L 8 SO 181/15 B ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 3 SO 69/15 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 SO 181/15 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Es besteht kein Anspruch auf Eingliederungshilfe in Form der Übernahme der entstehenden Mehrkosten an Schul- und Personalaufwendungen für die Einrichtung einer Schulklasse der 8. Jahrgangsstufe einer Regelschule mit maximal 10 Schülern.
2. Eingliederungshilfe wird nicht für eine Maßnahme im Kernbereich der schulischen Verantwortung geleistet, die in den Pflichtenkreis des Schulträgers fällt.
3. Die Schule ist kein Leistungserbringer im System der Sozialhilfe (vgl. §§ 75 ff SGB XII).
4. Die Einrichtung einer Klasse einer bestimmten Größe ist eine Maßnahme im Kernbereich der pädagogischen Arbeit, der sich nach der Gesetzessystematik unter Auslegung der schulrechtlichen Bestimmungen (hier namentlich der BayEUG und der Bestimmungen der UN-BRK) bestimmt.
5. Hierfür sind nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteile vom 15.11.2012, B 8 SO 10/11 R und vom 22.03.2012, B 8 SO 30/10 R) die Schulträger zuständig.
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 21. August 2015, S 3 SO 69/15 ER, wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Gegenstand des vorliegenden Eilverfahrens ist die Bewilligung von Leistungen der Eingliederungshilfe in Form der Übernahme der Mehrkosten an Schul- und Personalaufwendungen für die Einrichtung einer Schulklasse der 8. Jahrgangsstufe für den Antragsteller (es verbleibt bei der Bezeichnung der Beteiligten im Ausgangsverfahren) mit maximal 10 anstelle von bis zu 33 Schülern im Schuljahr 2015/2016 an dem S.-K.-Gymnasium in K-Stadt im Schulmodus G 8, hilfsweise im Schulmodus "Mittelstufe Plus".

Der 2001 geborene Antragsteller ist auf Grund einer im ersten Lebensjahr erlittenen Meningitis beidseits gehörlos und seit dem Jahr 2002 beidseits mit Cochlea-Implantaten (elektronische Hörprothesen) versorgt. Bis April 2014 besuchte er die private Internationale Schule D-Stadt und wechselte dann in die 6. Klasse des S.-K.-Gymnasiums in K-Stadt, Landkreis G ... Dabei handelt es sich um eine öffentliche staatliche Schule, die nicht das Schulprofil "Inklusion" aufweist. Der Sachaufwandsträger der Schule (Landkreis G.) finanzierte bauliche Veränderungen im Hinblick auf die Schallreduzierung (Umbau des Klassenzimmers und Akustikmaßnahmen).

Im Schuljahr 2014/2015 besuchte der Antragsteller mit Erfolg (Notenschnitt 1,64; Zeugnis vom 31.07.2015) die 7. Jahrgangsstufe des Gymnasiums in einer Klasse mit insgesamt 23 Schülern. Während des laufenden Schuljahres wurde dem Antragsteller ein Online-Schriftdolmetscher der Firma "V." zunächst im Umfang von 11, dann von 12 Schulstunden in der Woche bewilligt. Die Kosten hierfür (Stundensatz 75 EUR je Zeitstunde, sowie 23 EUR pro Stunde für die Plattformgebühr, insgesamt monatlich 5597,76 EUR) trug der Antragsgegner (Bezirk Schwaben) als überörtlicher Träger der Sozialhilfe, weil es sich um Eingliederungshilfe als Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung handele (Bescheide vom 21.11.2014 und vom 04.02.2015). Der Antragsgegner hat beim D. (VG) Klage gegen den Freistaat Bayern auf Erstattung der durch den Einsatz des Online-Dolmetschers entstandenen Aufwendungen erhoben. Über diese Klage (Au 3 K 15.198), ist noch nicht entschieden. Hintergrund ist, dass der Antragsgegner mit dem Antragsteller der Auffassung ist, letzterem stehe - wie vom Mobilen Sonderpädagogischen Dienst, vom Förderzentrum Hören und von verschiedenen fachärztlichen Stellungnahmen empfohlen - ein Anspruch auf Beschulung in einer Klasse mit nur 10 Schülern zu, um keinem gesundheitsschädlichen Hörstress ausgesetzt zu sein. Die vom Antragsgegner bewilligte Eingliederungshilfe sei nur erforderlich, weil der Freistaat Bayern seiner Pflicht zur Ermöglichung einer inklusiven Schulbildung nicht nachkomme.

