S 1 SO 1709/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
1
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 1 SO 1709/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Endet ein Eilfall während der Dauer der stationären Krankenhausbehandlung, die mit einer Fallpauschale vergütet wird, infolge Kenntnis des Sozialhilfeträges vom Hilfefall, steht dem Krankenhausträger als Nothelfer ein Erstattungsanspruch nur „pro rata temporis“ zu (Anschluss an BSG SozR 4-3500 § 25 Nr. 5).

Die Kenntnis des Sozialhilfeträges vom Vorliegen eines Eilfalls bildet die - zeitliche und rechtliche - Zäsur für die sich gegenseitig ausschließenden Ansprüche des Nothelfers auf Kostenerstattung und des Hilfebedürftigen auf Leistungen der Hilfe bei Krankheit.
Der Bescheid vom 08. Mai 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. April 2015, beide in der Fassung des Teilanerkenntnisses der Beklagten vom 21. September 2015, werden abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 830,69 EUR für die stationäre Behandlung des A. P. J. für die Zeit vom 07. bis zum 11. November 2013 zu erstatten. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Beklagte erstattet der Klägerin ein Viertel der außergerichtlichen Kosten des Verfahrens. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung zwischen den Beteiligten nicht statt.

Tatbestand:

Die Klägerin macht gegen die Beklagte einen Anspruch auf Übernahme von Kosten in Höhe von 3.115,10 EUR für die stationäre Behandlung des am 08.02.1973 geborenen polnischen Staatsangehörigen A. P. J. (im Folgenden: J.) in der Zeit vom 07.11. bis zum 22.11.2013 im Wege der Nothilfe aus Mitteln der Sozialhilfe geltend.

J. befand sich in der Zeit von Donnerstag, dem 07.11.2013, 13:35 Uhr, bis Freitag, dem 22.11.2013, 13:03 Uhr, unter der Aufnahmediagnose "Verschluss des Gallenganges" (ICD 10-Schlüssel: K83.1) zur stationären Behandlung in der Medizinischen Klinik II des von der Klägerin betriebenen Krankenhauses. Dabei gab J. u. a. an, er sei ohne festen Wohnsitz, und benannte als Anschrift in der Bundesrepublik Deutschland die Adresse einer Obdachloseneinrichtung in K. (K.straße xx). Eine Krankenversicherung bestehe nicht; in Polen sei er nur bis Mai 2013 krankenversichert gewesen. Einkünfte oder Vermögen besitze er nicht. Er habe Bankschulden in Polen und könne die Behandlungskosten nicht zahlen. Am 21.11.2013 stellte er über die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - (SGB XII). Die Entlassung des J. aus der stationären Behandlung erfolgte unter der Hauptdiagnose "alkoholische Leberzirrhose" (ICD 10-Schlüssel: K70.3); als Nebendiagnosen führte die Klägerin in der Entlassungsanzeige "Nichtbefolgung ärztlicher Anordnungen" (ICD 10-Schlüssel: Z91.1), "Hypokaliämie" (ICD 10-Schlüssel: E87.6) und "psychische und Verhaltensstörungen durch schädlichen Alkoholgebrauch" (ICD 10-Schlüssel: F10.1) an. Die stationäre Behandlung rechnete sie unter Ansatz der Fallpauschale nach DRG-Schlüssel H62B mit insgesamt 3.115,10 EUR ab.

Am 11.11.2013 (Montag) zeigte die Klägerin der Beklagten an, sie habe J. am 07.11.2013 notfallmäßig aufgenommen. Zugleich bat sie um Übernahme der anfallenden Krankenhauskosten für die Dauer der medizinisch notwendigen Behandlungszeit. Hierzu legte sie die Auskunft des Polnischen Nationalen Gesundheitsfonds vom 15.11.2013 vor, der zufolge J. von der polnischen Krankenversicherung nicht erfasst sei. Ein Krankenversicherungsschutz in Deutschland bestehe nicht, weil J. hier ohne festen Wohnsitz und ohne gesicherten Lebensunterhalt lebe. Auch ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II bestehe nicht. Mit Schreiben vom 09.12.2014 teilte die AOK K. der Klägerin mit, J. könne aus im einzelnen dargelegten Gründen nicht Mitglied ihr werden.

