Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 5465/15 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 4935/15 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 18.11.2015 wird zurückgewiesen
Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Zahlung von Übergangsleistungen in Geld nach § 3 Abs. 2 der Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Mit Bescheid von 22.10.2014 anerkannte die Antragsgegnerin zugunsten des Antragstellers eine Berufskrankheit nach Nr. 2105 der Anl. 1 BKV. Auch wurden dem Antragsteller Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 BKV dem Grunde nach für die Zeit vom 07.10.2013 bis 06.10.2018 zuerkannt. So gewährte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 24.07.2015 (Blatt 8/11 der ER-Akte des SG) in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.08.2015 (Blatt 12/15 der ER-Akte des SG) dem Antragsteller für die Zeit vom 01.07.2015 bis 30.09.2015 Übergangsleistungen i.H.v. monatlich 1326,73 EUR. Hiergegen hat der Antragsteller beim Sozialgericht (SG) Freiburg unter dem Az. S 9 U 4714/15 Klage auf höhere, insbesondere nicht gestaffelte Übergangsleistungen über den 30.9.2015 hinaus, erhoben. Mit Bescheid vom 21.09.2015 (Blatt 5 der ER-Akte des SG) bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller Übergangsleistungen für den Zeitraum vom 01.10.2015 bis 31.10.2015 i.H.v. 1087,10 EUR sowie anschließend von monatlich 1021,21 EUR bis 30.9.2016. Der hiergegen eingelegte Widerspruch des Antragstellers wurde ruhend gestellt.
Am 06.11.2015 hat der Antragsteller beim SG beantragt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, eine "gemäß den gesetzlichen Vorschriften zur Ermittlung der Übergangsleistung nach § 3 BKVO höhere Geldleistung zu zahlen als dies bisher festgesetzt wurde (Verpflichtung dem Grunde nach)". Aus dem errechneten Jahresarbeitsverdienst, der dem Nettoeinkommen entspreche, ergebe sich ein monatlicher Anspruch von 2695,00 EUR. Die Herabstufung sei ermessensfehlerhaft. Es sei ihm nicht damit gedient, die Geldleistungen erst im Nachhinein als Nachzahlung zu erhalten. Die Ermittlung der Geldleistung sei so eindeutig fehlerhaft, dass die einstweilige Anordnung auszusprechen sei. Es komme auch nicht auf eine Bedürftigkeit oder ähnliche Dinge an, er habe entsprechende Lebenshaltungsaufwendungen, die es mit 1000 EUR extrem knapp werden ließen, und zwar so knapp, dass Ersparnisse angegriffen werden müssten.
Das SG hat mit Beschluss vom 18.11.2015 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, Zunächst sei schon die Zulässigkeit des Antrags fraglich, als die Zulässigkeit eines derartigen Antrags ein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis voraussetze, was vorliegend zu bezweifeln sei, da der Antragsteller selbst das dem geltend gemachten gegenwärtigen Anspruch korrespondierende Hauptsacheverfahren - nämlich das Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 21.09.2015 - nicht betreibe bzw. dessen Ruhen beantragt habe. Der Antragsteller setze somit selbst die Ursache dafür, dass eine Entscheidung in der Hauptsache bis auf weiteres nicht ergehe, geschweige denn diese einer gerichtlichen Überprüfung zugeführt werden könne. Der Antrag sei jedenfalls nicht begründet. Die Entscheidungen der Antragsgegnerin zu den Übergangsleistungen erschienen nach summarischer Prüfung keineswegs eindeutig rechtswidrig, die Erfolgsaussichten des Antragstellers in den Hauptsachen stellten sich vielmehr im günstigsten Falle als offen dar. Bereits deshalb bedürfe es für die Begründetheit des Antrags eines glaubhaft gemachten, nicht unerheblichen Anordnungsgrundes. Ein Anordnungsgrund sei jedoch überhaupt nicht dargelegt, geschweige denn glaubhaft gemacht. Der Antragsteller habe im Gegenteil vorgebracht, der Antragsteller müsse zur Deckung seiner Aufwendungen für einen entsprechenden Lebensstandard auf Ersparnisse zugreifen. Dass der Zugriff auf die Ersparnisse irreversible und unzumutbare Vermögensdispositionen erforderlich mache sei nicht dargetan. Der Antragsteller werde daher im Falle des Obsiegens in den Hauptsachen durch die Nachzahlung und Verzinsung des zunächst vorenthaltenen Betrages ausreichenden Rechtsschutz erhalten. Der Erlass der einstweiligen Anordnung sei deshalb zur Abwendung wesentlicher, irreversibler Nachteile nicht erforderlich.
