L 12 AS 4263/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 12 AS 1872/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 4263/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 25.09.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt eine Bettcouch, einen Kühlschrank und einen Herd als Erstausstattung. Im Berufungsverfahren macht sie darüber hinaus die Bewilligung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.09.2014 bis 31.01.2015 und die Gewährung weiterer Einrichtungs- und Bedarfsgegenstände als Erstausstattung geltend.

Die 1951 geborene Klägerin hatte bereits mit Schreiben vom 24.11.2009, vom 26.11.2009, vom 27.11.2009 und vom 28.11.2009 die Gewährung einer Bettcouch, eines Kühlschranks und eines Herdes als Erstausstattung beantragt. Der Beklagte hatte diese Anträge mit Bescheid vom 27.02.2010 abgelehnt und den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 04.03.2010 abgelehnt. Das nachfolgende Klageverfahren beim Sozialgericht Ulm (SG) war für die Klägerin erfolglos geblieben (S 10 AS 871/10).

In der Folge hatte der Kreis als Träger für Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) der Klägerin eine einmalige Beihilfe nach § 31 SGB XII für eine Bettcouch in Höhe von 70,00 EUR und für eine Waschmaschine in Höhe von 350,00 EUR bewilligt (Bescheid vom 03.09.2010). Der Widerspruch der Klägerin gegen die Ablehnung einer weitergehenden Beihilfe (Bescheid vom 22.07.2011) war mit Widerspruchsbescheid vom 12.02.2012 zurückgewiesen und die anschließend beim SG erhobene Klage mit Urteil vom 13.02.2013 (S 14 SO 2469/11) abgewiesen worden. Zur Begründung hatte das SG ausgeführt, die Wohnsituation der Klägerin habe sich nach ihrem Umzug nach N. geändert; ein Anspruch auf Leistungen zur Erstausstattung müsse deshalb neu geprüft werden.

Die Klägerin, zwischenzeitlich wieder im Bezug von Leistungen nach dem SGB II, beantragte daraufhin beim Beklagten wiederholt die Übernahme der Kosten für eine Bettcouch, einen Kühlschrank und einen Herd als Erstausstattung und stellte zudem beim SG zahlreiche Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes. Die Anträge wurden sämtlich abgelehnt und die hiergegen beim Landessozialgericht (LSG) eingelegten Beschwerden zurückgewiesen (u. a. L 1 AS 450/13 ER-B und L 1 AS 1486/14 ER-B; zuletzt mit Beschlüssen des erkennenden Senats vom 24.02.2015 [L 12 AS 418/15 ER-B und L 12 AS 465/15]).

Am 08.04.2013, mit Schreiben vom 13.05.2013, am 06.06.2013 und mit Telefax vom 05.08.2013 beantragte die Klägerin beim Beklagten wiederum die Gewährung von Leistungen zur Erstausstattung mit einem Herd, einer Bettcouch und einem Kühlschrank. Zur Begründung trug sie vor, sie habe diese Gegenstände noch nie erhalten und ihre Tochter, die zwischenzeitlich aus der zuvor gemeinsam genutzten Wohnung ausgezogen sei, benötige nun selbst die bislang überlassene Einrichtung.

Die Klägerin beantragte am 11.10.2013 erneut die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (S 10 AS 3255/13 ER). Mit Beschluss vom 28.10.2013 verpflichtete das SG den Beklagten, über die Anträge der Klägerin auf Gewährung von Leistungen zur Erstausstattung (Herd, Bettcouch und Kühlschrank) bis 31.01.2014 durch Verwaltungsakt zu entscheiden. Soweit die Klägerin beantragt hatte, den Beklagten zur Gewährung der begehrten Erstausstattung zu verpflichten, wurde der Antrag abgelehnt.

In Ausführung des Beschlusses vom 28.10.2013 erließ der Beklagte den Bescheid vom 13.02.2014 und lehnte die Gewährung der beantragten Erstausstattung (erneut) ab. Den gegen diesen Bescheid erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 06.06.2014 zurück. Der angegriffene Bescheid über die Ablehnung des wiederholten Antrags auf Erstausstattungsgegenstände (Bettcouch, Herd und Kühlschrank) entspreche den gesetzlichen Bestimmungen. Unabdingbare Voraussetzung für die Gewährung einer nicht von der Regelleistung umfassten Erstausstattung sei der Nachweis, dass entsprechende Bedarfe tatsächlich bestehen und die Beschaffung der begehrten Gegenstände deshalb notwendig ist. Diesen Nachweis habe die Klägerin nicht erbracht und zudem entsprechende Feststellungen durch Außendienstmitarbeiter des Beklagten vereitelt.

