Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 6 U 1213/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 4555/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 28.10.2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt im Wege des Zugunstenverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) die Anerkennung einer Verletzung der großen Zehe links im Januar 2011 als Arbeitsunfall.
Der 1952 geborene Kläger war zum Zeitpunkt des streitigen Ereignisses in der Justizvollzugsanstalt (JVA) R., Außenstelle M., inhaftiert. Am 09.01.2011, einem Sonntag, beklagte sich der Kläger bei dem diensthabenden Vollzugsbeamten über Schmerzen am großen Zeh. Der Vollzugsbeamte G. hielt im Aktenvermerk vom 09.01.2011 fest, der "rechte" Zeh und der Fuß seien rot und angeschwollen, blauer Flecke seien aber nicht feststellbar gewesen. Nachdem der Kläger über fortbestehende Beschwerden geklagt hatte, wurde er noch am gleichen Tag in die Hauptanstalt verbracht, wo er stationär in das Krankenrevier aufgenommen wurde. Der Sanitätsbedienstete stellte eine eitrige Blutblase am "rechten" Großzehengrundgelenk fest, welche unmittelbar versorgt wurde. Am 13.01.2011 wurde der Kläger nach M. zurückverlegt und war bis 16.01.2011 krankgeschrieben.
Am 21.02.2011 wurde festgestellt, dass sich der linke große Zeh wieder entzündet hatte. Nachdem sich diese Entzündung nicht gebessert hatte, wurde der Kläger in das Krankenrevier der Hauptanstalt zurückverlegt, wo er eine tägliche Behandlung des Fußes erhielt (vgl. Schreiben des Anstaltsleiters der JVA R. vom 14.06.2012). Am 06.07.2011 ordnete der Anstaltsarzt die Überweisung an die Hautärztin Dr. W. an. Dort stellte sich der Kläger noch am gleichen Tag vor. Dr. W. diagnostizierte eine Ulcera und ein Ekzem links. Sie verordnete eine lokale Therapie (Befundberichte vom 06., 15. und 26.07.2011).
Bereits am 28.02.2011 hatte der Kläger gegenüber der stellvertretenden Anstaltsärztin angegeben, dass er sich die Verletzung im Rahmen der Arbeit in der Außenstelle M. zugezogen habe. Er gab unter dem 28.02.2011 schriftlich an, am 09.01.2011 gegen 9.00 Uhr bemerkt zu haben, dass er eine Verletzung am linken großen Zeh habe. Er habe dies dem zuständigen Beamten gemeldet und um Behandlung gebeten. Gegen 19.30 Uhr sei er ins Krankenrevier nach R. gefahren worden. Bei der Verletzung habe es sich um einen Nadelstich oder um eine Verletzung durch einen Eisenstab, in den er getreten sei, gehandelt. Er wisse nicht genau, wie es zu diesem Unfall gekommen sei. Bemerkt habe er die Verletzung erst am 09.01.2011. Daraufhin erstattete die Fachkraft für Arbeitssicherheit der JVA R. die Unfallanzeige vom 04.03.2011. Danach habe sich der Kläger am 09.01.2011 gegen 9.00 Uhr an der großen Zehe links verletzt. Als Art der Verletzung wurde "Stichwunde" angegeben. Es seien keine Augenzeugen vorhanden. Es wurde auf die Unfallhergangsschilderung des Klägers vom 28.02.2011 verwiesen. Mit Schreiben vom 22.03.2011 teilte die Beklagte der JVA R. mit, es könne vorliegend nicht von einem Arbeitsunfall ausgegangen werden, da der Kläger lediglich vermute, dass er sich die Stichverletzung am großen Zehen bei der Arbeit zugezogen habe. Es sei nicht klar, wann und wie es zu der Stichverletzung gekommen sei. Hierauf führte der Kläger mit Schreiben vom 13.07.2011 an die Beklagte aus, es sei am 06.01.2011 in M. sehr kalt gewesen und er habe Gummistiefel bei seiner Arbeit im Stall angehabt. Durch die sehr kalten Füße und wegen des Diabetes habe er im Fuß kein Gefühl gehabt und die Verletzung nicht bemerkt. Erst am Samstag, den 08.01.2011, gegen 19.00 Uhr habe er Fieber bekommen und sein Fuß habe zu schmerzen begonnen. Am Sonntag habe er dann den Unfall dem zuständigen Beamten gemeldet. Der Nagel sei im hohen Schnee nicht gefunden worden. Laut Arztbericht habe es sich um eine Stichverletzung gehandelt.
Mit Bescheid vom 28.07.2011 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 09.01.2011 als Versicherungsfall in der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger sei zwar am 06.01.2011 als Insasse der JVA R. mit Schneeräumarbeiten betraut gewesen, wobei es sich um eine grundsätzlich versicherte Tätigkeit gehandelt habe. Es stehe aber weder fest, wie noch wann und bei welcher Gelegenheit es zu der Verletzung am linken Zeh gekommen sei. Der Kläger vermute lediglich, dass er sich die Verletzung am 06.01.2011 bei seiner Tätigkeit für die JVA zugezogen habe. Es sei aber genauso gut möglich, dass er sich die Verletzung anderswo zugezogen habe. Eine Vermutung reiche in der gesetzlichen Unfallversicherung nicht aus. Es komme erschwerend hinzu, dass er erstmals am Wochenende und nicht direkt an dem angeschuldigten Tag oder in der Nacht darauf Schmerzen verspürt habe. Somit sei der Vollbeweis für ein Unfallereignis während der versicherten Tätigkeit nicht geführt worden.