Gegen den seinem Bevollmächtigten am 21.11.2015 (Blatt 25b der ER-Akte des SG) zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 30.11.2015 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Beschwerde eingelegt. Die Leistung nach § 3 BKVO sei keine subsidiäre Geldleistung, die Bedürftigkeit voraussetze. Es handele sich um einen originären Primärleistungsanspruch. Der Hinweis darauf, er habe keine soziale Not, sei daher irrelevant. Die Leistung habe Entgeltersatzcharakter, der verloren gehe, wenn die Leistungen nur als Nachzahlung gezahlt werde. Auch habe das Bundessozialgericht 2011 genau mit der Begründung es Klägern verweigert nachträglich die Geldleistung noch einzufordern. Wenn man diese Argumentation weiterverfolge, müsse er seinen Anspruch verlieren und dies, obwohl er Widerspruch erhoben habe. Die Kürzung der Berechnung nach § 3 KVO sei nicht nachvollziehbar – "nicht nachvollziehbarer geht es nicht mehr". Ferner sei die Abfünftelung der Geldleistung grob rechtswidrig, denn es liege ein individuell zu berücksichtigender Fall vor, in dem eine Ermessensreduzierung auf Null vorliege. Auch erstaune was das SG zum Rechtsschutzbedürfnisses gesagt habe; diese Ausführungen seien ungeheuerlich. Das Verfahren sei ruhend gestellt, weil der Ursprungsbescheid mit der abstrusen Rechtsanwendung des § 18b SGB IV Gegenstand des Klageverfahrens in der Hauptsache sei. Einstweilige Anordnungen seien nicht nur im Falle einer Notlage auszusprechen, sondern in dem Fall, in dem ein Recht eineindeutig zunichtegemacht werde. Die Berechnung der Beklagten in vorliegendem Falle sei eineindeutig fehlerhaft, denn § 18b SGB IV habe im SGB VII nichts zu suchen.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß, den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 18.11.2015 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, gemäß den gesetzlichen Vorschriften zur Ermittlung der Übergangsleistung nach § 3 BKVO eine höhere Geldleistung zu zahlen als dies bisher festgesetzt wurde (Verpflichtung dem Grunde nach).
Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin ist der Beschwerde entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Letztendlich verkenne der Antragsteller, dass seine eher formale Argumentation zum besorgten Verlust der von ihm behaupteten Entgeltersatzfunktion von Übergangsleistungen bei nachträglicher Zahlung nicht darüber hinweghelfen könne, dass er das Drohen einer erheblichen, über Randbereiche hinausgehenden Verletzung in seinen Rechten belegen müsse, dies aber schuldig bleibe. Zu Recht vermisse das SG nachvollziehbare Ausführungen dazu, dass der Zugriff auf die Ersparnisse irreversible und unzumutbare Vermögensdispositionen erforderlich mache.
Mit Fax vom 14.12.2015 (Blatt 24 der Senatsakte) hat die Antragsgegnerin mitgeteilt, der Antragsteller habe im Oktober 2015 1.087,10 EUR an Übergangsleistungen erhalten und erhalte vom 01.11.2015 bis zum 30.09.2016 monatlich 1.021,21 EUR.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte sowie die beigezogene Akte des SG aus dem ER-Verfahren Bezug genommen.
II.
