S 1 SO 1636/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
1
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 1 SO 1636/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die nach Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung verbleibenden ungedeckten Kosten für eine zahnprothetische Versorgung und/oder Versorgung mit einer Sehhilfe sind weder als Hilfe bei Krankheit noch als Hilfe in sonstigen Lebenslagen aus Mitteln der Sozialhilfe zu übernehmen.

Eine abweichende Festlegung des individuellen Bedarfs scheidet ebenfalls aus, da es sich hier nicht um einen laufenden, sondern um einen einmaligen Bedarf handelt.

Nach Leistung der gesetzlichen Pflegeversicherung verbleibende ungedeckte Aufwendungen für die Einrichtung eines Hausnotrufs sowie die laufenden Aufwendungen für eine 24-Stunden-Rufbereitschaft einschließlich Schlüsselhinterlegung sind nach § 61 Abs. 1 Satz 2, 3. Alt. SGB 12 aus Mitteln der Hilfe zur Pflege zu übernehmen. Eine Begrenzung der Hilfe auf den Umfang der Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung findet nicht statt.
Tenor: Der Bescheid vom 04. Dezember 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2014 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verurteilt, die ungedeckten Kosten für den Anschluss und die Inbetriebnahme eines Hausnotrufsystems in Höhe von 24,51 EUR sowie die Kosten für die Einrichtung eines 24-Stunden-Bereitschaftsdienstes einschließlich Schlüsselhinterlegung von monatlich 17,90 EUR ab dem 16. Juni 2013, frühestens jedoch ab dem Zeitpunkt der tatsächlichen Einrichtung des Bereitschaftsdienstes und der Schlüsselhinterlegung, aus Mitteln der Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII zu übernehmen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Der Beklagte erstattet dem Kläger ein Viertel der außergerichtlichen Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Übernahme ungedeckter Kosten für eine Brillen- und Zahnersatzversorgung sowie für den Anschluss der Wohnung des Klägers an ein Hausnotrufsystem einschließlich der monatlichen Aufwendungen für eine 24-Stunden-Bereitschaft mit Schlüsselhinterlegung aus Mitteln der Sozialhilfe.

Der 1948 geborene, alleinstehende Kläger bezieht vom Beklagten seit dem 01.04.2010 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Bescheid vom 31.05.2010), außerdem seit dem 29.03.2010 Hilfe zur Pflege (Bescheid vom 02.06.2010) nach den Bestimmungen des Vierten und Siebten Kapitels des Sozialgesetzbuchs - Sozialhilfe - (SGB XII). Er ist als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung vom 100 anerkannt; außerdem sind ihm die Nachteilsausgleiche "G" (erhebliche Gehbehinderung), "B" (Notwendigkeit ständiger Begleitung) und "aG" (außergewöhnliche Gehbehinderung) zuerkannt. Ab dem 01.03.2010 war der Kläger u.a. wegen der Folgen eines Hirninfarkts in die Pflegestufe I eingestuft. Seit dem 01.12.2013 erhält er von der Pflegekasse der IKK classic Leistungen nach der Pflegestufe II (Bescheid vom 13.03.2014).

Am 16.06.2013 stellte der Kläger beim Beklagten den Antrag auf Übernahme ungedeckter Aufwendungen für eine Brillenversorgung. Von den Gesamtkosten in Höhe von 69,00 EUR habe seine Krankenkasse lediglich 27,83 EUR übernommen. Die ungedeckten Aufwendungen von 41,17 EUR könne er aus seinen Einkünften nicht bestreiten. Außerdem beantragte er die Übernahme der durch die Pflegeversicherung nicht gedeckten Kosten für einen Hausnotruf (einmalige Anschlussgebühr, monatliche Gerätemiete) sowie eine 24-Stunden-Rufbereitschaft einschließlich Schlüsselaufbewahrung. Hierzu legte er u.a. die Rechnung der Fa. Brillen H., R., vom 11.06.2013 sowie das Schreiben der Pflegekasse vor.

Am 07.11.2013 beantragte der Kläger darüber hinaus die Übernahme ungedeckter Kosten für eine zahnprothetische Versorgung gem. Heil- und Kostenplan des Zahnarztes Dr. B. in Höhe von 1.120,84 EUR mit der Begründung, seine Krankenkasse übernehme für den Zahnersatz nur einen Festzuschuss einschließlich Härtefallregelung in Höhe von 872,16 EUR aus den Gesamtkosten von 1.993,00 EUR.

Durch Bescheid vom 04.12.2013 lehnte die Beklagte die Übernahme der ungedeckten Zahnersatzkosten mit der Begründung ab, Kosten medizinischer Versorgung seien durch die gesetzliche Krankenkasse zu tragen. Eine Aufstockung aus Mitteln der Sozialhilfe sei im Gesetz nicht vorgesehen und vom Gesetzgeber nicht gewollt. Die Hilfe bei Krankheit nach sozialhilferechtlichen Bestimmungen entspreche im Umfang den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Deshalb sei die Übernahme darüber hinausgehender Kosten von vorn herein ausgeschlossen. Auch Hilfe im sonstigen Lebenslagen sei in Bezug auf die Zahnersatzkosten nicht zu erbringen, weil es an einer atypischen Bedarfslage fehle. Bei den ungedeckten Zahnersatzkosten handele es sich auch nicht um Aufwendungen, für die das SGB XII Hilfeleistungen als einmalige Bedarfe vorsehe.