Auf Anfragen der Beklagten vom 06.09.2013, 09.01.2014 und vom 28.03.2014 teilte die Anlauf- und Beratungsstelle der Stadt K. mit, J. halte sich seit Frühjahr 2013 bzw. dem 04.05.2013 als Arbeitsuchender in K. auf. Er habe dort seit dem 30.09.2013 eine Postadresse eingerichtet und zwischen dem 24.10.2013 und dem 12.01.2014 den Erfrierungsschutz genutzt; seither habe er sich dort nicht mehr gemeldet. Seinen Lebensunterhalt habe er durch Betteln und Zuwendungen Dritter bestritten. Eine Krankenkasse des J. sei dort nicht bekannt (Auskünfte vom 12.12.2013, 09.01.2014, 22.01.2014 und vom 31.03.2014). Durch Bescheid vom 08.05.2014 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit der Begründung ab, Voraussetzung für eine Kostenerstattung an den Nothelfer sei u.a. eine Leistungsberechtigung der in Not geratenen Person nach dem SGB XII. Die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des J. und damit dessen Bedürftigkeit habe sie jedoch nicht abschließend klären können. Außerdem habe J. einen vorrangigen Anspruch auf (rückwirkende) Aufnahme in die Gesetzliche Krankenversicherung.

Der dagegen erhobene Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos: zwar habe die Klägerin J. im Rahmen eines medizinische Eilfalls behandelt. Dieser Eilfall habe jedoch am 11.11.2013 geendet, weil die Klägerin zu diesem Zeitpunkt davon ausgegangen sei, J. sei mittellos und eine Krankenkasse komme für die Behandlungskosten nicht auf. Im Übrigen scheitere der Kostenerstattungsanspruch, weil die Bedürftigkeit des J. nicht erwiesen sei (Widerspruchsbescheid vom 13.04.2015, der Klägerin gegen Postzustellungsurkunde am 06.05.2015 zugestellt).

Deswegen hat die Klägerin am 27.05.2015 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgt. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, es habe ein Eilfall im sozialhilferechtlichen Sinne vorgelegen. Sie - die Klägerin - habe deshalb als Nothelferin gehandelt. J. sei nach den Auskünften der Männerberatungsstelle auch bedürftig gewesen. Zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen habe er außerdem im Antragsvordruck ausreichende Angaben gemacht. Weiter sei weder ein vorrangig Verpflichteter vorhanden noch bestehe eine Krankenversicherung in Deutschland oder Polen. Schließlich habe die Beklagte keine nachhaltigen Bemühungen zur Ermittlung des Sachverhalts unternommen, insbesondere sich nicht persönlich in die Männerberatungsstelle begeben, um vor Ort die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des J. zu ermitteln. Dies dürfe nicht zu ihren - der Klägerin - Lasten ausfallen. Andernfalls werde sie zum Ausfallbürgen für die Beklagte. Jedenfalls unter Berücksichtigung eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs sei die Beklagte zur Kostenübernahme verpflichtet.

Mit Schriftsatz vom 21.09.2015 hat die Beklagte den Erstattungsanspruch für die in der Zeit vom 07.11. bis zum 11.11.2013 angefallenen Behandlungskosten dem Grunde nach anerkannt und die Klägerin um Erstellung einer entsprechenden Abrechnung gebeten. Die Klägerin hat dieses Teilanerkenntnis angenommen (Schriftsatz vom 22.10.2015).

Sie beantragt im Übrigen,

den Bescheid vom 08. Mai 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. April 2015, beide in der Fassung des Teilanerkenntnisses der Beklagten vom 21. September 2015, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten für die stationäre Behandlung des J. im Zeitraum vom 07. bis zum 22. November 2013 in voller Höhe von 3.115,10 EUR aus Sozialhilfemitteln zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen, soweit das Klagebegehren über ihr Teil-Anerkenntnis vom 21. September 2015 hinausgeht.

