L 8 SB 4203/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 6 SB 722/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 4203/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 5. September 2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung der Höhe des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) streitig.

Der 1964 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger und im Besitz einer unbefristeten Niederlassungserlaubnis. Er beantragte am 17.07.2012 beim Landratsamt E. - Sozial- und Versorgungsamt - (LRA) erstmals die Feststellung des GdB ab Antragstellung. Er machte zur Begründung ein Wirbelsäulenleiden, einen Zustand nach Meniskus-OP beidseits, Schmerzen und Bewegungseinschränkungen sowie eine eingeschränkte Wegefähigkeit geltend. Der Kläger legte medizinische Unterlagen vor (insbesondere Entlassungsbericht der ACURA S.Klinik, Bad S., vom 09.07.2012, Diagnosen: Chronisch rezidivierendes LWS-Syndrom, Protrusio L 5/S 1, Spinalkanalstenose L4/5, Übergewicht, Hypercholesterinämie und Thrombozytopenie; Entlassbrief der Rommel Klinik, Bad Wildbad, vom 24.05.2012, Diagnosen: Lumboischialgie mit sensomotorischer Wurzelreizung L5, Bandscheibenprotrusion L5/S1, Spinalkanalstenose L 4/5 und Spondylarthrose der LWS; Befundbericht der Radiologie Mühlacker vom 06.03.2012). Das LRA holte hierzu die gutachtliche Stellungnahme der Versorgungsärztin Dauth vom 07.08.2012 ein, in der der Gesamt-GdB mit 20 vorgeschlagen wurde.

Mit Bescheid vom 14.08.2012 stellte das LRA beim Kläger den GdB mit 20 seit dem 17.07.2012 fest. Hiergegen legte der Kläger (durch seine Prozessbevollmächtigte) am 31.08.2012 Widerspruch ein. Das LRA holte den ärztlichen Befundschein des Orthopäden Dr. S. vom 29.11.2012 ein, der über den Zeitraum vom 18.05.2009 bis 30.07.2012 berichtete und mitteilte, er wisse aktuell nicht, wie es dem Kläger gehe. In der weiteren gutachtlichen Stellungnahme des ärztlichen Dienstes vom 10.12.2012 schlug Dr. D.-L. wegen degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden und Nervenwurzelreizerscheinungen (Einzel-GdB 20) sowie Knorpelschäden am rechten Kniegelenk, Außenmeniskusteilresektion rechts und einer Funktionsbehinderung des rechten Kniegelenks (Einzel-GdB 10) den Gesamt-GdB weiterhin mit 20 vor. Mit Widerspruchsbescheid vom 24.01.2013 wies das Regierungspräsidium Stuttgart - Landesversorgungsamt - den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 14.08.2012 zurück.

Hiergegen erhob der Kläger am 26.02.2013 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG). Er machte die Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft geltend. Zur Begründung führte er aus, Bewegungseinschränkungen im Kniegelenk hätten schon für sich allein betrachtet einen GdB von 20 gerechtfertigt. Auch die Beeinträchtigung im Wirbelsäulenbereich sei mit einem GdB von 20 nicht sachgerecht bewertet.

Das SG hörte vom Kläger benannte Ärzte - unter Übersendung der gutachtlichen Stellungnahme von Dr. D.-L. vom 10.12.2012 - schriftlich als sachverständige Zeugen an. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Erdogan teilte in seiner Stellungnahme vom 06.05.2013 unter Vorlage eines Karteiauszuges und medizinischer Unterlagen die Befunde und Diagnosen mit. Er stimmte der Ansicht des ärztlichen Dienstes des Beklagten nicht zu und erachtete die Erkrankungen chronische Lumbalgien und Meniskusleiden für unterbewertet. Der Orthopäde Dr. S. teilte in seiner Stellungnahme vom 06.05.2013 die Befunde und Diagnosen mit und schätzte seitens der Lendenwirbelsäule den GdB mit 30 ein. Der Facharzt für Chirurgie, Proktologie und H-Arzt D. teilte in seiner Stellungnahme vom 16.05.2013 die Befunde und Diagnosen mit. Er teilte hinsichtlich der degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden und Nervenwurzelreizerscheinungen am linken Bein die Auffassung des versorgungsärztlichen Dienstes. Mangels Behandlung könne er ansonsten keine Beurteilung abgeben.

