L 2 AS 1821/15 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 7 AS 3479/15 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 2 AS 1821/15 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 21.10.2015 wird zurückgewiesen. Kosten sind für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Das Sozialgericht hat zu Recht mit dem angefochtenen Beschluss die von den Antragstellern beantragte einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung eines Darlehens i.H.v. 7.930 EUR zum Zwecke der Begleichung von Mietschulden abgelehnt.

Gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes setzt mithin neben einem Anordnungsanspruch - im Sinne eines materiellrechtlichen Anspruches auf die beantragte Leistung - einen Anordnungsgrund - im Sinne einer besonderen Eilbedürftigkeit der vom Gericht zu treffenden Regelung - voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]).

Einem Erfolg des einstweiligen Rechtsschutzgesuchs steht bereits das Fehlen eines Anordnungsgrundes entgegen. Ein solcher ist regelmäßig nur gegeben, wenn Eilbedürftigkeit im Sinne einer dringenden und gegenwärtigen Notlage vorliegt, die eine sofortige Entscheidung des Gerichts zur Abwendung wesentlicher Nachteile erfordert. Dies ist der Fall, wenn den Antragstellern unter Berücksichtigung auch der widerstreitenden öffentlichen Belange ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht zuzumuten ist, weil ihnen bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung wichtiger Rechte droht, die durch eine später erfolgende stattgebende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr folgenlos beseitigt werden könnte. Zur Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes für eine Verpflichtung des Leistungsträgers hinsichtlich der Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung und diesbezüglicher Zahlungsrückstände bedarf es des substantiierten und nachvollziehbaren Vortrages, dass eine baldige Wohnungs- bzw. Obdachlosigkeit droht. Der Senat hält - in Übereinstimmung mit den Beschlüssen des LSG NRW vom 29.06.2015 zum Az. L 12 AS 862/15 B ER (bei juris Rn. 10 ff.) sowie vom 06.07.2015 zum Az. L 19 AS 931/15 B ER (bei juris Rn. 33 ff.) - in ständiger Rechtsprechung daran fest, dass eine derartige Gefahr in der Regel frühestens ab Zustellung einer Räumungsklage anzunehmen ist und nicht bereits generell eine Kündigung ausreichend ist, um die Erforderlichkeit einer vorläufigen Regelung durch das Gericht zu begründen. Der Auffassung, dass bereits eine Bedarfsunterdeckung bei glaubhaft gemachter Hilfebedürftigkeit den Kernbereich des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums berührt, so dass ein Anordnungsgrund bereits dann vorliege, wenn der Antragsteller nicht über bedarfsdeckende Mittel verfügt (so aber der 7. Senat des Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, vgl. Beschluss vom 17.06.2015 - L 7 AS 704/15 B ER, L 7 AS 705/15 B, bei juris Rn. 22 m.w.N.) folgt der erkennende Senat nicht. Mietrückstände allein begründen noch keine unmittelbare Gefährdung des Grundrechts aus Art.13 Grundgesetz (GG). Diese Gefährdung ist nicht bereits gegeben, wenn die privatrechtliche Verpflichtung zur Mietzahlung nicht mehr erfüllt werden kann. Sie tritt frühestens ein, wenn auch der Verlust der Wohnung unmittelbar droht (Beschluss des erkennenden Senates vom 05.11.2015 - L 2 AS 1723/15 B ER, zur Veröffentlichung vorgesehen). Dies setzt bei erstmaliger außerordentlicher Kündigung des Mietvertrages zumindest ein auf Räumung der Wohnung gerichtetes konkretes Handeln des Vermieters voraus (ständige Rechtsprechung des erkennenden Senates, vgl. zuletzt Beschluss vom 03.11.2015 - L 2 AS 1101/15 B ER, L 2 AS 1102/15 B, bei juris Rn. 5 m.w.N.).

