L 5 R 3277/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 3316/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 3277/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 08.07.2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über ein Anspruch des Klägers auf Gewährung von Erwerbsminderungsrente.

Der 1956 geborene Kläger begann nach seinem Hauptschulabschluss eine Ausbildung zum Installateur, die er jedoch nicht abschloss. Im Anschluss war er als Installateurhelfer, Maler, Stuckateurhelfer, Sortierer und Produktionshelfer tätig. Zuletzt war der Kläger zwischen Juli 2008 und März 2010 als Helfer in der Lebensmittelherstellung bei der Firma J. tätig. Dort musste er Käse und Rohmaterial aus dem Kühlraum holen und nach Plan für die Produktion auf Paletten herrichten, wobei Ein- und Auspacken nach Auftragsplan erfolgte. Seit April 2010 ist der Kläger arbeitssuchend.

Am 06.03.2014 beantragte der Kläger die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Insoweit legte der Kläger Arztbriefe des behandelnden Orthopäden Dr. M. vom 06.03.2007 und 21.09.2011 vor, worin dieser im Wesentlichen eine Lumboischialgie links, eine unklare Halbseitensymptomatik links sowie ein Wirbelsäulensyndrom bei "altem Morbus Scheuermann" beschrieb. Vorgelegt wurde darüber hinaus der Arztbrief der Fachärzte für Neurologie und Psychiatrie Dr. N. und Dr. Sch. vom 12.10.2010, worin ein pseudosegmentales Lumboischialgiesyndrom links und ein Karpaltunnelsyndrom beidseits beschrieben wird und das ärztliche Gutachten von Dr. B., Landratsamt B ... Diese stellte in ihrem Gutachten vom 02.11.2012 folgende Diagnosen:

1. Chronisches Schmerzsyndrom, ausgehend von degenerativen Wirbelsäulenveränderungen vorwiegend im Lendenwirbelsäulenbereich und von einem Bandscheibenvorfall L4/L5 links sowie nach einem Sturz auf die rechte Schulter. 2. Depressive Anpassungsstörung an den Tod der Mutter im Sommer 2012. 3. Beugehemmung des 5. und 2. Fingers rechts 4. Tramalabhängigkeit seit eineinhalb Jahren

Der Kläger sei in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig zu verrichten.

Darüber hinaus wurde die gutachterliche Äußerung des Arztes der Agentur für Arbeit R. Sch. vom 08.10.2010 vorgelegt, worin dieser lediglich qualitative Leistungseinschränkungen nennt.

Die Beklagte veranlasste daraufhin die sozialmedizinische Begutachtung des Klägers durch die Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. G ... Diese untersuchte den Kläger am 19.05.2014 und nannte in ihrem Gutachten vom 17.06.2014 folgende Diagnosen:

1. Pseudoradikuläre Lendenwirbelsäulenbeschwerden links bei Wirbelsäulenfehlstatik und muskulärer Haltungsschwäche, Verschleißbildung L4/5 und Th10/11, abgelaufener Scheuermann, Minderbelastbarkeit; 2. leichte Bewegungseinschränkung der Ellenbogen, gut kompensiert. Erschwerte Armhebung über die Schulterhöhe, leichte Störung der Funktionalität bei Beugekontraktur zweiter Finger rechts und diskret fünfter Finger rechts bei Carpaltunnelsyndrom beidseits, insgesamt gut kompensierbar; 3. Anpassungsstörung, leicht bis zeitweise mittelgradig, unbehandelt, bei psychosozialen Belastungsfaktoren und 4. als Nebendiagnosen: Nikotinkonsum, unauffällige Lungenfunktion; beginnendes Flügelfell medial linkes Auge; teilsaniertes Gebiss; Fettstoffwechselstörung, medikamentös behandelt; vasomotorische Nasenschleimhautreizungen bei Verdacht auf Privinismus; Nagelpilz und Fußpilz.

