S 1 SO 4077/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
1
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 1 SO 4077/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Kein Anspruch des Nothelfers auf Kostenerstattung für medizinische Behandlung aus Sozialhilfemitteln bei nicht feststellbarer Bedürftigkeit (Bestätigung von SG Karlsruhe vom 14.08.2015 - S 1 SO 215/15 -).

Keine Haftung des Trägers der Sozialhilfe als Ausfallbürge bei ungeklärter Bedürftigkeit.
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin macht gegen die Beklagte einen Anspruch auf Übernahme von Kosten in Höhe von 1.987,80 EUR für die stationäre Behandlung der am 28.08.1995 geborenen bulgarischen Staatsangehörigen M. Y. (im Folgenden: Y.) in der Zeit vom 14.03. bis zum 18.03.2014 im Wege der Nothilfe aus Mitteln der Sozialhilfe geltend.

Y. befand sich in der Zeit von Freitag, dem 14.03.2014, 15:18 Uhr, bis Dienstag, dem 18.03.2014, 14:24 Uhr, unter der Aufnahmediagnose einer schlaffen Paraparese und Paraplegie (ICD 10-Schlüssel: G 82.9) zur stationären Behandlung in der Klinik für Neurologie des von der Klägerin betriebenen Krankenhauses. Dabei gab Y. u. a. an, sie halte sich erst seit zehn Tagen in Deutschland auf und wohne in der L.straße 23, K., mietfrei in Untermiete bei einem "J". Eine Krankenversicherung bestehe nicht. Sie könne die Behandlungskosten nicht zahlen. Am 18.03.2014 stellte sie über die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) und dem Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - (SGB XII). Die Entlassung der Y. aus der stationären Behandlung erfolgte unter der Hauptdiagnose einer dissoziativen Bewegungsstörung (ICD 10-Schlüssel: F 44.4); außerdem diagnostizierten die Klinikärzte als Gesundheitsstörungen eine akute respiratorische Insuffizienz (ICD 10-Schlüssel: J 96.6) und eine "Beobachtung bei Verdacht auf neurologische Krankheit" (ICD 10-Schlüssel: Z 03.3). Für die stationäre Behandlung fielen Kosten in Höhe von 1.987,80 EUR an.

Am 17.03.2014 (Montag) zeigte die Klägerin der Beklagten an, sie habe Y. am 14.03.2014 notfallmäßig aufgenommen. Zugleich bat sie um Übernahme der anfallenden Krankenhauskosten für die Dauer der medizinisch notwendigen Behandlungszeit. In der Folge lehnte das Jobcenter Stadt K. Leistungen nach dem SGB II ab, weil der Aufenthalt von Y. im Bundesgebiet allein zum Zwecke der Arbeitssuche erfolgt sei (eMail vom 15.04.2014). Die bulgarische Sozialversicherung teilte der Klägerin am 17.03.2014 mit, Y. sei dort seit dem 31.01.2014 nicht mehr krankenversichert. Versuche der Beklagten, die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Y. zu klären, blieben erfolglos: das Regierungspräsidium K. (RP) teilte auf telefonische Anfrage mit, Y. sei in der Bundesrepublik Deutschland noch nie ausländerrechtlich in Erscheinung getreten. Nach ebenfalls telefonischer Auskunft der Ausländerstelle beim Ordnungsamt der Beklagten war Y. in K. nicht polizeilich gemeldet. In der Frauenberatungsstelle K. war Y. nicht bekannt (eMail vom 28.05.2014). Auch der Versuch eines Hausbesuchs unter der von Y. angegebenen Anschrift in K. verlief erfolglos; den von ihr mit "J" bezeichneten Vermieter konnte die Beklagte unter der genannten Anschrift ebenfalls nicht ermitteln. Daraufhin lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit der Begründung ab, Voraussetzung für eine Kostenerstattung an den Nothelfer sei u.a. eine Leistungsberechtigung der in Not geratenen Person nach dem SGB XII; sie habe für die Zeit der stationären Behandlung der Y. jedoch deren persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse und damit deren Bedürftigkeit nicht ausreichend ermitteln können (Bescheid vom 05.06.2014).