Gegen den am 02.08.2011 dem Kläger durch die JVA ausgehändigten Bescheid legte der Prozessbevollmächtigte des Kläger mit Schreiben vom 30.06.2012 Widerspruch ein, der als verspätet zurückgewiesen wurde. Die Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 19.12.2012 und die Berufung blieben erfolglos (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen (SG) vom 09.07.2014 - S 6 U 640/13 - und Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg ( LSG ) vom 09.07.2015 - L 10 U 3014/14).
Am 20.08.2012 beantragte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Rücknahme des Bescheids vom 28.07.2011 gem. § 44 SGB X und die Anerkennung des Unfalls als Versicherungsfall. Zur Begründung führte er aus, der Bescheid vom 28.07.2011 beruhe auf einer unrichtigen Anwendung des Rechts und der Annahme eines unzutreffenden Sachverhalts. Es liege eine vorsätzliche Amtspflichtverletzung vor. Die Beklagte habe es pflichtwidrig unterlassen, den Sachverhalt in ordentlicher Weise aufzuklären.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 31.01.2013 lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheids vom 28.07.2011 gem. § 44 SGB X ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, aus dem Vortrag des Klägers ergäben sich keinerlei neue Tatsachen und Erkenntnisse, die nicht bereits bei der angefochtenen Entscheidung bekannt gewesen und berücksichtig worden seien. Der hiergegen eingelegte Widerspruch vom 05.02.2013, mit dem wiederholt auf das amtspflichtwidrige Verhalten der Beklagten hingewiesen wurde, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 23.04.2013). Da eine Begründung nicht vorgelegt worden sei, könnten auch keine weiteren Feststellungen zur Überprüfung des angefochtenen Bescheides getroffen werden.
Hiergegen hat der Kläger am 02.05.2013 beim SG Klage erhoben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, Anfang Januar 2011 habe er bei einem Einsatz auf einer Baustelle im anstaltseigenen Betrieb M. in Folge eines sogenannten Nageltritts schwere Verletzungen am linken Fuß erlitten. Diese Verletzungen seien bis zum heutigen Tag nicht ausgeheilt. Ursache hierfür seien unzureichende Unfallverhütungsvorkehrungen der JVA R. gewesen. Die ihm zur Verfügung gestellten Schuhe seien von minderer Qualität gewesen. Deshalb sei auch ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren gegen Beamte der JVA R. anhängig. Auch sei ein Zivilrechtsstreit wegen vorsätzlicher Amtspflichtverletzung beim Landgericht T. anhängig. Es sei unverständlich, dass die Beklagte es pflichtwidrig unterlassen habe, dem Gesichtspunkt der Verletzung der Unfallverhütungsvorschriften durch die JVA R. nachzugehen. Dies lasse auf ein Zusammenwirken der Beklagten mit der JVA R. zu seinem Nachteil schließen. In Anbetracht dieser Umstände sei die Beklagte zur Aufhebung des Bescheids vom 28.07.2011 verpflichtet.
Nachdem das SG den Prozesskostenhilfeantrag des Klägers abgelehnt hatte und die Beschwerde des Klägers hiergegen erfolglos blieb (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 02.07.2014 - L 8 U 2402/14 B), hat es die Klage - nach Anhörung der Beteiligten - mit Gerichtsbescheid vom 28.10.2014 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe bei Erlass des Bescheids vom 28.07.2011 den ihr vorliegenden Sachverhalt zutreffend bewertet. Es sei nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die Anerkennung eines Versicherungsfalls abgelehnt habe, da ein Unfallereignis nicht nachgewiesen sei. Für den behaupteten Unfall gebe es keine Zeugen. Auch liege kein widerspruchsfreier und eindeutiger Vortrag des Klägers vor. Dieser habe selbst angegeben, den vermuteten Unfall wegen seiner kalten Füße und seiner Diabetes nicht bemerkt zu haben. Auch sei der Erstbefund der großen Zehe und des Fußes links nicht ohne Weiteres mit einer Verletzung durch einen Nagel oder sonstigen spitzen Fremdkörper zu vereinbaren. Im Übrigen sei die behauptete Verletzung von Unfallverhütungsvorschriften nicht entscheidungserheblich.
Hiergegen richtet sich die am 03.11.2014 beim LSG eingelegte Berufung des Klägers. Die Berufung wurde trotz mehrfacher Erinnerung nicht begründet. Es wurde auch kein Antrag gestellt.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Der Senat hat den Kläger mit Schreiben vom 04.03.2015 gem. § 106a Abs. 2 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) unter Fristsetzung (31.03.2015) aufgefordert, die Tatsachen anzugeben und Beweismittel zu benennen, auf die er seine Berufung stützt. Auch hierauf hat er nicht reagiert.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 31.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 23.04.2013 (§ 95 SGG) ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 SGB X sind nicht erfüllt. Der Bescheid vom 28.07.2011 ist rechtmäßig, da ein Arbeitsunfall am 06.01.2011 nicht nachgewiesen ist.