Am 09.07.2015 hat der Antragsteller beim VG den Antrag gestellt, den Freistaat Bayern, vertreten durch das Bayerische Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst, und den Landkreis G. im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, eine Schulklasse der 8. Jahrgangsstufe mit maximal 10 Schülerinnen und Schülern unter Übernahme der hierfür notwendigen Schul- und Personalaufwendungen für das Schuljahr 2015/2016 im Schulmodus G8, hilfsweise im Schulmodus "Mittelstufe plus", einzurichten. Mit Beschluss vom 10. August 2015 hat das VG den Antrag (Au ) abgelehnt, weil der Antragsteller oder seine Eltern kein allgemeines Recht auf eine bestimmte Klassenbildung hätten. Es handele sich um eine schulinterne Organisationsmaßnahme. Auch auf Grund der besonderen Situation des Antragstellers ergebe sich weder aus der UN-BRK noch aus den Bestimmungen des BayEUG ein Anspruch auf die Errichtung einer Klasse in der gewünschten Klassengröße. Mit Beschluss vom 4. September 2015 hat der BayVGH die Beschwerde gegen den Beschluss des VG zurückgewiesen (7 CE 15.1791).

Am 10.07.2015 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Augsburg (SG) beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zur der Übernahme der Mehrkosten an Schul- und Personalaufwendungen für die Einrichtung einer Schulklasse der 8. Jahrgangsstufe für den Antragsteller mit maximal 10 anstelle von bis zu 33 Schülern im Schuljahr 2015/2016 an der S.-K.-Gymnasium in K-Stadt im Schulmodus G 8, hilfsweise im Schulmodus "Mittelstufe Plus", zu verpflichten. Der Antragsgegner habe die notwendigen finanziellen Mittel zur inklusiven Beschulung des Antragstellers in einer kleinen Klasse zur Verfügung zu stellen, da der Freistaat Bayern und der Landkreis G. nicht gewillt seien, die notwendigen finanziellen Mittel bereitzustellen. Auch bei Einsatz des Online-Dolmetschers komme es zu wesentlichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Antragstellers (Kopfweh und Migräne), weil dieser in einer großen Klasse einem Hörstress ausgesetzt und durch den Einsatz von V. an einer aktiven Unterrichtsteilnahme gehindert sei. Durch die Bildung einer kleinen Klasse brauche der Antragsteller kein Hilfsmittel V. mehr. Es gehe nicht um den Kernbereich der Schule, sondern nur um die Finanzierung einer Eingliederungsmaßnahme (Mehrkosten an Personalaufwendungen), die günstiger seien als das V. System. Mit Beschluss vom 16.07.2015 hat das SG den Freistaat Bayern, vertreten durch das Bayerische Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst, beigeladen. Mit Beschluss vom 21.August 2015 hat das SG den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt. Es fehle sowohl am Anordnungsanspruch als auch am Anordnungsgrund nach § 86 b Abs. 2 S. 2 SGG. Das VG habe in seinem Beschluss vom 10. August 2015 entschieden, dass ein Anspruch des Antragstellers auf Bildung einer Klasse mit höchstens 10 Schülerinnen und Schülern nicht bestehe. Hierauf werde vollumfänglich verwiesen. Es sei auch kein Anordnungsgrund gegeben. Der Antragsgegner sei bereit, den Distanz-Dolmetscher auch weiterhin zu bezahlen. Er habe jedoch keinen Einfluss auf die Klassenbildung. Nach den Angaben des Ministerialbeauftragten für die Gymnasien in Schwaben liege die Klassenbildung in der Verantwortung der Schule vor Ort. Es sei nicht nachgewiesen, dass die Schule nicht bereits jetzt die entsprechenden Budgetstunden habe, um die Klasse des Antragstellers zu teilen. Der Ministerialbeauftragte für die Gymnasien in Schwaben habe aber zu Recht darauf hingewiesen, dass dies auch immer zu Lasten der anderen Schülerinnen und Schüler gehe, weil dadurch weniger Wahlkurse und sonstige Zusatzangebote für die Mehrheit der Schülerschaft angeboten werden könnten. Der Beigeladene habe ausdrücklich dargelegt, dass der Antragsgegner nicht dafür zuständig sei, Schulklassen mit einer bestimmten Größe einzurichten oder zu finanzieren. Es bleibe deshalb abzuwarten, ob der Beschluss des VG rechtskräftig werde.

