L 11 KR 5275/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 8 KR 1137/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 5275/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zum Anspruch auf Vergütung einer Krankenhausbehandlung bei einer Versicherten, die an chronischer Niereninsuffizienz litt und dialysepflichtig war und bei der es aufgrund übermäßiger Zufuhr kaliumreicher Ernährung zu einer (letztlich tödlich verlaufenden) Hyperkaliämie gekommen ist (Abgrenzung Haupt-/ Nebendiagnose).
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 25.10.2013 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 3.407 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer Krankenhausbehandlung.

Die Klägerin, Rechtsträgerin des zugelassenen C.-Krankenhauses B. M., behandelte die 1949 geborene, bei der beklagten Krankenkasse versicherte R. G. (im Folgenden: Versicherte) in der Zeit vom 16.05. bis 03.06.2009 stationär. Die Versicherte litt unter chronischer Niereninsuffizienz und war seit November 2008 dialysepflichtig. Am 16.05.2009 stellte sie sich mit zunehmender Schwäche in den Oberschenkeln und Lähmungsgefühl in den Händen und Füßen in der Notaufnahme der Klägerin vor. Zuvor war es seit dem Morgen zu zunehmender Dyspnoe gekommen. Während des Aufnahmegespräches erlitt die Versicherte einen Herzstillstand, sie musste reanimiert und intubiert werden. Es wurde eine Hyperkaliämie von 9,34 mmol/l festgestellt, die aus übermäßiger Zufuhr kaliumreicher Ernährung bei ansonsten eher niedrigen Kaliumwerten resultierte. Unter entsprechender Medikation kam es zunächst zu einer Stabilisierung mit Sinusrhythmus und normotonen Blutdruckwerten. Auf der Intensivstation wurde die Versicherte sofort dialysiert, das Kalium lag danach bei 3,8 mmol/l. Bei erneut auftretenden Bradykardien in der Nacht lag das Kalium bei 6,01 mmol/l, die Versicherte wurde erneut dialysiert. Nach Extubation am 18.05.2009 wurden im weiteren Verlauf täglich Dialysen durchgeführt. Die Versicherte wünschte außer der Dialysetherapie ausdrücklich keine lebensverlängernden Maßnahmen und keine erneute Reanimation. In der Folgezeit verschlechterte sich der Zustand der Versicherten weiter, sie verstarb am 03.06.2009.

Die Klägerin kodierte als Hauptdiagnose nach ICD-10 die Ziffer I50.01 (sekundäre Rechtsherzinsuffizienz) und rechnete auf dieser Grundlage die diagnoseorientierte Fallpauschale DRG F43B: Beatmung ) 24 Stunden bei Krankheiten und Störungen des Kreislaufsystems, Alter ) 5 Jahre, mit äußerst schweren CC in Höhe von 12.806,22 EUR ab. Die Beklagte beglich diesen Betrag zunächst.

Mit Schreiben vom 24.06.2009 beauftragte die Beklagte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) mit einer Einzelfallbegutachtung. Der MDK (Dr. S.) teilte mit Gutachten vom 26.08.2009 mit, als Hauptdiagnose sei N17.9 (akutes Nierenversagen, nicht näher bezeichnet) anzugeben, was zu der Fallpauschale DRG L60A: Niereninsuffizienz, mehr als ein Belegungstag, mit Dialyse, akutem Nierenversagen und äußerst schweren CC oder mit Dialyse, mit akutem Nierenversagen oder äußerst schweren CC oder mit Kalziphylaxie, mit Dialyse oder äußerst schweren CC, Alter ( 16 Jahre führe.