Nachdem der Kläger im Berufungsverfahren keinen Antrag gestellt hat, was nicht zur Unzulässigkeit der Berufung führt (vgl. § 151 Abs. 3 SGG), kann der Senat offen lassen, ob - wie das SG angenommen hat - die zutreffende Klageart für das Vorliegen des Begehrens des Klägers auf Korrektur des bisher ergangenen Ablehnungsbescheids nach § 44 SGB X die kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Feststellungsklage nach §§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 3, 56 SGG ist (vgl. BSG, Urteil vom 10.11.2011 - B 8 SO 12/10 R = SozR 4-1300 § 107 Nr. 5; Urteil vom 18.05.2010 - B 7 AL 49/08 R = SozR 4-4300 § 122 Nr. 8) oder ob es einer zusätzlichen Verpflichtungsklage, mit der die Beklagte verpflichtet werden soll, ihren früheren, dem geltend gemachten Anspruch entgegenstehenden Bescheid selbst aufzuheben, nicht bedarf (so BSG, Urteil vom 05.09.2006 - B 2 U 24/05 R = SozR 4-2700 § 8 Nr. 18). Denn das Begehren des Klägers scheitert in jedem Fall daran, dass die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X nicht erfüllt sind.
Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers auf Rücknahme des Bescheids vom 28.07.2011 ist § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Hiernach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Ziel des § 44 SGB X ist es, die Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung (§ 77 SGG) eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes und der materiellen Gerechtigkeit zu Gunsten letzterer aufzulösen (BSG, Urteil vom 04.02.1998 - B 9 V 16/96 R = SozR 3-1300 § 44 Nr. 24). Ist ein Verwaltungsakt rechtswidrig, hat der betroffene Bürger einen einklagbaren Anspruch auf Rücknahme des Verwaltungsaktes unabhängig davon, ob der Verwaltungsakt durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt wurde (BSG, Urteil vom 28.01.1981 - 9 RV 29/80 = BSGE 51, 139, 141 = SozR 3900 § 40 Nr. 5; BSG SozR 2200 § 1268 Nr. 29). Entsprechend dem Umfang des Vorbringens des Versicherten muss die Verwaltung in eine erneute Prüfung eintreten und den Antragsteller bescheiden (BSG, Urteil vom 25.09.2006 - B 2 U 24/05 R = BSGE 97, 54 = juris, RdNr. 12 m.w.N.). § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X führt zwei Alternativen an, weswegen ein Verwaltungsakt zurückzunehmen sein kann: Das Recht kann unrichtig angewandt oder es kann von einem Sachverhalt ausgegangen worden sein, der sich als unrichtig erweist. Nur für die zweite Alternative kommt es auf die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel an, woran sich ggf. ein abgestuftes Prüfungsverfahren (Vorlage neuer Tatsachen oder Erkenntnisse – Prüfung derselben, insbesondere ob sie erheblich sind – Prüfung, ob Rücknahme zu erfolgen hat – neue Entscheidung) anschließt (BSG, Urteil vom 25.09.2006, a.a.O., RdNr. 13). Bei der ersten Alternative handelt es sich demgegenüber um eine rein juristische Überprüfung der Rechtsmäßigkeit der Entscheidung, zu der von Seiten des Klägers zwar Gesichtspunkte beigesteuert werden können, die aber letztlich umfassend von Amts wegen zu erfolgen hat.
Die Voraussetzung einer Korrektur der angegriffenen Entscheidung der Beklagten nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X liegen nicht vor, da Anhaltspunkte für eine unrichtige Rechtsanwendung oder für die Annahme eines unzutreffenden Sachverhalts nicht vorliegen. Der Kläger hat während des gesamten Verfahrens keine neuen Tatsachen und Erkenntnisse benannt. Sein Vortrag (im Klageverfahren) beschränkt sich vielmehr darauf, dass Ursache seiner Verletzung am linken großen Zeh im Januar 2011 unzureichende Unfallverhütungsvorkehrungen der JVA Rottenburg gewesen seien und die Beklagte keine entsprechenden Ermittlungen diesbezüglich durchgeführt habe. In diesem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, dass der Arbeitgeber (hier die JVA Rottenburg) zwar grundsätzlich verpflichtet ist, die Unfallverhütungsvorschriften einzuhalten, um die Betriebssicherheit herzustellen. Allerdings resultiert aus einer Verletzung der Unfallverhütungsvorschriften keine betriebliche Gefahr, für die die Beklagte einstandspflichtig ist. Denn es gibt keinen Rechtsgrundsatz dahingehend, dass die Beklagte gleichsam eine Garantenstellung hinsichtlich sämtlicher Gefahrenquellen hat, die im örtlichen oder zeitlichen Zusammenhang mit den betrieblichen Gegebenheiten stehen (Bayerisches LSG, Urteil vom 12.10.2010 - L 3 U 501/08 = UV-Recht Aktuell 2011, 2014 = juris RdNr. 30). Die Missachtung von Unfallverhütungsvorschriften kann lediglich - soweit die Voraussetzungen hierfür vorliegen - zu einem Anspruch nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII gegen den Arbeitgeber führen (vgl. hierzu Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.08.2004 - 8 AZR 349/03 = AP Nr. 4 zu § 104 SGB VII).