Die gemäß § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie statthaft (§ 172 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 und § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Sie ist jedoch unbegründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz. 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Abs. 2 Satz 2).
Vorliegend kommt für das Begehren auf Erbringung von Übergangsleistungen nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die – summarische – Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen – insbesondere mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz – wiegen. Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher in Ansehung des sich aus Art. 1 Abs. 1 GG ergebenden Gebots der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie des grundrechtlich geschützten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) u.U. nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen; ist im Eilverfahren eine vollständige Klärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Güter- und Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers vorzunehmen (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer SGG, 10. Aufl., § 86b Rdnr. 29a). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer a.a.O. Rdnr. 42).
Nach der insoweit vorzunehmenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage und ausgehend von den zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegenden Erkenntnissen ist schon ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Denn ein Anordnungsgrund ist dann gegeben, wenn der Erlass der einstweiligen Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Dies ist der Fall, wenn es dem Antragsteller nach einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten (Keller in Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Auflage 2014, § 86b RdNr. 28; dazu auch LSG Baden-Württemberg 23.11.2015 – L 1 AS 4375/15 ER-B – juris RdNr. 3), wenn mithin ohne eine gerichtliche Entscheidung erhebliche Nachteile aktuell drohen, die durch eine spätere Entscheidung in der Hauptsache nicht wieder gut gemacht werden könnten. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
Vorliegend erhält der Antragsteller laufende monatliche Leistungen der Antragsgegnerin bis ins Jahr 2018 hinein über derzeit mehr als 1.000,00 EUR. Dieser ist daher nicht völlig ohne soziale Leistungen und kann damit seinen Lebensunterhalt bestreiten. Er kann aus diesem Einkommen und seinem Vermögen seinen Lebensunterhalt bestreiten. Der Antragsteller ist auch nicht voll erwerbsunfähig, weshalb ihm eine weitergehende Erwerbstätigkeit, wenn auch nicht in dem von ihm zuletzt ausgeübten und zur Anerkennung einer BK 2105 führenden Tätigkeit, grds. durchaus zuzumuten ist; auch hat er ein von der Antragsgegnerin unterbreitetes Angebot über eine Unfallrente nach einer MdE um 20 v.H., was zusätzliche Einnahmen generieren würde (§ 3 Abs. 2 Satz 3 BKV), bisher nicht angenommen. Ist der Antragsteller aber nicht ungesichert und kann er seinen Lebensunterhalt bestreiten, so genügt der Hinweis auf eine lange Bearbeitungsdauer der Hauptsacheverfahren beim SG (Blatt 2 der ER-Akte des SG) oder das voraussichtliche Obsiegen in der Hauptsache nicht, um Eilbedürftigkeit darzulegen.
Auch der Hinweis des Antragstellers auf den Entgeltersatzcharakter der Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 BKV begründet keine Eilbedürftigkeit i.S.e. Anordnungsgrundes. Im Urteil vom 18.09.2012 (B 2 U 15/11 R – juris RdNr. 22) hat das BSG (unter Hinweis auf BSG 22.03.2011 – B 2 U 12/10 R – BSGE 108, 28 – juris RdNr. 23 ff.) ausgeführt, die Leistung des § 3 Abs. 2 BKV verfolge eine präventive Zielrichtung, nämlich das Vermeiden von Gesundheitsschäden. Daneben folge aus dem Wortlaut der Vorschrift, dass die Leistung auch Entgeltersatzfunktion habe (vgl. BSG 18.02.2010 – B 14 AS 76/08 R - juris). Der Charakter als Entgeltersatzleistung bezeichnet lediglich die Funktion der Leistung und macht insoweit deutlich, dass sie an die Stelle eines durch den Versicherungsfall ausgefallenen Arbeitsentgelts tritt und z.B. nicht daneben. Damit kann auch eine rückwirkende Gewährung, Zahlung oder Korrektur einer Übergangsleistung deren Entgeltersatzcharakter wahren, weshalb dies für sich keine Eilbedürftigkeit begründet.
