L 7 AS 627/15 B ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 7 AS 337/15 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 627/15 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II für Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, entspricht den europarechtlichen Vorgaben.
Ein Aufenthaltsrecht bzw. ein Ausweisungsschutz nach Art. 14 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 besteht, wenn ein Unionsbürger eingereist ist, um Arbeit zu suchen, solange er nachweisen kann, dass er weiterhin Arbeit sucht und eine begründete Aussicht hat, eingestellt zu werden. Das ist aber genau der Fall, in dem Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 eine nationale Regelung zum Ausschluss von Sozialhilfeleistungen gestattet (EuGH, Urteil vom 15.09.2015, C-67/14, Alimanovic, Rn. 57, 58). § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ist eine derartige Regelung.
Eine individuelle Prüfung, ob im konkreten Fall eine unangemessene Belastung der Sozialhilfesysteme verursacht wird, findet nicht statt (EuGH, a.a.O., Rn. 59 ff).
Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom 30. Juli 2015 wird zurückgewiesen.

II. Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

III. Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt Dr. H. beigeordnet.

Gründe:

I.

Der Antragsteller und Beschwerdeführer begehrt Arbeitslosengeld II und wendet sich damit gegen den Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ("Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche").

Der 1957 geborene alleinstehende Antragsteller ist bulgarischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland. Er reiste im Februar 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Für sein Einzelzimmer hat er monatlich 330,- EUR zuzüglich Stromkosten für die Heizung zu bezahlen.

Gemäß der vom Arbeitgeber vorgelegten Arbeitsbescheinigung war der Antragsteller vom 10.02.2014 bis 30.09.2014 als Gerüstbauer sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Am 21.06.2014 erlitt der Antragsteller einen Arbeitsunfall mit Verletzung des linken Fersenbeins. Nach Ende der Lohnfortzahlung erhielt der Antragsteller vom 04.08.2014 bis 21.09.2014 Verletztengeld. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis zum 30.09.2014.

Mit Bescheid vom 11.11.2014 bewilligte der Antragsgegner das beantragte Arbeitslosengeld II für die Monate Oktober 2014 bis einschließlich Februar 2015. Auf den Weitergewährungsantrag hin wurde mit Bescheid vom 10.03.2015 für den Monat März 2015 Arbeitslosengeld II in Höhe von 708,18 EUR bewilligt und Leistungen für die Folgezeit abgelehnt. Es habe aufgrund der Regelungen des Freizügigkeitsgesetzes EU (FreizügG/EU) lediglich ein Leistungsanspruch von sechs Monaten bestanden. Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 15.05.2015 (zugestellt am 18.05.2015) zurückgewiesen. Dagegen wurde am 18.06.2015 Klage erhoben.

Ebenfalls am 18.06.2015 stellte der Antragsteller, vertreten durch seinen Bevollmächtigten, beim Sozialgericht einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. Der Antragsteller begehre ab sofort monatlich 708,18 EUR an Arbeitslosengeld II. Er bemühe sich intensiv um eine neue Arbeitsstelle. Er verfüge nicht über finanzielle Rücklagen und ihm drohe der Verlust seiner Wohnung. Der Antragsteller habe durch seine Vorbeschäftigung in Deutschland Arbeitnehmerstatus erlangt und er habe einen Bezug zum regionalen Arbeitsmarkt.

Mit Beschluss vom 30.07.2015 lehnte das Sozialgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Ein Anordnungsanspruch sei nicht glaubhaft. Ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II sei gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ausgeschlossen, weil sich das Aufenthaltsrecht des Antragstellers allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergebe. Eine Freizügigkeitsberechtigung nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU bestehe nicht, weil in Deutschland keine einjährige Erwerbstätigkeit vorgelegen habe. Nach der Entscheidung des EuGH vom 11.11.2014, C-333/13 (Dano), sei davon auszugehen, dass der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II europarechtskonform sei. Mit dieser Regelung sei Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG umgesetzt worden. Somit dürften Mitgliedstaaten einem Unionsbürger die Sozialhilfe versagen, wenn er zum Zwecke der Arbeitssuche eingereist sei. Der Beschluss wurde dem Antragsteller am 06. oder 08.08.2015 zugestellt.