Dr. G. sah eine Leistungsminderung für mittelschwere und schwere Tätigkeiten. Der Kläger sei jedoch weiterhin in der Lage, leichte Tätigkeiten, vorzugsweise in Tagesschicht, gegebenenfalls auch in Früh-/Spätschicht unter Ausschluss von Nachtschicht und ohne erhöhte Anforderungen an besondere Feinarbeiten mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Geeignet seien zum Beispiel auch Pförtnertätigkeiten sowie Kontrolltätigkeiten. Kälte und Nässe sollten vermieden werden. Für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit bei der Firma J. mit Arbeit im Kühlraum und Belastung über 20 Kilogramm müsse ein unter dreistündiges Leistungsvermögen festgestellt werden.

Mit Bescheid vom 01.07.2014 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Die beim Kläger vorliegenden Krankheiten oder Behinderungen führten nicht zu einem Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung, denn der Kläger könne noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein. Der Kläger sei auch nicht berufsunfähig. Er könne zwar in seinem bisherigen Beruf als Käsereiarbeiter nicht mehr mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein. Andere Tätigkeiten, die es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gebe, könne er in diesem Umfang jedoch ausüben. Dies sei auf Grund seines beruflichen Werdegangs auch zumutbar.

Hiergegen legte der Kläger am 09.07.2014 bei der Stadt L. Widerspruch ein. Nach Weiterleitung ging der Widerspruch am 14.07.2014 bei der Beklagten ein. Zur Begründung des Widerspruchs wies der Kläger darauf hin, dass er nervlich nicht mehr in der Lage sei zu arbeiten. Er besitze im Übrigen keinen Führerschein und sei auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17.10.2014 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Unter Berücksichtigung aller Gesundheitsstörungen und den sich daraus ergebenden funktionellen Einschränkungen bei der Ausübung von Erwerbstätigkeiten seien keine Auswirkungen ersichtlich, die das Leistungsvermögen des Klägers für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zeitlich einschränkten. Ihm seien weiterhin leichte Tätigkeiten ohne erhöhte Anforderungen an besondere Feinarbeiten, vorzugsweise in Tagesschicht, gegebenenfalls auch in Früh-/Spätschicht sowie ohne Kälte und Nässe sechs Stunden und mehr täglich zumutbar. Als Käsereiarbeiter sei der Kläger nur noch unter drei Stunden einsatzfähig. In der zuletzt ausgeübten Tätigkeit sei der Kläger jedoch dem Kreis der ungelernten Arbeiter zuzuordnen, weshalb er auf alle - gesundheitlich zumutbaren - ungelernten Tätigkeiten verwiesen werden könne. Eine teilweise Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit komme daher vorliegend ebenfalls nicht in Betracht.

Hiergegen richtete sich die am 22.10.2014 zum Sozialgericht Ulm (SG) erhobene Klage. Zur Begründung trug der Kläger vor, dass er nervlich und krankheitshalber nicht mehr in der Lage sei zu arbeiten. Er sei ständig in Behandlung bei Dr. A. und nehme starke Medikamente ein. Insoweit legte er zwei ärztliche Atteste des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. A. vom 13.04.2012 vor. Danach befinde sich der Kläger seit Jahren bei Dr. A. in ständiger ambulanter Behandlung. Er leide an rezidivierenden Wirbelsäulen- und Gelenksyndromen und er sei insoweit auch in fachorthopädischer Behandlung. Ein Arbeitsplatz, der nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar sei, sei nicht ohne Gefahr einer Verschlimmerung der Leiden zumutbar. Im weiteren Attest gibt Dr. A. an, der Kläger könne keinen Schichtdienst verrichten, um schwere Folgeschäden zu vermeiden. Darüber hinaus legte der Kläger erneut die Arztbriefe von Dr. M. und Dr. N. bzw. Dr. Sch. vor, die bereits im Verwaltungsverfahren vorgelegt worden waren.