Durch weiteren Bescheid vom selben Tag lehnte der Beklagte außerdem die Übernahme der ungedeckten Kosten des Hautnotrufs ab: Der Kläger habe hierfür von seiner Pflegekasse bereits den höchstmöglichen Betrag erhalten. Eine Aufstockung darüber hinausgehender Kosten aus Mitteln der Hilfe zur Pflege sei nicht möglich. Überdies fehle es auch insoweit an einer atypischen Bedarfslage, weshalb auch Hilfe in sonstigen Lebenslagen ausscheide.

Den Antrag auf Übernahme der ungedeckten Kosten für die Sehhilfe lehnte der Beklagte durch Bescheid vom 31.01.2014 ebenfalls mit der Begründung ab, er könne im Rahmen der Hilfe bei Krankheit nur die Kosten übernehmen, die auch die Krankenkasse anerkenne und getragen habe (Bescheid vom 31.01.2014).

Zur Begründung seiner dagegen erhobenen Widersprüche trug der Kläger im Wesentlichen vor, der von seiner Krankenkasse übernommene Festbetragszuschuss reiche bei Weitem nicht aus, die notwendige zahnmedizinische Versorgung nach Verlust eines Schneidezahns aufgrund eines Sturzes infolge des Schlaganfalls zu decken. Eine kostengünstigere Versorgung könne er nach Auskunft sowohl seines behandelnden Zahnarztes als auch den Auskünften weiterer Zahnarztpraxen nicht erhalten. Es handele sich deshalb um eine atypische Bedarfslage, für die der Beklagte als Sozialhilfeträger einzustehen habe. Ergänzend verwies der Kläger auf einen Beschluss des Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfalen vom 22.06.2007 (L 1 B 7/07 AS ER). Die ungedeckten Kosten für seine Sehhilfe in Höhe von 41,17 EUR könne er aus der Regelleistung ebenfalls nicht bestreiten. Auch insoweit handele es sich deshalb um eine atypische Bedarfslage. Gegebenenfalls komme auch eine Kostenübernahme im Rahmen von Leistungen der Eingliederungshilfe in Betracht. Die Einrichtung eines Hausnotrufes sei ebenfalls medizinisch indiziert. Die nach Abzug der Leistungen der Pflegekasse verbleibenden ungedeckten einmaligen Anschlusskosten von 24,51 EUR sowie die Kosten für eine 24-Stunden-Rufbereitschaft einschließlich Schlüsselaufbewahrung in Höhe von monatlich 17,90 EUR seien im Rahmen eines sozialhilferechtlichen Mehrbedarfs, gegebenenfalls auch unter Berücksichtigung einer atypischen Bedarfslage, aus Sozialhilfemitteln zu übernehmen. Der Beklagte wies die Widersprüche zurück (Widerspruchsbescheid vom 30.04.2014).

Deswegen hat der Kläger am 12.05.2014 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben, mit der er sein Begehren weiter verfolgt. Zur Begründung trägt er neben der Wiederholung seines Widerspruchsvorbringens ergänzend vor, er sei aufgrund einer kompletten linksseitigen Lähmung und einer dadurch bestehenden hohen Sturzgefahr dringend auf die Möglichkeit, einen Hautnotruf tätigen zu können, angewiesen. Gleiches gelte für die Einrichtung der 24-Stunden-Bereitschaft beim zuständigen Pflegedienst, verbunden mit der Hinterlegung des Haus- und Wohnungsschlüssels. Die Inanspruchnahme allein des Grundservices des Hausnotrufs sei ihm nicht zuzumuten. Denn er habe weder Verwandte oder Freunde noch Nachbarn oder andere vertraute Personen, die im Notfall in einer 24-Stunden-Bereitschaft mit einem von ihm hinterlegten Schlüssel Hilfemaßnahmen in die Wege leiten könnten. Seine Tochter sei im Vollzeit-Schichtdienst erwerbstätig; dies umfasse teilweise auch Wochenenddienste. Sie könne deshalb nicht in jedem Fall bei Eintritt eines Notrufs zu seiner Wohnung fahren, um die Türe zu öffnen. Sein Bruder wohne in L. und sei deshalb im Fall eines Notrufs nicht kurzfristig erreichbar. Eine vom Beklagten vorgeschlafene Alternativlösung, z.B. durch Montage eines Schlüsseltresors, sei weder praktikabel noch zumutbar. Denn im Rahmen seines Mietverhältnisses sei es ihm nicht gestattet, einen solchen Tresor im Bereich der Wohnungstür anbringen zu lassen. Außerdem handele es sich dabei um keine diebstahlsichere Einrichtung. Ohne die 24-Stunden-Bereitschaft mit Schlüsselhinterlegung sei im Fall eines Notfalls eine Türöffnung durch Polizei oder Schlüsseldienst zu veranlassen. Hierdurch entstünden zusätzliche und vermeidbare Kosten. Ergänzend verweist der Kläger auf das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 30.04.2014 (S 30 SO 172/11). Bezüglich des streitigen Zahnersatzes habe Dr. B. am 29.09.2014 einen neuen Heil- und Kostenplan erstellt. Danach beliefen sich die Gesamtkosten der geplanten prothetischen Versorgung auf 2.319,00 EUR. Hierzu habe ihm seine Krankenkasse einen Festzuschuss von 1.298,14 EUR bewilligt. Die höherwertige, abweichend von der Regelversorgung geplante Versorgung sei medizinisch indiziert. Zur Stützung dieses Begehrens legt der Kläger den Heil- und Kostenplan vom 29.09.2014, das Schreiben der IKK classic vom 18.12.2014, das Gutachten des Zahnarztes Dr. F. vom 12.12.2014 sowie Schreiben seiner Krankenkasse vom 11.02.2015 und des Zahnarztes Dr. Z. vom 10.03.2015 vor.