Der Beklagte trat unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme des Dr. R.vom 17.09.2013 der Klage entgegen.

Das SG holte (von Amts wegen) das Gutachten des Facharztes für Orthopädie und Chirotherapie Dr. C. vom 13.12.2013 ein. Der Gutachter gelangte zusammenfassend zu dem Ergebnis, beim Kläger bestünden auf orthopädischem Fachgebiet an Gesundheitsstörungen eine endgradige Funktionseinschränkung der Hals- und der Brustwirbelsäule ohne sensomotorische Ausfälle an den oberen Extremitäten, degenerative Veränderungen der Lendenwirbelsäule mit Reizerscheinungen ohne segmentale sensomotorische Ausfälle an den unteren Extremitäten und ohne wesentliche Funktionsbeeinträchtigung der Lendenwirbelsäule, ein Teilverlust des Außenminiskus beiderseits sowie I.- (II.)- gradige Knorpelschäden am rechten Femurcondylus ohne Funktionseinschränkung der Kniegelenke. Dr. C. schätzte hinsichtlich der Wirbelsäule den Einzel-GdB mit 20 sowie hinsichtlich des rechten Knies den Einzel-GdB mit 10 und den Gesamt-GdB mit 20 ab dem 17.07.2012 ein.

Gegen das Gutachten des Dr. C. erhob der Kläger Einwendungen (Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 03.03.2014). Das Gutachten leide an Inhaltsmängeln, die so nicht aufklärbar seien.

Mit Gerichtsbescheid vom 05.09.2014 wies das SG die Klage ab.

Gegen den der Prozessbevollmächtigten des Klägers am 11.09.2014 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die vom Kläger durch seine Prozessbevollmächtigte am 07.10.2014 eingelegte Berufung. Der Kläger hat zur Begründung unter Bezug auf sein erstinstanzliches Vorbringen ausgeführt, es sei davon auszugehen, dass mindestens Beeinträchtigungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten anzunehmen seien, bei Betrachtung beider Gutachten des Dr. C. und Dr. S. sogar in drei Wirbelsäulenabschnitten, wobei zu sehen sei, dass im Zusammenhang mit den Beinbeschwerden diese auch mittelgradig sein könnten. Das Gutachten weiche ohne nachvollziehbare Begründung von Dr. S. ab, der die Behinderungen in erster Linie im Lendenwirbelsäulenbereich sehe und diese als mittelschwer einstufe. Längeres Stehen verursache anhaltende, möglicherweise auch verschlimmerte Beschwerden (Schmerzen) mit Ausstrahlung vor allem in das linke Bein, wovon er Dr. C. berichtet habe, sich jedoch aus dessen Gutachten so nicht ergebe. Die Schlussfolgerung des Dr. S. könne nicht einfach von der Hand gewiesen werden. Auch die Schlussfolgerungen im Gutachten des Dr. C. zur Kniebeeinträchtigung seien nicht nachvollziehbar. Auf die Angaben von Dr. S. müsse auch insoweit verwiesen werden. Nach dessen Feststellungen sei das linke Knie gerade der Auslöser für massivere Beschwerden im Wirbelsäulenbereich, was vom Gutachter Dr. C. keine Bewertung und Beachtung erfahre, während der Gutachter das rechte Knie mit einem Teil-GdB von 10 einschätze. Dr. C. nehme an, dass tatsächlich lediglich noch eine Gehfähigkeit auf einer Gehstrecke von einem Kilometer bestehe, die mit 3-maliger Pause bewältigt werden könne, was nach Ansicht von Dr. C. eine Anhebung des Teil-GdB auf 20 rechtfertige, wobei davon auszugehen sei, dass sich dies nicht nur auf den Wirbelsäulenbereich beziehe, sondern insbesondere auch auf die Beschwerden im Knie (Bein). Aufrecht erhalten werde, dass das Gutachten an Inhaltsmängeln leide, die so nicht ohne weiteres aufklärbar seien. Eine nochmalige Begutachtung sei nach seinem Verständnis zwingend. Jedenfalls sei Dr. C. und Dr. S. Gelegenheit zu einer ergänzenden und abschließenden Stellungnahme zu geben.