Das SG befragte daraufhin die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen. Dr. A. gab in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 22.02.2015 an, dass der Kläger nach seiner Einschätzung noch in der Lage sei, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Die Gehfähigkeit des Klägers sei nicht eingeschränkt. Das für die Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit maßgebliche Fachgebiet sei die Orthopädie. Dr. M. gab in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 02.03.2015 ebenfalls an, dass der Kläger leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig verrichten könne. Die letzte Vorstellung sei jedoch am 04.03.2014 erfolgt. Hierbei sei das Gangbild normal und differenzierte Standarten normal ausführbar gewesen. An Vorerkrankungen seien eine Hypertonie und eine Hypercholesterinämie bekannt. Orthopädische Gebrechen würden eine Rolle spielen. Ein psychosomatisches Mitleiden sei jedoch nicht auszuschließen. Der Internist Dr. K. teilte in seiner Auskunft vom 24.02.2015 mit, dass er im Hinblick auf die lediglich dreimalige Vorstellung des Klägers im April 2011, November 2011 und Oktober 2014 keine weitere Angaben machen könne. Hinsichtlich der Einzeluntersuchungen verwies er auf die beigefügten Arztbriefe.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. In seiner sozialmedizinischen Stellungnahme vom 30.04.2015 wies Obermedizinalrat F. darauf hin, dass sich aus den Arztbriefen von Dr. K. keine Befunde auf internistisch/gastroenterologischem Fachgebiet ergeben würden, die eine Bedeutung für die sozialmedizinische Beurteilung haben könnten. Auf orthopädisch-unfallchirurgischem Gebiet habe Dr. M. ein vollschichtiges Leistungsvermögen zum Zeitpunkt der letzten Untersuchung/Behandlung am 04.03.2014 bestätigt. Aus der seitherigen Behandlungspause lasse sich der Schluss ziehen, dass wesentliche Beschwerden/Beeinträchtigungen im Bereich des Bewegungsapparates seitdem nicht mehr vorgelegen hätten. Bestätigt werde die fehlende quantitative Beeinträchtigung der Belastbarkeit im Übrigen auch durch Dr. A ... Damit würden die vorliegenden Unterlagen das Ergebnis der Begutachtung von Dr. G. im Frühjahr 2014 bestätigen.

Auf Anfrage des SG teilte der Kläger über Dr. A. sodann unter dem 26.05.2015 mit, dass er sich seit März 2014 nicht mehr bei einem Orthopäden vorgestellt habe.

Mit Urteil vom 08.07.2015 wies das SG die Klage auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung daraufhin ab. Der Kläger sei nach wie vor in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Das SG stützte diese Einschätzung auf die Auskünfte der behandelnden Ärzte Dr. A. und Dr. M. sowie auf das Gutachten von Dr. G. vom 17.06.2014. Die behandelnden Ärzte würden ein Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr bestätigen. Damit teilten auch die behandelnden Ärzte die von Dr. G. in ihrem ausführlichen Gutachten vom 17.06.2014 vertretene Ansicht. Aus dem Bericht des Internisten Dr. K. würden sich keine neuen Erkenntnisse ergeben. Der Kläger sei demnach vollschichtig leistungsfähig und habe keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung gemäß § 43 Sozialgesetzbuch (SGB) VI. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Der Kläger sei zuletzt als Arbeiter in einer Käserei versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Hierbei sei er der Gruppe der ungelernten Arbeiter zuzuordnen, weshalb er auf sämtliche ungelernten Arbeiten unter Beachtung von qualitativen Einschränkungen verwiesen werden könne. Hiermit sei der Kläger nicht berufsunfähig.

Das Urteil wurde dem Kläger mittels Postzustellungsurkunde am 17.07.2015 zugestellt.

Gegen das Urteil hat der Kläger am 21.07.2015 beim SG Berufung eingelegt. Dieses hat das Berufungsschreiben am 03.08.2015 dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung der Berufung trägt der Kläger vor, dass er mit dem Urteil des SG nicht einverstanden sei, da seine gesundheitlichen Einschränkungen noch immer bestünden.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 08.07.2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 01.07.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.10.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen ihm eine Rente wegen Erwerbsminderung ab dem 01.03.2014 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Mit Schreiben vom 18.11.2015 hat der Berichterstatter darauf hingewiesen, dass die Entscheidung des SG nach vorläufiger Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht zu beanstanden sein dürfte und angeregt die Fortführung der Berufung zu überdenken und eine Rücknahme in Erwägung zu ziehen. Sofern die Berufung fortgeführt wird, hat der Senat auf § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen. Die Beteiligten haben Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 18.12.2015 erhalten. Die Beklagte hat sich mit der angekündigten Vorgehensweise einverstanden erklärt. Der Kläger hat sich nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf die Gerichtsakte erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

II.