Den dagegen erhobenen Widerspruch der Klägerin, zu dessen Begründung sie u.a. vortrug, Y. habe bzgl. ihrer Adresse in K. vermutlich absichtlich unrichtige Angaben gemacht, und eine Zustellung der Rechnung sowohl an die K. als auch an die aus dem Pass ersichtliche Anschrift in Bulgarien sei jeweils erfolglos geblieben, wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 11.11.2014).

Deswegen hat die Klägerin am 03.12.2014 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgt. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, im Fall der Y. habe ein Eilfall im sozialhilferechtlichen Sinne vorgelegen. Sie - die Klägerin - habe deshalb als Nothelferin gehandelt. Y. sei auch bedürftig gewesen, da weder ein vorrangig Verpflichteter vorhanden sei noch eine Krankenversicherung in Deutschland oder Bulgarien bestehe. Gleiches gelte für eventuell vorrangige Leistungsansprüche nach dem SGB II. Y. habe überdies zum Zeitpunkt der Notfallbehandlung angegeben, über keinerlei Einkünfte oder Vermögen zu verfügen. Allein die Unmöglichkeit, Y. später unter der von ihr angegebenen Anschrift zu erreichen, lasse keinen Rückschluss auf die Unrichtigkeit dieser Angeben zu. Hätte sie - die Klägerin - die Beklagte unmittelbar nach Beginn der stationären Behandlung informiert, hätte diese auf der Grundlage der Angaben der Y. die Krankenbehandlung sicherstellen müssen. Wenn sich deren Bedürftigkeit nunmehr nicht mehr aufklären lasse, dürfe dies nicht zu ihren - der Klägerin - Lasten ausfallen. Andernfalls werde sie zum Ausfallbürgen für die Beklagte.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 05. Juni 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. November 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten für die stationäre Behandlung der Y. im Zeitraum vom 14. März bis zum 18. März 2014 in Höhe von 1.987,80 EUR aus Sozialhilfemitteln zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie erachtet die angefochtenen Bescheide für zutreffend.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakte der Beklagten sowie den der Prozessakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 i. V. m. § 56 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)) zulässig, aber unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die stationäre Behandlung der Y. in der Zeit vom 14.03. bis zum 18.03.2014 zu.

1. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Erstattungsanspruchs ist § 25 SGB XII. Nach Satz 1 dieser Bestimmung sind demjenigen, der in einem Einzelfall einem anderen Leistungen erbracht hat, die bei rechtzeitigem Einsetzen der Sozialhilfe nicht zu erbringen gewesen wären, die Aufwendungen in gebotenem Umfang zu erstatten, wenn er sie nicht aufgrund rechtlicher oder sittlicher Pflicht selbst zu tragen hätte. § 25 Satz 1 SGB XII bezweckt, die Hilfebereitschaft Dritter im Interesse in Not geratener Menschen zu erhalten und zu stärken und Hilfe in Fällen sicher zu stellen, in denen Leistungen des Sozialhilfeträgers zu spät kämen oder wegen Zeitablaufs ins Leere gingen (vgl. BVerwGE 91, 245, 248 und BVerwGE 114, 326, 332, ferner BSG SozR 4-3500, § 25 Nr. 11 und BSG SozR 4-5910 § 121 Nr. 1). Darüber hinaus sollen mit der Erstattungspflicht diejenigen Träger der Sozialhilfe belastet werden, die ohne Eingreifen des Nothelfers die Kosten der erbrachten Leistung zu tragen gehabt hätten (vgl. BVerwGE 135, 150 ff).