Die Beklagte bat die Klägerin mit Schreiben vom 31.08.2009 um Mitteilung, ob sie sich den Ausführungen des Gutachters anschließen könne. Die Klägerin widersprach dem Gutachten. Die akute Verschlechterung des Allgemeinzustandes sei nicht durch das akute Nierenversagen bei bereits vorbestehender chronischer Niereninsuffizienz verursacht worden, sondern durch die Globalherzdekompensation, welche Folge der Hyperkaliämie gewesen sei. Die Beklagte beauftragte den MDK erneut mit einer Prüfung. Mit Gutachten vom 08.01.2010 führte der MDK (Dr. O.) aus, nach Überprüfung zusätzlich angeforderter Laborbefunde seien die RIFLE-Kriterien für ein akutes Nierenversagen nicht erfüllt, es handele sich um eine akute Verschlechterung der Nierenfunktion bei vorbestehender terminaler Niereninsuffizienz, welche mit N18.0 als Hauptdiagnose zu kodieren sei. Die sekundäre Rechtsherzinsuffizienz könne allenfalls als Nebendiagnose mit I50.01 kodiert werden. Daraus resultiere dann die DRG L60B: Niereninsuffizienz, mehr als ein Belegungstag, mit Dialyse, mit akutem Nierenversagen oder äußerst schweren CC oder mit Kalziphylaxie, mit Dialyse oder äußerst schweren CC, Alter ) 15 Jahre. Nachdem sich die Klägerin mit dieser Beurteilung weiterhin nicht einverstanden zeigte, verrechnete die Beklagte den ursprünglich gezahlten Rechnungsbetrag iHv 3.407 EUR mit anderen, unstreitigen Forderungen der Klägerin.

Mit Klage vom 24.03.2011 zum Sozialgericht Heilbronn (SG) hat die Klägerin die Zahlung von 3.407 EUR geltend gemacht. Die Herzinsuffizienz sei Hauptursache für die durchgeführten Behandlungen gewesen, sie sei auch Ursache für die Häufigkeit der notwendigen Dialysen gewesen (12mal innerhalb von 19 Tagen). Zudem berücksichtige die Einstufung als Hauptursache auch, dass sich am Aufnahmetag im Röntgen-Thorax Zeichen der pulmonal-venösen Stauung gezeigt hätten.

Das SG hat ein gerichtliches Sachverständigengutachten bei Dr. V. eingeholt. Dieser hat mit Gutachten vom 22.01.2012 und ergänzender Stellungnahme vom 20.05.2012 ausgeführt, die Behandlung sei nach DRG L60B abzurechnen. Nach den geltenden Kodierrichtlinien (Version 2009) werde die Hauptdiagnose definiert als die Diagnose, die nach Analyse als diejenige festgestellt worden sei, die hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthalt des Patienten verantwortlich sei. Diese müsse nicht der Aufnahmediagnose entsprechen. Hier sei die Diagnose N18.0 (Terminale Niereninsuffizienz) als Hauptdiagnose zu kodieren. Bei Aufnahme der Versicherten sei die eingetretene Asystolie unstreitig auf die zu diesem Zeitpunkt bestehende, ausgeprägte Erhöhung des Kaliums im Serum zurückzuführen. Angesichts der multiplen Vorerkrankungen der Versicherten müsse davon ausgegangen werden, dass die lebensbedrohliche Kaliumerhöhung von 9,34 mmol/l auf die fremdanamnestisch gesicherte deutlich erhöhte Kaliumaufnahme über die Nahrung bei gleichzeitig vorliegender terminaler, dialysepflichtiger Niereninsuffizienz zurückzuführen sei. Beim Gesunden sei eine zumal lebensbedrohliche Hyperkaliämie durch gesteigerte Kaliumzufuhr über die Nahrung (etwa durch vermehrten Verzehr von Bananen oder Aprikosen) nur schwer zu erreichen. Zum Zeitpunkt der Aufnahme habe eine dekompensierte, globale Herzinsuffizienz vorgelegen, die für die am Aufnahmetag geklagte Dyspnoe, die ausgeprägten peripheren Ödeme und die pulmonalvenösen Stauungszeichen verantwortlich sei. Die kardiale Dekompensation sei ganz überwiegend auf die Hyperkaliämie zurückzuführen. Diese resultiere wiederum aus einer zuletzt deutlich erhöhten oralen Kaliumaufnahme bei terminaler, dialysepflichtiger Niereninsuffizienz. Aus gutachterlicher Sicht sei es zulässig, die Erkrankungen "dekompensierte Herzinsuffizienz" und "Hyperkaliämie" als "Symptome" der vorliegenden Grunderkrankung "terminale Niereninsuffizienz" iSd Kodierrichtlinien zu bezeichnen. Unter Berücksichtigung weiterer Nebendiagnosen (Aufzählung Bl 82 f SG-Akte) und der durchgeführten Prozeduren (Bl 84 ff SG-Akte) sei hier nach DRG L60B abzurechnen.