Der Senat entscheidet über die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, da er die Berufung des Klägers einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigen Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten gehört.

Die Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144, 151 SGG statthaft und auch sonst zulässig. Sie ist aber nicht begründet.

Die Beklagte hat den Rentenantrag des Klägers zu Recht abgelehnt. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Erwerbsminderungsrente.

Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach § 43 SGB VI in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 12 RV Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl. I, 554).

Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll- bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeinen Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Der Kläger kann zur Überzeugung des Senats leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts (unter qualitativen Einschränkungen) mindestens sechs Stunden täglich verrichten, weshalb eine Erwerbsminderung nicht vorliegt (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Das SG hat in seinem Urteil vom 08.07.2015 zutreffend dargelegt, weshalb dem Kläger nach dem geltenden Maßstab Rente nicht zusteht. Der Senat nimmt auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend führt der Senat aus, dass auch er der Überzeugung ist, dass in orthopädischer Hinsicht rentenberechtigende Leistungseinschränkungen des Klägers nicht vorliegen. Der Senat stützt sich insoweit auf das Verwaltungsgutachten der Fachärztin für Allgemeinmedizin, Naturheilverfahren und Sozialmedizin Dr. G., welches der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwertet hat. Neben der persönlichen Untersuchung hat die Gutachterin auch die Unterlagen über die Behandlung des Klägers bei Dr. M. sowie den Bericht von Dr. N./Dr. Sch. berücksichtigt. Danach bestehen beim Kläger auf orthopädischem Fachgebiet pseudoradikuläre Lendenwirbelsäulenbeschwerden links bei Wirbelsäulenfehlstatik und muskulärer Haltungsschwäche bei Verschleißbildung L4/5 und Th10/11, abgelaufener Scheuermann sowie eine Minderbelastbarkeit. Daneben besteht eine leichte Bewegungseinschränkung der Ellenbogen, die gut kompensiert ist, eine erschwerte Armhebung über die Schulterhöhe, eine leichte Störung der Funktionalität bei Beugekontraktur des zweiten Fingers rechts und eine diskrete Störung der Funktionalität des fünften Fingers rechts bei Karpaltunnelsyndrom beidseits, insgesamt ebenfalls gut kompensiert. Die Gutachterin kommt hiernach zu der nachvollziehbaren und schlüssigen Einschätzung, dass die genannten Erkrankungen qualitative Leistungseinschränkungen bedingen. Es besteht ein positives Leistungsbild für leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich ohne erhöhte Anforderungen an besondere Feinarbeiten, vorzugsweise in Tagesschicht, gegebenenfalls auch in Früh-/Spätschicht sowie ohne Kälte und Nässe.

Dieses Leistungsbild stimmt dabei auch mit den sachverständigen Zeugenaussagen des behandelnden Hausarztes und des behandelnden Orthopäden überein. Auch diese haben in ihren Stellungnahmen ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes angegeben und lediglich qualitative Leistungseinschränkungen genannt. Bestätigt wird darüber hinaus die Leistungseinschätzung auch durch das Gutachten von Dr. B ... Auch diese ging in ihrem Gutachten vom 02.11.2012 davon aus, dass der Kläger leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig verrichten kann. Dieselbe Auffassung vertrat auch der Arzt der Agentur für Arbeit Sch. am 08.10.2010. Gegen eine quantitative Leistungseinschränkung spricht zudem, dass eine fachärztliche orthopädische Behandlung des Klägers seit März 2014 nicht mehr stattfindet. Die Beschwerden des Klägers werden lediglich durch den Hausarzt behandelt.

