscheinen vgl Senatsurteil vom 21.01.2014, L 11 KR 4174/12, juris). Am Tag nach erneuter ärztlicher Feststellung der AU, dem 12.05.2012 war der Kläger daher nicht mehr mit Anspruch auf Krg versichert. Die Auffangversicherung nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V umfasst keinen Anspruch auf Krg (§ 44 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB V).

Der geltend gemachte Krg-Anspruch lässt sich auch nicht über § 19 Abs 2 Satz 1 SGB V begründen. Ist die Mitgliedschaft auch unter Berücksichtigung der Erhaltungstatbestände in § 192 SGB V beendet, besteht gemäß § 19 Abs 2 Satz 1 SGB V noch ein nachgehender Leistungsanspruch (ggf auch auf Krg) längstens für einen Monat nach dem Ende der Mitgliedschaft, solange keine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird. Der beitragsfreie, nachwirkende Versicherungsschutz dient der Vermeidung sozialer Härten. Er soll verhindern, dass Betroffene bei kurzzeitigen Beschäftigungslücken, etwa einem Arbeitsplatzwechsel, vorübergehend keinen Krankenversicherungsschutz haben. Da § 19 Abs 2 Satz 1 SGB V eine Ausnahmevorschrift zur Vermeidung sozialer Härten darstellt, entfallen die Schutzbedürftigkeit und damit der gesetzgeberische Grund für die Gewährung eines über das Mitgliedschaftsende hinausreichenden, begrenzten, beitragsfreien Versicherungsschutzes, wenn es keine Sicherungslücke (mehr) gibt. Eine solche Lücke ist nicht gegeben, wenn entweder unmittelbar im Anschluss eine bisherige Pflichtmitgliedschaft oder zu einem späteren Zeitpunkt innerhalb der Monatsfrist des § 19 Abs 2 Satz 2 SGB V ein neues Versicherungsverhältnis begründet wird (BSG 26.06.2007, B 1 KR 2/07 R, juris). Das aktuelle Versicherungsverhältnis hat mithin Vorrang gegenüber dem nachgehenden Anspruch. Ein solcher Vorrang besteht auch hinsichtlich der Auffangversicherung nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V (BSG 04.03.2014, B 1 KR 68/12 R, SozR 4-2500 § 5 Nr 22).

Zur Überzeugung des Senats ist auch kein Sachverhalt gegeben, bei dem die AU-Feststellung für einen weiteren Bewilligungsabschnitt ausnahmsweise hätte nachgeholt werden können. Ausnahmsweise ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG eine Möglichkeit der Nachholung gegeben, wenn der Versicherte wegen Geisteskrankheit geschäftsunfähig und ein gesetzlicher Vertreter nicht vorhanden war und wenn der Versicherte aufgrund dieses Umstandes nicht in der Lage gewesen ist, die für die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit obligatorischen Handlungen vorzunehmen. In diesen eng begrenzten Fällen ist ausnahmsweise eine Feststellung der Arbeitsunfähigkeit nicht erforderlich. Dasselbe dürfte auch gelten, wenn der Versicherte sich in einer vergleichbaren Situation befindet, die aber so außergewöhnlich und dringend sein muss, ihn gewissermaßen handlungsunfähig macht (Meyerhoff, in Juris-PK - SGB V, 2. Aufl 2012, § 46 RdNr 27). Ein derartiger Ausnahmefall liegt hier ersichtlich nicht vor.

Soweit der Kläger sinngemäß vorträgt, die Beklagte habe durch die bis zum Bescheid vom 19.07.2012 nicht aufgenommene Krg-Zahlung beim Kläger den Eindruck hervorgerufen, der Anspruch werde ohnehin abgelehnt und daher sei ihm die Vorlage ärztlicher Bescheinigungen entbehrlich erschienen, kann dies zu keiner anderen Beurteilung führen. Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass dieser Vortrag im Widerspruch zum tatsächlichen Verhalten des Klägers steht, der sich auch in der Folgezeit um AU-Bescheinigungen bzw Auszahlscheine bemüht hat. Die Beklagte hat auch in keiner Weise einen Vertrauenstatbestand geschaffen, der besondere Beratungspflichten zur Folge gehabt hätte, die unerfüllt geblieben wären (dazu BSG 18.01.2011, B 4 AS 29/10 R, SozR 4-1200 § 14 Nr 15).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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