Vorliegend ist aber der Anspruch auf Übergangsleistung gesetzlich begrenzt. Eine Eilbedürftigkeit wegen drohender Nachteile ist aus einer grundsätzlich den gesetzlichen Rahmen einer Leistungsgewährung einhaltenden Zahlung nicht ableitbar. Vorliegend ergibt die summarische Prüfung, entgegen der Rechtsauffassung des Klägers, keinen drohenden Rechtsverlust.
Nach § 3 Abs. 1 BKV haben die Unfallversicherungsträger der Gefahr, dass beim Versicherten eine Berufskrankheit entsteht, wieder auflebt oder sich verschlimmert, mit allen geeigneten Mitteln entgegenzuwirken. Versicherte, die die gefährdende Tätigkeit unterlassen, weil die Gefahr fortbesteht, haben zum Ausgleich hierdurch verursachter Minderungen des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile gegen den Unfallversicherungsträger Anspruch auf Übergangsleistungen (§ 3 Abs. 2 S. 1 BKV). Als Übergangsleistung wird entweder ein einmaliger Betrag bis zur Höhe der Vollrente oder eine monatlich wiederkehrende Zahlung bis zur Höhe eines Zwölftels der Vollrente längstens für die Dauer von 5 Jahren gezahlt (§ 3 Abs. 2 S. 2 BKV).
Übergangsleistung sind keine Entschädigungsleistungen für den eingetretenen Minderverdienst, sondern sollen als unterstützende Maßnahme der Vorbeugung und Krankheitsverhütung dienen, was das Bestehen eines Entschädigungsanspruchs nicht voraussetzt (BSG 29.05.1963 - 2 RU 269/59 - juris RdNr. 35, BSGE 19,157). Die Übergangsleistung hat grundsätzlich den Zweck, den Versicherten im Zuge der Entwicklung eines langwierigen Krankheitsgeschehens zur Aufgabe der ihn gefährdenden Tätigkeit zu bewegen (BSGE 40,146; 50,40). Die Anwendung des § 3 BKV setzt nicht zwingend voraus, dass der Versicherte nach Aufgabe der schädigenden Tätigkeit wieder berufstätig wird (BSGE 50,40). Innerhalb des in der BKV genannten Rahmens entscheidet der Unfallversicherungsträger nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der Verhältnisse des Einzelfalls über Art, Dauer und Höhe der Leistung (BSGE 78, 261). Der auszugleichende Verdienstausfall ergibt sich aus dem Vergleich des tatsächlich erzielten Nettoentgelts oder Nettoeinkommens (§§ 14, 15 SGB IV), das der Versicherte nach dem Wechsel der Tätigkeit erzielt, mit dem fiktiven Einkommen, das er bei seiner bisherigen, dem Unterlassungszwang unterliegenden Tätigkeit erzielt hätte. Zum Nettolohn, der nach Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit bezogen wird, rechnen auch Leistungen mit Entgeltersatzfunktion. Hierzu zählen auch Renten wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung, jedenfalls sofern sie auf denselben Gesundheitsstörungen beruhen, die den Zwang zur Tätigkeitsaufgabe bedingt haben (BSG SozR 3-5670 § 3 Nr. 3). Die finanziellen Einbußen, die der Bezieher von Krankengeld oder Verletztengeld dadurch erleiden, dass die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung von ihnen zu tragen sind, können nicht als Minderverdienst im Rahmen des § 3 Abs. 2 BKV geltend gemacht werden (BSG Urt. vom 25.02.1993 2 RU 6/92 , juris, HV-Info 1993, 1150). Mit dem Sinn der Übergangsleistung nach § 3 BKV ist es vereinbar, den Versicherten allmählich auf die geänderte wirtschaftliche Situation hinzuführen, indem die Leistung während ihrer Laufzeit stufenweise verringert wird (BSGE 50,40). Es entspricht gängiger Verwaltungspraxis, eine Staffelung des Ausgleichs des tatsächlichen Minderverdienstes mit 5 Fünftel im ersten Jahr, d.h. voller Ausgleich des Minderverdienstes, bis zu einem Fünftel des Minderverdienstes im 5. Jahr vorzunehmen, wenn nicht besondere Umstände eine andere Beurteilung oder ein Absehen von der sonst gerechtfertigten allgemeinen Praxis erfordern (BSG 11.10.1973 - 8/7 RU 51/72 - Breithaupt 1974, 314). Solche, eine Abweichung von der allgemeinen Verwaltungspraxis rechtfertigende Umstände sind gerade nicht vorgetragen worden.