Die Kammer hat den Zahnarzt Dr. B. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört.

Der Kläger beantragt,

die Bescheide vom 04. Dezember 2013 und vom 31. Januar 2014, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. April 2014, aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die ungedeckten Kosten für die Einrichtung des Hausnotrufs in Höhe der einmaligen Anschlussgebühr von 24,51 EUR sowie die Aufwendungen für die Einrichtung einer 24-Stunden-Rufbereitschaft einschließlich Schlüsselaufbewahrung von monatlich 17,90 EUR, außerdem die durch seine Krankenversicherung nicht gedeckten Kosten der Zahnersatzversorgung in Höhe von 1.020,86 EUR und der Sehhilfe in Höhe von 41,17 EUR aus Mitteln der Sozialhilfe zu übernehmen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er erachtet die angefochtenen Bescheide für zutreffend und trägt vor, das Hausnotrufsystem diene in erster Linie dazu, dem Hilfebedürftigen das Absetzen eines Notrufes zu ermöglichen, sofern er dazu mit einem Telefon nicht in der Lage sei. Nach Eingang des Notrufes veranlasse die Notrufzentrale die weiteren notwendigen Schritte. Der Hausnotruf stelle allein die Herbeirufung eines Notfallhelfers, nicht dagegen einer bestimmten Person, sicher. Ohne die Einrichtung einer ständigen Rufbereitschaft mit Schlüsselhinterlegung bestehe mithin kein Risiko einer unzureichenden Notfallhilfe, sondern allein insoweit, als der Notfall zu einem Zeitpunkt eintreten könne, zu dem Verwandte oder sonstige Vertrauenspersonen des Klägers nicht erreichbar oder in der Lage seien, die Wohnungstür zu öffnen. Bei Öffnung einer nicht verschlossenen Wohnungstür durch einen Schlüsseldienst seien die entstehenden Kosten gering und grundsätzlich übernahmefähig. Im Übrigen könne der Kläger den jederzeitigen Zutritt zu seiner Wohnung durch Montage eines Schlüsseltresors im Bereich der Wohnungstür sicherstellen. Hierfür fielen einmalige Anschaffungskosten von etwa 30 EUR an. Die Einrichtung eines Hausnotrufs und ständigen Rufbereitschaft mit Hinterlegung des Schlüssels unterfalle auch nicht den Teilhabeleistungen im Sinne der sozialhilferechtlichen Eingliederungshilfe. Für die Versorgung des Zahnschadens des Klägers sei die Regelversorgung ausreichend, was Dr. F. ihm bei einer telefonischen Unterredung ausdrücklich bestätigt habe. Soweit die gewählte Behandlung medizinisch indiziert sei, habe die Krankenkasse die Mehrkosten zu übernehmen. Auch in Bezug auf die Brille sei eine über die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung hinausgehende Kostenübernahme aus Mitteln der Sozialhilfe ausgeschlossen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakten der Beklagten sowie den der Prozessakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 i.V.m. § 56 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)) zulässig, aber nur teilweise begründet. Die angefochtenen Bescheide sind insoweit rechtswidrig, als es der Beklagte abgelehnt hat, die nach Leistung der Pflegeversicherung ungedeckten Kosten für den Anschluss und die Inbetriebnahme eines Hausnotrufsystems in Höhe von einmalig 24,51 EUR sowie die laufenden Aufwendungen für die Einrichtung eines 24-Stunden-Bereitschaftsdienstes einschließlich Schlüsselhinterlegung von monatlich 17,90 EUR aus Mitteln der Hilfe zur Pflege zu übernehmen (dazu nachfolgend unter 1.). Im Übrigen sind die angefochtenen Bescheide rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Denn ihm steht weder ein Anspruch auf Übernahme der ungedeckten Kosten für die geplante zahnprothetischen Versorgung (dazu nachfolgend unter 2.) noch für die angeschaffte Brille (dazu nachfolgend unter 3.) zu.

