Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Trier (RPF)
Aktenzeichen
S 4 U 26/12
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 3 U 141/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Ist in einem Renten-Abfindungsbescheids die Abfindungssumme wegen Zugrundelegung eines fehlerhaften Jahresarbeitsverdiensts (JAV) zulasten des Rentenberechtigten zu niedrig festgesetzt worden, richtet sich seine Rücknahme nach § 44 SGB X; denn die zu niedrige Festsetzung des Abfindungsbetrags wirkt aus der insoweit maßgeblichen subjektiven Sicht des Rentenberechtigten belastend (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 28.9.1999 - B 2 U 32/98 R. BSGE 84, 281 = SozR 3-220 § 605 Nr. 1, juris RdNr. 28).
2. § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X schließt auch die Nachzahlung einer vor mehr als vier Jahren abgelehnten einmaligen Leistung aus (BSG, Urteil vom 26.10.1994 -8 BH (Kn) 1/94, SozR 3-6610 Art. 5 Nr. 1). Bei einer Renten-Abfindung handelt es sich um eine solche einmalige Leistung.
3. Die Rücknahme der Festsetzung eines zu niedrig festgesetzten Abfindungsbetrags nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X führt nicht zum Wiederaufleben des Anspruchs auf eine laufende Rentenzahlung. Anders als in Bezug auf die Teilung der Vollrente in Teilrenten nach einer bestimmten MdE (vgl. hierzu § 56 Abs. 3 SGB VII) ist die Berechnung eines Rententeils nach einem Teil des maßgeblichen JAV im SGB VII nicht vorgesehen. Es besteht daher hier kein Anspruch auf Auszahlung des nicht abgefundenen "Rentenrests".
2. § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X schließt auch die Nachzahlung einer vor mehr als vier Jahren abgelehnten einmaligen Leistung aus (BSG, Urteil vom 26.10.1994 -8 BH (Kn) 1/94, SozR 3-6610 Art. 5 Nr. 1). Bei einer Renten-Abfindung handelt es sich um eine solche einmalige Leistung.
3. Die Rücknahme der Festsetzung eines zu niedrig festgesetzten Abfindungsbetrags nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X führt nicht zum Wiederaufleben des Anspruchs auf eine laufende Rentenzahlung. Anders als in Bezug auf die Teilung der Vollrente in Teilrenten nach einer bestimmten MdE (vgl. hierzu § 56 Abs. 3 SGB VII) ist die Berechnung eines Rententeils nach einem Teil des maßgeblichen JAV im SGB VII nicht vorgesehen. Es besteht daher hier kein Anspruch auf Auszahlung des nicht abgefundenen "Rentenrests".
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 22.5.2013 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger erstrebt die Zahlung eines höheren Betrags zur Abfindung der ihm wegen der Folgen seines Arbeitsunfalls vom 20.1.1973 durch Bescheid vom 25.10.1974 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 % gewährten Verletztenrente. Strittig ist ein Betrag von EUR 42.417,21 (entspricht DM 82.960,85). Hilfsweise erstrebt er die Auszahlung eines nicht abgefundenen "Rentenrests" ab dem 1.1.2005.
Der Kläger hatte am 4.12.1972 das Abitur abgelegt und am 20.1.1973 bei einer (zwischen dem Abitur und dem anschließend am 1.4.1973 begonnenen Medizinstudium ausgeübten) Aushilfstätigkeit beim Postamt R einen Arbeitsunfall erlitten, wegen dessen Folgen ihm die Beklagte (damals: Ausführungsbehörde der Bundespost für Unfallversicherung) durch Bescheid vom 25.10.1974 Verletztenrente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 20 % gewährt hatte. Nach Abschluss seines Medizinstudiums erhielt er nach Bestehen der ärztlichen Prüfung (30.4.1980) am 22.5.1980 die Approbation als Arzt erteilt. Am 1.6.1980 nahm er seine Tätigkeit als Assistenzarzt in der Reha-Klinik L, W (Kreis W) auf. Er erhielt dort im Zeitraum vom 1.6.1980 bis zum 31.12.1980 eine steuerpflichtige Vergütung von DM 34.597,77 und vom 1.1.1981 bis zum 30.11.1981 in Höhe von DM 62.337,41.
Auf Antrag des Klägers wurde die Verletztenrente durch Bescheid vom 26.8.1981 nach § 604 der Reichsversicherungsordnung (RVO) mit einem Kapitalwert von DM 68.873,90 auf Dauer abgefunden. Bei der Berechnung des Kapitalwerts hatte die Beklagte – wie bei der vorherigen Rentenzahlung – den für die Aushilfstätigkeit maßgeblichen Jahresarbeitsverdienst (JAV) von DM 17.665,58 (entspricht EUR 9.032,27) zugrunde gelegt. Eine Neufestsetzung des JAV nach Beendigung der Ausbildung des Klägers ist entgegen § 573 Abs. 1 RVO unterblieben. Auf einen Verschlimmerungsantrag des Klägers gewährte die Beklagte dem Kläger durch Bescheid vom 20.5.2009 ab dem 1.11.2007 eine Verletztenrente nach einer MdE von 30 %, die – im Hinblick auf die Abfindung der restlichen Rente – in Höhe von 10 % zur Auszahlung kam.