Der Kläger beantragt

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 5. September 2014 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 14. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Januar 2013 zu verurteilen, den Grad der Behinderung mit mindestens 50 seit 17. Juli 2012 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Die Einwände des Klägers enthielten keine Fakten, die geeignet wären, das Gutachten des Dr. C. vom 13.12.2013 stichhaltig zu widerlegen. Aus einer endgradigen Einschränkung der Halswirbelsäule und der Brustwirbelsäule könne in keiner Weise auf eine mittelgradige Beeinträchtigung geschlossen werden.

Der Rechtsstreit ist durch den Berichterstatter mit den Beteiligten in der nichtöffentlichen Sitzung am 12.06.2015 erörtert worden. Hierzu wird auf die Niederschrift vom 12.06.2015 Bezug genommen.

Im Anschluss an den Erörterungstermin hat der Kläger mit Schriftsatz vom 20.08.2015 ärztliche Unterlagen vorgelegt (Befundberichte Dr. W. vom 07.08.2015, des Facharztes D. vom 13.07.2015, Dr. H. vom 01.07.2015 und Dr. Reymann vom 14.07.2015). Hierzu hat sich der Beklagte mit Schriftsatz vom 31.08.2015 geäußert.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die angefallenen Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf einen Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 SGG mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 14.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.01.2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Beklagte hat beim Kläger zutreffend den GdB mit 20 seit dem 17.07.2012 festgestellt. Die Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft, wie der Kläger geltend macht, ist rechtlich nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid ist nicht zu beanstanden.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids die für die Entscheidung des Rechtsstreits maßgeblichen Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze sowie die für die Entscheidung relevanten rechtlichen Bewertungsvorgaben der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VG) vollständig und zutreffend dargestellt. Das SG hat weiter zutreffend begründet, dass die beim Kläger im Vordergrund stehenden Wirbelsäulenbeschwerden nach der plausiblen Einschätzung des Dr. C. einen Teil-GdB von 20 rechtfertigen. Dr. C. habe weiter schlüssig ausgeführt, dass der festgestellte Knorpelschaden ersten bis zweiten Grades am rechten Knie mit keiner Bewegungseinschränkung einhergehe und zutreffend mit einem Teil-GdB von 10 bewertet. Die abweichenden Einschätzungen des Arztes Erdogan vermögen nicht zu überzeugen. Eine Thrombozytopenie, die Hypercholesterinämie und die Adipositas permagna seien nicht von GdB-Relevanz. Hiervon ausgehend sei der Gesamt-GdB mit 20 zu bewerten. Der Senat gelangt nach eigener Prüfung zum selben Ergebnis. Er nimmt zur Begründung seiner eigenen Entscheidung auf die Ausführungen des SG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids in vollem Umfang Bezug, auf die er zur Vermeidung von Wiederholungen verweist (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend und im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers bleibt auszuführen:

Soweit der Kläger gegen das Gutachten des Dr. C. vom 13.12.2013 einwendet, dass mindestens Beeinträchtigungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten anzunehmen seien, bei Betrachtung beider Gutachten des Dr. C. und Dr. S. sogar in drei Wirbelsäulenabschnitten, wobei zu sehen sei, dass im Zusammenhang mit den Beinbeschwerden diese auch mittelgradig sein könnten, rechtfertigt dieser Einwand nicht schon einen Einzel-GdB von über 20 für das Wirbelsäulenleiden des Klägers. Nach den VG Teil B 18.9 ist bei Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 10, mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 30 und mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten ein Teil-GdB von 30 bis 40 gerechtfertigt. Maßgebend ist dabei, dass die Bewertungsstufe GdB 30 bis 40 erst erreicht wird, wenn mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorliegen. Die Obergrenze des GdB 40 ist danach erreicht bei schweren Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten (Urteil des erkennenden Senats vom 24.01.2014 - L 8 SB 2497/11 -, veröffentlicht in juris und im Internet sozialgerichtsbarkeit.de). Erst bei Wirbelsäulenschäden mit besonders schweren Auswirkungen (z. B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst (z. B. Milwaukee-Korsett); schwere Skoliose (ab ca. 70° nach Cobb) ist ein GdB von 50 bis 70 und bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit ein GdB von 80 bis 100 gerechtfertigt, die jedoch beim Kläger nicht vorliegen und auch nicht geltend gemacht werden.