Der Versicherte kann vom zuständigen Unfallversicherungsträger nach § 102 SGB VII die Feststellung eines Versicherungsfalles (hier eines Arbeitsunfalles) nur beanspruchen, wenn ein solcher eingetreten ist (vgl. BSG, Urteil vom 05.07.2011 - B 2 U 17/10 R = SozR 4-2700 § 11 Nr. 1 RdNr. 15f). Nachdem die Berufung nicht begründet wurde, konnte sich der Senat nach Prüfung der vorhandenen Unterlagen hiervon nicht überzeugen. Dabei gilt hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt für die Beweiswürdigung, dass die Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfalls", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitsschaden" erfüllen sollen im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst recht nicht die bloße Möglichkeit (vgl BSG, Urteil vom 31.01.2012 - B 2 U 2/11 R = SozR 4-2700 § 8 Nr. 43 RdNr. 17 m.w.N.). Lassen sich die anspruchsbegründenden Tatsachen nicht nachweisen oder ist der ursächliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfallereignis oder zwischen diesem und der eingetretenen Gesundheitsstörung nicht wahrscheinlich, geht dies nach dem im Sozialrecht geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der hieraus eine ihm günstige Rechtsfolge herleiten will (vgl. BSG, a.a.O., RdNr. 28 m.w.N.).
Unter Berücksichtigung dieser Voraussetzungen steht zwar fest, dass der Kläger bei seiner Tätigkeit am 06.01.2011 oder 09.01.2011 in der Außenstelle M. als Strafgefangener dem Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 Satz 2 SGB VII unterlag. Aufgrund der Befundberichte der Dr. W. vom 06., 15. und 26.07.2011 steht darüber hinaus fest, dass der Kläger im Juli 2011 wegen einer Ulcera und einem Ekzem am linken großen Zeh behandelt wurde.
Eine "Verrichtung zur Zeit des Unfalls", die unter einem gesetzlichen Versicherungstatbestand zu subsumieren wäre, ist aber nach wie vor nicht erwiesen. Der Senat konnte sich nicht davon überzeugen, dass der Kläger seinen Gesundheitsschaden im Bereich der linken großen Zehe bei der Ausübung einer Tätigkeit erlitten hat, die in einem sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stand. Das SG hat in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hingewiesen, dass der Kläger selbst angegeben hat, dass er den vermuteten Unfall wegen kalter Füße und seines Diabetes überhaupt nicht bemerkt hat. Dies ergibt sich aus seinem Schreiben vom 13.07.2011. Danach bemerkte er erst am 08.01.2011 Schmerzen im Fuß. In seiner Unfallhergangsschilderung vom 28.02.2011 gab er hingegen an, dass er erst am 09.01.2011 gegen 9.00 Uhr bemerkt habe, dass er sich eine Verletzung am linken großen Zeh zugezogen habe. Hierbei hat er ausdrücklich darauf hingewiesen, nicht zu wissen, wie es zu dem Unfall gekommen ist. Vor diesem Hintergrund konnte sich der Senat nicht davon überzeugen, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Gesundheitsschäden am linken großen Zeh bei der Ausübung einer versicherten Tätigkeit verursacht worden sind. Hinzu kommt, dass sich der erhoben Erstbefund im Hinblick auf die Gesundheitsschäden am großen Zeh und am Fuß links nicht mit einer Verletzung durch einen Nagel oder sonstigen spitzen Fremdkörper vereinbaren lässt. Der Senat stützt sich hierbei auf den Aktenvermerk vom 09.01.2011 des Vollzugsbeamten Geiselhart. Danach war der "rechte" (gemeint wohl linke) Zeh und Fuß rot und angeschwollen, wobei sich keine blauen Flecken am Fuß feststellen ließen. Im Krankenrevier wurde am späten Abend des gleichen Tages eine eitrige Blutblase am rechten Großzehengrundgelenk versorgt. Dies entnimmt der Senat dem Bericht des Anstaltsleiters vom 14.06.2012. Die Anstaltsärztin hat in der Folgezeit ein chronisches Ulcus an der linken Großzehe und ein akut nässendes Ekzem am linken Fuß diagnostiziert, was sich aus dem Überweisungsauftrag vom 06.07.2011 ergibt. Dies wurde auch durch die behandelnde Hautärztin Dr. W. bestätigt (Arztbrief vom 15.07.2011). Eine typische Stichverletzung oder Risswunde ist mithin nach Aktenlage zu keinem Zeitpunkt diagnostiziert worden.