2. Die Klägerin als juristische Person des Privatrechts (§ 13 Abs. 1 des GmbH-Gesetzes) kann Anspruchsberechtigte im Sinne des § 25 Satz 1 SGB XII sein. Sie hat auch in einem nach dieser Bestimmung vorausgesetzten Eilfall Leistungen erbracht. Dies ergibt sich allerdings nicht allein daraus, dass aus medizinischer Sicht eine Notfallsituation eingetreten war und die Klägerin Y. wegen einer evtl. potenziell lebensbedrohenden Erkrankung durch die bei ihr angestellten oder beschäftigten Ärzte und durch ihre Einrichtungen eines Krankenhauses die medizinisch notwendige Akuthilfe geleistet hat. Denn weitere Voraussetzung für die Annahme eines Eilfalls ist, dass nach Lage der Dinge eine rechtzeitige Hilfe des Sozialhilfeträgers objektiv nicht zu erreichen war (vgl. BVerwGE 114, 298; LSG Hamburg vom 21.0.2012 - L 4 AY 4/11 - und LSG Nordrhein-Westfalen vom 28.01.2013 - L 20 SO 554/11 - (jeweils juris)). Diese Voraussetzung ist vorliegend indes unstreitig und unzweifelhaft erfüllt. Denn zum Zeitpunkt des Beginns der Hilfegewährung am 14.03.2014 um 15:18 Uhr, d.h. Freitag Nachmittag, war die Beklagte schon wegen ihrer fehlenden Dienstbereitschaft nicht von der Notlage zu unterrichten, damit sie bei einer Leistungsverpflichtung selbst rechtzeitig Hilfe gewähren konnte. Mit Blick auf die Aufnahmediagnose "schlaffe Paraparese und Paraplegie" hat auch die Beklagte im Widerspruchsbescheid einen Eilfall i.S.d. § 25 SGB XII nicht in Abrede gestellt.

Die Beklagte ist für die geltend gemachte Erstattungsforderung passiv legitimiert. Denn bezogen auf den maßgebenden Zeitpunkt des Beginns der Notfallhilfe am 14.03.2014 war sie der sachlich (§ 97 Abs. 1 SGB XII) und örtlich (§ 98 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 3, 4. Alternative SGB XII) zuständige Sozialhilfeträger. Nach § 98 Abs. 2 Satz 3, 4. Alternative SGB XII hat in einem Eilfall der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich sich der Leistungsberechtigte tatsächlich aufhält, unverzüglich über die Hilfe zu entscheiden und sie vorläufig zu erbringen.

3. Der streitige Kostenerstattungsanspruch scheitert vorliegend aber daran, dass nicht zur Überzeugung der Kammer erwiesen ist, dass die Beklagte als örtlicher Träger der Sozialhilfe bei rechtzeitiger Kenntnis des Hilfefalls für die Zeit der Nothilfe Sozialhilfe - hier: Hilfe bei Krankheit gem. § 48 SGB XII - hätte gewähren müssen, mithin zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Dies setzt voraus, dass der Empfänger der Nothilfe - hier: Y. - im Zeitpunkt der Nothilfe alle Anspruchsvoraussetzungen für die konkrete Sozialhilfeleistung, die zu erbringen gewesen wäre, erfüllte, was u.a. dessen Hilfebedürftigkeit (vgl. BVerwG vom 30.12.1996 - 5 B 202/95 -, Rn. 2 (Juris) und Waldhorst-Kahnau in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 25, Rn. 36) und das Fehlen von Leistungsausschlüssen voraussetzt. Denn nach § 2 Abs. 1 SGB XII erhält Sozialhilfe nicht, wer sich vor allem durch Einsatz u. a. seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen kann oder die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

Aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens steht zwar fest, dass eine vorrangige Hilfegewährung durch andere Sozialleistungsträger, insbesondere eine in- oder ausländische Krankenversicherung, ausgeschlossen waren. Denn nach bundesdeutschen Rechtsvorschriften schied eine Pflicht- oder freiwillige Versicherung der Y. in der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 13 und § 9 des Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Krankenversicherung -(SGB V)) aus, was zwischen den Beteiligten des vorliegenden Rechtsstreits nicht streitig ist. Y. war seit dem 31.01.2014 auch nicht (mehr) von der bulgarischen Krankenversicherung erfasst, ungeachtet dessen, dass ein Anspruch des Empfängers der Nothilfe gegen einen ausländischen Krankenhausträger den Nachrang nach § 2 Abs. 1 SGB XII von vornherein nicht eingreifen lässt, weil bei Bestehen einer solchen Versicherung im Regelfall kein Sachleistungs-, sondern lediglich ein Kostenerstattungsanspruch gegeben ist, der zudem erst noch durchgesetzt werden müsste (vgl. BSG vom 18.11.2014 - B 8 SO 9/13 R -, Rn. 23 (Juris)). Weiter bestanden keine evtl. vorrangigen Ansprüche nach dem SGB II, nachdem das Jobcenter Stadt K. den Leistungsantrag von Y. abgelehnt hatte ... Andererseits haben allerdings auch die Versuche der Beklagten, die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Y. zu klären, keinen Erfolg gehabt. Denn weder war Y. unter der von ihr angegebenen Anschrift in K. erreichbar - auch den gegenüber der Klägerin mit "J" bezeichneten Vermieter konnte die Beklagte dort nicht ermitteln - noch war Y. in K. ausländerrechtlich in Erscheinung getreten noch polizeilich gemeldet noch bei der Frauenberatungsstelle bekannt. Die Klägerin ist deshalb in ihrer Widerspruchsbegründung auch zutreffend davon ausgegangen, dass Y. ihr gegenüber absichtlich falsche Angaben zu ihrer Wohnadresse gemacht hat. Damit bleibt aber die Hilfebedürftigkeit der Y. letztlich offen, d.h. ungeklärt. Weitere Ermittlungsmöglichkeiten zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Y. sind für das Gericht nicht ersichtlich. Insbesondere versprechen eventuelle Anfragen hierzu an die in ihrem Personaldokument angegebene Anschrift in Bulgarien keinen weiteren Ermittlungserfolg, nachdem bereits die von der Klägerin dorthin versuchte Zustellung der Rechnung über die Behandlungskosten erfolglos geblieben ist. Soweit die Klägerin im Schriftsatz vom 28.04.2015 angeregt hat, unter Einschaltung bulgarischer Behörden und bei etwaigen Verwandten der Y. deren Aufenthaltsort und die Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu ermitteln, war dem nicht nachzugehen. Denn insoweit handelt es sich um eine unbeachtliche (vgl. u.a. Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 36. Aufl. 2015, § 184, Rn. 3 m.w.N.) Anregung zu einem Ausforschungsbeweis.