Der Bevollmächtigte des Antragstellers hat am Montag, den 07.09.2015, Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts eingelegt. Da dem Antragsteller ohne die Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz eine schwere Verletzung in seinen Rechten drohe, sei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entweder eine abschließende Prüfung in der Hauptsache oder eine Folgenabwägung vorzunehmen. Die europarechtliche Frage sei nicht abschließend geklärt. Es fehle an der gebotenen Folgenabwägung. Der EuGH habe in seinem Urteil vom 11.11.2014 darauf abgestellt, dass ein Leistungsausschluss möglich sei, wenn kein Bezug zum örtlichen Arbeitsmarkt vorliege. Der Antragsteller habe aber aufgrund seiner mehrmonatigen Vorbeschäftigung, der bei seiner Beschäftigung erlittenen Verletzung und der laufenden Arbeitsuche sehr wohl einen Bezug zum örtlichen Arbeitsmarkt.

Der Antragsteller beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom 30.07.2015 aufzuheben und den Antragsgegner vorläufig zu verpflichten, dem Antragsteller für die Zeit ab 18.06.2015 Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich 708,18 EUR zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die einmonatige Beschwerdefrist wurde gemäß § 64 Abs. 3 SGG eingehalten, weil der 07.09.2015 ein Montag war.

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet, weil das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt hat. Es besteht kein Anordnungsanspruch, weil der Antragsteller gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen nach SGB II ausgeschlossen ist. Sein Aufenthaltsrecht ergibt sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche. Dieser Leistungsausschluss ist nach dem Urteil des EuGH vom 15.09.2015, C-67/14 (Alimanovic), europarechtlich nicht zu beanstanden.

1. Für die begehrte Begründung einer Rechtsposition im einstweiligen Rechtsschutz ist ein Antrag auf eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG statthaft. Der Antrag muss zulässig sein und die Anordnung muss zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheinen. Es muss glaubhaft sein, dass ein materielles Recht besteht, für das einstweiliger Rechtsschutz geltend gemacht wird (Anordnungsanspruch), und es muss glaubhaft sein, dass eine vorläufige Regelung notwendig ist, weil ein Abwarten auf die Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht zumutbar ist (Anordnungsgrund).

Dieser Prüfungsmaßstab erfährt durch die verfassungsrechtlichen Vorgaben eine Änderung, wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Für diese Situation forderte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Beschluss vom 12.05.2005, 1 BvR 569/05, eine Entscheidung entweder aufgrund einer abschließenden Prüfung der Sach- und Rechtslage oder - sofern dies nicht möglich ist - aufgrund einer Folgenabwägung, bei der die grundrechtlichen Belange des Betroffenen umfassend in die Abwägung einzustellen sind. Im Beschluss vom 06.08.2014, 1 BvR 1453/12, hat das BVerfG klargestellt, dass Entscheidungen im Eilverfahren auch dann, wenn existenzsichernde Leistungen zur Gänze im Streit stehen, statt auf eine Folgenabwägung auch auf eine summarische Prüfung der Hauptsache gestützt werden können. Dabei ist zu beachten, dass die Sach- und Rechtslage vom Gericht umso intensiver zu prüfen ist, je gewichtiger und wahrscheinlicher eine drohende Grundrechtsverletzung ist. Wenn eine endgültige Grundrechtsverletzung droht, muss das Gericht die Anforderungen an die Glaubhaftmachung verringern.

Da es um den vollständigen Wegfall existenzsichernder Leistungen für den nach seinen Angaben einkommens- und vermögenslosen Antragsteller geht, ist der verfassungsrechtliche Prüfungsmaßstab anzulegen. Das Beschwerdegericht verneint den Leistungsanspruch nach abschließender Prüfung der Sach- und Rechtslage.