Nach alledem hat es die Beklagte zu Recht abgelehnt, den Bescheid vom 28.07.2011 zurückzunehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt im Wege des Zugunstenverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) die Anerkennung einer Verletzung der großen Zehe links im Januar 2011 als Arbeitsunfall.
Der 1952 geborene Kläger war zum Zeitpunkt des streitigen Ereignisses in der Justizvollzugsanstalt (JVA) R., Außenstelle M., inhaftiert. Am 09.01.2011, einem Sonntag, beklagte sich der Kläger bei dem diensthabenden Vollzugsbeamten über Schmerzen am großen Zeh. Der Vollzugsbeamte G. hielt im Aktenvermerk vom 09.01.2011 fest, der "rechte" Zeh und der Fuß seien rot und angeschwollen, blauer Flecke seien aber nicht feststellbar gewesen. Nachdem der Kläger über fortbestehende Beschwerden geklagt hatte, wurde er noch am gleichen Tag in die Hauptanstalt verbracht, wo er stationär in das Krankenrevier aufgenommen wurde. Der Sanitätsbedienstete stellte eine eitrige Blutblase am "rechten" Großzehengrundgelenk fest, welche unmittelbar versorgt wurde. Am 13.01.2011 wurde der Kläger nach M. zurückverlegt und war bis 16.01.2011 krankgeschrieben.
Am 21.02.2011 wurde festgestellt, dass sich der linke große Zeh wieder entzündet hatte. Nachdem sich diese Entzündung nicht gebessert hatte, wurde der Kläger in das Krankenrevier der Hauptanstalt zurückverlegt, wo er eine tägliche Behandlung des Fußes erhielt (vgl. Schreiben des Anstaltsleiters der JVA R. vom 14.06.2012). Am 06.07.2011 ordnete der Anstaltsarzt die Überweisung an die Hautärztin Dr. W. an. Dort stellte sich der Kläger noch am gleichen Tag vor. Dr. W. diagnostizierte eine Ulcera und ein Ekzem links. Sie verordnete eine lokale Therapie (Befundberichte vom 06., 15. und 26.07.2011).
Bereits am 28.02.2011 hatte der Kläger gegenüber der stellvertretenden Anstaltsärztin angegeben, dass er sich die Verletzung im Rahmen der Arbeit in der Außenstelle M. zugezogen habe. Er gab unter dem 28.02.2011 schriftlich an, am 09.01.2011 gegen 9.00 Uhr bemerkt zu haben, dass er eine Verletzung am linken großen Zeh habe. Er habe dies dem zuständigen Beamten gemeldet und um Behandlung gebeten. Gegen 19.30 Uhr sei er ins Krankenrevier nach R. gefahren worden. Bei der Verletzung habe es sich um einen Nadelstich oder um eine Verletzung durch einen Eisenstab, in den er getreten sei, gehandelt. Er wisse nicht genau, wie es zu diesem Unfall gekommen sei. Bemerkt habe er die Verletzung erst am 09.01.2011. Daraufhin erstattete die Fachkraft für Arbeitssicherheit der JVA R. die Unfallanzeige vom 04.03.2011. Danach habe sich der Kläger am 09.01.2011 gegen 9.00 Uhr an der großen Zehe links verletzt. Als Art der Verletzung wurde "Stichwunde" angegeben. Es seien keine Augenzeugen vorhanden. Es wurde auf die Unfallhergangsschilderung des Klägers vom 28.02.2011 verwiesen. Mit Schreiben vom 22.03.2011 teilte die Beklagte der JVA R. mit, es könne vorliegend nicht von einem Arbeitsunfall ausgegangen werden, da der Kläger lediglich vermute, dass er sich die Stichverletzung am großen Zehen bei der Arbeit zugezogen habe. Es sei nicht klar, wann und wie es zu der Stichverletzung gekommen sei. Hierauf führte der Kläger mit Schreiben vom 13.07.2011 an die Beklagte aus, es sei am 06.01.2011 in M. sehr kalt gewesen und er habe Gummistiefel bei seiner Arbeit im Stall angehabt. Durch die sehr kalten Füße und wegen des Diabetes habe er im Fuß kein Gefühl gehabt und die Verletzung nicht bemerkt. Erst am Samstag, den 08.01.2011, gegen 19.00 Uhr habe er Fieber bekommen und sein Fuß habe zu schmerzen begonnen. Am Sonntag habe er dann den Unfall dem zuständigen Beamten gemeldet. Der Nagel sei im hohen Schnee nicht gefunden worden. Laut Arztbericht habe es sich um eine Stichverletzung gehandelt.
Mit Bescheid vom 28.07.2011 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 09.01.2011 als Versicherungsfall in der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger sei zwar am 06.01.2011 als Insasse der JVA R. mit Schneeräumarbeiten betraut gewesen, wobei es sich um eine grundsätzlich versicherte Tätigkeit gehandelt habe. Es stehe aber weder fest, wie noch wann und bei welcher Gelegenheit es zu der Verletzung am linken Zeh gekommen sei. Der Kläger vermute lediglich, dass er sich die Verletzung am 06.01.2011 bei seiner Tätigkeit für die JVA zugezogen habe. Es sei aber genauso gut möglich, dass er sich die Verletzung anderswo zugezogen habe. Eine Vermutung reiche in der gesetzlichen Unfallversicherung nicht aus. Es komme erschwerend hinzu, dass er erstmals am Wochenende und nicht direkt an dem angeschuldigten Tag oder in der Nacht darauf Schmerzen verspürt habe. Somit sei der Vollbeweis für ein Unfallereignis während der versicherten Tätigkeit nicht geführt worden.