Mit Schreiben vom 17.2.2009 beantragte der Kläger die Überprüfung des mit Be-scheid vom 26.8.1981 festgesetzten Abfindungsbetrags, da der der Abfindung zugrunde gelegte JAV nach Beendigung seines Studiums nicht neu festgesetzt worden sei. Durch Bescheid vom 20.5.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.5.2010 nahm die Beklagte daraufhin den Bescheid vom 26.8.1981 nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X insoweit zurück, als die festgestellte Abfindungssumme DM 68.873,90 (entspricht EUR 35.214,67) betrage. Den Bescheid vom 25.10.1974 nahm sie (mit gleichem Bescheid) insoweit zurück, als der JAV ab dem 1.5.1980 nach § 573 Abs. 1 RVO DM 59.310,46 (entspricht EUR 30.3214,96) betrage. Ein Anspruch auf eine Nachzahlung bestehe nicht. Eine besondere berufliche Betroffenheit liege nicht vor. Die hiergegen – soweit eine Nachzahlung abgelehnt wurde – erhobene Klage hat das Sozialgericht Trier durch Gerichtsbescheid vom 7.4.2011 (S 6 U 89/10) – wegen Versäumung der Klagefrist – als unzulässig abgewiesen.
Den daraufhin mit Schreiben vom 15.4.2011 gestellten Antrag auf Überprüfung des Bescheids vom 20.5.2009 nach § 44 Abs. 1 SGB X lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 11.8.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.2.2012 ab.
Die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Trier durch Urteil vom 22.5.2013 (S 4 U 26/12) – dem Bevollmächtigten des Klägers zugestellt am 21.6.2013 – abgewiesen: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Auszahlung eines weiteren Geldbetrags zu der mit Bescheid vom 26.8.1981 erfolgten Abfindung der mit Bescheid vom 25.10.1974 gewährten Verletztenrente. Der Bescheid vom 26.8.1981 sei zwar insoweit rechtswidrig, als der Abfindungsbetrag auf Grundlage eines nicht nach § 573 Abs. 1 Satz 1 RVO nach Beendigung der Ausbildung neu festgesetzten und daher zu niedrigen JAV errechnet worden sei. Der Kläger habe aber keinen Anspruch auf Auszahlung des Differenzbetrags zwischen dem tatsächlich ausgezahlten und dem korrekten Abfindungsbetrag. Denn dem stehe die Bestandskraft des Bescheids vom 26.8.1981 entgegen (§ 77 SGG).
Daran ändere auch nichts, dass die Beklagte durch Bescheid vom 20.5.2009 den "Bescheid vom 26.8.1981 über die Abfindung ( ) insoweit zurückgenommen (habe), als dass die festgestellte Abfindungssumme DM 68.873,90 (entspricht EUR 35.214,67) beträgt". Denn der maßgebliche Verfügungssatz des Bescheids vom 20.5.2009 bringe nur zum Ausdruck, dass der Abfindungsbetrag in der Summe falsch berechnet gewesen sei. Das Gericht könne dahinstehen lassen, ob § 44 Abs. 1 und 4 SGB X auf die vorliegende Konstellation anwendbar sei, oder ob sich die Aufhebung des Bescheids vom 26.8.1981 ausschließlich nach Maßgabe des § 45 Abs. 1 SGB X richte. In beiden Varianten ergebe sich kein Zahlungsanspruch mehr. Lege man § 45 SGB X zu Grunde, scheitere die Rücknahme an der Frist von zwei (§ 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X) oder jedenfalls zehn Jahren (§ 45 Abs. 3 Satz 2 SGB X). Lege man § 44 SGB X zugrunde, scheitere jedenfalls der Zahlungsanspruch an § 44 Abs. 4 SGB X. Denn in dem danach maßgeblichen Zeitraum von vier Jahren (1.1.2004 bis 31.12.2007) wären keine Leistungen zu erbringen gewesen. Eine sonstige gesetzliche Grundlage für einen Nachzahlungsanspruch existiere nicht.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 8.7.2013 bei Gericht eingegangenen Berufung: Dem Anspruch auf Nachzahlung stehe die Bestandskraft des Bescheids vom 26.8.1981 nicht entgegen, denn die Beklagte habe diesen Bescheid insoweit nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X zurückgenommen, als die festgestellte Abfindungssumme DM 68.873,90 betrage. Die Bestandskraft sei damit, was die Höhe der Abfindungssumme anbelange, beseitigt mit der Folge, dass der Abfindungsbetrag zwingend neu zu errechnen sei. Folge der Beseitigung der Bestandskraft sei nach § 44 Abs. 4 SGB X, dass "Leistungen zu erbringen sind". Die mit Bescheid vom 20.5.2009 geäußerte fehlende Bereitschaft der Beklagten, weitere Leistungen zu zahlen, dürfe nicht mit der Bestandskraft des Bescheids vom 26.8.1981 verwechselt werden. Die Abfindung sei nicht eine Sozialleistung aus dem Jahre 1981, sondern spiegle den Leistungsanspruch des Versicherten während des gesamten Lebens wieder. Folge man der Auffassung der Beklagten, dass trotz Aufhebung des Bescheids aus dem Jahr 1981 eine Neuberechnung der Abfindungssumme insgesamt nicht in Betracht komme, müsse die Beklagte konsequenterweise den durch die Abfindung nicht gedeckten Rentenanteil zur Auszahlung bringen.