Insoweit erachtet sie die angefochtenen Bescheide für zutreffend. Mit Eingang der Rechtswahrungsanzeige der Klägerin bei ihr am 11.11.2013 habe der sozialhilferechtliche Eilfall geendet. Seither bestehe kein Anspruch der Klägerin als Nothelferin (mehr), selbst wenn sie - die Beklagte - Bedürftigkeit des J. unterstelle. Vielmehr sei insoweit allein J. anspruchsberechtigt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakte der Beklagten sowie den der Prozessakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 i.V.m. § 56 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig, aber nur teilweise begründet. Die Beklagte ist unter Berücksichtigung ihres im Schriftsatz vom 21.09.2015 abgegebenen Teil-Anerkenntnisses verpflichtet, der Klägerin 830,69 EUR für die stationäre Behandlung des J. in der Zeit vom 07. bis zum 11.11.2013 zu erstatten. Das darüber hinausgehende Klagebegehren ist dagegen nicht begründet. Denn insoweit sind die angefochtenen Bescheide rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).

1. Rechtsgrundlage des als Nothelfer - andere Anspruchsgrundlagen scheiden aus - geltend gemachten Erstattungsanspruchs ist § 25 SGB XII. Nach Satz 1 dieser Bestimmung sind demjenigen, der in einem Einzelfall einem anderen Leistungen erbracht hat, die bei rechtzeitigem Einsetzen der Sozialhilfe nicht zu erbringen gewesen wären, die Aufwendungen in gebotenem Umfang zu erstatten, wenn er sie nicht aufgrund rechtlicher oder sittlicher Pflicht selbst zu tragen hätte. § 25 Satz 1 SGB XII bezweckt, die Hilfebereitschaft Dritter im Interesse in Not geratener Menschen zu erhalten und zu stärken und Hilfe in Fällen sicher zu stellen, in denen Leistungen des Sozialhilfeträgers zu spät kämen oder wegen Zeitablaufs ins Leere gingen (vgl. BVerwGE 91, 245, 248 und BVerwGE 114, 326, 332, ferner BSG SozR 4-3500, § 25 Nr. 11 und BSG SozR 4-5910 § 121 Nr. 1). Darüber hinaus sollen mit der Erstattungspflicht diejenigen Träger der Sozialhilfe belastet werden, die ohne Eingreifen des Nothelfers die Kosten der erbrachten Leistung zu tragen gehabt hätten (vgl. BVerwGE 135, 150 ff).

2. Die Klägerin als juristische Person des Privatrechts (§ 13 Abs. 1 des GmbH-Gesetzes) ist Anspruchsberechtigte im Sinne des § 25 Satz 1 SGB XII. Denn sie hat in einem nach dieser Bestimmung vorausgesetzten Eilfall einem Anderen - hier: J. - Leistungen erbracht und dadurch einen beim Nothilfeempfänger bestehenden unabwendbaren Bedarf auf Hilfe bei Krankheit nach dem Fünften Kapitel des SGB XII unmittelbar gedeckt. Dies hat die Beklagte bereits in der Begründung des streitbefangenen Widerspruchsbescheids und erneut im Schriftsatz vom 21.09.2015 ausdrücklich anerkannt und ist deshalb für das erkennende Gericht bindend.

Die Beklagte ist für die geltend gemachte Erstattungsforderung passiv legitimiert. Denn bezogen auf den maßgebenden Zeitpunkt des Beginns der Notfallhilfe am 07.11.2013 war sie der sachlich (§ 97 Abs. 1 SGB XII) und örtlich (§ 98 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 3, 4. Alternative SGB XII) zuständige Sozialhilfeträger. Nach § 98 Abs. 2 Satz 3, 4. Alternative SGB XII hat in einem Eilfall der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich sich der Leistungsberechtigte tatsächlich aufhält, unverzüglich über die Hilfe zu entscheiden und sie vorläufig zu erbringen.