Gegen den am 02.08.2011 dem Kläger durch die JVA ausgehändigten Bescheid legte der Prozessbevollmächtigte des Kläger mit Schreiben vom 30.06.2012 Widerspruch ein, der als verspätet zurückgewiesen wurde. Die Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 19.12.2012 und die Berufung blieben erfolglos (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen (SG) vom 09.07.2014 - S 6 U 640/13 - und Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg ( LSG ) vom 09.07.2015 - L 10 U 3014/14).
Am 20.08.2012 beantragte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Rücknahme des Bescheids vom 28.07.2011 gem. § 44 SGB X und die Anerkennung des Unfalls als Versicherungsfall. Zur Begründung führte er aus, der Bescheid vom 28.07.2011 beruhe auf einer unrichtigen Anwendung des Rechts und der Annahme eines unzutreffenden Sachverhalts. Es liege eine vorsätzliche Amtspflichtverletzung vor. Die Beklagte habe es pflichtwidrig unterlassen, den Sachverhalt in ordentlicher Weise aufzuklären.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 31.01.2013 lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheids vom 28.07.2011 gem. § 44 SGB X ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, aus dem Vortrag des Klägers ergäben sich keinerlei neue Tatsachen und Erkenntnisse, die nicht bereits bei der angefochtenen Entscheidung bekannt gewesen und berücksichtig worden seien. Der hiergegen eingelegte Widerspruch vom 05.02.2013, mit dem wiederholt auf das amtspflichtwidrige Verhalten der Beklagten hingewiesen wurde, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 23.04.2013). Da eine Begründung nicht vorgelegt worden sei, könnten auch keine weiteren Feststellungen zur Überprüfung des angefochtenen Bescheides getroffen werden.
Hiergegen hat der Kläger am 02.05.2013 beim SG Klage erhoben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, Anfang Januar 2011 habe er bei einem Einsatz auf einer Baustelle im anstaltseigenen Betrieb M. in Folge eines sogenannten Nageltritts schwere Verletzungen am linken Fuß erlitten. Diese Verletzungen seien bis zum heutigen Tag nicht ausgeheilt. Ursache hierfür seien unzureichende Unfallverhütungsvorkehrungen der JVA R. gewesen. Die ihm zur Verfügung gestellten Schuhe seien von minderer Qualität gewesen. Deshalb sei auch ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren gegen Beamte der JVA R. anhängig. Auch sei ein Zivilrechtsstreit wegen vorsätzlicher Amtspflichtverletzung beim Landgericht T. anhängig. Es sei unverständlich, dass die Beklagte es pflichtwidrig unterlassen habe, dem Gesichtspunkt der Verletzung der Unfallverhütungsvorschriften durch die JVA R. nachzugehen. Dies lasse auf ein Zusammenwirken der Beklagten mit der JVA R. zu seinem Nachteil schließen. In Anbetracht dieser Umstände sei die Beklagte zur Aufhebung des Bescheids vom 28.07.2011 verpflichtet.
Nachdem das SG den Prozesskostenhilfeantrag des Klägers abgelehnt hatte und die Beschwerde des Klägers hiergegen erfolglos blieb (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 02.07.2014 - L 8 U 2402/14 B), hat es die Klage - nach Anhörung der Beteiligten - mit Gerichtsbescheid vom 28.10.2014 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe bei Erlass des Bescheids vom 28.07.2011 den ihr vorliegenden Sachverhalt zutreffend bewertet. Es sei nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die Anerkennung eines Versicherungsfalls abgelehnt habe, da ein Unfallereignis nicht nachgewiesen sei. Für den behaupteten Unfall gebe es keine Zeugen. Auch liege kein widerspruchsfreier und eindeutiger Vortrag des Klägers vor. Dieser habe selbst angegeben, den vermuteten Unfall wegen seiner kalten Füße und seiner Diabetes nicht bemerkt zu haben. Auch sei der Erstbefund der großen Zehe und des Fußes links nicht ohne Weiteres mit einer Verletzung durch einen Nagel oder sonstigen spitzen Fremdkörper zu vereinbaren. Im Übrigen sei die behauptete Verletzung von Unfallverhütungsvorschriften nicht entscheidungserheblich.
Hiergegen richtet sich die am 03.11.2014 beim LSG eingelegte Berufung des Klägers. Die Berufung wurde trotz mehrfacher Erinnerung nicht begründet. Es wurde auch kein Antrag gestellt.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Der Senat hat den Kläger mit Schreiben vom 04.03.2015 gem. § 106a Abs. 2 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) unter Fristsetzung (31.03.2015) aufgefordert, die Tatsachen anzugeben und Beweismittel zu benennen, auf die er seine Berufung stützt. Auch hierauf hat er nicht reagiert.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 31.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 23.04.2013 (§ 95 SGG) ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 SGB X sind nicht erfüllt. Der Bescheid vom 28.07.2011 ist rechtmäßig, da ein Arbeitsunfall am 06.01.2011 nicht nachgewiesen ist.