Dass beim Kläger schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt oder mittelschwere funktionelle Auswirkungen in wenigstens zwei Wirbelsäulenabschnitten vorliegen, konnte der Senat aufgrund der vom SG durchgeführten Ermittlungen sowie den zu den Akten gelangten medizinischen Befundunterlagen nicht feststellen. Nach dem anhand der Befundbeschreibungen nachvollziehbaren Gutachten des Dr. C. vom 13.12.2013 bestehen hinsichtlich der Wirbelsäule des Klägers lediglich endgradige Funktionseinschränkungen der Hals- und der Brustwirbelsäule ohne sensomotorische Ausfälle an den oberen Extremitäten, wie das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid (Seite 7) im Einzelnen zutreffend dargestellt hat, worauf der Senat Bezug nimmt. Damit ist beim Kläger hinsichtlich der Hals- wie auch der Brustwirbelsäule allenfalls von leichtgradigen funktionellen Auswirkungen von Wirbelsäulenschäden auszugehen, die einen Teil-GdB von maximal 10 rechtfertigen. Hiervon geht auch Dr. C. in seinem Gutachten aus (Seite 11). Eine bedeutsame Wirbelsäulenverformung, Instabilität oder Wirbelsäulensyndrome der Hals- oder Brustwirbelsäule hat Dr. C. nicht feststellen können. Mittelschwere funktionelle Auswirkungen liegen damit beim Kläger in diesen Wirbelsäulenabschnitten nicht vor, und sind auch in den sonst zu den Akten gelangten medizinischen Befundunterlagen nicht dokumentiert.

Die Lendenwirbelsäule des Klägers ist nach den von Dr. C. in seinem Gutachten beschriebenen Befunden in der Drehung (Reklination) mit 20° leicht um ein Drittel und in der Seitneigung rechts lediglich endgradig (25°) eingeschränkt, bei nicht eingeschränkter Seitneigung nach links (30°). Allerdings bestehen beim Kläger nach der überprüfenden neurologischen Untersuchung durch Dr. C., bestätigt durch den Entlassbrief der R. Klinik vom 24.05.2012 und die schriftliche sachverständige Zeugenaussage von Dr. S., Hinweise auf eine Irritation der Wurzel L5, die intermittierenden Störungen bei Spinalkanalstenose entsprechen und nach der Ansicht von Dr. C. deswegen die Anhebung des Teil-GdB auf 20 (für die Lendenwirbelsäule) rechtfertigen. Soweit der Kläger einwendet, Dr. C. gehe dabei davon aus, dass tatsächlich lediglich noch eine Gehfähigkeit für eine Gehstrecke von einem Kilometer bestehe, die mit 3-maliger Pause bewältigt werden könne, ist er darauf hinzuweisen, dass die hierzu gemachten Beschwerdeangaben des Klägers, auf die sich Dr. C. stützt, nach den Beschreibungen im Gutachten des Dr. C. nicht konsistent erscheinen. Zunächst gibt der Kläger an, bei längerem Stehen oder Gehen (jeweils 20 bis 30 Minuten) würden Schmerzen auftreten. Später gibt der Kläger dann an, inzwischen würde er für eine Strecke von etwa einem Kilometer etwa eine halbe Stunde benötigen und müsse wegen der Schmerzen im linken Bein dreimal eine Pause einlegen, was sich mit seinen zuvor gemachten Angaben nicht verträgt (Schmerzen nur bei längerem Gehen) und auch nicht dadurch überzeugend erklärt wird, längeres Stehen verursache anhaltende, möglicherweise auch verschlimmerte Beschwerden (Schmerzen) mit Ausstrahlung vor allem in das linke Bein. Trotzdem hat Dr. C. das Vorbringen des Klägers zur Einschränkung seiner Gehfähigkeit berücksichtigt und sogar zum Anlass genommen, deswegen hinsichtlich der (Lenden)Wirbelsäule des Klägers von einem Einzel-GdB von 20 auszugehen, wie ihn auch der Beklagte angenommen hat. Dies hält der Senat für gerechtfertigt, da jedenfalls funktionelle Beeinträchtigungen ungeachtet der widersprüchlichen Angaben zurmöglichen Wegstrecke "intermittierend" beim Kläger auftreten, die nach Dr. C. eine sich auch funktional auswirkende Nervenwurzelirritation am Lendenwirbelkörper L 5 bestätigen.