1. Der Kläger hat Anspruch auf Übernahme der nach der Entscheidung der IKK classic - Pflegekasse - vom 25.09.2013 noch ungedeckten Kosten für den einmaligen Anschluss und die Inbetriebnahme eines Hausnotrufgerätes in Höhe von 24,51 EUR sowie der laufenden Kosten für die Einrichtung einer 24-Stunden-Rufbereitschaft einschließlich Schlüsselaufbewahrung von 17,90 EUR ab dem 16.06.2013, frühestens jedoch ab dem Zeitpunkt der tatsächlichen Einrichtung beim ASB R ... Rechtsgrundlage hierfür ist § 61 Abs. 1 Satz 2, 3. Alternative SGB XII. Nach dieser Bestimmung ist Hilfe zur Pflege auch kranken und behinderten Menschen zu leisten, die u.a. Hilfe für andere Verrichtungen als die sog. Katalogverrichtungen nach § 61 Abs. 5 SGB XII bedürfen. Zu diesen Verrichtungen gehört vorliegend auch die Einrichtung und Inbetriebnahme eines Notrufsystems - dies ist dem Grunde nach zwischen den Beteiligten auch nicht umstritten. Hierzu zählt aber auch die Einrichtung einer 24-Stunden-Bereitschaft einschließlich Schlüsselhinterlegung beim Pflegedienst ASB R ... Hierdurch kann der Kläger im Notfall zum Einen unverzüglich ärztliche Hilfe über das Absetzen eines Notrufs mittels des installierten Systems an die Notrufzentrale herbeiholen; zum Anderen ermöglicht dies den hinzukommenden Hilfepersonen jederzeit den Zugang zur Wohnung des Klägers. Mit der Inbezugnahme auch "anderer Verrichtungen" in § 61 Abs. 1 Satz 2, 3. Alternative SGB XII hat der Gesetzgeber bewusst eine Öffnungsklausel normiert, die es dem zuständigen Sozialhilfeträger einerseits ermöglichen soll, auf unterschiedliche Bedarfssituationen des Hilfesuchenden flexibel zu reagieren, andererseits aber auch verpflichtenden Charakter für den zuständigen Träger hat, indem die individuelle Bedarfsdeckung sichergestellt werden muss (vgl. insoweit LSG Baden-Württemberg vom 19.03.2012 - L 2 SO 72/12 ER-B -, Rn. 9, m.w.N. (Juris)):

Mit Blick auf die Gesundheitsstörungen des Klägers und deren Auswirkungen vor allem in Bezug auf seine körperliche Beweglichkeit kann vorliegend jederzeit ein nicht planbarer Hilfebedarf auftreten. Denn aufgrund des aktenkundigen Gutachtens der Pflegefachkraft E. vom 12.03.2014 steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger an einer deutlichen Mobilitätseinschränkung mit Stand- und Gangunsicherheit nach Hirninfarkt mit Halbseitenlähmung links und u.a. einer einschränkten Belastbarkeit bei chronisch obstruktiver Lungenerkrankung und Herzschwäche sowie einer diabetischen Polyneuropathie leidet. Infolge der zunehmenden Gangunsicherheit ist der Kläger danach auch bereits wiederholt gestürzt, weshalb er sich die meiste Zeit des Tages im Bett aufhält. Aus einer Liegeposition kann der Kläger nur mit Hilfe einer anderen Person in die Sitzposition und von dort in den Stand gelangen. Selbst in Begleitung und unter Einsatz eines 4-Punkt-Stocks kann er nur langsam und stark hinkend gehen. Der freie Stand ist ihm nicht möglich. Der linke Arm ist infolge des Hirninfarkts komplett funktionslos, ebenfalls die linke Hand. Die Kraft der rechten Hand ist nach dem Gutachten der Pflegefachkraft E. zwar ausreichend, jedoch ist die Feinmotorik gestört. Vor diesem Hintergrund ist für das erkennende Gericht ohne weiteres glaubhaft und nachvollziehbar, dass der Kläger bei Auftreten eines Notfalls mit dem eingerichteten Notfallsystem zwar Hilfe anfordern kann, jedoch die Gefahr besteht, dass er zu Hilfe eilenden Personen nicht mehr selbstständig in seine Wohnung einlassen kann. Sonstige Personen, die im Notfall in einer 24-Stunden-Bereitschaft mit einem hinterlegten Schlüssel Hilfemaßnahmen in der Wohnung des Klägers einleiten oder Helfer in die Wohnung einlassen könnten, sind - wie der Kläger glaubhaft vorgetragen hat - nicht vorhanden. Insbesondere seine Tochter steht hierfür nicht zur Verfügung, weil diese im Vollzeit-Schichtdienst selbst erwerbstätig ist und der Schichtdienst teilweise auch Wochenenddienste umfasst. Der in L./Pfalz wohnende Bruder des Klägers ist hierzu bereits aufgrund der räumlichen Entfernung zum Wohnort des Klägers nicht in der Lage.

Dem Kläger ist auch nicht zuzumuten, im Notfall gegebenenfalls auf die zwangsweise Öffnung seiner Wohnungstür zu warten. Denn dies lässt sich mit der dann erforderlichen unverzüglicher Hilfeleistung schon dem Grunde nach nicht vereinbaren. Außerdem liefe der Kläger ohne die Einrichtung einer 24-Stunden-Bereitschaft einschließlich Schlüsselhinterlegung beim Pflegedienst unter Umständen auch Gefahr, im Fall eines versehentlich abgesetzten Notrufs für die mit der zwangsweisen Öffnung seiner Wohnungstür verbundenen Kosten von rund 80,00 EUR tagsüber und regelmäßig 130,00 EUR ab 22:00 Uhr nachts entsprechend der vom Beklagten eingeholten telefonischen Auskunft des Schlüsselnotdienstes K. vom 26.08.2014 selbst aufkommen zu müssen.