Nachdem der Kläger im Berufungsverfahren keinen Antrag gestellt hat, was nicht zur Unzulässigkeit der Berufung führt (vgl. § 151 Abs. 3 SGG), kann der Senat offen lassen, ob - wie das SG angenommen hat - die zutreffende Klageart für das Vorliegen des Begehrens des Klägers auf Korrektur des bisher ergangenen Ablehnungsbescheids nach § 44 SGB X die kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Feststellungsklage nach §§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 3, 56 SGG ist (vgl. BSG, Urteil vom 10.11.2011 - B 8 SO 12/10 R = SozR 4-1300 § 107 Nr. 5; Urteil vom 18.05.2010 - B 7 AL 49/08 R = SozR 4-4300 § 122 Nr. 8) oder ob es einer zusätzlichen Verpflichtungsklage, mit der die Beklagte verpflichtet werden soll, ihren früheren, dem geltend gemachten Anspruch entgegenstehenden Bescheid selbst aufzuheben, nicht bedarf (so BSG, Urteil vom 05.09.2006 - B 2 U 24/05 R = SozR 4-2700 § 8 Nr. 18). Denn das Begehren des Klägers scheitert in jedem Fall daran, dass die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X nicht erfüllt sind.
Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers auf Rücknahme des Bescheids vom 28.07.2011 ist § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Hiernach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Ziel des § 44 SGB X ist es, die Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung (§ 77 SGG) eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes und der materiellen Gerechtigkeit zu Gunsten letzterer aufzulösen (BSG, Urteil vom 04.02.1998 - B 9 V 16/96 R = SozR 3-1300 § 44 Nr. 24). Ist ein Verwaltungsakt rechtswidrig, hat der betroffene Bürger einen einklagbaren Anspruch auf Rücknahme des Verwaltungsaktes unabhängig davon, ob der Verwaltungsakt durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt wurde (BSG, Urteil vom 28.01.1981 - 9 RV 29/80 = BSGE 51, 139, 141 = SozR 3900 § 40 Nr. 5; BSG SozR 2200 § 1268 Nr. 29). Entsprechend dem Umfang des Vorbringens des Versicherten muss die Verwaltung in eine erneute Prüfung eintreten und den Antragsteller bescheiden (BSG, Urteil vom 25.09.2006 - B 2 U 24/05 R = BSGE 97, 54 = juris, RdNr. 12 m.w.N.). § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X führt zwei Alternativen an, weswegen ein Verwaltungsakt zurückzunehmen sein kann: Das Recht kann unrichtig angewandt oder es kann von einem Sachverhalt ausgegangen worden sein, der sich als unrichtig erweist. Nur für die zweite Alternative kommt es auf die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel an, woran sich ggf. ein abgestuftes Prüfungsverfahren (Vorlage neuer Tatsachen oder Erkenntnisse – Prüfung derselben, insbesondere ob sie erheblich sind – Prüfung, ob Rücknahme zu erfolgen hat – neue Entscheidung) anschließt (BSG, Urteil vom 25.09.2006, a.a.O., RdNr. 13). Bei der ersten Alternative handelt es sich demgegenüber um eine rein juristische Überprüfung der Rechtsmäßigkeit der Entscheidung, zu der von Seiten des Klägers zwar Gesichtspunkte beigesteuert werden können, die aber letztlich umfassend von Amts wegen zu erfolgen hat.
Die Voraussetzung einer Korrektur der angegriffenen Entscheidung der Beklagten nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X liegen nicht vor, da Anhaltspunkte für eine unrichtige Rechtsanwendung oder für die Annahme eines unzutreffenden Sachverhalts nicht vorliegen. Der Kläger hat während des gesamten Verfahrens keine neuen Tatsachen und Erkenntnisse benannt. Sein Vortrag (im Klageverfahren) beschränkt sich vielmehr darauf, dass Ursache seiner Verletzung am linken großen Zeh im Januar 2011 unzureichende Unfallverhütungsvorkehrungen der JVA Rottenburg gewesen seien und die Beklagte keine entsprechenden Ermittlungen diesbezüglich durchgeführt habe. In diesem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, dass der Arbeitgeber (hier die JVA Rottenburg) zwar grundsätzlich verpflichtet ist, die Unfallverhütungsvorschriften einzuhalten, um die Betriebssicherheit herzustellen. Allerdings resultiert aus einer Verletzung der Unfallverhütungsvorschriften keine betriebliche Gefahr, für die die Beklagte einstandspflichtig ist. Denn es gibt keinen Rechtsgrundsatz dahingehend, dass die Beklagte gleichsam eine Garantenstellung hinsichtlich sämtlicher Gefahrenquellen hat, die im örtlichen oder zeitlichen Zusammenhang mit den betrieblichen Gegebenheiten stehen (Bayerisches LSG, Urteil vom 12.10.2010 - L 3 U 501/08 = UV-Recht Aktuell 2011, 2014 = juris RdNr. 30). Die Missachtung von Unfallverhütungsvorschriften kann lediglich - soweit die Voraussetzungen hierfür vorliegen - zu einem Anspruch nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII gegen den Arbeitgeber führen (vgl. hierzu Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.08.2004 - 8 AZR 349/03 = AP Nr. 4 zu § 104 SGB VII).
