L 2 AS 1557/15 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 55 AS 2605/15 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 2 AS 1557/15 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerden gegen den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 10.08.2015 werden zurückgewiesen. Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Das Sozialgericht Duisburg (SG) hat zu Recht mit dem angefochtenen Beschluss die von den Antragstellern beantragte einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung höherer Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft und Heizung abgelehnt.

Gemäß § 86b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen zur Regelungen eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes setzt mithin neben einem Anordnungsanspruch - im Sinne eines materiell-rechtlichen Anspruchs auf die beantragte Leistung - einen Anordnungsgrund im Sinne einer besonderen Eilbedürftigkeit der vom Gericht zu treffenden Regelung - voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG iVm § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]).

Einem Erfolg des einstweiligen Rechtsschutzgesuches steht bereits das Fehlen eines Anordnungsgrundes entgegen. Ein solcher ist nur gegeben, wenn Eilbedürftigkeit im Sinne einer dringenden und gegenwärtigen Notlage vorliegt, die eine sofortige Entscheidung des Gerichts zur Abwendung wesentlicher Nachteile erfordert. Dies ist der Fall, wenn den Antragstellern unter Berücksichtigung auch der widerstreitenden öffentlichen Belange ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht zuzumuten ist, weil ihnen bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung wichtiger Rechte droht, die durch eine später erfolgende stattgebende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr folgenlos beseitigt werden könnten. Zur Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes für eine Verpflichtung des Leistungsträgers hinsichtlich der Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung bedarf es des substantiierten und nachvollziehbaren Vortrags, dass unmittelbar Wohnungs- bzw. Obdachlosigkeit drohe.

Der erkennende Senat hält - in Übereinstimmung mit den Beschlüssen des LSG NRW vom 29.06.2015 in der Sache L 12 AS 862/15 B ER (RdNr. 10 bei juris) sowie vom 06.07.2015 in der Sache L 19 AS 931/15 B ER (RdNrn. 33 ff. bei juris) - in ständiger Rechtsprechung (zuletzt Beschluss vom 26.11.2015, L 2 AS 1199/15 B ER, RdNrn. 4 f. bei juris) daran fest, dass auch im Falle der Antragstellerinnen eine derartige Gefahr in der Regel frühestens ab Durchführung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in das von den Antragstellerinnen selbst bewohnte Hausgrundstück anzunehmen ist. Ausreichend ist nicht bereits generell die Möglichkeit einer etwaigen Zwangsvollstreckung, um die Erforderlichkeit einer vorläufigen Regelung durch das Gericht zu begründen. Diesbezügliche Maßnahmen sind im Falle der Antragstellerinnen einstweilen eingestellt worden. Der Auffassung, dass bereits eine Bedarfsunterdeckung bei glaubhaftgemachter Hilfebedürftigkeit den Kernbereich des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums berühre, sodass ein Anordnungsgrund bereits dann vorliege, wenn der Antragsteller nicht über bedarfsdeckende Mitteil verfüge (so der 7. Senat des LSG NRW, beispielhaft mit Beschluss vom 17.06.2015 in L 7 AS 704/15 B ER, RdNr. 7 bei juris mwN) folgt der erkennende Senat ausdrücklich nicht. Das Recht kennt kein Grundrecht auf Schuldenfreiheit. Selbst tenorierte Zahlungsrückstände für sich genommen vermögen in der Regel noch keine unmittelbare Gefährdung des Grundrechts aus Art. 13 Grundgesetz (GG) zu begründen. Eine solche Gefährdung ist auch dann noch nicht gegeben, wenn die Beitreibung von Außenständen gegen die Antragsteller im Wege der Zwangsvollstreckung in deren Wohnimmobilie lediglich angedroht wird und Vollstreckungsmaßnahmen nicht eingeleitet sind. Sie tritt frühestens dann ein, wenn der Verlust der Wohnräume unmittelbar droht (Beschluss des erkennenden Senats vom 05.11.2015, L 2 AS 1723/15 B ER, RdNr. 3 f. bei juris mwN). Dies setzt das konkrete, zielgerichtete Betreiben von - hier einstweilen eingestellten - Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in das Wohneigentum der Antragstellerinnen voraus. An einer derart aktuell drohenden Obdachlosigkeit fehlt es hier nach deren eigenen Angaben vorliegend.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 138 iVm § 193 SGG.

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren scheitert an der fehlenden hinreichenden Aussicht auf Erfolg desselben (§ 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung -ZPO-).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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