Auch der Verweis des Beklagten auf die Möglichkeit der Montage eines Schlüsseltresors im Bereich der Wohnungstür greift nicht durch. Denn der Kläger ist nicht Eigentümer, sondern (nur) Mieter der Wohnung. Die Anbringung eines Schlüsseltresors ist deshalb auch von der Zustimmung des Vermieters abhängig, die dieser indes nicht erteilen muss. Überdies bietet die Montage eines Schlüsseltresors mit Zahlenschloss, wie vom Beklagten vorgeschlagen, auch nach Auffassung des erkennenden Gerichts keinen hinreichenden Diebstahlschutz. Denn das Gerät dürfte bereits mit Blick auf seine nur geringe Größe von Unbefugten z.B. mittels einer Rohrzange, eines Schraubenziehers oder eines Stemmeisens jederzeit ohne größeren Kraftaufwand von der Wand oder der Wohnungstür selbst herauszubrechen sein. Selbst das in den vom Beklagten vorgeschlagenen Schlüsseltresoren angebrachte mechanische Zahlenschloss enthält für sich nur einen geringen Diebstahlschutz.

Schließlich verfängt auch der Hinweis des Beklagten auf die Leistungen der Pflegekasse in Bezug auf die Einrichtung und den Betrieb eines Hausnotrufsystems nicht. Denn anders als im Bereich der Hilfe bei Krankheit (dazu sogleich) enthalten die Bestimmungen des Siebten Kapitels des SGB XII in Bezug auf die Hilfe zur Pflege keine Begrenzung des Umfangs der Hilfeleistungen des Sozialhilfeträgers auf die Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung.

Vor diesem Hintergrund ist der Beklagte verpflichtet, die durch die Pflegekasse des Klägers ungedeckten Kosten für die Einrichtung und Inbetriebnahme des Hausnotrufsystems in Höhe von 24,51 EUR sowie die monatlichen Kosten für die Einrichtung einer 24-Stunden-Bereitschaft einschließlich Schlüsselhinterlegung beim ASB R. ab dem Zeitpunkt der Antragstellung am 16.06.2013, frühestens jedoch ab dem Zeitpunkt der tatsächlichen Einrichtung und Inbetriebnahme dieser Maßnahme, aus Mitteln der Hilfe zur Pflege zu übernehmen.

2. Nicht begründet ist dem gegenüber das Begehren des Klägers auf Übernahme der ungedeckten Kosten für die prothetische Versorgung gem. Heil- und Kostenplan des Zahnarztes Dr. B. - zuletzt - vom 29.09.2014.

a) Der Kläger kann seine Forderung insoweit nicht auf § 48 Satz 1 SGB XII stützen. Nach dieser Bestimmung werden, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern, Leistungen zur Krankenbehandlung (aus Mitteln der Sozialhilfe: § 8 Nr. 3 SGB XII) entsprechend dem Dritten Kapitel Fünfter Abschnitt Erster Teil des Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) erbracht. Der Umfang der Hilfe bei Krankheit nach dem SGB XII folgt gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 SGB XII den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung, mithin den Vorgaben des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung, also dem SGB V.

Der Kläger ist bei der IKK classic als Pflichtmitglied gesetzlich krankenversichert. Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung. Die Kranken-behandlung umfasst unter anderem zahnärztliche Behandlung und Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2a SGB V). Die zahnärztliche Behandlung ihrerseits umfasst die Tätigkeit des Zahnarztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist; sie umfasst auch konservierend-chirurgische Leistungen und Röntgenleistungen, die im Zusammenhang mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen erbracht werden (§ 28 Abs. 2 Satz 1 SGB V).

Der Anspruch auf Zahnersatz ist in den §§ 55 ff SGB V näher geregelt. Hierdurch wird die Leistungspflicht der Krankenkasse begrenzt. Danach wird - entsprechend dem im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung geltenden Sachleistungsprinzip - die Sachleistung im Wege eines Festzuschusses gewährt. Infolge des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14.11.2003 (BGBl. I S. 2190) i.d.F. vor allem des Gesetzes zur Anpassung der Finanzierung von Zahnersatz vom 15.12.2004 (BGBl. I S. 3445) besteht seit dem 01.01.2005 ein Anspruch auf einen befundbezogenen Festzuschuss bei einer medizinisch notwendigen Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen (zahnärztliche und zahntechnische Leistungen) in den Fällen, in denen eine zahnprothetische Versorgung notwendig ist und die geplante Versorgung einer Methode entspricht, die gemäß § 135 Abs. 1 SGB V anerkannt ist. Die Höhe des Festzuschusses richtet sich nach den Kosten für prothetische Regelversorgungen, die der Gemeinsame Bundesausschuss in Richtlinien nach Maßgabe des § 56 SGB V festlegt (vgl. z.B. Nolte in Kasseler Kommentar, Stand Dezember 2014, § 55 SGB V, Rdnr. 7).

Gemäß § 55 Abs. 1 Satz 2 SGB V umfassen die Festzuschüsse 50 v.H. der nach § 57 Abs. 1 Satz 6 (zahnärztliche Leistungen) und § 57 Abs. 2 Sätze 6 und 7 SGB V (zahntechnische Leistungen) festgesetzten "Beträge für die jeweilige Regelversorgung". Den vom Gemeinsamen Bundesausschuss nach § 56 SGB V festgelegten Regelversorgungen, welche für bestimmte Befunde eine in der Mehrzahl der Fälle geeignete konkrete Versorgung beschreiben müssen (vgl. § 56 Abs. 1 und 2 SGB V), werden gemäß § 57 SGB V auf der Grundlage und in Fortentwicklung bisheriger Punktwerte bundeseinheitliche Vergütungen zugeordnet, welche die "Beträge für die jeweilige Regelversorgung" im Sinn des § 55 Abs. 1 Satz 2 SGB V ergeben. Diese beschreiben nicht (zwingend) die Kosten der konkreten, im jeweiligen Fall verwirklichten Versorgung, sondern die Aufwendungen für eine regelmäßig vom Gesetzgeber und Gemeinsamen Bundesausschuss für erforderlich gehaltene Zahnprothetik.