Der Versicherte kann vom zuständigen Unfallversicherungsträger nach § 102 SGB VII die Feststellung eines Versicherungsfalles (hier eines Arbeitsunfalles) nur beanspruchen, wenn ein solcher eingetreten ist (vgl. BSG, Urteil vom 05.07.2011 - B 2 U 17/10 R = SozR 4-2700 § 11 Nr. 1 RdNr. 15f). Nachdem die Berufung nicht begründet wurde, konnte sich der Senat nach Prüfung der vorhandenen Unterlagen hiervon nicht überzeugen. Dabei gilt hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt für die Beweiswürdigung, dass die Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfalls", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitsschaden" erfüllen sollen im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst recht nicht die bloße Möglichkeit (vgl BSG, Urteil vom 31.01.2012 - B 2 U 2/11 R = SozR 4-2700 § 8 Nr. 43 RdNr. 17 m.w.N.). Lassen sich die anspruchsbegründenden Tatsachen nicht nachweisen oder ist der ursächliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfallereignis oder zwischen diesem und der eingetretenen Gesundheitsstörung nicht wahrscheinlich, geht dies nach dem im Sozialrecht geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der hieraus eine ihm günstige Rechtsfolge herleiten will (vgl. BSG, a.a.O., RdNr. 28 m.w.N.).
Unter Berücksichtigung dieser Voraussetzungen steht zwar fest, dass der Kläger bei seiner Tätigkeit am 06.01.2011 oder 09.01.2011 in der Außenstelle M. als Strafgefangener dem Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 Satz 2 SGB VII unterlag. Aufgrund der Befundberichte der Dr. W. vom 06., 15. und 26.07.2011 steht darüber hinaus fest, dass der Kläger im Juli 2011 wegen einer Ulcera und einem Ekzem am linken großen Zeh behandelt wurde.
Eine "Verrichtung zur Zeit des Unfalls", die unter einem gesetzlichen Versicherungstatbestand zu subsumieren wäre, ist aber nach wie vor nicht erwiesen. Der Senat konnte sich nicht davon überzeugen, dass der Kläger seinen Gesundheitsschaden im Bereich der linken großen Zehe bei der Ausübung einer Tätigkeit erlitten hat, die in einem sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stand. Das SG hat in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hingewiesen, dass der Kläger selbst angegeben hat, dass er den vermuteten Unfall wegen kalter Füße und seines Diabetes überhaupt nicht bemerkt hat. Dies ergibt sich aus seinem Schreiben vom 13.07.2011. Danach bemerkte er erst am 08.01.2011 Schmerzen im Fuß. In seiner Unfallhergangsschilderung vom 28.02.2011 gab er hingegen an, dass er erst am 09.01.2011 gegen 9.00 Uhr bemerkt habe, dass er sich eine Verletzung am linken großen Zeh zugezogen habe. Hierbei hat er ausdrücklich darauf hingewiesen, nicht zu wissen, wie es zu dem Unfall gekommen ist. Vor diesem Hintergrund konnte sich der Senat nicht davon überzeugen, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Gesundheitsschäden am linken großen Zeh bei der Ausübung einer versicherten Tätigkeit verursacht worden sind. Hinzu kommt, dass sich der erhoben Erstbefund im Hinblick auf die Gesundheitsschäden am großen Zeh und am Fuß links nicht mit einer Verletzung durch einen Nagel oder sonstigen spitzen Fremdkörper vereinbaren lässt. Der Senat stützt sich hierbei auf den Aktenvermerk vom 09.01.2011 des Vollzugsbeamten Geiselhart. Danach war der "rechte" (gemeint wohl linke) Zeh und Fuß rot und angeschwollen, wobei sich keine blauen Flecken am Fuß feststellen ließen. Im Krankenrevier wurde am späten Abend des gleichen Tages eine eitrige Blutblase am rechten Großzehengrundgelenk versorgt. Dies entnimmt der Senat dem Bericht des Anstaltsleiters vom 14.06.2012. Die Anstaltsärztin hat in der Folgezeit ein chronisches Ulcus an der linken Großzehe und ein akut nässendes Ekzem am linken Fuß diagnostiziert, was sich aus dem Überweisungsauftrag vom 06.07.2011 ergibt. Dies wurde auch durch die behandelnde Hautärztin Dr. W. bestätigt (Arztbrief vom 15.07.2011). Eine typische Stichverletzung oder Risswunde ist mithin nach Aktenlage zu keinem Zeitpunkt diagnostiziert worden.
Nach alledem hat es die Beklagte zu Recht abgelehnt, den Bescheid vom 28.07.2011 zurückzunehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
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