Gegen den am 26.08.2015 zugestellten Beschluss des SG hat der Antragsteller am 31.08.2015 Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) erhoben. Es gehe um einen Anspruch des Antragstellers auf Eingliederungshilfe nach §§ 53 Abs. 1 S. 1, 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII, § 12 EinglHV, zu der auch die Finanzierung der Mehrkosten der Schule zähle. Kern sei nicht eine schulorganisatorische Maßnahme (Klassenbildung), sondern deren Finanzierung als Eingliederungshilfe. Der Schulleiter habe die Bildung einer kleinen Klasse für den Antragsteller bereits zugesagt, wenn er die dafür nötigen finanziellen Mittel erhalte. Damit liege kein Eingriff in die Organisationsgewalt der Schule vor; der sog. pädagogische Kernbereich sei nicht betroffen. Die mit der Bildung einer kleinen Klasse verbundenen Kosten seien geringer als die des Einsatzes von V ... Der Wunsch des Antragstellers nach Finanzierung einer kleinen Klasse anstelle des teureren V. sei nach § 9 Abs. 2 S. 1 SGB XII zu beachten. Der Antragsteller könne durch die Beschulung in einer kleinen Klasse ohne V. ohne gesundheitlichen Beeinträchtigungen, ohne starre Konzentration auf einen Online-Dolmetscher und ohne kommunikative Verluste bei der Interaktion mit seinen Mitschülern und Lehrern dem Unterricht folgen und eine angemessene Schulbildung erleben. Die Entscheidung des VG, wonach der Antragsteller gegen den Schulträger keinen Anspruch auf Bildung einer kleinen Klasse habe, sei nicht richtig. Zu Unrecht habe das SG seine Entscheidung von der Entscheidung des VG abhängig gemacht. Der Antragsteller habe aus Art. 2, 30 a, 30 b Abs. 2 S. 1 BayEUG einen Anspruch auf Bildung einer kleinen Klasse, weil er durch die Beschulung in einer großen Klasse (auch unter dem Einsatz von V.) unzumutbar in seinen Grundrechten auf Gesundheit und körperliche Unversehrtheit beeinträchtigt werde. Es gehe im Übrigen nur um eine Ressourcenumverteilung. Der Antragsteller werde ohne staatliche Förderung die Schullaufbahn des Gymnasiums nicht meistern. Wenn keine kleine Klasse eingerichtet werde, bestehe ein Anspruch auf Eingliederungshilfe. Werde eine kleine Klasse eingerichtet, bestehe keine Notwendigkeit für Eingliederungshilfe mehr. Der Antragsteller werde durch den Einsatz von V. gegenüber seinen Mitschülern benachteiligt und eingeschränkt (Art. 3 Abs. 1 GG) und habe aus Art. 24 UN-BRK einen Anspruch auf ein optimales schulisches Umfeld. Der Antragsgegner sei an die Entscheidung der Schulbehörde, den Antragsteller im S.-K.-Gymnasium aufzunehmen und inklusiv zu beschulen, gebunden. Dem Antragsteller gehe es nur um eine anderweitige Verwendung der Mittel zur Eingliederungshilfe, nicht um eine Mehrleistung an Eingliederungshilfe. Zur Glaubhaftmachung hat der Antragsteller u.a. verschiedene ärztliche Atteste vorgelegt.

Der Antragsteller beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts Augsburg vom 21. August 2015 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die den jeweiligen Kostenträgern entstehenden Mehrkosten an Schul- und Personalaufwendungen für die Einrichtung einer Schulklasse der 8. Jahrgangsstufe für den Antragsteller mit maximal 10 anstelle von bis zu 33 Schülerinnen und Schülern im Schuljahr 2015/2016 im S.-K.-Gymnasium in K-Stadt im Schulmodus G 8, hilfsweise im Schulmodus "Mittelstufe Plus", zu übernehmen.

Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Beigeladene beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Antragsgegner sei nicht dafür zuständig, Schulklassen mit einer bestimmten Größe einzurichten oder zu finanzieren.

Der Antragsgegner hat auf den Antrag des Antragstellers vom 13.09.2015 diesem mit Bescheid vom 16.09.2015 wie beantragt Eingliederungshilfe ab Beginn des Schuljahres 2015/2016 bis zunächst 29.02.2016 durch Einsatz eines Distanzschriftdolmetschers der Fa. V. im Umfang von 11 Wochenstunden zum Besuch des S.-K.-Gymnasiums in K-Stadt bewilligt.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der in Auszügen vorliegenden Verwaltungsakte des Antragsgegners verwiesen.