Der Kläger beantragt,
das Urteils des Sozialgerichts Trier vom 22.5.2013 und den Bescheid der Beklagten vom 11.8.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.2.2012 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 20.5.2009 in Gestalt des Widerspruchs-bescheids vom 19.5.2010 insoweit aufzuheben, als darin eine Nachzahlung abgelehnt wurde, sowie die Beklagte zu verurteilen, den für die mit Bescheid vom 26.8.1981 erfolgte Abfindung der Verletztenrente maßgeblichen Abfindungsbetrag unter Berücksichtigung eines nach § 573 Abs. 1 RVO zum 1.5.1980 neu festgesetzten Jahresarbeitsverdiensts neu zu berechnen und dem Kläger den sich dadurch ergebenden Differenzbetrag nachzuzahlen,
hilfsweise,
die Beklagte zu verurteilen, den nicht abgefundenen Rentenrest ab dem 1.1.2005 auszuzahlen,
äußerst hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil des Sozialgerichts.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Gerichtsakte und die bei Gericht eingereichte Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
Das Sozialgericht hat die auf Neuberechnung des Abfindungsbetrags unter Zugrundelegung eines nach § 573 Abs. 1 RVO nach Beendigung der Ausbildung des Klägers neu festgesetzten JAV und Nachzahlung des sich aus dieser Neuberechnung ergebenden Differenzbetrags gerichtete Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Neuberechnung der Abfindungssumme und Auszahlung eines höheren Abfindungsbetrags. Auch ein Anspruch auf Auszahlung eines nicht abgefundenen "Rentenrests" steht ihm nicht zu.
Der Kläger wendet sich insoweit gegen den Bescheid der Beklagten vom 20.5.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.5.2010, als darin eine Nachzahlung abgelehnt wurde (im Übrigen – insbesondere in Bezug auf die dort enthaltene Rücknahme der Festsetzung des Abfindungsbetrags nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X – greift der Kläger den Bescheid vom 20.5.2009 nicht an) und erstrebt die Verurteilung der Beklagten zur Nachzahlung des sich aus einer korrekten Neuberechnung des Abfindungsbetrags ergebenden Differenzbetrags.
Ein solcher Zahlungsanspruch ergibt sich weder aus § 44 Abs. 4 SGB X (hierzu 1.), noch aus einem anderen Rechtsgrund, etwa einem Wiederaufleben des Anspruchs auf eine laufende Verletztenrente nach Rücknahme der Festsetzung des Abfindungsbetrags (hierzu 2.) oder als Anspruch auf Auszahlung eines nicht abgefundenen "Rentenrests" (hierzu 3.). Mangels Auswirkungen einer Neufestsetzung des Abfindungsbetrags auf Leistungsansprüche des Klägers scheidet auch ein Anspruch auf eine Neuberechnung aus (hierzu 4.).
1. Die Voraussetzungen eines Zahlungsanspruchs nach § 44 Abs. 4 SGB X sind nicht erfüllt. Nach § 44 Abs. 4 SGB X werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile des Sozialgesetzbuchs längstens für einen Zeitraum von bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht, wenn ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit nach § 44 Abs. 1 und 2 SGB X zurückgenommen worden ist.
a) Zwar wurde der Bescheid der Beklagten vom 26.8.1981 durch Bescheid vom 20.5.2009 insoweit nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X zurückgenommen, als die Abfindungssumme entgegen § 573 Abs. 1 RVO nicht auf der Grundlage eines nach Beendigung der Ausbildung des Klägers neu festgesetzten JAV berechnet wurde. Durch die zu niedrige Festsetzung des Abfindungsbetrags erwies sich dieser Verwaltungsakt aus der insoweit maßgeblichen subjektiven Sicht des Klägers (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 28.9.1999 – B 2 U 32/98 R – BSGE 84, 281, SozR 3-2200 § 605 Nr. 1, juris RdNr. 28; Steinwedel in KassKomm, SGB X, 83. EGL 2014, § 44 RdNr. 12 ff.) als belastend und unterfiel damit grundsätzlich dem § 44 SGB X. Eine Rücknahme nach dem nur für begünstigende Verwaltungsakte geltenden § 45 SGB X kam folglich nicht in Betracht. Ob die Rücknahme der Festsetzung der Abfindungssumme nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X rechtmäßig erfolgt ist, ist für die vorliegende Entscheidung unerheblich, denn der Kläger hat den Bescheid vom 20.5.2009 insoweit nicht angefochten, so dass dieser inzwischen bestandskräftig und folglich für die Beteiligten nach § 77 SGG bindend ist.
b) Für den maßgeblichen Zeitraum von längstens vier Jahren vor dem Antrag auf Rücknahme (17.2.2009), d. h. den Zeitraum ab dem 1.1.2005, bestand aber kein Anspruch auf Zahlung von Sozialleistungen, hier in Form einer Abfindung nach § 604 RVO (der nach Art. 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes sowie den §§ 212 und 214 Abs. 3 Satz 1 SGB VII auf den vorliegenden Sachverhalt noch anwendbar ist, da der Versicherungsfall vor dem Inkrafttreten des SGB VII am 1.1.1997 eingetreten ist und Leistungen nicht erstmals nach dem Inkrafttreten des SGB VII festzusetzen waren). Denn § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X schließt auch die Nachzahlung einer vor mehr als vier Jahren abgelehnten einmaligen Leistung aus (BSG, Urteil vom 26.10.1994 – 8 BH (Kn) 1/94 – SozR 3-6610 Art. 5 Nr. 1; Steinwedel in KassKomm, SGB X, 83. EGL 2014, § 44 RdNr. 51 mwN; Schütze in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014, § 44 RdNr. 28). Bei der Abfindung nach § 604 RVO handelt es sich um eine einmalige Leistung, nämlich die einmalige Auszahlung eines nach versicherungsmathematischen Grundsätzen errechneten Kapitalwerts (statt einer laufenden Rente). Diese hat die Beklagte durch Bescheid vom 26.8.1981 – wenn auch in ihrer Höhe rechtswidrig – festgesetzt und damit gleichzeitig einen Anspruch auf eine höhere Abfindung abgelehnt. Dass die Beklagte die Festsetzung des Abfindungsbetrags inzwischen zurückgenommen hat, ändert hieran entgegen der Ansicht des Klägers nichts, da diese Rücknahme nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X erfolgt ist und folglich die oben dargestellte Rechtsfolge des § 44 Abs. 4 SGB X auslöst.