3. Zu dem bedarfsbezogenen Element des Eilfalls i.S.d. § 25 muss zur Begründung des auf diese Bestimmung gestützten Erstattungsanspruchs des Nothelfers allerdings auch ein sozialhilferechtliches hinzukommen; eine rechtzeitige Leistung des Sozialhilfeträgers darf objektiv nicht zu erlangen gewesen sein. Denn der Anspruch des Nothelfers besteht in Abgrenzung zum Anspruch des Hilfebedürftigen selbst nur dann, wenn der Sozialhilfeträger keine Kenntnis vom Leistungsfall hat und ein Anspruch des Hilfebedürftigen gegen den Sozialhilfeträger (nur) deshalb nicht entsteht. Ein Eilfall liegt deshalb dann nicht (mehr) vor, wenn Zeit zur Unterrichtung des zuständigen Sozialhilfeträgers verbleibt (vgl. zum Ganzen: BSGE 114, 161 ff, RdNr. 18 m.w.N. und BSG vom 12.12.2013 - B 8 SO 13/12 R - RdNr. 17 m.w.N. (juris) sowie - zuletzt - BSG SozR 4-3500 § 25 Nr. 5, RdNr. 15).

a) Ungeachtet dessen, dass hier weder vorgetragen noch aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens ersichtlich ist, weshalb die Klägerin die dienstbereite Beklagte nicht bereits am Nachmittag am 07.11.2013, einem Donnerstag, oder spätestens am Folgetag (Freitag) über die Aufnahme des J. in ihre stationäre Behandlung unterrichtet hatte, entfiel der Eilfall vorliegend jedenfalls mit dem Eingang ihrer Rechtswahrungsanzeige vom 11.11.2013 bei der Beklagten noch am selben Tag. Denn das Vorliegen eines Eilfalls am Einlieferungs- bzw. Aufnahmetag bedeutet nicht, dass damit der Krankenhausaufenthalt eines Patienten insgesamt und durchgehend als Eilfall i.S.d. § 25 SGB XII zu behandeln ist (vgl. Bieback in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl. 2014, § 25, RdNr. 15 m.w.N.). Vielmehr sind die Voraussetzungen nur solange erfüllt, wie es der bedürftigen Person und/oder dem Krankenhausträger objektiv nicht möglich oder nicht zumutbar ist, den zuständigen Sozialhilfeträger über den Eilfall zu unterrichten (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen vom 28.01.2013 - L 20 SO 554/11 -, RdNr. 37 m.w.N. (juris)), so dass dieser selbst rechtzeitig helfen oder jedenfalls eine Hilfemöglichkeit prüfen kann (vgl. Bieback a.a.O., RdNr. 14 m.w.N. und Schoch in LPK-SGB XII, 10. Aufl. 2015, § 25, RdNr. 9).

Vorliegend war der Klägerin spätestens am 11.11.2013 bekannt, dass J. für die Krankenhausbehandlungskosten selbst nicht aufkommen kann und auch sonstige der Sozialhilfe vorrangige Ansprüche, insbesondere aus einer Versicherung in der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung, nicht bestehen. Denn J. verfügte weder über finanzielle Mittel, um einen Kostenvorschuss als Selbstzahler zu erbringen, noch konnte er einen Versicherungsschutz durch Vorlage einer Versichertenkarte (§ 15 Abs. 6 des Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V)) nachweisen. Deshalb hat die Beklagte an diesem Tag die Klägerin über den Eilfall unterrichtet.

Die damit erfolgte Kenntnis der Beklagten (§ 18 Abs. 1 SGB XII) bildet aus den zuvor angeführten Gründen die - zeitliche und rechtliche - Zäsur für die sich gegenseitig ausschließenden Ansprüche des Nothelfers und des Hilfebedürftigen (vgl. BSGE 114, 161 ff, RdNr. 18; BSG vom 12.12.2013 - B 8 SO 13/12 R -, RdNr. 17 m.w.N. (juris); BSG SozR 4-3500 § 25 Nr. 4, RdNr. 7 und BSG SozR 4-3500 § 25 Nr. 5, RdNr. 32). Danach anfallende Aufwendungen sind deshalb gegenüber dem Nothelfer nicht mehr nach § 25 Abs. 1 SGB XII erstattungsfähig, sondern betreffen allein den originären Leistungsanspruch des Hilfebedürftigen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, a.a.O.; Bieback, a.a.O., RdNr. 22 und Hohm in Schellhorn/Hohm/Schneider, SGB XII, 19. Aufl. 2015, § 25, RdNr. 5.1).