II.

Das Bayer. LSG ist zur Entscheidung über die Beschwerde in dem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zuständig §§ 86 b Abs. 4, 172 Abs. 1 SGG.

Die unter Beachtung der §§ 172, 173 SGG frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde, ist zulässig, aber unbegründet, weil das SG eine vorläufige Regelung zu Recht abgelehnt hat.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Verfahrens- bzw. Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache (Anordnungsanspruch) sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung (Anordnungsgrund); grundsätzlich müssen die überwiegenden Erfolgsaussichten in der Hauptsache für den Spruchkörper "glaubhaft" vorliegen. Die Erfolgsaussicht des Rechtsbehelfs der Hauptsache und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung sind in diesem Sinne "glaubhaft" zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Aus Gründen effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Grundgesetz) sind dabei die insoweit zu stellenden Anforderungen mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz zu modifizieren (vgl. Bundesverfassungsgericht NJW 1997, 479; NJW 2003, 1236). Dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen wiegen (Beschluss des BVerfGE vom 12.05.2005, BvR 569/05, NVwZ 2005, 927 m.w.N.).

Das Existenzminimum (Art. 1 Abs. 1 iVm Art 20 Abs. 1 GG) i.S. der Rechtsprechung des BVerfG vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. ist im vorliegenden Fall nicht gefährdet. Auch sonstige grundrechtsrelevante Rechtsgüter (Art 2, 3 Abs. 3 S. 2, 7, 12 GG) sind bei der Ablehnung einer Anordnung nicht maßgeblich beeinträchtigt. Der Schulbesuch des Antragstellers im S.-K.-Gymnasium in K-Stadt als solcher ist nicht gefährdet. Zum einen hat die Mutter des Antragstellers dem Antragsgegner mitgeteilt, dass im eigentlichen G8 Modus eine günstigere Konstellation durch den Schulleiter geschaffen werden konnte, so dass der Antragsteller im Schulmodus G 8 mit einer günstigen Klassengröße im Schuljahr 2015/2016 beschult werden kann (und gleichwohl die Option zum Wechsel in die Mittelstufe Plus hat). Ausweislich der Beschwerdeerwiderung der Landesanwaltschaft Bayern vom 26.08.2015 im Beschwerdeverfahren vor dem BayVGH sind nur 64 Schüler im Modus G 8 in drei Klassen zu beschulen, was einer durchschnittlichen Klassengröße von nur 21 Schülern entspricht. Zudem weist der Stundenplan des Antragstellers für das 1. Schulhalbjahr 2015/2016 nur einen Tag Nachmittagsunterricht aus, so dass der Antragsteller ausreichend Zeit hat, um sich nachmittags von der durch den Einsatz von V. erforderlichen hohen Konzentration zu erholen. Im Übrigen führen die vom Antragsteller dargestellten gesundheitlichen Beeinträchtigungen (Migräne) bei der Benutzung des Distanzschriftdolmetschers angesichts des hervorragenden Jahreszeugnisses der 7. Klasse vom 31.07.2015 weder zu erwähnenswerten krankheitsbedingten Fehlzeiten noch zu Leistungseinbußen des Antragstellers. Damit ist eine Gefährdung des Grundrechts aus Art. 2 GG bei der Ablehnung der beantragten Ablehnung auszuschließen.

Nach § 86 b Abs. 2 S. 2 SGG liegen weder ein glaubhafter Anordnungsanspruch noch ein glaubhafter Anordnungsgrund i.S. einer besonderen Eilbedürftigkeit vor.

Der Antragsteller hat bei summarischer Prüfung keinen Anspruch auf Eingliederungshilfe nach §§ 53 Abs. 1 S. 1, 54 Abs. 1 S.1 SGB XII i.V.m. § 12 EinglHV in Form der Übernahme der entstehenden Mehrkosten an Schul- und Personalaufwendungen für die Einrichtung einer Schulklasse der 8. Jahrgangsstufe für den Antragsteller mit maximal 10 anstelle von bis zu 33 Schülerinnen und Schülern im Schuljahr 2015/2016 im S.-K.-Gymnasium in K-Stadt im Schulmodus G 8, hilfsweise im Schulmodus "Mittelstufe Plus". Es handelt sich um eine Maßnahme im Kernbereich der schulischen Verantwortung, die in den Pflichtenkreis des Schulträgers fällt.