Vorliegend konnte der Senat eine Eilbedürftigkeit nicht annehmen, denn bei Abwägung aller Umstände des Einzelfalles, der Interessen des Antragstellers und unter Berücksichtigung der Folgen für diesen konnte der Senat nicht feststellen, dass dem Antragsteller ohne eine vorläufige gerichtliche Entscheidung erhebliche Nachteile aktuell drohen, die auch durch eine spätere Entscheidung in der Hauptsache nicht wieder gut gemacht werden könnten. Auch konnte der Senat nicht annehmen, dass insoweit ein Anordnungsgrund auch schon im Ansatz glaubhaft gemacht worden ist ... Das Zuwarten bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache verursacht beim Antragsteller daher keinerlei unzumutbare Nachteile. Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.
Damit musste der Senat auch nicht entscheiden, ob – wie vom SG angesprochen – überhaupt ein Rechtsschutzinteresse des Antragstellers besteht oder ob sein Antrag auf höhere Verpflichtung der Antragsgegnerin dem Grunde nach überhaupt im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes bei bereits bewilligten Leistungen zulässig ist.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Zahlung von Übergangsleistungen in Geld nach § 3 Abs. 2 der Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Mit Bescheid von 22.10.2014 anerkannte die Antragsgegnerin zugunsten des Antragstellers eine Berufskrankheit nach Nr. 2105 der Anl. 1 BKV. Auch wurden dem Antragsteller Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 BKV dem Grunde nach für die Zeit vom 07.10.2013 bis 06.10.2018 zuerkannt. So gewährte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 24.07.2015 (Blatt 8/11 der ER-Akte des SG) in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.08.2015 (Blatt 12/15 der ER-Akte des SG) dem Antragsteller für die Zeit vom 01.07.2015 bis 30.09.2015 Übergangsleistungen i.H.v. monatlich 1326,73 EUR. Hiergegen hat der Antragsteller beim Sozialgericht (SG) Freiburg unter dem Az. S 9 U 4714/15 Klage auf höhere, insbesondere nicht gestaffelte Übergangsleistungen über den 30.9.2015 hinaus, erhoben. Mit Bescheid vom 21.09.2015 (Blatt 5 der ER-Akte des SG) bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller Übergangsleistungen für den Zeitraum vom 01.10.2015 bis 31.10.2015 i.H.v. 1087,10 EUR sowie anschließend von monatlich 1021,21 EUR bis 30.9.2016. Der hiergegen eingelegte Widerspruch des Antragstellers wurde ruhend gestellt.
Am 06.11.2015 hat der Antragsteller beim SG beantragt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, eine "gemäß den gesetzlichen Vorschriften zur Ermittlung der Übergangsleistung nach § 3 BKVO höhere Geldleistung zu zahlen als dies bisher festgesetzt wurde (Verpflichtung dem Grunde nach)". Aus dem errechneten Jahresarbeitsverdienst, der dem Nettoeinkommen entspreche, ergebe sich ein monatlicher Anspruch von 2695,00 EUR. Die Herabstufung sei ermessensfehlerhaft. Es sei ihm nicht damit gedient, die Geldleistungen erst im Nachhinein als Nachzahlung zu erhalten. Die Ermittlung der Geldleistung sei so eindeutig fehlerhaft, dass die einstweilige Anordnung auszusprechen sei. