L 6 SF 1127/15 E

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 SF 1127/15 E
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Erinnerung gegen den Kostenansatz vom 22. Juli 2015 wird zurückgewiesen. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Erinnerung wird abgelehnt. Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

Gründe:

I.

Am 12. Juni 2014 hat der Kläger gegen das ablehnende Urteil des Sozialgerichts Altenburg (SG) vom 25. Februar 2014 - S 2 R 3997/12 Berufung eingelegt und Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt. Vor dem SG hatte der Kläger in der Hauptsache die Feststellung beantragt, dass die im Bescheid der Beklagten festgestellte Forderung in Höhe von 694.508,22 Euro gegen den e.V. nicht besteht. Mit Beschluss vom 16. April 2015 hat der damals zuständige 6. Senat des Thüringer Landessozialgerichts die Bewilligung von PKH abgelehnt, weil die Feststellungsklage nach summarischer Prüfung unzulässig sei. Unter dem 22. Juli 2015 hat ihn die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) aufgefordert, die "aufgrund des gerichtlich vorläufig festgesetzten Streitwerts (§ 63 Abs. 1 GKG) berechneten Kosten" in Höhe von 17.024,00 Euro zu entrichten. Es handle sich um 4,0 Verfahrensgebühren (KV Nr. 7120) bei einem Streitwert von 694.508,22 Euro.

Am 6. August 2015 hat der anwaltlich vertretene Kläger "Antrag auf Streitwertfestsetzung, Steitwertbeschwerde sowie Erinnerung gegen Gerichtskostenrechnung vom 22.07.2015" gestellt und die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Erinnerung beantragt. Er werde durch die hohen Gerichtskosten "faktisch und wirtschaftlich" zur Rücknahme der Berufung gezwungen. Zudem habe der erkennende Senat noch keinen Streitwert festgesetzt. Ein Kostenansatz könne erst nach gerichtlicher Festsetzung des Streitwerts erfolgen. Zudem sei dieser vollkommen überhöht. Die aufschiebende Wirkung der Beschwerde sei anzuordnen, weil ein Erfolg der Beschwerde überwiegend wahrscheinlich sei und die vorläufige Vollstreckung für ihn eine unbillige nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge habe.

Die UdG hat der Erinnerung nicht abgeholfen (Verfügung vom 25. August 2015). Mit Beschluss vom 9. November 2015 hat der 2. Senat des Thüringer Landessozialgerichts den Wert des Beschwerdegegenstands vorläufig auf 694.508,22 Euro festgesetzt. Mit Beschluss vom 16. November 2015 hat der Senatsvorsitzende das Verfahren dem Senat übertragen.

II.

Zuständig für die Entscheidung über die Erinnerung nach § 66 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) gegen den Kostenansatz ist nach der Geschäftsverteilung des Thüringer Lan-dessozialgerichts der 6. Senat.

Die Erinnerung des Klägers ist zulässig aber unbegründet.

Grundsätzlich kann eine Erinnerung nach § 66 Abs. 1 GKG nur auf eine Verletzung des Kos-tenrechts gestützt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September 2007 - IX ZB 35/07; BFH, Beschluss vom 29.06.2006 - VI E 2/06, beide nach juris; Senatsbeschluss vom 27. November 2012 - L 6 SF 1564/12 E; Hartmann, Kostengesetze, 45. Aufl. 2015, § 66 GKG, Rdnr. 18; Volpert in Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 1. Auflage 2014, § 66 GKG Rdnr. 14), nicht aber auf eine vermeintliche oder tatsächliche Unrichtigkeit einer im Hauptsacheverfahren getroffenen Entscheidung. Insofern kommt es nicht auf die Behauptung des Klägers an, zu Unrecht hätten die Gerichte nicht über die Begründetheit seiner Klage entschieden und die Kostenrechnung sei "nicht gerecht" beziehungsweise "unsozial".