2. Die Rücknahme der Festsetzung des Abfindungsbetrags hat auch nicht zu einem Wiederaufleben des Anspruchs auf eine laufende Rentenzahlung ab Oktober 1981 (mithin auch in dem vorliegend strittigen Zeitraum ab dem 1.1.2005) geführt. Denn durch die Rücknahme der Festsetzung des Abfindungsbetrags wurde die Abfindung der Verletztenrente als solche nicht beseitigt. Gegen die Abfindung der Verletztenrente als solche wendet sich der Kläger auch nicht (die Folge wäre u. a., dass er den 1981 ausgezahlten Abfindungsbetrag zu Unrecht erhalten hätte und folglich nach § 50 SGB X erstatten müsste). Unabhängig davon bestünde aber auch kein Anspruch auf Rücknahme der Abfindung als solcher. Der Senat kann hierbei offen lassen, ob die Abfindung einen eigenständigen, von der (im vorliegenden Fall für den Kläger belastend wirkenden) Festsetzung der Abfindungshöhe zu unterscheidenden, ausschließlich begünstigenden Verwaltungsakt darstellt, der lediglich die Umwandlung des zuvor festgestellten Rentenanspruchs in eine andere – gewünschte – Leis-tungsform regelt (so BSG, Urteil vom 28.9.1999 – B 2 U 32/98 R – BSGE 84, 281; SozR 3-2200 § 605 Nr. 1; juris RdNr. 31) und auf die folglich § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X nicht anwendbar wäre (BSG aaO). Eine Rücknahme (dieses begünstigenden Verwaltungsakts) nach § 45 SGB X würde im vorliegenden Fall ausscheiden, da die hierfür maßgeblichen Fristen von zwei Jahren nach § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X oder jedenfalls zehn Jahren nach § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X bereits verstrichen sind. Denn auch dann, wenn man die Abfindung (wegen der zu niedrigen Abfindungshöhe) als teilweise belastend (und folglich nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X zurückzunehmen) ansehen würde, stünde der Auszahlung einer dann ggf. neu festzusetzenden höheren Abfindung jedenfalls § 44 Abs. 4 SGB X entgegen.
3. Entgegen der Auffassung des Klägers besteht auch weder ein Anspruch auf Auszahlung desjenigen Teils der dem Kläger eigentlich zustehenden Abfindung, der bei der im Bescheid vom 26.8.1981 vorgenommenen Berechnung des Abfindungsbetrags unberücksichtigt blieb, noch auf (laufende) Auszahlung eines bei der Rentenabfindung nicht berücksichtigten "Rentenrests". Denn hierfür existiert keine Anspruchsgrundlage.
a) Die Abfindung wandelt einen zuvor festgestellten Rentenanspruch in eine andere – gewünschte – Leistungsform um (BSG, Urteil vom 28.9.1999 – B 2 U 32/98 R – BSGE 84, 281; SozR 3-2200 § 605 Nr. 1; juris RdNr. 31) und beseitigt damit den Anspruch auf Auszahlung der zuvor nach einer bestimmten MdE gewährten Verletztenrente als Ganzes. Anders als für die Teilung der Vollrente in Teilrenten nach einer bestimmten MdE (vgl. hierzu § 56 Abs. 3 SGB VII) bestehen für Teile des maßgeblichen JAV keine entsprechenden Vorschriften. Die Auszahlung einer nach einem Teil des maßgeblichen JAV berechneten Teilrente widerspräche daher der Systematik des Rentenrechts. Der JAV ist vielmehr ein Berechnungsfaktor der Verletztenrente (oder der Abfindung), der in die Berechnung als solcher einzustellen ist. Teilrenten nach einem bestimmten Teil des maßgeblichen JAV kennt das Rentenrecht hingegen nicht.
b) Aus dem Urteil des BSG vom 28.9.1999 – B 2 U 32/98 R (BSGE 84, 281, SozR 3-2200 § 605 Nr. 1, juris) folgt nichts anderes. Denn in dieser Entscheidung hat das BSG einen Anspruch auf Zahlung von Teilrente nach einem nicht berücksichtigten Teil der bestehenden MdE ausgeurteilt. Die dort entwickelten Grundsätze sind folglich auf eine (der Systematik des Rentenrechts widersprechende) Teilung des JAV nicht übertragbar.
c) Unabhängig davon lag diesem Urteil auch ein anderer, mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde: Das BSG hat den Anspruch auf Zahlung des nicht abgefundenen Teils der dem Versicherten zustehenden Verletztenrente nach § 44 Abs. 4 SGB X auf eine Rücknahme des die Verletztenrente als solche bewilligenden Erstbescheids nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X gestützt (vgl. BSG, aaO, juris RdNr. 27), nicht hingegen auf die Rücknahme des Bescheids über die Abfindung oder die Festsetzung von deren Höhe. Diese Fallkonstellation ist mit der vorliegenden folglich nicht vergleichbar. Denn im vorliegenden Fall ist der Erstbescheid vom 25.10.1974 über die Bewilligung der Verletztenrente nach einer MdE von 20 % rechtmäßig und folglich nicht nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X aufzuheben, so dass ein Anspruch auf Nachzahlung eines nicht berücksichtigten Rentenanteils nach § 44 Abs. 4 SGB X von vornherein nicht in Betracht kommt.