Ist deshalb auch im Wege der Amtsermittlung nicht zu klären, ob Sozialhilfebedürftigkeit der Y. am 14.03.2014 vorlag und steht deshalb nicht fest, dass die Beklagte bei rechtzeitiger Kenntnis Hilfe nach den Bestimmungen des SGB XII zu gewähren gehabt hätte, trägt die Klägerin als Anspruchstellerin die materielle Beweislast dafür, dass die Anspruchsvoraussetzungen nach § 25 Satz 1 SGB XII vorlagen, mithin Hilfebedürftigkeit bestand (vgl. BSG SozR 4-5910 § 121 Nr. 1, Rn. 24 und BSG vom 18.11.2014 - B 8 SO 9/13 R -, Rn. 17 (Juris); BVerwGE 45, 131, 133; LSG Berlin-Brandenburg, FEVS 59, 475 ff; LSG Sachsen-Anhalt FEVS 62, 559 ff und OVG Münster FEVS 48, 272; dieser Rechtsprechung folgend: Urteil des erkennenden Gerichts vom 14.08.2015 - S 1 SO 215/15 - (juris); außerdem Hohm in Schellhorn/Hohm/Schneider, SGB XII, 19. Aufl. 2015, § 25 Rn. 14). Dies gilt nach insoweit geklärter höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. BVerwGE 45, 131, 132; BVerwG vom 30.12.1996 - 5 B 202/95 -, Rn. 5 (juris) und LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O.) selbst dann, wenn die Beklagte die gemäß § 20 des Sozialgesetzbuchs - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) gebotene Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts von Amts wegen nicht ausreichend oder nur oberflächlich durchgeführt oder erst verspätet aufgenommen hätte - hierfür besteht vorliegend indes kein Anhalt. Diese Risikoverteilung folgt aus den allgemeinen Beweislastregelungen. Denn die Verpflichtung der Klägerin zur Leistung der im Einzelfall notwendigen Hilfe durch die Einrichtung eines Krankenhauses ist stets mit dem Risiko behaftet, auf den dafür notwendigen Aufwendungen "sitzen zu bleiben". Dies führt jedoch nicht dazu, der Beklagten als örtlichem Träger der Sozialhilfe - und damit letztlich der Gemeinschaft der Steuerzahler - das Risiko nicht festgestellter Hilfebedürftigkeit desjenigen aufzubürden, demgegenüber die Klägerin eine Soforthilfe erbracht hat. Denn letztlich trägt diese - wie bspw. auch jeder Handwerker - immer das Risiko, dass ihre Leistungen nicht vergütet werden. Die allgemeine Beweislastregelung ist auch keine Ungleichbehandlung des Nothelfers. Denn die einen Nothelfer treffende Hilfepflicht wird ihm nicht vom Sozialhilfeträger auferlegt, sondern trifft ihn wegen der strafrechtlichen Sanktionen (§ 323c des Strafgesetzbuchs (StGB)) und die Klägerin als Krankenhausträger und ihr ärztliches Personal zudem aus berufs- und zulassungsrechtlichen Gründen. Der Gesetzgeber hat mit § 25 Satz 1 SGB XII schließlich auch keine Haftung des Trägers der Sozialhilfe als Ausfallbürge normiert (vgl. BSG SozR 4-5910 § 121 Nr. 1, Rn. 20; BVerwGE 114, 298, 300 und LSG Berlin-Brandenburg, FEVS 59, 475).

Nicht ausreichend für einen Anspruch nach § 25 Satz 1 SGB XII gegen die Beklagte ist deshalb, dass dem Nothelfer kein anderer Schuldner zur Verfügung steht. Der Erstattungsanspruch setzt vielmehr nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut die Leistungspflicht des Trägers der Sozialhilfe voraus. Nur bei rechtzeitiger Kenntnis des Hilfefalls und Leistungsverpflichtung soll der Träger der Sozialhilfe nicht von der geleisteten Nothilfe profitieren.

Damit ist ein Kostenerstattungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte aus § 25 Satz 1 SGB XII nicht gegeben.

4. Ein solcher ergibt sich auch nicht aus einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch wegen evtl. unzureichender oder verspätet eingeleiteter Sachaufklärung hinsichtlich der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Y. Denn eine Umkehr der materiellen Beweislast für das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen nach § 25 Satz 1 SGB XII in Bezug auf die Hilfebedürftigkeit des Nothilfeempfängers tritt selbst dann nicht ein, wenn die Behörde den Sachverhalt nur unzureichend ermittelt hat (vgl. nochmals LSG Berlin-Brandenburg FEVS 59, 475). Eine solche Beweislastumkehr lässt sich - ungeachtet der Voraussetzungen des richterrechtlichen Rechtsinstituts des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs (vgl. hierzu Mrozynski, SGB I, 5. Aufl. 2014, § 14, Rn. 25 ff) - auch über diesen nicht konstruieren. Überdies hat die Beklagte vorliegend nach Ansicht der Kammer alles ihr Mögliche und Zumutbare unternommen, um die Einkommens- und Vermögensverhältnisse von Y. zu ermitteln.

5. Aus eben diesen Gründen sind die angefochtenen Bescheide rechtmäßig und musste das Begehren der Klägerin erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs. 1 und 4 SGG (vgl. hierzu BSG SozR 4-1500, § 183 Nr. 7 und BSG SozR 4-3500, § 25 Nrn. 2 und 3).
Rechtskraft
Aus
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