Mit Urteil vom 25.10.2013 hat das SG die Klage gestützt auf das Gutachten von Dr. V. abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Vergütungsanspruch auf der Grundlage der von ihr herangezogenen Hauptdiagnose I50.01, vielmehr sei die Hauptdiagnose N18.0 und damit die DRG L60B zugrunde zu legen.

Gegen das ihr am 07.11.2013 zugestellte Urteil richtet sich die am Montag, 09.12.2013 eingelegte Berufung der Klägerin. Das SG verkenne die Bedeutung der Definition der Hauptdiagnose und verstehe diese als reine Beschreibung einer Kausalbetrachtung. Eine solche Betrachtung sei unzutreffend, es komme immer darauf an, welche Krankheit für den jeweiligen Krankenhausaufenthalt überwiegend ursächlich gewesen sei und nicht, welche Krankheit am Ende einer Kausalkette einem Krankenhausaufenthalt zugrunde gelegen habe. Hinzukommen müsse eine wertende Betrachtung. Dem medizinisch nicht haltbaren Gutachten könne nicht gefolgt werden. Der Sachverständige verwende die medizinischen Begriffe (Symptom und Erkrankung) nicht eindeutig. Das Vorliegen einer dekompensierten Herzinsuffizienz habe er bestätigt. Die Veranlassung für den Aufenthalt und die Behandlung der Versicherten sei jedoch nicht die Hyperkaliämie gewesen, denn diese hätte ohne die schwere kardiale Dekompensation ambulant behandelt werden können, sondern die Dyspnoe bzw die Herzinsuffizienz. Diese sei schließlich auch weiterbehandelt worden, nachdem die Hyperkaliämie ausgeglichen gewesen sei. Die Niereninsuffizienz hätte ohne die Herzinsuffizienz nicht zu einer Dekompensation und zu einer Dyspnoe geführt. Die Hyperkaliämie sei zwar durch die Niereninsuffizienz mitbedingt, in erster Linie aber auf einen Diätfehler der Versicherten zurückzuführen. Seit dem 17.05.2009 seien keine Hyperkaliämien mehr aufgetreten, dennoch habe die Versicherte fast täglich dialysiert werden müssen, weil sich in erheblichem Umfang Wasser im Körper aufgestaut habe (Gesamtultrafiltration von 25,5 Litern im Zeitraum 18. bis 26.05.2009). Dies sei durch die schwere dekompensierte Herzinsuffizienz bedingt gewesen. Ohne diese wäre eine solche Gesamtultrafiltration nicht notwendig gewesen, so dass nach dem 17.05.2009 wegen der Herzinsuffizienz und nicht wegen der Niereninsuffizienz erhebliche Behandlungsmaßnahmen erforderlich gewesen seien. Die Dialysemaßnahmen seien nicht allein auf die Niereninsuffizienz zurückführbar. Die Herzinsuffizienz sei auch nicht Symptom oder Folge der Niereninsuffizienz. Herz- und Niereninsuffizienz stünden als gleichwertige Diagnosen nebeneinander. In solchen Fällen habe der behandelnde Arzt die Wahl, welche Diagnose er als Hauptdiagnose verwende; üblicherweise werde diejenige mit dem meisten Ressourcenverbrauch gewählt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 25.10.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr 3.407 EUR nebst Zinsen in Höhe von 2%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Hauptdiagnose könne immer erst am Ende der Behandlung unter Verwendung aller Befunde festgelegt werden. Dies sei nicht unbedingt von der Frage abhängig, welches Krankheitsbild den größten Kostenaufwand verursacht habe, sondern davon, welches Krankheitsbild in der Hauptsache für die Veranlassung des Krankenhausaufenthalts verantwortlich gewesen sei. Nach Auffassung der Beklagten sei weiterhin die akute Verschlechterung der Nierenfunktion als Hauptdiagnose zu kodieren. Die Hyperkaliämie sei Folge der schlechten Nierenfunktion gewesen und habe zum Herzstillstand geführt. Mit Blick darauf sei auf der Intensivstation umgehend eine Dialyse durchgeführt worden. Die übermäßige Kaliumzufuhr hätte bei normaler Nierenfunktion nicht zu der Hyperkaliämie geführt.