Nach § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII erhalten Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 des SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Besondere Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es nach § 53 Abs. 3 Satz 1 SGB XII, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehört insbesondere, den behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern (§ 53 Abs. 3 Satz 2 SGB XII). Leistungen der Eingliederungshilfe sind insbesondere Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII). Allerdings bleiben die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht unberührt (§ 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, letzter HS SGB XII. Die Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung umfasst auch heilpädagogische sowie sonstige Maßnahmen zu Gunsten körperlich und geistig behinderter Kinder und Jugendlicher, wenn die Maßnahmen erforderlich und geeignet sind, den behinderten Menschen den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen oder zu erleichtern (vgl. § 60 SGB XII iVm § 12 EinglHV). Unter angemessener Schulbildung ist alles zu verstehen, was der Erreichung des Ziels, der Integration in die Gesellschaft, dient. Wie auch sonst in der Sozialhilfe ist Einstehensgrund für den Träger der Sozialhilfe die Deckung eines "notwendigen Bedarfs". Bedarf und Angemessenheit sind zwei aufeinander bezogene Größen, gelegentlich ist auch von Eignung und Notwendigkeit die Rede. Wenn mit der Maßnahme ein sozialhilferechtlich nicht anerkannter Bedarf befriedigt werden soll, so ist sie von vornherein nicht angemessen (vgl. Münder, LPK- SGB XII, 10. Auflage 2015, § 9 Rn. 25). Dies ist hier der Fall.

Der Antragsteller erfüllt die personenbezogenen Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 S. 1 SGB XII, weil er als gehörloser Mensch unter den Begriff des körperlich wesentlich behinderten Menschen i.S. § 2 Abs. 1 SGB IX, § 1 Nr. 5 EinglHV fällt. Der Anspruch auf Zahlung der Mehrkosten an Schul- und Personalaufwendungen für die Einrichtung einer Schulklasse der 8. Jahrgangsstufe mit maximal 10 anstelle von bis zu 33 Schülerinnen und Schülern im Schuljahr 2015/2016 scheitert aber daran, dass es sich insoweit nicht um eine Leistung der Eingliederungshilfe handelt. Die Schule ist kein Leistungserbringer im System der Sozialhilfe (vgl. §§ 75 ff SGB XII).Vielmehr liegt eine Maßnahme im Kernbereich der pädagogischen Arbeit vor, der sich nach der Gesetzessystematik unter Auslegung der schulrechtlichen Bestimmungen (hier namentlich der BayEUG und der Bestimmungen der UN-BRK) bestimmt. Hierfür sind nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteile vom 15.11.2012, B 8 SO 10/11 R und vom 22.03.2012, B 8 SO 30/10 R) die Schulträger zuständig. Die hier vom Antragsteller begehrte Maßnahme betrifft keine die Schulbildung nur begleitende Maßnahme. Daran ändert auch nichts das Vorbringen, dass der Antragsteller "nur" um die Finanzierung streitet und nicht die Bildung einer kleinen Klasse vom Sozialhilfeträger begehrt bzw. die fiskalische Erwägung, dass das Gewünschte finanziell günstiger sei. Das Ziel der begehrten Maßnahme greift unmittelbar den Kernbereich der pädagogischen Arbeit des Schulträgers an. Hierzu hat das BSG in seinem Urteil vom 15.11.2012, B 8 SO 10/11 R unter Rn. 15 f Folgendes ausgeführt: " Nach § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII sind Leistungen der Eingliederungshilfe neben den Leistungen nach den §§ 26, 33, 41 und 55 SGB IX auch Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu. Erfasst sind von dem Wortlaut der Vorschrift ("Hilfen") nur Maßnahmen, die im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung geeignet und erforderlich sind, die Behinderungsfolgen zu beseitigen oder zu mildern (BSGE 110, 301 ff RdNr 20 = SozR 4-3500 § 54 Nr 8). Dies bestätigt auch § 12 Eingliederungshilfe-VO, der seinerseits nur von "Hilfe zu einer angemessenen Schulausbildung" spricht. Die von dieser Hilfe nach § 12 Eingliederungshilfe-VO (auch) erfassten Regelbeispiele betreffen dementsprechend nur die Schulbildung begleitende Maßnahmen. Die Schulbildung selbst, also der Kernbereich der pädagogischen Arbeit, der sich nach der Gesetzessystematik nicht unter Auslegung der schulrechtlichen Bestimmungen, sondern der sozialhilferechtlichen Regelungen bestimmt, obliegt hingegen allein den Schulträgern. Art 7 Abs 1 GG überträgt dem Staat einen (außerhalb des Sozialhilferechts liegenden) eigenständigen Unterrichts- und Bildungsauftrag im Schulbereich (BSG, aaO, RdNr 21; BVerfGE 47, 46, 71 f; 98, 218, 241). Dass der Kernbereich der pädagogischen Arbeit der Schule den Regelungen über die Eingliederungshilfe entzogen ist, bestätigt § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII dadurch, dass die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht ( ...) unberührt bleiben sollen. Die schulrechtlichen Verpflichtungen bestehen also grundsätzlich neben den sozialhilferechtlichen, ohne dass sie sich gegenseitig inhaltlich beeinflussen."