4. Da im Hinblick auf die – oben dargelegten – fehlenden Auswirkungen auf Leistungsansprüche des Klägers bereits kein Anspruch die Rücknahme der Festsetzung der Abfindungshöhe bestand (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 26.10.1994 – 8 BH (Kn) 1/94 – SozR 3-6610 Art. 5 Nr. 1; BSG, Urteil vom 6.3.1991 – 9b RAr 7/90 – SozR 3-1300 § 44 Nr. 1, BSGE 68, 180), scheidet – wie bereits das Sozialgericht zutreffend entschieden hat – erst Recht ein Anspruch auf Neufestsetzung des Abfindungsbetrags aus. Denn auch dies hätte – mangels daraus resultierenden Zahlungsanspruchs – keine Auswirkungen mehr.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
6. Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger erstrebt die Zahlung eines höheren Betrags zur Abfindung der ihm wegen der Folgen seines Arbeitsunfalls vom 20.1.1973 durch Bescheid vom 25.10.1974 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 % gewährten Verletztenrente. Strittig ist ein Betrag von EUR 42.417,21 (entspricht DM 82.960,85). Hilfsweise erstrebt er die Auszahlung eines nicht abgefundenen "Rentenrests" ab dem 1.1.2005.
Der Kläger hatte am 4.12.1972 das Abitur abgelegt und am 20.1.1973 bei einer (zwischen dem Abitur und dem anschließend am 1.4.1973 begonnenen Medizinstudium ausgeübten) Aushilfstätigkeit beim Postamt R einen Arbeitsunfall erlitten, wegen dessen Folgen ihm die Beklagte (damals: Ausführungsbehörde der Bundespost für Unfallversicherung) durch Bescheid vom 25.10.1974 Verletztenrente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 20 % gewährt hatte. Nach Abschluss seines Medizinstudiums erhielt er nach Bestehen der ärztlichen Prüfung (30.4.1980) am 22.5.1980 die Approbation als Arzt erteilt. Am 1.6.1980 nahm er seine Tätigkeit als Assistenzarzt in der Reha-Klinik L, W (Kreis W) auf. Er erhielt dort im Zeitraum vom 1.6.1980 bis zum 31.12.1980 eine steuerpflichtige Vergütung von DM 34.597,77 und vom 1.1.1981 bis zum 30.11.1981 in Höhe von DM 62.337,41.
Auf Antrag des Klägers wurde die Verletztenrente durch Bescheid vom 26.8.1981 nach § 604 der Reichsversicherungsordnung (RVO) mit einem Kapitalwert von DM 68.873,90 auf Dauer abgefunden. Bei der Berechnung des Kapitalwerts hatte die Beklagte – wie bei der vorherigen Rentenzahlung – den für die Aushilfstätigkeit maßgeblichen Jahresarbeitsverdienst (JAV) von DM 17.665,58 (entspricht EUR 9.032,27) zugrunde gelegt. Eine Neufestsetzung des JAV nach Beendigung der Ausbildung des Klägers ist entgegen § 573 Abs. 1 RVO unterblieben. Auf einen Verschlimmerungsantrag des Klägers gewährte die Beklagte dem Kläger durch Bescheid vom 20.5.2009 ab dem 1.11.2007 eine Verletztenrente nach einer MdE von 30 %, die – im Hinblick auf die Abfindung der restlichen Rente – in Höhe von 10 % zur Auszahlung kam.
Mit Schreiben vom 17.2.2009 beantragte der Kläger die Überprüfung des mit Be-scheid vom 26.8.1981 festgesetzten Abfindungsbetrags, da der der Abfindung zugrunde gelegte JAV nach Beendigung seines Studiums nicht neu festgesetzt worden sei. Durch Bescheid vom 20.5.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.5.2010 nahm die Beklagte daraufhin den Bescheid vom 26.8.1981 nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X insoweit zurück, als die festgestellte Abfindungssumme DM 68.873,90 (entspricht EUR 35.214,67) betrage. Den Bescheid vom 25.10.1974 nahm sie (mit gleichem Bescheid) insoweit zurück, als der JAV ab dem 1.5.1980 nach § 573 Abs. 1 RVO DM 59.310,46 (entspricht EUR 30.3214,96) betrage. Ein Anspruch auf eine Nachzahlung bestehe nicht. Eine besondere berufliche Betroffenheit liege nicht vor. Die hiergegen – soweit eine Nachzahlung abgelehnt wurde – erhobene Klage hat das Sozialgericht Trier durch Gerichtsbescheid vom 7.4.2011 (S 6 U 89/10) – wegen Versäumung der Klagefrist – als unzulässig abgewiesen.
Den daraufhin mit Schreiben vom 15.4.2011 gestellten Antrag auf Überprüfung des Bescheids vom 20.5.2009 nach § 44 Abs. 1 SGB X lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 11.8.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.2.2012 ab.
Die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Trier durch Urteil vom 22.5.2013 (S 4 U 26/12) – dem Bevollmächtigten des Klägers zugestellt am 21.6.2013 – abgewiesen: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Auszahlung eines weiteren Geldbetrags zu der mit Bescheid vom 26.8.1981 erfolgten Abfindung der mit Bescheid vom 25.10.1974 gewährten Verletztenrente. Der Bescheid vom 26.8.1981 sei zwar insoweit rechtswidrig, als der Abfindungsbetrag auf Grundlage eines nicht nach § 573 Abs. 1 Satz 1 RVO nach Beendigung der Ausbildung neu festgesetzten und daher zu niedrigen JAV errechnet worden sei. Der Kläger habe aber keinen Anspruch auf Auszahlung des Differenzbetrags zwischen dem tatsächlich ausgezahlten und dem korrekten Abfindungsbetrag. Denn dem stehe die Bestandskraft des Bescheids vom 26.8.1981 entgegen (§ 77 SGG).
Daran ändere auch nichts, dass die Beklagte durch Bescheid vom 20.5.2009 den "Bescheid vom 26.8.1981 über die Abfindung ( ) insoweit zurückgenommen (habe), als dass die festgestellte Abfindungssumme DM 68.873,90 (entspricht EUR 35.214,67) beträgt". Denn der maßgebliche Verfügungssatz des Bescheids vom 20.5.2009 bringe nur zum Ausdruck, dass der Abfindungsbetrag in der Summe falsch berechnet gewesen sei. Das Gericht könne dahinstehen lassen, ob § 44 Abs. 1 und 4 SGB X auf die vorliegende Konstellation anwendbar sei, oder ob sich die Aufhebung des Bescheids vom 26.8.1981 ausschließlich nach Maßgabe des § 45 Abs. 1 SGB X richte. In beiden Varianten ergebe sich kein Zahlungsanspruch mehr. Lege man § 45 SGB X zu Grunde, scheitere die Rücknahme an der Frist von zwei (§ 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X) oder jedenfalls zehn Jahren (§ 45 Abs. 3 Satz 2 SGB X). Lege man § 44 SGB X zugrunde, scheitere jedenfalls der Zahlungsanspruch an § 44 Abs. 4 SGB X. Denn in dem danach maßgeblichen Zeitraum von vier Jahren (1.1.2004 bis 31.12.2007) wären keine Leistungen zu erbringen gewesen. Eine sonstige gesetzliche Grundlage für einen Nachzahlungsanspruch existiere nicht.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 8.7.2013 bei Gericht eingegangenen Berufung: Dem Anspruch auf Nachzahlung stehe die Bestandskraft des Bescheids vom 26.8.1981 nicht entgegen, denn die Beklagte habe diesen Bescheid insoweit nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X zurückgenommen, als die festgestellte Abfindungssumme DM 68.873,90 betrage. Die Bestandskraft sei damit, was die Höhe der Abfindungssumme anbelange, beseitigt mit der Folge, dass der Abfindungsbetrag zwingend neu zu errechnen sei. Folge der Beseitigung der Bestandskraft sei nach § 44 Abs. 4 SGB X, dass "Leistungen zu erbringen sind". Die mit Bescheid vom 20.5.2009 geäußerte fehlende Bereitschaft der Beklagten, weitere Leistungen zu zahlen, dürfe nicht mit der Bestandskraft des Bescheids vom 26.8.1981 verwechselt werden. Die Abfindung sei nicht eine Sozialleistung aus dem Jahre 1981, sondern spiegle den Leistungsanspruch des Versicherten während des gesamten Lebens wieder. Folge man der Auffassung der Beklagten, dass trotz Aufhebung des Bescheids aus dem Jahr 1981 eine Neuberechnung der Abfindungssumme insgesamt nicht in Betracht komme, müsse die Beklagte konsequenterweise den durch die Abfindung nicht gedeckten Rentenanteil zur Auszahlung bringen.
Der Kläger beantragt,
das Urteils des Sozialgerichts Trier vom 22.5.2013 und den Bescheid der Beklagten vom 11.8.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.2.2012 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 20.5.2009 in Gestalt des Widerspruchs-bescheids vom 19.5.2010 insoweit aufzuheben, als darin eine Nachzahlung abgelehnt wurde, sowie die Beklagte zu verurteilen, den für die mit Bescheid vom 26.8.1981 erfolgte Abfindung der Verletztenrente maßgeblichen Abfindungsbetrag unter Berücksichtigung eines nach § 573 Abs. 1 RVO zum 1.5.1980 neu festgesetzten Jahresarbeitsverdiensts neu zu berechnen und dem Kläger den sich dadurch ergebenden Differenzbetrag nachzuzahlen,
hilfsweise,
die Beklagte zu verurteilen, den nicht abgefundenen Rentenrest ab dem 1.1.2005 auszuzahlen,
äußerst hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil des Sozialgerichts.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Gerichtsakte und die bei Gericht eingereichte Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
Das Sozialgericht hat die auf Neuberechnung des Abfindungsbetrags unter Zugrundelegung eines nach § 573 Abs. 1 RVO nach Beendigung der Ausbildung des Klägers neu festgesetzten JAV und Nachzahlung des sich aus dieser Neuberechnung ergebenden Differenzbetrags gerichtete Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Neuberechnung der Abfindungssumme und Auszahlung eines höheren Abfindungsbetrags. Auch ein Anspruch auf Auszahlung eines nicht abgefundenen "Rentenrests" steht ihm nicht zu.
Der Kläger wendet sich insoweit gegen den Bescheid der Beklagten vom 20.5.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.5.2010, als darin eine Nachzahlung abgelehnt wurde (im Übrigen – insbesondere in Bezug auf die dort enthaltene Rücknahme der Festsetzung des Abfindungsbetrags nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X – greift der Kläger den Bescheid vom 20.5.2009 nicht an) und erstrebt die Verurteilung der Beklagten zur Nachzahlung des sich aus einer korrekten Neuberechnung des Abfindungsbetrags ergebenden Differenzbetrags.
Ein solcher Zahlungsanspruch ergibt sich weder aus § 44 Abs. 4 SGB X (hierzu 1.), noch aus einem anderen Rechtsgrund, etwa einem Wiederaufleben des Anspruchs auf eine laufende Verletztenrente nach Rücknahme der Festsetzung des Abfindungsbetrags (hierzu 2.) oder als Anspruch auf Auszahlung eines nicht abgefundenen "Rentenrests" (hierzu 3.). Mangels Auswirkungen einer Neufestsetzung des Abfindungsbetrags auf Leistungsansprüche des Klägers scheidet auch ein Anspruch auf eine Neuberechnung aus (hierzu 4.).
1. Die Voraussetzungen eines Zahlungsanspruchs nach § 44 Abs. 4 SGB X sind nicht erfüllt. Nach § 44 Abs. 4 SGB X werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile des Sozialgesetzbuchs längstens für einen Zeitraum von bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht, wenn ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit nach § 44 Abs. 1 und 2 SGB X zurückgenommen worden ist.
a) Zwar wurde der Bescheid der Beklagten vom 26.8.1981 durch Bescheid vom 20.5.2009 insoweit nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X zurückgenommen, als die Abfindungssumme entgegen § 573 Abs. 1 RVO nicht auf der Grundlage eines nach Beendigung der Ausbildung des Klägers neu festgesetzten JAV berechnet wurde. Durch die zu niedrige Festsetzung des Abfindungsbetrags erwies sich dieser Verwaltungsakt aus der insoweit maßgeblichen subjektiven Sicht des Klägers (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 28.9.1999 – B 2 U 32/98 R – BSGE 84, 281, SozR 3-2200 § 605 Nr. 1, juris RdNr. 28; Steinwedel in KassKomm, SGB X, 83. EGL 2014, § 44 RdNr. 12 ff.) als belastend und unterfiel damit grundsätzlich dem § 44 SGB X. Eine Rücknahme nach dem nur für begünstigende Verwaltungsakte geltenden § 45 SGB X kam folglich nicht in Betracht. Ob die Rücknahme der Festsetzung der Abfindungssumme nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X rechtmäßig erfolgt ist, ist für die vorliegende Entscheidung unerheblich, denn der Kläger hat den Bescheid vom 20.5.2009 insoweit nicht angefochten, so dass dieser inzwischen bestandskräftig und folglich für die Beteiligten nach § 77 SGG bindend ist.
b) Für den maßgeblichen Zeitraum von längstens vier Jahren vor dem Antrag auf Rücknahme (17.2.2009), d. h. den Zeitraum ab dem 1.1.2005, bestand aber kein Anspruch auf Zahlung von Sozialleistungen, hier in Form einer Abfindung nach § 604 RVO (der nach Art. 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes sowie den §§ 212 und 214 Abs. 3 Satz 1 SGB VII auf den vorliegenden Sachverhalt noch anwendbar ist, da der Versicherungsfall vor dem Inkrafttreten des SGB VII am 1.1.1997 eingetreten ist und Leistungen nicht erstmals nach dem Inkrafttreten des SGB VII festzusetzen waren). Denn § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X schließt auch die Nachzahlung einer vor mehr als vier Jahren abgelehnten einmaligen Leistung aus (BSG, Urteil vom 26.10.1994 – 8 BH (Kn) 1/94 – SozR 3-6610 Art. 5 Nr. 1; Steinwedel in KassKomm, SGB X, 83. EGL 2014, § 44 RdNr. 51 mwN; Schütze in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014, § 44 RdNr. 28). Bei der Abfindung nach § 604 RVO handelt es sich um eine einmalige Leistung, nämlich die einmalige Auszahlung eines nach versicherungsmathematischen Grundsätzen errechneten Kapitalwerts (statt einer laufenden Rente). Diese hat die Beklagte durch Bescheid vom 26.8.1981 – wenn auch in ihrer Höhe rechtswidrig – festgesetzt und damit gleichzeitig einen Anspruch auf eine höhere Abfindung abgelehnt. Dass die Beklagte die Festsetzung des Abfindungsbetrags inzwischen zurückgenommen hat, ändert hieran entgegen der Ansicht des Klägers nichts, da diese Rücknahme nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X erfolgt ist und folglich die oben dargestellte Rechtsfolge des § 44 Abs. 4 SGB X auslöst.
2. Die Rücknahme der Festsetzung des Abfindungsbetrags hat auch nicht zu einem Wiederaufleben des Anspruchs auf eine laufende Rentenzahlung ab Oktober 1981 (mithin auch in dem vorliegend strittigen Zeitraum ab dem 1.1.2005) geführt. Denn durch die Rücknahme der Festsetzung des Abfindungsbetrags wurde die Abfindung der Verletztenrente als solche nicht beseitigt. Gegen die Abfindung der Verletztenrente als solche wendet sich der Kläger auch nicht (die Folge wäre u. a., dass er den 1981 ausgezahlten Abfindungsbetrag zu Unrecht erhalten hätte und folglich nach § 50 SGB X erstatten müsste). Unabhängig davon bestünde aber auch kein Anspruch auf Rücknahme der Abfindung als solcher. Der Senat kann hierbei offen lassen, ob die Abfindung einen eigenständigen, von der (im vorliegenden Fall für den Kläger belastend wirkenden) Festsetzung der Abfindungshöhe zu unterscheidenden, ausschließlich begünstigenden Verwaltungsakt darstellt, der lediglich die Umwandlung des zuvor festgestellten Rentenanspruchs in eine andere – gewünschte – Leis-tungsform regelt (so BSG, Urteil vom 28.9.1999 – B 2 U 32/98 R – BSGE 84, 281; SozR 3-2200 § 605 Nr. 1; juris RdNr. 31) und auf die folglich § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X nicht anwendbar wäre (BSG aaO). Eine Rücknahme (dieses begünstigenden Verwaltungsakts) nach § 45 SGB X würde im vorliegenden Fall ausscheiden, da die hierfür maßgeblichen Fristen von zwei Jahren nach § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X oder jedenfalls zehn Jahren nach § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X bereits verstrichen sind. Denn auch dann, wenn man die Abfindung (wegen der zu niedrigen Abfindungshöhe) als teilweise belastend (und folglich nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X zurückzunehmen) ansehen würde, stünde der Auszahlung einer dann ggf. neu festzusetzenden höheren Abfindung jedenfalls § 44 Abs. 4 SGB X entgegen.
3. Entgegen der Auffassung des Klägers besteht auch weder ein Anspruch auf Auszahlung desjenigen Teils der dem Kläger eigentlich zustehenden Abfindung, der bei der im Bescheid vom 26.8.1981 vorgenommenen Berechnung des Abfindungsbetrags unberücksichtigt blieb, noch auf (laufende) Auszahlung eines bei der Rentenabfindung nicht berücksichtigten "Rentenrests". Denn hierfür existiert keine Anspruchsgrundlage.
a) Die Abfindung wandelt einen zuvor festgestellten Rentenanspruch in eine andere – gewünschte – Leistungsform um (BSG, Urteil vom 28.9.1999 – B 2 U 32/98 R – BSGE 84, 281; SozR 3-2200 § 605 Nr. 1; juris RdNr. 31) und beseitigt damit den Anspruch auf Auszahlung der zuvor nach einer bestimmten MdE gewährten Verletztenrente als Ganzes. Anders als für die Teilung der Vollrente in Teilrenten nach einer bestimmten MdE (vgl. hierzu § 56 Abs. 3 SGB VII) bestehen für Teile des maßgeblichen JAV keine entsprechenden Vorschriften. Die Auszahlung einer nach einem Teil des maßgeblichen JAV berechneten Teilrente widerspräche daher der Systematik des Rentenrechts. Der JAV ist vielmehr ein Berechnungsfaktor der Verletztenrente (oder der Abfindung), der in die Berechnung als solcher einzustellen ist. Teilrenten nach einem bestimmten Teil des maßgeblichen JAV kennt das Rentenrecht hingegen nicht.
b) Aus dem Urteil des BSG vom 28.9.1999 – B 2 U 32/98 R (BSGE 84, 281, SozR 3-2200 § 605 Nr. 1, juris) folgt nichts anderes. Denn in dieser Entscheidung hat das BSG einen Anspruch auf Zahlung von Teilrente nach einem nicht berücksichtigten Teil der bestehenden MdE ausgeurteilt. Die dort entwickelten Grundsätze sind folglich auf eine (der Systematik des Rentenrechts widersprechende) Teilung des JAV nicht übertragbar.
c) Unabhängig davon lag diesem Urteil auch ein anderer, mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde: Das BSG hat den Anspruch auf Zahlung des nicht abgefundenen Teils der dem Versicherten zustehenden Verletztenrente nach § 44 Abs. 4 SGB X auf eine Rücknahme des die Verletztenrente als solche bewilligenden Erstbescheids nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X gestützt (vgl. BSG, aaO, juris RdNr. 27), nicht hingegen auf die Rücknahme des Bescheids über die Abfindung oder die Festsetzung von deren Höhe. Diese Fallkonstellation ist mit der vorliegenden folglich nicht vergleichbar. Denn im vorliegenden Fall ist der Erstbescheid vom 25.10.1974 über die Bewilligung der Verletztenrente nach einer MdE von 20 % rechtmäßig und folglich nicht nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X aufzuheben, so dass ein Anspruch auf Nachzahlung eines nicht berücksichtigten Rentenanteils nach § 44 Abs. 4 SGB X von vornherein nicht in Betracht kommt.
4. Da im Hinblick auf die – oben dargelegten – fehlenden Auswirkungen auf Leistungsansprüche des Klägers bereits kein Anspruch die Rücknahme der Festsetzung der Abfindungshöhe bestand (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 26.10.1994 – 8 BH (Kn) 1/94 – SozR 3-6610 Art. 5 Nr. 1; BSG, Urteil vom 6.3.1991 – 9b RAr 7/90 – SozR 3-1300 § 44 Nr. 1, BSGE 68, 180), scheidet – wie bereits das Sozialgericht zutreffend entschieden hat – erst Recht ein Anspruch auf Neufestsetzung des Abfindungsbetrags aus. Denn auch dies hätte – mangels daraus resultierenden Zahlungsanspruchs – keine Auswirkungen mehr.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
6. Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen.
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