Der Senat hat eine weitere ergänzende Stellungnahme bei Dr. V. angefordert. Dieser hat mit Schreiben vom 29.12.2014 mitgeteilt, er halte an seiner Auffassung fest. Zwar möge die Herzinsuffizienz und deren Behandlung während des stationären Aufenthalts ein Hauptproblem gewesen sein, dies sei für die zu kodierende Hauptdiagnose aber nicht maßgeblich. Die Behandlung einer leichten bis mäßiggradigen Erhöhung des Serumkaliumspiegels möge auch unter ambulanten Bedingungen möglich sein. Ein schwere Hyperkaliämie mit einem Kaliumwert von ) 7,5 mmol/l erfordere eine aggressive Therapie, die zu einem Transport von Kalium in die Zellen führe – vor allem bei kardialen Vorschäden oder EKG-Veränderungen. Bei schwerer Hyperkaliämie bestehe eine klare Indikation zur intensivmedizinischen Behandlung einschließlich Hämodialyse bei Patienten mit Nierenversagen. Auch ohne die dekompensierte Herzinsuffizienz wäre eine ambulante Behandlung hier nicht ausreichend gewesen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge, die Verwaltungsakte der Beklagten und die Patientenakte der Versicherten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung jetzt noch streitiger 3.407 EUR für die anderen Versicherten erbrachte Krankenhausbehandlung.

Der Senat weist die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter gemäß § 153 Abs 4 SGG zurück, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden.

Die Klägerin hat mit der erhobenen (echten) Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG die richtige Klageart gewählt (Bundessozialgericht (BSG) 14.10.2014, B 1 KR 25/13, juris; BSG 14.10.2014, B 1 KR 26/13 R, SozR 4-2500 § 301 Nr 3 (vorgesehen)). Es handelt sich um einen sog Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen und eine Klagefrist nicht zu beachten ist (BSG 28.11.2013, B 3 KR 33/12 R, SozR 4-5562 § 9 Nr 5).

Der Klägerin steht kein weiterer Vergütungsanspruch für die Krankenhausbehandlung der Versicherten im Zeitraum 16.05. bis 03.06.2009 iHv 3.407 EUR zu. Ursprünglich hatte die Beklagte den gesamten von der Klägerin geltend gemachten Betrag in Höhe von 12.806,22 EUR an die Klägerin gezahlt, jedoch nachträglich den Vergütungsanspruch mit zwischen den Beteiligten nicht streitigen Vergütungsansprüchen der Klägerin aus anderen Behandlungsfällen gegen die Beklagte iHv 3.407 EUR verrechnet. Selbst wenn nicht feststeht, welche Vergütungsansprüche die Klägerin aufgrund welcher konkreten Krankenhausbehandlung gegenüber der Beklagten geltend macht, haben die Beteiligten übereinstimmend vorausgesetzt, dass der Klägerin gegen die Beklagte - ohne Berücksichtigung der streitigen Zahlungsforderung - laufende Ansprüche aus Anlass von Krankenhausbehandlungen anderer Versicherter der Beklagten in Höhe der streitigen Zahlungsforderung zustehen. Da die Beklagte sich ausschließlich im Wege der Primäraufrechnung mit einer Gegenforderung verteidigt, steht die Hauptforderung selbst außer Streit (BSG 28.11.2013, B 3 KR 33/12 R, aaO; BSG 01.07.2014, B 1 KR 24/13 R, SozR 4-2500 § 301 Nr 2 (vorgesehen)).