Damit ist beim Kläger hinsichtlich der Wirbelsäule allenfalls von mittelschweren funktionellen Auswirkungen von Wirbelsäulenschäden in einem Wirbelsäulenabschnitt (Lendenwirbelsäule) auszugehen, die einen Einzel-GdB von 20 rechtfertigen. Hiervon geht auch Dr. S. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage an das SG vom 06.05.2013 aus, der die beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen seitens der Lendenwirbelsäule ebenfalls mit mittelschwer einschätzt. Auch der Facharzt D. hat in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 16.05.2013 eine insgesamt gute Beweglichkeit der Wirbelsäule des Klägers angegeben und hat die Einschätzung des versorgungsärztlichen Dienstes des Beklagten geteilt und damit der Einschätzung des Einzel-GdB von 20 zugestimmt. Schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt sind damit nicht festzustellen und lassen sich auch sonst den zu den Akten gelangten medizinischen Befundunterlagen nicht entnehmen. Insbesondere lässt sich dem Bericht der Fachärztin für Anästhesiologie und Schmerztherapie Dr. W. vom 07.08.2015, bei der sich der Kläger einmalig am 14.06.2015 vorgestellt hat, das Vorliegen eines zusätzlich zu berücksichtigenden Schmerzsyndroms nicht entnehmen. Dr. W. diagnostiziert ein chronisches Schmerzsyndrom Stadium I. Nach den im Bericht beschriebenen Beschwerdeangaben des Klägers nimmt der Kläger keine Medikamente ein. Eine schmerztherapeutische Behandlung erachtet Dr. Weber auch nicht für erforderlich, vielmehr hält sie für ausreichend, dass der Kläger seine Physiotherapie intensiviert. Ein zusätzlich zu berücksichtigendes (außergewöhnliches) Schmerzsyndrom (VG Teil A 2j) und Teil B 18.9) kann danach nicht festgestellt werden. Auch dem Befundbericht des Facharztes D. vom 13.07.2015 lässt sich nichts Neues entnehmen, das eine dem Kläger günstigere Bewertung des Einzel-GdB wegen des Wirbelsäulenleidens rechtfertigt. Vielmehr beschreibt der Facharzt D. weiterhin eine lediglich endgradig eingeschränkte Beweglichkeit der Wirbelsäule mit einem Finger-Boden-Abstand von 20 cm bei Myogelosen paralumbal und lokalem Druckschmerz (DS) und Klopfschmerz (KS) am LS-Übergang. Danach ist hinsichtlich des Wirbelsäulenleidens des Klägers ein Einzel-GdB von 20 ausreichend und nicht zulasten des Klägers zu niedrig.

Entgegen der Ansicht des Klägers liegt eine aufklärungsbedürftige Abweichung des Gutachtens von Dr. C. von der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage des Dr. S. nicht vor. Auch Dr. S. hat in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage bedeutsame funktionelle Auswirkungen von Wirbelsäulenschäden der Hals- bzw. Brustwirbelsäule nicht beschrieben. Soweit Dr. S. seitens der LWS einen GdB von 30 annimmt, steht diese Einschätzung nicht im Einklang mit den oben dargestellten rechtlichen Bewertungsvorgaben der VG, weshalb seiner GdB-Einschätzung, die als rechtliche Bewertung dem Gericht obliegt, nicht gefolgt werden kann.