Diese Regelungen sind verfassungsgemäß (vgl. BSG SozR 4-2500 § 55 Nr. 2). Denn welche Behandlungsmaßnahmen in den GKV-Leistungskatalog einbezogen und welche davon ausgenommen und damit der Eigenverantwortung des Versicherten (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB V) zugeordnet werden, unterliegt aus verfassungsrechtlicher Sicht einem weiten gesetzgeberischen Ermessen. Mit dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG; vgl. BVerfGE 115, 25, 45) geht das erkennende Gericht davon aus, dass es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass die gesetzliche Krankenversicherung den Versicherten Leistungen nur nach Maßgabe eines allgemeinen Leistungskatalogs unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots zur Verfügung stellt, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Nur das, was in diesen Leistungskatalog fällt, hat die GKV ihren Versicherten zu leisten. Versicherte können dagegen nicht alles von der gesetzlichen Krankenversicherung beanspruchen, was ihrer Ansicht nach oder objektiv der Behandlung einer Krankheit dient. Die gesetzlichen Krankenkassen sind auch nicht von Verfassungs wegen gehalten, alles zu leisten, was an Mitteln zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit verfügbar ist (vgl. BVerfGE 115, 25, 46; BVerfG; NJW 1997, 3085; vgl. zum Ganzen z.B. auch BSGE 96, 153 (D-Ribose) und BSGE 100, 103 (Lorenzo`s Öl)).

Vorliegend hat die IKK classic ihre Leistung nach krankenversicherungsrechtlichen Vorschriften für die von dem Zahnarzt Dr. B. zuletzt gem. Heil- und Kostenplan vom 29.09.2014 geplante zahnprothetische Versorgung des Klägers auf die Zahlung eines Festzuschusses in Höhe von - zuletzt - 1.298,14 EUR beschränkt (Bescheid vom 18.12.2014). Dieser Zuschuss in Höhe des doppelten Festzuschusses entspricht den festgesetzten Beträgen für eine Regelversorgung, wie sich aus § 55 Abs. 1 Satz 2 SGB V ergibt. Dass der Kläger den Festzuschuss zur prothetischen Versorgung einschließlich eines Härtezuschlags von der gesetzlichen Krankenversicherung erhalten hat, ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Sein Anspruch auf Versorgung mit Zahnersatz ist hiermit vollständig erfüllt, und zwar unabhängig davon, aus welchen medizinischen Gründen die Versorgung mit Zahnersatz notwendig ist. Die §§ 55, 56 SGB V knüpfen die Beschränkung der Kassenleistung auf Festzuschüsse an die Befunde, und nicht an die Ursache des Behandlungsbedarfs (vgl. BSG, Urteil vom 06.10.1999 - B 1 KR 9/99 R - (Juris)).

Die darüber hinausgehenden Behandlungskosten sind, da der Umfang der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und des Sozialhilfeträgers im Rahmen der Hilfe bei Krankheit inhalts- und deckungsgleich ist, nicht als Hilfe bei Krankheit von dem Beklagten zu übernehmen (vgl. Söhngen in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 52, Rn. 12 sowie Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand 01/2014, § 48, Rn. 39). Denn der den Zahnarztkosten des Klägers zugrunde liegende Bedarf ist vorliegend in dem auf eine Grundversorgung angelegten System des SGB V befriedigt, soweit es sich dabei um eine notwendige medizinische Versorgung handelt. Für weitergehende medizinische Maßnahmen trifft den Beklagten als Sozialhilfeträger keine Einstandspflicht (vgl. LSG Baden-Württemberg vom 27.05.2014 - L 2 SO 1431/14 - und - L 2 SO 1625/13 - , jeweils m.w.N.; ferner LSG Nordrhein-Westfalen vom 04.06.2014 - L 9 SO 84/14 B - (jeweils Juris)). Denn nach dem Willen des Gesetzgebers schlagen die Leistungseinschränkungen bzw. -begrenzungen der gesetzlichen Krankenversicherung auch auf Hilfeempfänger nach dem SGB XII durch (vgl. Söhngen, a.a.O.; derselbe in jurisPK-SGB XII, § 48, Rn. 21). Mit den Leistungen der Krankenkasse wird der Bedarf des Klägers zugleich auch im Sinne des Leistungsrechts des SGB XII gedeckt (vgl. insoweit BSG vom 12.12.2013 - B 4 AS 6/13 R - Rn. 25 und 26 (juris) zu einem vergleichbaren Fall im Grundsicherungsrecht: Dort hat das BSG ausgeführt, dass die Indikation zu einer kieferorthopädischen Behandlung durch die gesetzliche Krankenkasse anerkannt worden sei, so dass die dortige Klägerin auch die medizinisch notwendige Versorgung durch die gesetzliche Krankenkasse erhalte. Damit werde der Bedarf der Klägerin wegen der kieferorthopädischen Behandlung jedoch zugleich auch im Sinne des Grundsicherungsrechts gedeckt. Auch wenn hinsichtlich der geltend gemachten Mehrleistungen nicht ausgeschlossen werden könne, dass sie medizinisch indiziert sein könnten, gingen diese über die notwendige Versorgung hinaus und seien daher nach der Grundkonzeption des SGB V vom Versicherten selbst zu tragen).