Mit der am 11.06.2014 beim SG erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, ihre frühere Vermieterin habe ihr vorübergehend eine Pritsche, einen Kühlschrank und eine Kochgelegenheit zur Verfügung gestellt. Anschließend habe sie sich entsprechende Gegenstände von ihrer Tochter geliehen. Diese verlange sie aber seit August 2012 zurück. Mit Gerichtsbescheid vom 25.09.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass ein aktueller Bedarf im Hinblick auf die beantragten Gegenstände bestehe.

Gegen diesen Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 03.10.2014 schriftlich beim SG Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie sinngemäß vor, das SG habe ihr Begehren weitgehend verkannt. Sie wende sich vor allem gegen den Bewilligungsbescheid vom 11.07.2014, mit dem der Beklagte ihr für die Zeit vom 01.09.2014 bis 31.01.2015 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in zu geringer Höhe bewilligt habe. Außerdem mache sie nicht nur eine Bettcouch, einen Kühlschrank und einen Herd als Erstausstattung geltend; ihr stünden darüber hinaus zahlreiche weitere Gegenstände, insbesondere Möbel, ein Schrank, ein Tisch, Stühle, ein Bügeleisen, Lampen, ein Staubsauger, Gardinen und Kochtöpfe zu. Sie bleibe allerdings dabei, dass Sie keine Mitarbeiter des Beklagten in ihre Wohnung lasse.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 25.09.2014 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 13.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.06.2014 zu verurteilen, ihr eine Bettcouch, einen Kühlschrank, einen Herd und weitere Einrichtungsgegenstände als Erstausstattung zu gewähren sowie

den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 11.07.2014 zu verurteilen, ihr höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 01.09.2014 bis 31.01.2015 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

Er hält den Gerichtsbescheid des SG für zutreffend.

Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Klageakte des SG sowie die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Die Berufung ist statthaft, da Berufungsbeschränkungen nicht vorliegen (vgl. §§ 143, 144 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]). Soweit die Klägerin mit der Berufung erstmals die Gewährung weiterer Einrichtungs- und Bedarfsgegenstände als Erstausstattung und die Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 01.09.2014 bis 31.01.2015 geltend gemacht hat, ist die Berufung allerdings bereits nicht zulässig. Über diese Streitgegenstände hat das SG im angegriffenen Urteil nicht entscheiden; es liegt deshalb insoweit bereits keine mit der Berufung anfechtbare erstinstanzliche Entscheidung vor. Das SG hat auch den Streitgegenstand nicht verkannt, denn der mit der Klage angegriffene Widerspruchsbescheid vom 06.06.2014 hatte lediglich einen Anspruch der Klägerin auf eine Bettcouch, einen Kühlschrank und einen Herd als Erstausstattung zum Gegenstand. Letztlich ist der von der Klägerin im Berufungsverfahren angegriffene Bewilligungsbescheid vom 11.07.2014 nicht gemäß § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden, denn mit diesem Bescheid wurden der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 01.09.2014 bis 31.01.2015 bewilligt. Der lediglich den seitens der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Erstausstattung regelnde Bescheid vom 13.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.06.2014 ist durch die mit Bescheid vom 11.07.2014 verfügte Leistungsbewilligung somit weder abgeändert noch ersetzt worden.

Soweit die Klägerin die Gewährung einer Bettcouch, eines Kühlschranks und eines Herdes als Erstausstattung begehrt, ist die Berufung zulässig, da sie unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 und 2 SGG) eingelegt worden ist. Die Berufung ist insoweit jedoch nicht begründet; das SG hat die hierauf gerichtete Klage zu Recht abgewiesen.

Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage ist (nur) der den Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Bettcouch, eines Kühlschranks und eines Herdes als Erstausstattung ablehnende Bescheid vom 13.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.06.2014. Dieser erweist sich als rechtmäßig und die Klägerin nicht in subjektiven Rechten verletzend. Die Klägerin kann die Gewährung der begehrten Gegenstände als Sachleistung oder eine entsprechende Geldleistung nicht beanspruchen.

Gemäß § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB II in der hier anwendbaren, ab 01.04.2011 geltenden Fassung werden Bedarfe für Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten (Nr. 1), für Erstausstattungen für Bekleidung und Erstausstattungen bei Schwangerschaft und Geburt (Nr. 2) sowie für Anschaffung und Reparaturen von orthopädischen Schuhen, Reparaturen von therapeutischen Geräten und Ausrüstungen sowie die Miete von therapeutischen Geräten (Nr. 3) nicht vom Regelbedarf nach § 20 SGB II umfasst. Nach Satz 2 der Vorschrift werden Leistungen für diese Bedarfe gesondert erbracht. Die Leistungen für Bedarfe nach Satz 1 Nummer 1 und 2 können als Sachleistung oder Geldleistung, auch in Form von Pauschalbeträgen, erbracht werden. Bei der Bemessung der Pauschalbeträge sind geeignete Angaben über die erforderlichen Aufwendungen und nachvollziehbare Erfahrungswerte zu berücksichtigen (§ 24 Abs. 3 Satz 5 und 6 SGB II).