Neue Gesichtspunkte, die abweichend von den Ausführungen des SG im angefochtenen Gerichtsbescheid hinsichtlich der Kniegelenke des Klägers einen GdB von über 10 rechtfertigen, zeigt der Kläger im Berufungsverfahren nicht auf und sind auch sonst nicht ersichtlich. Soweit sich der Kläger darauf beruft, das linke Knie sei gerade Auslöser für die massiven Beschwerden im Wirbelsäulenbereich, sind diese Beschwerden, wie bereits oben ausgeführt, bei der Bewertung des Einzel-GdB des Wirbelsäulenleidens des Klägers bereits voll berücksichtigt. Nach der im Gutachten des Dr. C. beschriebenen Beschwerdeschilderung des Klägers und seinem sonstigen Vortrag sowie nach der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen des Dr. S. vom 06.05.2013 und des Facharztes Davulcu vom 16.05.2013 ist das linke Bein (damit auch das linke Knie) durch von der Lendenwirbelsäule ausstrahlende Beschwerden (Nervenwurzelreizerscheinungen) betroffen und - entgegen der Ansicht des Klägers - das linke Kniegelenk nicht Auslöser für massivere Beschwerden im Wirbelsäulenbereich. Eine von der Wirbelsäule abgrenzbare Funktionsbeeinträchtigung des linken Kniegelenkes liegt nach dem Gutachten des Dr. C. nicht vor. Eine bedeutsame Einschränkung der Beweglichkeit beider Kniegelenke besteht nicht (0-5-140°), wobei das marginale Streckdefizit (5°) nach der überzeugenden Bewertung von Dr. C. nicht GdB-relevant ist. Sonst ist die Umrisszeichnung der Kniegelenke unauffällig (kein Erguss und keine Kapselschwellung). Die Collateral- und Kreuzbandführung ist stabil. Das Gangbild des Klägers ist unauffällig. Nach den von Dr. C. im Gutachten beschriebenen Beschwerdeangaben des Klägers bestehen hinsichtlich der Kniegelenke lediglich beim Treppauf- und Treppabgehen, manchmal auch beim Fahren auf dem Heimtrainer Schmerzen; Schwellungen der Kniegelenke hat er nicht beobachtet. Nach den Außenmeniskusoperationen im Jahr 1995 (linkes Knie) bzw. im Jahr 2009 (rechtes Knie) sind nach den Angaben des Klägers auch keine Behandlungen mehr erfolgt. Dem entsprechen auch die von Dr. S. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage an das SG gemachten Angaben. Eine relevante Funktionsbehinderung der Kniegelenke des Klägers hat Dr. S. nicht beschrieben, sondern mitgeteilt, dass ihm hierzu keine aktuellen Befunde vorliegen. Entsprechendes gilt für die schriftliche sachverständige Zeugenaussage des Facharztes Davulcu vom 16.05.2013, der eine bedeutsame Funktionsbehinderung der Kniegelenke des Klägers ebenfalls nicht angegeben hat. Der für das rechte Kniegelenk berücksichtigte Einzel-GdB von 10 ist damit angemessen und ausreichend. Sonstige Funktionsbehinderungen an den unteren Extremitäten des Klägers liegen nach dem Gutachten des Dr. C. vom 13.12.2013 nicht vor, sind auch sonst nicht ersichtlich und werden vom Kläger im Übrigen auch nicht geltend gemacht.

Sonstige GdB-relevante Gesundheitsstörungen liegen beim Kläger nicht vor, wie das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend ausgeführt hat. Eine Bluterkrankung des Klägers (Thrombozytopenie), die nach den VG (in der Fassung der am 05.11.2011 in Kraft getretenen 4. VG-Änderungsverordnung vom 28.10.2011 - BGBl 2011 2153 -) einen Einzel-GdB von wenigstens 10 rechtfertigt, kann nicht festgestellt werden. Dass der Kläger an einer primären Myelofibrose (Chronische idiopathische Myelofibrose) - VG Teil B 16.5.3 -, einer chronischen lymphatischen Leukämie oder einem anderen generalisierten niedrigmalignen Non-Hodgkin-Lymphom - VG Teil B 16.3.1 - erkrankt ist, ist ärztlich nicht dokumentiert. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. E. hat in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 06.05.2013 das Vorliegen einer der genannten Erkrankungen oder einer sonstigen Bluterkrankung als zusätzlich zu berücksichtigende Erkrankung des Klägers nicht genannt. Eine solche Erkrankung lässt sich auch den vorliegenden medizinischen Befundunterlagen nicht entnehmen. Dass der Kläger durch die von der ACURA Sigel-Klinik diagnostizierte Thrombozytopenie einer Behandlung bedarf bzw. die Thrombozytopenie Auswirkungen auf seine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft hat, ist nicht ersichtlich und wird vom Kläger im Übrigen auch nicht geltend gemacht. Zusätzlich zu berücksichtigende Gesundheitsstörungen lassen sich auch den vom Kläger mit Schriftsatz vom 20.08.2015 vorgelegten medizinischen Befundunterlagen nicht entnehmen. Dies gilt insbesondere für den Bericht des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. H. vom 01.07.2015, bei dem sich der Kläger am 09.03.2015 erstmalig und am 30.06.2015 erneut vorgestellt hat. Nach dem am 30.06.2015 erhobenen psychopathologischen Befund ist der Kläger in der Affektivität depressiv, im Antrieb gemindert und nicht so entschlossen wie gewöhnlich, im Denken grübelnd und vergesslich. Es besteht eine innere Unruhe. Die Leistung ist jedoch nur gering beeinträchtigt. Ein Hinweis auf ein organisches Psychosyndrom besteht nicht. Damit ist beim Kläger allenfalls von leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen auszugehen, die nach den VG Teil B 3.7 einen Einzel-GdB von 0 bis 20 rechtfertigen. Stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) die einen GdB mit 30 bis 40 rechtfertigen, beschreibt Dr. H. nicht. Anlass, den danach vorgegebenen GdB-Rahmen auf 20 auszuschöpfen besteht nicht. Nach den Angaben des Dr. H. im Befundbericht wurde erst bei dem Termin am 30.06.2015 eine medikamentöse Therapie begonnen, weshalb unter der eingeleiteten Therapie auch eine Besserung zu erwarten ist. Gegenteiliges hat der Kläger nicht vorgetragen. Zudem setzt nach den VG Teil A 2j) der GdB eine nicht nur vorübergehende und damit eine über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten sich erstreckende Gesundheitsstörung voraus. Dieser Zeitraum ist beim Kläger mit der erst am 30.06.2015 begonnenen Behandlung zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats noch nicht abgelaufen. Auch dem vom Kläger vorgelegten Bericht des Dr. R. vom 14.07.2015 lässt sich insbesondere auf kardiologischem und pulmonalem Fachgebiet keine mit einem Einzel-GdB zu berücksichtigende Erkrankung entnehmen. Vielmehr hat der Kläger nach der Anamnese des Befundberichtes angegeben, keine Beschwerden zu haben und keine Medikamente zu nehmen.