Die Beklagte konnte mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch als für eine Aufrechnung erforderliche Gegenforderung gegen die Hauptforderung der Klägerin wegen Überzahlung der Vergütung für die Krankenhausbehandlung der Versicherten analog § 387 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) aufrechnen (zur Aufrechnung analog § 387 BGB BSG 01.07.2014, B 1 KR 24/13 R, aaO; zum öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch bei Überzahlung von Krankenhausentgelten BSG 28.11.2013, B 3 KR 33/12 R; BSG 01.07.2014, B 1 KR 24/13 R, aaO), denn die ursprüngliche Zahlung der Beklagten erfolgte ohne Rechtsgrund. Die Klägerin hatte einen Vergütungsanspruch gegen die Beklagte für die Behandlung der Versicherten. Über die bereits geleistete Zahlung hinaus besteht jedoch kein Anspruch auf Zahlung von weiteren 3.407 EUR.

Die Klägerin erfüllte die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Krankenhausvergütung, indem sie die Versicherte vom 16.05. bis 03.06.2009 stationär behandelte. Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung - wie hier - in einem zugelassenen Krankenhaus erfolgt und iS von § 39 Abs 1 Satz 2 SGB V erforderlich ist (st Rspr BSG 16.12.2008, B 1 KN 1/07 R, BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13; BSG 08.11.2011, B 1 KR 8/11 R, BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2). Diese Voraussetzungen sind hier unstreitig erfüllt. Die Klägerin wurde in einem lebensbedrohlichen Zustand vorgestellt, der sogar eine sofortige intensivmedizinische Betreuung erforderlich machte.

Die Klägerin durfte lediglich die niedriger vergütete DRG L60B abrechnen (Niereninsuffizienz, mehr als ein Belegungstag, mit Dialyse, mit akutem Nierenversagen oder äußerst schweren CC oder mit Kalziphylaxie, mit Dialyse oder äußerst schweren CC, Alter ) 15 Jahre), nicht die tatsächlich in Rechnung gestellte DRG F43B (Beatmung ) 24 Stunden bei Krankheiten und Störungen des Kreislaufsystems, Alter ) 5 Jahre, mit äußerst schweren CC).

Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs ist § 109 Abs 4 Satz 3 SGB V (idF vom 26.03.2007, BGBl I S 378) in Verbindung mit § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1 KHEntgG (jeweils idF des Krankenhausfinanzierungsreformgesetzes v 17.03.2009, BGBl I S 534) sowie § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG; idF durch das Krankenhausfinanzierungsreformgesetz vom 17.03.2009, BGBl I S 534) und die Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2009 v 23.09.2008 (Fallpauschalenvereinbarung 2009 - FPV-2009) einschließlich der Anlagen 1 bis 6 sowie dem durch Entscheidung der Landesschiedsstelle vom 21.09.2005 festgesetzten Vertrag nach § 112 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB V über "Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung" zwischen der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft und den Verbänden der Krankenkassen mit Ausnahme der vom BSG beanstandeten Regelung in § 19 Abs 2 (BSG 13.11.2012, B 1 KR 27/11 R, BSGE 112, 156 = SozR 4-2500 § 114 Nr 1).

In seiner Höhe wird der Vergütungsanspruch durch Normsetzungsverträge konkretisiert. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam vereinbaren nach § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1 KHEntgG mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft als Vertragsparteien auf Bundesebene mit Wirkung für die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG einen Fallpauschalen-Katalog einschließlich der Bewertungsrelation sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge. Ferner vereinbaren sie insoweit Abrechnungsbestimmungen in der Fallpauschalenvereinbarung (FPV) auf der Grundlage des § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 3 KHEntgG.

Der Fallpauschalenkatalog ist nach Fallgruppen (DRG = Diagnosis Related Groups) geordnet. Welche DRG-Position abzurechnen ist, ergibt sich rechtsverbindlich nicht aus einem schriftlich festgelegten abstrakten Tatbestand, sondern aus der Eingabe von im Einzelnen von einem Programm vorgegebenen, abzufragenden Daten in ein automatisches Datenverarbeitungssystem und dessen Anwendung (dazu und zum Folgenden BSG 14.10.2014, B 1 KR 25/13 R; BSG 14.10.2014, B 1 KR 26/13 R, jeweils unter Hinweis auf BSGE 109, 236 ff.). Nach § 1 Abs 6 Satz 1 FPV sind in diesem Sinne zur Einstufung des Behandlungsfalles in die jeweils abzurechnende Fallpauschale Programme (Grouper) einzusetzen. Zugelassen sind nur solche Programme, die von der InEK GmbH - Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus, einer gemeinsamen Einrichtung der in § 17b Abs 2 Satz 1 KHG und § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1 KHEntgG genannten Vertragspartner auf Bundesebene, zertifiziert worden sind.