Um eine Erstausstattung für Wohnung im Sinne dieser Vorschrift handelt es sich, wenn ein Bedarf für die Ausstattung einer Wohnung besteht, der nicht bereits durch vorhandene Möbel und andere Einrichtungsgegenstände gedeckt ist. Der Anspruch ist bedarfsbezogen zu verstehen. Entscheidend ist, ob erstmals ein Bedarf für die Ausstattung einer Wohnung entsteht. In Abgrenzung zu einem Erhaltungs- und Ergänzungsbedarf, der aus der Regelleistung zu bestreiten ist, kommt eine Wohnungserstausstattung allerdings auch bei einem erneuten Bedarfsanfall in Betracht, wenn der Hilfebedürftige nachweist, dass er - regelmäßig im Zusammenhang mit besonderen Ereignissen - über die nunmehr notwendigen Ausstattungsgegenstände bisher nicht oder nicht mehr verfügt. Von den in den Gesetzesmaterialien beispielhaft genannten Bedarfen für eine Wohnungserstausstattung, z.B. nach einem Wohnungsbrand oder bei Erstanmietung nach einer Haft (BT-Drucks 15/1514, S. 60), steht jedenfalls der Wohnungsbrand für Konstellationen, bei denen - nach dem Willen des Gesetzgebers - Leistungen nach § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II für einen erneuten Bedarfsanfall im Sinne einer Ersatzbeschaffung als "Wohnungserstausstattung" gewährt werden können (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19.03.2015 - L 7 AS 2346/13 - veröffentlicht in Juris m.w.N.). Dem sind in der Rechtsprechung u. a. der Untergang vorhandener Einrichtungsgegenstände bei einem vom Grundsicherungsträger veranlassten Umzug in eine angemessene Wohnung (BSG, Urteil vom 01.07.2009 - B 4 AS 77/08 R - veröffentlicht in Juris), der Untergang von Gegenständen beim Rückumzug aus dem Ausland (BSG, Urteil vom 27.09.2011 - B 4 AS 202/10 R - veröffentlicht in Juris), ein Erstmals benötigtes und bisher nicht vorhandenes Jugendbett (BSG, Urteil vom 23.05.2013 - B 4 AS 79/12 R - veröffentlicht in Juris) und die Neubegründung eines Haushalts nach Trennung (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 19.09.2008 - B 14 AS 64/07 R - veröffentlicht in Juris) gleichgestellt worden.

Der Anspruch auf Erstausstattung kann nicht so verstanden werden, dass einem Leistungsberechtigten im Rahmen des Leistungsbezugs nach dem SGB II stets diejenigen Bestandteile einer Erstausstattung zu bewilligen sind, die er selbst nicht besitzt. Vielmehr ist Bezugspunkt für den Bedarf an Erstausstattung die Ausstattung der Unterkunft, die der Leistungsberechtigte während des Leistungsbezugs bezieht oder die er (bei Eintritt des SGB II-Bezugs) bereits bewohnt. Ob ein entsprechender Bedarf besteht, hat nach allgemeinen Beweisgrundsätzen im Zweifel der Anspruchsteller nachzuweisen.

Ein solcher Nachweis, dass im Hinblick auf die drei geltend gemachten Gegenstände (Bettcouch, Kühlschrank und Herd) ein tatsächlicher Bedarf besteht, der durch Leistungen des Beklagten nach § 24 Abs. 3 SGB II zu decken wäre, ist von der Klägerin nicht geführt worden. Die Klägerin hat auch zur Begründung ihrer Berufung nochmals darauf hingewiesen, dass sie nicht bereit sei, Mitarbeitern des Beklagten das Betreten ihrer Wohnung zu gestatten. Vor diesem Hintergrund war es dem Beklagten nicht möglich, das Vorliegen entsprechender Bedarfe durch von Amts wegen in die Wege zu leitende Ermittlungen festzustellen. Eine gerichtliche Beweisaufnahme kommt bei dieser Sachlage – gegen den ausdrücklich geäußerten Willen der Klägerin – ebenfalls nicht in Betracht. Im Ergebnis kann deshalb, wie Beklagter und SG zu Recht entschieden haben, die begehrte Erstausstattung bereits mangels eines nachgewiesenen Bedarfes nicht gewährt werden. Ergänzend nimmt der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die Entscheidungsgründe des angegriffenen Gerichtsbescheids des SG vom 25.09.2014 Bezug und sieht insoweit von einer Darstellung (weiterer) eigener Gründe ab.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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