Sowohl nach den Bekundungen des sachverständigen Zeugen Dr. B., dessen Heil- und Kostenplan vom 29.09.2014 sowie der telefonischen Auskunft des Zahnarztes Dr. F. gegenüber dem Beklagten ist außerdem ersichtlich, dass mit einer Regelversorgung die medizinisch notwendige zahnärztliche Versorgung sichergestellt werden kann. Auch wenn die Dres. B. und F. und zuletzt der Zahnarzt Dr. Z. die über das medizinisch Notwendige hinausgehenden Mehrkosten aufgrund der vom Kläger gewählten andersartigen Versorgung mit Keramikvollverblendung als medizinisch indiziert erachten, führt dies aus den oben angeführten Gründen zu keiner Leistungspflicht des Beklagten aus Mitteln der Hilfe zur Pflege.

b) Auch § 73 Satz 1 SGB XII ist keine geeignete Anspruchsgrundlage für die begehrte Übernahme der ungedeckten Zahnbehandlungskosten (vgl. LSG Hamburg vom 21.11.2012 - L 4 AS 6/11 - (Juris)). Nach dieser Vorschrift können Leistungen (der Sozialhilfe) auch in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Voraussetzung für diese Leistung ist eine besondere, atypische Lebenslage, die eine Nähe zu den anderen im Fünften bis Neunten Kapitel SGB XII geregelten Bedarfslagen aufweist (vgl. BSG SozR 4-4200 § 7 Nr. 15; BSG SozR 4-4200 § 20 Nr. 1; BSG SozR 4-3500 § 21 Nr. 1; BSG SozR 4-3500 § 28 Nr. 6 und BSG SozR 4-3500 § 73 Nr. 3). Die Bestimmung enthält allerdings keinen allgemeinen Auffangtatbestand, der es gestatten würde, schon bei Nichtvorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der im SGB XII namentlich aufgeführten Hilfearten eine Hilfeleistung nach § 73 Satz 1 SGB XII zu erbringen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen vom 28.01.2013 - L 12 AS 1836/12 NZB - (Juris)). Denn die Regelung dient nicht einer Aufstockung bei allgemeiner Einkommensarmut (vgl. Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl. 2014, § 73, Rn. 4 und Berlit, LPK-SGB XII, 9. Auflage 2012, § 73, Rn. 6) oder der Aufstockung oder Ausweitung abschließend geregelter Tatbestände (vgl. LSG Baden-Württemberg, a.a.O. und Bay. LSG; FEVS 59, 66 ff). § 73 SGB XII beinhaltet vielmehr eine gesetzliche subsidiäre Generalklausel bzw. einen gesetzlichen Auffangtatbestand für atypische Hilfesachverhalte. Diese "Öffnungsklausel" soll es damit ermöglichen, in Fällen, die vom (übrigen) Sozialleistungssystem nicht erfasst werden, Hilfen zu erbringen und damit einen "Sonderbedarf" zu decken (vgl. BSG SozR 4-3500 § 28 Nr. 6 sowie LSG Baden-Württemberg vom 27.05.2014 - L 2 SO 1431/14 - und - L 2 SO 1625/13 - (jeweils Juris)).

Der von dem Kläger hier geltend gemachte Bedarf weist eine sachliche Nähe zu den sog. Hilfen zur Gesundheit gem. §§ 47 ff. SGB XII auf. Eine besondere Bedarfslage ist jedoch nur dann anzuerkennen, wenn der geltend gemachten Bedarf auch im System des SGB V nicht befriedigt werden kann. Dies ist - wie oben unter 2. a. bereits näher ausgeführt - jedoch nicht der Fall. Vielmehr kann der den Zahnarztkosten zugrundeliegende Bedarf des Klägers im Rahmen der Grundversorgung nach dem SGB V befriedigt werden. Damit fehlt es an einer atypischen Bedarfslage.

c) Weiter kommt ein Anspruch des Klägers aus § 27a Abs. 4 S. 1 SGB XII nicht in Betracht (vgl. LSG Baden-Württemberg vom 27.05.2014 - L 2 SO 1625/13 - und LSG Nordrhein-Westfalen vom 04.06.2014 - L 9 SO 84/14 B - (jeweils Juris)). Nach dieser Vorschrift wird der individuelle Bedarf abweichend vom Regelsatz festgelegt, wenn ein Bedarf ganz oder teilweise anderweitig gedeckt ist oder unabweisbar seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht. Inhaltlich ist die Vorschrift mit Blick auf die Vorgaben des BVerfG im Urteil vom 9.2.2010 (BVerfGE 125, 174 ff.) auszulegen. Zwar betraf die zitierte Entscheidung des BVerfG die Verfassungswidrigkeit der Berechnung der Regelleistung nach dem SGB II. Die Überlegungen des BVerfG betreffend eine Öffnungsklausel für in Sonderfällen nicht erfasster Art auftretender Bedarfe oder solche, die einen atypischen Umfang haben, sind jedoch - weil sie einen vergleichbaren Personenkreis betreffen - auf Empfänger von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII zu übertragen. Es muss damit ein Anspruch auf Leistungen bei unabweisbarem, laufendem, nicht nur einmaligem und besonderem Bedarf sichergestellt sein (so auch Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, a.a.O., § 27 a, Rn. 32 a). Im Fall des Klägers kommt allerdings eine abweichende Festlegung vom Regelsatz nicht in Betracht, nachdem es sich bei den Zahnersatzkosten nicht um einen laufenden, sondern um einen einmaligen Bedarf handelt.