Erkrankungen des neurologisch-psychiatrischen Fachgebiets vermögen ebenfalls keine Erwerbsminderung zu begründen. Dr. G. hat insoweit lediglich eine leichte bis zeitweise mittelgradige Anpassungsstörung bei psychosozialen Belastungsfaktoren diagnostiziert. Der Kläger war in der Gutachtensituation ausreichend schwingungsfähig, im Affekt nur etwas nivelliert und im Antrieb leicht gemindert. Zu Person, Ort und Zeit war er gut orientiert und im Denken im Sinne der Beschwerdesymptomatik und des Antrags ausgerichtet. Bei leicht reduzierter Angst- und Spannungstoleranz war ein adäquater Beziehungsaufbau möglich. Die Annahme eines noch vollschichtigen Leistungsvermögens (sechs Stunden und mehr) aus neurologisch-psychiatrischer Sicht ist vor diesem Hintergrund ebenfalls nachvollziehbar und schlüssig. Darüber hinaus ist der Kläger aber auch nicht in entsprechender fachärztlicher Behandlung, was einen nur geringen Leidensdruck zeigt. Insoweit bestehen auch weitere Behandlungsoptionen.

Auch auf internistischem Fachgebiet ergibt sich zur Überzeugung des Senats keine quantitative Leistungseinschränkung. Dr. K. hat den Kläger erstmals im April 2011 auf Grund bestehender Bauchschmerzen untersucht. Nachfolgend hat im November 2011 eine Koloskopie im Rahmen der Darmkrebsvorsorge stattgefunden. Bei dieser Untersuchung waren Adenome nachgewiesen worden, weshalb im Oktober 2014 eine Kontrolluntersuchung erfolgte. Hierbei wurden kleine hyperplastische Rektumpolypchen gefunden. Ein erneuter Adenomnachweis war nicht feststellbar. Vor diesem Hintergrund hat Obermedizinalrat F. in seiner sozialmedizinischen Stellungnahme vom 30.04.2015 zutreffend darauf hingewiesen, dass der internistische Befund nicht geeignet ist, eine Leistungseinschränkung zu begründen.

Aus den medizinischen Unterlagen ergibt sich ein klares und eindeutiges Bild der (lediglich qualitativen) Leistungseinschränkungen. Bei einer Gesamtbetrachtung sind dauerhafte gravierende Leistungseinschränkungen damit nicht ersichtlich. In der Zusammenschau der aus den Erkrankungen resultierenden qualitativen Leistungseinschränkungen ergibt sich keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen. Eine Einschränkung der Wegefähigkeit liegt angesichts der Befunde ebenfalls fern. Die Wegefähigkeit wird sowohl im Gutachten von Dr. G. als auch in den sachverständigen Zeugenaussagen von Dr. A. und Dr. M. bestätigt (zu den Voraussetzungen: BSG, Urteil vom 17.12.1991, - 13/05 RJ 73/90 -; Urteil vom 19.11.1997, - 5 RJ 16/97 - und Urteil vom 30.01.2002, B 5 RJ 36/01 R -, alle in juris).

Bei dieser Sachlage drängen sich dem Senat weitere Ermittlungen nicht auf. Das Erwerbsleben des Klägers beeinträchtigende orthopädische und psychische Leiden sind im Verwaltungsverfahren voll umfänglich durch eine Begutachtung und Beiziehung von Befundunterlagen ermittelt worden. Angesichts der Tatsache, dass allein der Hausarzt Dr. A. den Kläger behandelt, ist auch nicht erkennbar, dass während des erstinstanzlichen Verfahrens und des Berufungsverfahrens eine relevante gravierende Verschlimmerung des Gesundheitszustandes des Klägers bzw. eine Zunahme der Leistungseinschränkungen stattgefunden haben könnte.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI). Voraussetzung eines solchen Rentenanspruchs ist, dass der Kläger vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig ist. Der Kläger ist 1956 und damit vor dem Stichtag geboren, er ist jedoch nicht berufsunfähig. Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 240 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 240 Abs. 2 Satz 4 SGB VI). Der Kläger hat mit Abschluss keinen Beruf erlernt und war zuletzt in einer ungelernten Tätigkeiten versicherungspflichtig beschäftigt. Auf Grund dieser ungelernten Tätigkeit kann der Kläger auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts verwiesen werden (zum Stufenschema des BSG, vgl. BSG, Urteile vom 22.10.1996 - 13 RJ 35/96 -, vom 18.02.1998 - B 5 RJ 34/97 R -, jeweils n.w.N; beide in juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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