Das den Algorithmus enthaltende und ausführende Programm greift dabei auch auf Dateien zurück, die entweder als integrale Bestandteile des Programms mit vereinbart sind, zB die Zuordnung von ICD-10-Diagnosen und Prozeduren zu bestimmten Untergruppen im zu durchlaufenden Entscheidungsbaum, oder an anderer Stelle vereinbarte Regelungen wiedergeben. Zu letzteren gehören die Fallpauschalen selbst, aber auch die Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) in der jeweiligen vom DIMDI im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) herausgegebenen deutschen Fassung sowie die Klassifikationen des vom DIMDI im Auftrag des BMG herausgegebenen Operationen- und Prozedurenschlüssels (hier in der Version 2009 idF der Bekanntmachung des BMG gemäß §§ 295 und 301 SGB V zur Anwendung des Operationen- und Prozedurenschlüssels v 28.10.2008, BAnz Nr 170 v 07.11.2008, S 4016). Die Verbindlichkeit der in dem jeweiligen Vertragswerk angesprochenen Klassifikationssysteme folgt allein aus dem Umstand, dass sie in die zertifizierten Grouper einbezogen sind (BSG 14.10.2014, B 1 KR 25/13 R und B 1 KR 26/13 R).

Die Anwendung der Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) und der FPV-Abrechnungsbestimmungen einschließlich des ICD-10-GM und des OPS ist nicht automatisiert und unterliegt als Mitsteuerung der prozesshaften Tatbestandsbildung im Zusammenspiel mit den Vorgaben zertifizierter Grouper ihrerseits grundsätzlich den allgemeinen Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft (dazu und zum Folgenden: BSG 14.10.2014, B 1 KR 25/13 R und B 1 KR 26/13 R). Die Abrechnungsbestimmungen sind gleichwohl wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen. Eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belässt. Demgemäß sind Vergütungsregelungen stets eng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen. Da das DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiterzuentwickelndes und damit "lernendes" System angelegt ist, sind bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, dies mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (BSG 14.10.2014, B 1 KR 25/13 R und B 1 KR 26/13 R).

Nach diesen Grundsätzen durfte die Klägerin als Hauptdiagnose nicht I50.01 (Rechtsherzinsuffizienz) ansetzen, sondern wegen akuter Verschlechterung der Nierenfunktion bei vorbestehender terminaler Niereninsuffizienz N18.0 mit der Nebendiagnose I50.01. In welcher Weise die Eingaben in das Datensystem zu erfolgen haben, gibt nicht allein der Grouper durch die vorprogrammierten Abfragen mit genormten Antworten vor. Vielmehr regeln die FPV und die DKR konkrete Vorgaben für die Eingaben. Die DKR (hier anwendbar in der Version 2009) regeln Kodieranweisungen. Der Begriff der Hauptdiagnose ist in den Allgemeinen Kodierrichtlinien für Krankheiten der DKR unter D002f definiert. Danach ist Hauptdiagnose "die Diagnose, die nach Analyse als diejenige festgestellt wurde, die hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthalts des Patienten verantwortlich ist." Entscheidend für die Auswahl der Hauptdiagnose sind die Umstände der Aufnahme (LSG Nordrhein-Westfalen 16.01.2014, L 16 KR 177/09, juris).

Der Begriff "nach Analyse” bezeichnet die Evaluation der Befunde am Ende des stationären Aufenthaltes, um diejenige Krankheit festzustellen, die hauptsächlich verantwortlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes war. Die dabei evaluierten Befunde können Informationen enthalten, die aus der medizinischen und pflegerischen Anamnese, einer psychiatrischen Untersuchung, Konsultationen von Spezialisten, einer körperlicher Untersuchung, diagnostischen Tests oder Prozeduren, chirurgischen Eingriffen und pathologischen oder radiologischen Untersuchungen gewonnen wurden. Für die Abrechnung relevante Befunde, die nach der Entlassung eingehen, sind für die Kodierung heranzuziehen. Die nach Analyse festgestellte Hauptdiagnose muss nicht der Aufnahmediagnose oder Einweisungsdiagnose entsprechen (DKR 2009, D002f).