d) Schließlich vermag der Kläger seinen Anspruch auch nicht auf § 31 SGB XII stützen. Denn die geplante zahnprothetische Versorgung fällt nicht unter die in dieser Vorschrift abschließend (vgl. Grube in Grube/Wahrendorf, a.a.O., § 31, Rn. 4) geregelten einmaligen Bedarfe: es handelt sich ersichtlich weder um eine Erstausstattung für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten (§ 31 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII) noch um eine Erstausstattung für Bekleidung oder Erstausstattung bei Schwangerschaft und Geburt (§ 31 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII). Es liegt auch keine Reparatur von therapeutischen Geräten und Ausrüstungen i.S.d. § 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB XII vor.

3. Schließlich hat der Beklagte zu Recht durch die angefochtenen Bescheide die Übernahme der ungedeckten Kosten für die am 11.06.2013 angeschaffte Brille aus Sozialhilfemitteln abgelehnt. Denn im Zeitpunkt der Antragstellung am 16.06.2013 war der Bedarf des Klägers insoweit bereits gedeckt, weil der Kläger die Brille bereits am 11.06.2013 erworben und den (Rest)Betrag von 41,17 EUR bezahlt hatte. Dies steht zur Überzeugung der Kammer fest aufgrund der Rechnung der Fa. Brillen H. vom 11.06.2013, der zufolge die Firma den "Betrag dankend erhalten" hatte.

Im Übrigen gelten in Bezug auf die Übernahme ungedeckter Kosten für eine Brillenversorgung aus Mitteln der Hilfe zur Pflege die oben unter 2. gemachten Ausführungen zur Versorgung mit Zahnersatz entsprechend. Denn die Versorgung gesetzlich Krankenversicherter wie der Kläger mit Sehhilfen ist in § 33 SGB V sowie den Hilfsmittelrichtlinien gem. § 92 SGB V abschließend geregelt und damit im System der gesetzlichen Krankenversicherung ohne Aufstockung aus Mitteln der Sozialhilfe durchzuführen. Seine Krankenkasse hatte dem Kläger für die Brillenversorgung gem. § 36 Abs. 1 SGB V i.V.m. dem Beschluss des Spitzenverbands Bund der Krankenkassen vom 03.12.2007, in Kraft getreten am 01.01.2008, einen Festbetrag von 27,83 EUR auf die Abrechnungsposition 25.99.99.0011 (Prismenfolie) gewährt und damit seinen Anspruch auf Hilfsmittelversorgung vollständig erfüllt. Außerdem handelt es sich bei einer Brille um einen aus dem Regelbedarf durch Ansparung zu deckenden Bedarf (vgl. Bay. LSG vom 29.11.2011 - L 11 AS 888/11 B-PKH -, Rn. 39, und SG Bayreuth vom 02.12.2014 - S 13 AS 115/13 -, zitiert nach Bay. LSG vom 10.02.2015 - L 11 AS 60/15 NZB - (Juris)), wobei eine Brille keinen laufenden, sondern einen einmaligen Bedarf darstellt, der in dem Zeitpunkt auftritt, zu dem die Rechnung zu bezahlen ist bzw. bezahlt wird. Es handelt sich bei dem Erfordernis einer Brille auch nicht um einen unabweisbaren, seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweichenden individuellen Bedarf im Sinne des § 27 a Abs. 4 Satz 1 SGB XII, der sich quantitativ oder qualitativ von den mit dem durchschnittlichen Regelbedarf erfassten Situationen unterscheidet (vgl. Bay. LSG vom 29.11.2011 - L 11 AS 888/11 B PKH -, Rn. 8, zu § 21 Abs. 6 SGB II; LSG Baden-Württemberg vom 25.04.2008 - L 7 AS 1477/08 ER-B -, Rn. 4 (jeweils Juris)).

Die erstmalige oder Ersatz-Beschaffung einer Brille aufgrund geänderter Sehschärfe oder - wie hier - zum Ausgleich des Auftretens von Doppelbildern stellt schließlich auch keine "Reparatur von therapeutischen Geräten oder Ausrüstungen" i.S.d. § 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB XII dar (vgl. Falterbaum in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand 11/2012, § 31, Rn. 40 und LSG Nordrhein-Westfalen vom 07.08.2014 - L 7 AS 269/14 -, Rn. 39 (Juris); a.A. Münder in LPK-SGB XII, 9. Aufl. 2012, § 31, Rn. 14), weil es sich bei einer Brille nicht um ein "Gerät" i.S. dieser Vorschrift handelt und - unabhängig von der Frage, ob insoweit eine therapeutische Ausrüstung vorliegt - bei einer Erst- oder Ersatzbeschaffung schon begrifflich keine "Reparatur" vorliegt. Die entsprechenden Aufwendungen und Kosten hat der Kläger daher aus dem Regelsatz zu bestreiten

4. Aus eben diesen Gründen sind die angefochtenen Bescheide nur teilweise rechtswidrig. Das weitergehende Begehren des Klägers musste daher erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs. 1 und 4 SGG.
Rechtskraft
Aus
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