Zu Recht hat deshalb die Beklagte das mit Schriftsatz vom 21.09.2015 erklärte Teil-Anerkenntnis auf die Zeitspanne vom 07.11.2013 bis zum 11.11.2013 beschränkt.

b) Der Anspruch der Klägerin als Nothelfer ist der Höhe nach auf die Erstattung von Aufwendungen "in gebotenem Umfang" begrenzt (vgl. § 25 Satz 1 SGB XII). Maßstab für die gebotene Höhe der Aufwendungen sind (im Grundsatz) die Kosten, die die Beklagte bei rechtzeitiger Kenntnis ihrerseits hätte aufwenden müssen (so bereits BSGE 114, 161 ff, RdNr. 29); soweit bei Hilfebedürftigkeit und in Kenntnis der Notlage von der Beklagten Hilfe bei Krankheit nach § 48 Satz 1 SGB XII hätte gewährt werden müssen, gelten für die Erbringung dieser Leistungen die Vorschriften des Vierten Kapitels SGB V (Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern) entsprechend (vgl. § 52 Abs. 3 Satz 1 SGB XII). Auch für den Bereich der Nothilfe richtet sich das Kostenerstattungsbegehren also nach den Vorschriften des SGB V; eine Zulassung des Nothelfers als Leistungserbringer nach dem SGB V (hier als Krankenhaus nach § 108 SGB V) ist allerdings nicht erforderlich. Um "Aufwendungen in gebotenem Umfang" i.S.d. § 25 SGB XII handelt es sich jedenfalls dann, wenn die geltend gemachte Vergütung der nach dem SGB V und den sonstigen Normen und Verträgen entspricht.

Der Vergütungsanspruch der Klägerin als Trägerin eines zugelassenen Krankenhauses nach dem SGB V bestimmt sich hier nach der Fallpauschale H62B. Diese fasst alle in Anspruch genommenen Behandlungsmaßnahmen zu einer Abrechnungseinheit zusammen, ohne dass es auf die Dauer des Krankenhausaufenthalts ankommt (vgl. § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V in der Fassung des Fallpauschalengesetzes vom 23.4.2002 (BGBl. I 1412) i.V.m. § 7 Krankenhausentgeltgesetz, § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz, jeweils in den Fassungen des Zweiten Fallpauschalenänderungsgesetzes vom 15.12.2004 (BGBl. I 3429); vgl. dazu: BSGE 109, 236 ff, RdNr. 15 und BSG SozR 4-3500 § 25 Nr. 5, RdNr. 30 m.w.N.). Die von ihrer Einrichtung bzw. den bei ihr angestellten Ärzten für die stationäre Behandlung des J. in der Zeit vom 07. bis zum 22.11.2013 (= 15 Tage) erbachten Leistungen hat die Klägerin mit insgesamt 3.115,10 EUR abgerechnet. Die Beklagte hat vorliegend Einwände weder gegen die abgerechnete Fallpauschale als solche noch gegen die Höhe der daraus resultierenden Entgelte erhoben. Solche sind auch für das erkennende Gericht nicht ersichtlich.

Als "Aufwendungen in gebotenem Umfang" hat die Beklagte deshalb, ausgehend von der maßgeblichen Fallpauschale, eine tagesbezogene anteilige Vergütung ("pro rata temporis") zu erstatten. Eine solche Abrechnung gewährleistet einerseits den Zweck der Nothilfe, die Hilfsbereitschaft Dritter im Interesse in Not geratener Menschen zu erhalten und zu stärken (vgl. BSGE 114, 161 ff RdNr. 19), ohne dass andererseits eine vom Gesetzgeber unerwünschte Durchbrechung des öffentlich-rechtlichen Systems für die Gewährung der Sozialhilfe (vgl. BSG, a.a.O., RdNr. 22) gefördert würde. Danach hat die Beklagte der Klägerin vorliegend den Betrag von 830,69 EUR zu erstatten. Dies entspricht den für die Zeit vom 07. bis zum 11.11.2013 anteiligen (4 Tage) Aufwendungen der Klägerin (= 3.115,10 EUR: 15 x 4).