Anhaltspunkte für eine den Antragstellern aktuell drohende Obdachlosigkeit liegen nicht vor. Es fehlt bereits an der Einleitung eines Räumungsverfahrens durch den Vermieter, denn eine Räumungsklage wurde noch nicht anhängig gemacht (siehe dazu die Angaben der Antragsteller in der Sitzung des Sozialgerichts vom 20.10.2015). Die bloße Existenz von Mietschulden rechtfertigt bei in der Hauptsache noch ungeklärter Anspruchsberechtigung nicht den Einsatz öffentlicher Mittel, deren Wiedererlangung auch bei Gewährung als Darlehen keinesfalls sichergestellt ist.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat aber auch deshalb keinen Erfolg, weil es - jedenfalls bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung - an einem Anordnungsanspruch fehlt. Die Voraussetzungen für die begehrte Übernahme der Mietschulden nach § 22 Abs. 8 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) durch Gewährung eines Darlehens liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift können Mietschulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage erforderlich ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Gerechtfertigt ist dabei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) eine Schuldenübernahme nur dann, wenn die Kosten der zu sichernden Unterkunft in den Angemessenheitsgrenzen des § 22 Abs. 1 SGB II liegen. Zutreffend weist das BSG diesbezüglich darauf hin, dass der mit der Schuldenübernahme bezweckte langfristige Erhalt der Wohnung nur dann gerechtfertigt sein kann, wenn die (künftigen) laufenden Kosten dem entsprechen, was weiterhin vom Träger der Grundsicherung als angemessene Kosten der Unterkunft zu übernehmen ist (vgl. BSG, Urteil vom 17.06.2010 - B 14 AS 58/09 R, bei juris Rn. 26 und 30 zur wortgleichen Vorgängerregelung des § 22 Abs. 5 a.F.; vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 03.02.2012 - L 19 AS 2233/11 B ER, bei juris Rn. 14). Dem hat sich der Senat bereits angeschlossen (siehe Beschluss vom 11.03.2014 zum Az. L 2 AS 276/14 B ER, bei juris Rn. 2 ff.).

Wie vom Sozialgericht in der angefochtenen Entscheidung und auch vom Antragsgegner in dessen Schriftsatz vom 03.11.2015 bereits zutreffend ausgeführt wurde, ist die von den Antragstellern aktuell bewohnte Wohnung nicht (kosten-) angemessen im Sinne von § 22 Abs. 1 SGB II, so dass deren längerfristiger Erhalt auch bei einer jetzt herbeigeführten Mietschuldenbefreiung nicht gesichert wäre. Mit dem Sozialgericht ist dabei - ist die Höhe der angemessenen Kosten der Unterkunft umstritten - bei der in einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage hilfsweise auf die Tabellenwerte zu § 12 Wohngeldgesetz (WoGG) zuzüglich eines zehnprozentigen Zuschlages abzustellen. Übersteigen die tatsächlichen Aufwendungen diese Werte wesentlich, so spricht bei wertender Betrachtung viel dafür, dass die Wohnung nicht erhaltenswert ist. Vorliegend kommt hinzu, dass die Kosten für die Unterkunft aufgrund der vereinbarten Staffelmietvereinbarung - obwohl auch die Tabellenwerte des § 12 WoGG in gewissen Zeitabständen eine Steigerung erfahren - auch in Zukunft erheblich steigen werden und bereits bei Einzug in die Wohnung im Jahre 2012 deutlich über den zu dieser Zeit noch anwendbaren Tabellenwerten zu § 8 WoGG a.F. bzw. den vom Antragsgegner als angemessen angesehen Kosten der Unterkunft lagen, was den Antragstellern auch bekannt war. Diesbezüglich ist zudem zu beachten, dass eine Darlehensgewährung infolge der damit zukünftig verbundenen Aufrechnungen bei erheblichen Mietrückständen wie vorliegend in Höhe von knapp 8.000 EUR längerfristig zu einer Verminderung der den Antragstellern zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel führen würde. Den Antragstellern würde es dann voraussichtlich noch weniger als in der Vergangenheit gelingen, den selbst zu finanzierenden Mietanteil aus ihren Einkommensfreibeträgen aufzubringen, zumal diese in den vergangenen Jahren, zB durch eine Untermietung des Stellplatzes - nicht einmal versucht haben, zum Erhalt der Wohnung über eine Kostensenkung beizutragen. Bislang haben die Antragsteller trotz diverser Aufforderungen auch nicht den darauf bezogenen Mietvertrag vorgelegt, aus dem allein sich ergeben könnte, dass die Anmietung der Wohnung zwingend mit der Anmietung des Stellplatzes verbunden ist, so dass die damit verbundenen Kosten überhaupt als Kosten der Unterkunft anzuerkennen wären (vgl. BSG, Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 1/08 R, bei juris Rn. 18 m.w.N.). Damit besteht die konkrete Gefahr, dass auch weiterhin Mietrückstände in beträchtlicher Größe angehäuft werden und ein Wohnungsverlust auch bei einer jetzt durchgeführten Mietschuldenbefreiung jedenfalls dauerhaft unvermeidbar ist.

Die Auffassung der Antragsteller, wegen der mit der Staffelmietvereinbarung verbundenen Mieterhöhungen hätte es einer Kostensenkungsaufforderung seitens des Antragsgegners bedurft, vermag nicht zu überzeugen, denn es spricht viel dafür, dass die während des Leistungsbezugs ohne Einholung einer Zustimmung angemietete Unterkunft bereits von Anfang an nicht kostenangemessen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.

Eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren konnte wegen fehlender hinreichender Erfolgsaussichten nicht erfolgen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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