2. Das Beschwerdegericht geht davon aus, dass der Antragsteller die Leistungsvoraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erfüllt. Er ist jedoch nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen, weil er ein Ausländer ist, dessen Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt. Dieser Ausschlusstatbestand entspricht den europarechtlichen Vorgaben.

§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II knüpft an § 2 FreizügG/EU an, mit dem die Regelungen der Freizügigkeitsrichtlinie 2004/38/EG (künftig Richtlinie) in innerdeutsches Recht umgesetzt wurden.

a) Der EuGH hat im Urteil vom 15.09.2015, C-67/14 (Alimanovic), bestätigt, dass Arbeitslosengeld II und Sozialgeld zum einen "besondere beitragsunabhängige Geldleistungen" im Sinne von Art. 70 Abs. 2 der Verordnung Nr. 883/2004 (Koordinierungsverordnung) sind, zum anderen aber auch "Sozialhilfe" im Sinne von Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie (a.a.O., Rn. 43 und 44; ebenso EuGH, Urteil vom 11.11.2014, C-333/13, Rn. 63). Die Leistungen können nicht als finanzielle Leistungen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats erleichtern sollen, eingestuft werden (Alimanovic, Rn. 46).

b) Sodann hat der EuGH im Urteil Alimanovic ausgeführt, dass Gleichbehandlung nach Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie nur verlangen kann, dessen Aufenthalt die Voraussetzungen der Richtlinie erfüllt, sich also rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat aufhält (a.a.O. Rn. 49, 51). Sonst könnte eine unangemessene Inanspruchnahme der Sozialhilfeleistungen (10. Erwägungsgrund der Richtlinie) nicht verhindert werden (a.a.O., Rn. 50).

Der Antragsteller kann allenfalls über ein Aufenthaltsrecht bzw. einen Ausweisungsschutz nach Art. 14 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie verfügen, bei dem gemäß Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie aber gerade ein Leistungsausschluss möglich ist.

aa) Der Antragsteller ist mehr als drei Monate in Deutschland, so dass das Aufenthaltsrecht nach Art. 6 der Richtlinie nicht einschlägig ist.

bb) Der Antragsteller ist in der strittigen Zeit auch kein Arbeitnehmer oder Selbständiger nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie. Er verfügt auch nicht über ausreichende Existenzmittel und Krankenversicherungsschutz nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie.

cc) Die bis September 2014 bestehende Erwerbstätigeneigenschaft blieb auch nicht nach Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie erhalten.

Der Arbeitsunfall vom 21.06.2014 lag bei Beginn des Eilverfahrens schon ein Jahr zurück. Sofern tatsächlich noch eine Arbeitsunfähigkeit nach Art. 7 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie (in § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FreizügG/EU wird Erwerbsminderung genannt) bestehen sollte, wäre diese jedenfalls nicht vorübergehend im Sinne von Art. 7 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie.

Eine mehr als einjährige Beschäftigung nach Art. 7 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie lag nicht vor. Der Antragsteller befand sich lediglich von 10.02.2014 bis 30.09.2014 in einem Arbeitsverhältnis.

Die im Laufe der ersten zwölf Monate des Arbeitsverhältnisses eingetretene unfreiwillige Arbeitslosigkeit erhält nach Art. 7 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie die Arbeitnehmereigenschaft für mindestens sechs Monate. § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU begrenzt diesen Zeitraum auf genau sechs Monate und setzt damit die Vorgabe der Richtlinie um. Diese sechs Monate sind hier bereits am 31.03.2015 abgelaufen.

dd) Der Antragsteller hat eventuell einen Schutz vor Ausweisung nach Art. 14 Abs. 4 Buchst. b) der Richtlinie. Danach darf eine Ausweisung nicht verfügt werden, wenn ein Unionsbürger eingereist ist, um Arbeit zu suchen, solange er nachweisen kann, dass er weiterhin Arbeit sucht und er eine begründete Aussicht hat, eingestellt zu werden. Festzuhalten ist, dass dieser Ausweisungsschutz nicht nur bei einer Einreise zur Arbeitsuche gilt, sondern auch bei einer erneuten Arbeitsuche nach einem Arbeitsplatzverlust (vgl. Sachverhalt Alimanovic Rn. 27).