Ein weitergehender Kostenerstattungsanspruch steht der Klägerin dagegen nicht zu. Soweit sie vorbringt, das BSG sei im Urteil vom 18.11.2014 - B 8 SO 9/13 R - (= SozR 4-3500 § 25 Nr. 5) davon ausgegangen, dass die Sozialhilfe dem Nothelfer auch über den Zeitpunkt der Kenntnis des Hilfeträgers vom Eilfall hinaus für den übrigen Zeitraum zufließe, trifft dies so nicht zu. Vielmehr hat das BSG in dieser Entscheidung in RdNr. 31 u.a. dargelegt, dass ein Krankenhaus als Nothelfer, das sich seinen Obliegenheiten entsprechend verhält, auch bei der Abrechnung "pro rata temporis" einen umfassenden Kostenerstattungsanspruch für die gesamte Behandlung erhält. Das BSG hat hierzu nachfolgend aber zutreffend den von dem Erstattungsanspruch des Nothelfer zu trennenden Leistungsanspruch des Nothilfeempfängers selbst in den Blick genommen und ausgeführt, dass der Sozialhilfeträger, soweit Hilfebedürftigkeit des Patienten tatsächlich besteht und das Krankenhaus rechtzeitig Kenntnis vom Eilfall gegeben hat, auch die Kosten der Behandlung im Anschluss daran trägt. Gemeint ist damit im Ergebnis, dass der Nothilfeempfänger die ihm aus dem persönlichen Hilfeanspruch zufließenden Leistung an das Krankenhaus weiterleitet. Bestätigt wird dies durch die weiteren Ausführungen des BSG in der genannten Entscheidung untern RdNr. 32 a.E.:

"Von der Gesamtzahl an Tagen, für die die Beklagte in Kenntnis der Sozialhilfebedürftigkeit Hilfe zur Krankheit zu erbringen gehabt hätte, steht dem Nothelfer deshalb eine Kostenerstattung nur für die Anzahl von Tagen zu, an denen ein Eilfall iS des § 25 SGB XII vorlag."

c) Mit Blick auf das Teil-Anerkenntnis der Beklagten vom 21.09.2015 ist die Frage, ob J. überhaupt und insbesondere über den 11.11.2013 hinaus hilfebedürftig i.S.d. SGB XII war, nicht (mehr) entscheidungserheblich. Ebenso kann die Kammer offen lassen, ob J. als Ausländer von Leistungen der Sozialhilfe nach § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII ausgeschlossen gewesen wäre (was allerdings zu verneinen sein dürfte; vgl. insoweit BSG SozR 4-3500 § 25 Nr. 5, RdNr. 25 ff und LSG Nordrhein-Westfalen vom 22.04.2015 - L 9 SO 496/14 B, RdNr. 6 m.w.N. (juris)). Im Übrigen kann ein Anspruch auf Sozialhilfe nicht übertragen, verpfändet oder gepfändet werden (§ 17 Abs. 1 Satz 2 SGB XII), weshalb die von der Klägerin im Schriftsatz vom 20.10.2015 und erneut in der mündlichen Verhandlung am 15.12.2015 angeregte Auszahlung eines J. eventuell zustehenden Anspruchs auf Krankenhilfe direkt auf ihr Konto mangels Rechtsgrundlage nicht zulässig wäre.

4. Aus eben diesen Gründen sind die angefochtenen Bescheide nur teilweise rechtswidrig. Das weitergehende Begehren der Klägerin musste daher erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 Abs. 1 und 4 SGG (vgl. hierzu BSG SozR 4-1500, § 183 Nr. 7 und BSG SozR 4-3500, § 25 Nrn. 2 und 3 sowie SG Karlsruhe vom 30.10.2015 – S 1 SO 4077/14 –, RdNr. 23 (juris)).
Rechtskraft
Aus
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