Es ist richtig, dass die Anforderung der Gerichtskosten durch die UdG ohne Streitwertfestsetzung erfolgt ist. Diese unrichtige Begründung der Kostenanforderung führt aber nicht zu ihrer Aufhebung. Es ist zweifelhaft, ob eine vorläufige Streitwertfestsetzung tatsächlich erforderlich war. Nach § 197a Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Verbindung mit § 63 Abs. 1 GKG sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Rechtsmittelschrift fällig; das Gericht setzt sie durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich keine fester Wert bestimmt ist. Hier hatte der von einem rechtskundigen Prozessbevollmächtigten vertretene Kläger die Feststellung beantragt, dass die festgestellte Forderung in Höhe von 694.508,22 Euro nicht besteht. Im Ergebnis kann die Notwendigkeit der Festsetzung aber offen bleiben, weil der für das Hauptsacheverfahren inzwischen zuständige 2. Senat mit Beschluss vom 9. November 2015 den Wert des Streitgegenstandes unanfechtbar vorläufig auf 694.508,22 Euro festgesetzt hat. Der für Kostenfestsetzungen zuständige 6. Senat kann ihn im Erinnerungsverfahren gegen den Kostenansatz nicht überprüfen (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 13. August 2014 - L 15 SF 67/14 E; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 29. März 2009 - L 11 R 882/11 B; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 26. Januar 2010 - L 10 U 64/08, Bayerischer VGH, Beschluss vom 27. Dezember 2011 - 7 C 11.2933, alle nach juris). Nach § 63 Abs. 1 S. 2 GKG können Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts nur in Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorläufigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Diese Regelung gilt in sozialgerichtlichen Verfahren angesichts des Amtsermittlungsgrundsatzes des § 103 SGG aber nicht. Damit kann eine vermeintlich der Höhe nach unzutreffende vorläufige Streitwertfestsetzung erst mit der Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand oder wenn sich das Verfahren anderweitig erledigt abgeändert werden (vgl. § 63 Abs. 2 GKG). Die Ausführungen des Klägers zu einer Streitwertbeschwer-de gehen ins Leere.

Die Anforderung der UdG entspricht dem Beschluss des 2. Senats vom 9. November 2015 und ist daher nicht aufzuheben. Eine solche Entscheidung wäre eine überflüssige Förmelei, denn anschließend müsste die UdG inhaltsgleich ihre Anforderung wiederholen.

Keine Bedenken bestehen gegen die Höhe der festgesetzten Gebühren. Nach § 3 Abs. 1 GKG richten sie sich nach dem Streitwert. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Wertberechnung ist nach § 40 GKG die den jeweiligen Streitgegenstand betreffende Antragstellung, die den Rechtszug einleitet. Die Kosten werden gemäß § 3 Abs. 2 GKG nach dem Kostenverzeichnis (KV) der Anlage 1 zum GKG erhoben. Die Berufungsgebühr beträgt für das Verfahren im Allgemeinen nach Nr. 7120 KV das 4,0-fache der Gebühr nach § 34 GKG.

Abgelehnt wird die beantragte Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 66 Abs. 7 S. 2 GKG. Die Entscheidung steht im pflichtgemäßen Ermessen des Senats und kommt in Betracht, wenn die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Kostenansatzes ernstlich zweifelhaft ist (vgl. FG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14. September 2015 - 3 KO 964/15, nach juris) oder bei offener Rechtslage, wenn die Vollstreckung für den Antragsteller eine unbillige Härte zur Folge hätte (vgl. Sächsisches OVG, Beschluss vom 01. Februar 2012 - 4 A 866/10, nach juris). Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Kostenansatzes bestehen aus den o.g. Gründen nicht. Angesichts des Senatsbeschlusses vom 16. April 2015, in dem PKH wegen mangelnder Erfolgsaussicht angelehnt worden ist, ist die Rechtslage nicht offen. Die Ansicht des Klägers, ein Erfolg des Hauptsacheverfahrens sei wahrscheinlich, ist nicht nachvollziehbar. Überdies ist nicht ersichtlich, dass die Vollstreckung der Gebühren zu einer unbilligen Härte für den Kläger führen würde. Sein Alter (75 Jahre) kann dies nicht begründen. Sein Vortrag, er werde durch die kostenrechtlichen Entscheidungen "gezwungen", seine Berufung zurückzunehmen, um seine Kosten zu reduzieren, widerspricht seinem eigenen Verhalten. Tatsächlich hat er dies bereits in seinem Beschwerdeverfahren L 6 SF 285/13 B (zur Kostenpflicht nach § 197a SGG) vorgetragen, danach aber die Klage weiter betrieben und später Berufung eingelegt. Zur Vollständigkeit wird daran erinnert, dass es zu den Pflichten eines Rechtsanwalts gehört, auf das Kostenrisiko bei einem hohen Streitwert vor Klageerhebung hinzuweisen.

Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 66 Abs. 8 GKG). Eine Be-schwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§ 66 Abs. 3 S. 3 GKG).
Rechtskraft
Aus
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