Nach diesen Maßstäben, denen sich der Senat vollumfänglich anschließt, hat der Antragsteller keinen Anspruch auf die Übernahme der Mehrkosten für die Personal- und Schulaufwendungen. Zu dem Kernbereich der Schule gehören alle schulischen Maßnahmen, die dazu dienen, die staatlichen Lehrziele (Art. 1 S. 1 BayEUG, "Die Schulen haben den in der Verfassung verankerten Bildungs- und Erziehungsauftrag zu verwirklichen.") zu erreichen; in erster Linie also der (unentgeltliche) Unterricht, der die für den erfolgreichen Abschluss notwendigen Kenntnisse vermitteln soll. Damit unterliegt auch die vom Antragsteller begehrte Bildung der Schulklasse in einer bestimmten Größe unmittelbar diesem Kernbereich, weil die Schulklassengröße unmittelbar Einfluss auf die Erfüllung des staatlichen und schulischen Bildungsauftrags hat und keine bloß unterstützende Leistung im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung darstellt. Zutreffend hat das VG darauf hingewiesen, dass der Unterricht nach Art. 49 Abs. 1 S. 1 BayEUG in der Regel nach Jahrgangsstufen in Klassen erteilt wird, die für ein Schuljahr gebildet werden. Nach § 36 Abs. 1 der Schulordnung für die Gymnasien in Bayern richtet sich die Klassenbildung nach pädagogischen, personellen, räumlichen und organisatorischen Gegebenheiten. Bei der Entscheidung der Schulverwaltung über die Klassenbildung und damit die Klassenstärke handelt es sich grundsätzlich um eine schulinterne Organisationsmaßnahme, die nur den Unterrichtsbetrieb betrifft und nicht in den eigenen Rechtskreis des Schülers oder der Erziehungsberechtigten eingreift. Der Senat verweist hierzu auf die Ausführungen des VG in dessen Beschluss vom 10. August 2015, Ziffern 33 ff.

Soweit der Antragsteller meint, es handele sich um eine schulorganisatorische Maßnahme durch den Schulleiter, die aber nicht den pädagogischen Kernbereich der Vermittlung der Lerninhalte betreffe, folgt der Senat dieser Ansicht nicht. Für die Frage, ob ein "Eingriff" entfällt, weil der Schulleiter hier signalisiert habe, eine kleine Klasse bilden zu wollen, wenn die Finanzierung gesichert sei, sieht der Senat trotz der "Freiwilligkeit" den Kernbereich der pädagogischen Arbeit eröffnet. Es obliegt den pädagogischen Kräften und der Schulleitung einzuschätzen, inwieweit Lerninhalte sinnvoll in bestimmten Klassengrößen und -zusammensetzungen auch unter Beachtung von Art. 30 b Abs. 2 BayEUG ("Einzelne Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die die allgemeine Schule, insbesondere die Sprengelschule, besuchen, werden unter Beachtung ihres Förderbedarfs unterrichtet. 2 Sie werden nach Maßgabe der Art. 19 und 21 durch die Mobilen Sonderpädagogischen Dienste unterstützt. 3 Art. 30a Abs. 4, 5 und 8 Satz 1 gelten entsprechend.") vermittelt werden können. Damit liegt kein glaubhafter Anordnungsanspruch vor.

Daneben fehlt es an einem glaubhaften Anordnungsgrund, nachdem dem Antragsteller mit Bescheid vom 16.09.2015 Eingliederungshilfemaßnahmen für das 1. Schulhalbjahr 2015/2016 im beantragten Umfang bewilligt wurden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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