An dem Nachweis der begründeten Aussicht, eingestellt zu werden, hat das Beschwerdegericht allerdings angesichts der erfolglosen Arbeitsuche des Antragstellers für mehr als ein Jahr durchaus Zweifel. Das kann aber dahinstehen, weil ohne ausreichende Arbeitsuche erst Recht kein Leistungsanspruch nach SGB II besteht (Bay LSG, Beschluss vom 14.04.2015, L 7 AS 225/15 B ER). Weil auch in diesem Fall die Voraussetzungen der Richtlinie nicht vorlägen, könnte sich der Antragsteller auch nicht auf das Gleichbehandlungsgebot des Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie berufen (Alimanovic, Rn. 49 bis 51).

Wenn man einen Ausweisungsschutz nach Art. 14 Abs. 4 Buchst. b unterstellt, dann ist das nach dem Urteil Alimanovic des EuGH (Rn. 57, 58) aber genau der Fall, in dem Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie eine nationale Regelung zum Ausschluss von Sozialhilfeleistungen gestattet. Damit ist der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II europarechtlich nicht zu beanstanden.

c) Eine individuelle Prüfung, ob im konkreten Fall eine unangemessene Belastung der Sozialhilfesysteme verursacht wird (so Schlussanträge des Generalanwalts vom 26.03.2015), ist laut EuGH nicht angezeigt (a.a.O., Rn. 59 ff). Die Richtlinie schafft selbst ein abgestuftes System. Außerdem könnte ein einzelner Antragsteller einen ganzen Mitgliedstaat nicht überlasten - eine solche Prüfung wäre sinnlos.

d) Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Das BVerfG hat in den Beschlüssen vom 03.09.2014, 1 BvR 1768/11, und vom 08.10.2014, 1 BvR 886/11, den Ausschluss von Leistungen nach SGB II für Auszubildende gemäß § 7 Abs. 5 SGB II gebilligt. Der Leistungsausschluss sei schon deswegen nicht zu beanstanden, weil während eines Studiums die Arbeitskraft nicht, wie von § 2 Abs. 2 Satz 2 SGB II verlangt, zur Beschaffung des Lebensunterhalts eingesetzt wird (BVerfG, 08.10.2014). Im Übrigen verweist das BVerfG auf eine vorrangige Förderung durch das Bundesausbildungsförderungsgesetz, das in den betreffenden Fällen aber nicht zum Tragen kam. Dem entnimmt das Beschwerdegericht, dass ein Ausschluss von existenzsichernden Leistungen in bestimmten Lebenssituationen grundsätzlich möglich ist.

Soweit das BVerfG in diesen Beschlüssen annimmt, dass Betroffene gezwungen sein können, ihre Lebensumstände gravierend zu ändern ("Der faktische Zwang, eine Ausbildung abbrechen zu müssen ..."), ist das vergleichbar mit dem faktischen Zwang, dass vom SGB II-Bezug ausgeschlossene Ausländer in ihr Heimatland zurückkehren und wie alle anderen dortigen Bewohner mit den Sozialleistungen bzw. Erwerbsmöglichkeiten im Heimatland zurechtkommen müssen bis sie ein neues Aufenthaltsrecht in einem anderen Mitgliedstaat begründen können. Hierin unterscheidet sich auch die Situation der hier Betroffenen grundlegend von der Situation der Asylsuchenden, die nicht auf diese Möglichkeit verwiesen werden können (vgl. hierzu BVerfG vom 18.07.2012, 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 zum Asylbewerberleistungsgesetz).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

4. Dem Antragsteller ist Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. H. ohne Ratenzahlung zu gewähren. Der Antragsteller ist bedürftig im Sinne von § 73a SGG i.V.m.§ 115 ZPO. Bis zum Urteil des EuGH vom 15.09.2015 war eine hinreichende Erfolgsaussicht nicht zu verneinen.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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