Wenn sich ein Patient mit einem Symptom vorstellt und die zugrunde liegende Krankheit zum Zeitpunkt der Aufnahme bekannt ist und behandelt wird bzw während des Krankenhausaufenthaltes diagnostiziert wird, so ist die zugrunde liegende Krankheit als Hauptdiagnose zu kodieren. Wenn zwei oder mehrere Diagnosen in Bezug zu Aufnahme, Untersuchungsbefunden und/oder der durchgeführten Therapie gleichermaßen die Kriterien für die Hauptdiagnose erfüllen und ICD-10-Verzeichnisse und Kodierrichtlinien keine Verschlüsselungsanweisungen geben, muss vom behandelnden Arzt entschieden werden, welche Diagnose am besten der Hauptdiagnose-Definition entspricht. Nur in diesem Fall ist vom behandelnden Arzt diejenige auszuwählen, die für Untersuchung und/oder Behandlung die meisten Ressourcen verbraucht hat. Hierbei ist es unerheblich, ob die Krankheiten verwandt sind oder nicht (DKR 2009, D002f).

Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens, insbesondere dem Inhalt der Krankenakte, den MDK-Gutachten und dem gerichtlichen Sachverständigengutachten nebst ergänzenden Stellungnahmen von Dr. V. steht zur Überzeugung des Senats Folgendes fest. Die Dyspnoe, an der die Versicherte am Aufnahmetag zunehmend litt, war Hauptgrund für die stationäre Einweisung. Es bestand eine dekompensierte Herzinsuffizienz, die auf eine schwere Hyperkaliämie bei terminaler Niereninsuffizienz zurückzuführen war. Die terminale Niereninsuffizienz bestand bei der Versicherten schon länger (dialysepflichtig seit November 2008), war zum Zeitpunkt der Aufnahme bekannt und wurde während des Krankenhausaufenthalts auch behandelt. Ohne die bekannte Niereninsuffizienz wäre die durch einen Diätfehler der Versicherten (Verzehr von zu vielen Bananen) verursachte lebensbedrohliche Hyperkaliämie (9,34 mmol/l) nicht aufgetreten. Der Sachverständige Dr. V. hat in seiner letzten Stellungnahme vom 30.12.2014 ausdrücklich dargelegt, dass bei einem derart hohen Kaliumspiegel eine Indikation zur intensivmedizinischen Behandlung besteht und eine ambulante Behandlung auch ohne die hier zusätzlich vorliegende Herzinsuffizienz nicht ausreichend gewesen wäre. Die Niereninsuffizienz war somit die Diagnose, wegen der überwiegend die Leistungen des Krankenhauses in Anspruch genommen worden sind (vgl Sächsisches LSG 10.09.2014, L 1 KR 103/09, juris). Nach den Umständen der Aufnahme war daher auch rückblickend betrachtet unter Berücksichtigung aller Befunde die Niereninsuffizienz Hauptgrund für die stationäre Behandlung. Zwar treffen die Ausführungen der Klägerin zu, dass die Hyperkaliämie erfolgreich behandelt werden konnte und danach im weiteren Verlauf der stationären Behandlung insbesondere auch im Hinblick auf die erforderliche Häufigkeit der Dialysen die Herzinsuffizienz zu einem "Hauptproblem" – so der Gutachter – wurde. Nach den DKR 2009 D002f kommt es hierauf jedoch nicht an, denn nur wenn schon nach den Umständen der Aufnahme zwei Hauptdiagnosen nach der oben dargelegten Definition in Betracht kommen, kann der Arzt danach auswählen, welche Hauptdiagnose im Rahmen der Behandlung die meisten Ressourcen verbraucht hat. Ein solcher Fall lag hier jedoch nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 SGG iVm § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), da weder Klägerin noch Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 HS. 1 SGG iVm § 63, § 52 Abs 1, 3, § 47 Gerichtskostengesetz.
Rechtskraft
Aus
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