Hiervon ausgehend hat der Beklagte beim Kläger den Gesamt-GdB mit 20 nicht zulasten des Klägers zu niedrig festgestellt. Eine Schwerbehinderung des Klägers (GdB mindestens 50), wie er geltend macht, liegt schon gar nicht vor. Die Bemessung des Gesamt-GdB erfolgt nach § 69 Abs. 3 SGB IX. Danach ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. A Nr. 3 VG). Der Gesamt GdB ist unter Beachtung der AHP bzw. der VersMedV einschließlich der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Es ist also eine Prüfung vorzunehmen, wie die einzelnen Behinderungen sich zueinander verhalten und ob die Behinderungen in ihrer Gesamtheit ein Ausmaß erreichen, das die Schwerbehinderung bedingt.

Bei der Bildung des Gesamt-GdB ist danach das mit einem Einzel-GdB von 20 berücksichtigte Wirbelsäulenleiden des Klägers zu berücksichtigen. Dieser wird durch den für die unteren Ex-tremitäten bestehenden Einzel-GdB von 10 (rechtes Kniegelenk) und die seelische Störung nicht weiter erhöht.

Anlass zu weiteren Ermittlungen besteht nicht. Der Sachverhalt ist durch die von der Beklagten sowie vom Senat im Berufungsverfahren durchgeführten Ermittlungen und die zu den Akten gelangten medizinischen Befundunterlagen vollständig aufgeklärt und diese vermitteln dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Der medizinische festgestellte Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung des GdB unter Einschluss der Bewertung der sich zwischen den einzelnen Erkrankungen und Funktionsbehinderungen ergebenden Überschneidungen und Wechselwirkungen. Gesichtspunkte, durch die sich der Senat zu weiteren Ermittlungen gedrängt fühlen müsste, liegen entgegen der Ansicht des Klägers nicht vor. Eine wesentliche Verschlimmerung, die Anlass zu weiteren Ermittlungen gibt, hat der Kläger im Berufungsverfahren nicht aufgezeigt und sind auch den von ihm mit Schriftsatz vom 20.08.2015 vorgelegten medizinischen Befundunterlagen nicht zu entnehmen. Ergänzende Sachaufklärung ist auch nicht geboten soweit der Kläger im Hinblick auf die von ihm gegen das Gutachten des Dr. C. erhobenen Einwendungen eine nochmalige Begutachtung bzw. ergänzende Stellungnahmen des Dr. C. und Dr. S. als notwendig erachtet. Vom Kläger gerügte Inhaltsmängel, die so nicht ohne weiteres aufklärbar seien, liegen nicht vor, wie bereits oben ausgeführt wurde. Den Beweisanregungen des Klägers war deshalb nicht nachzukommen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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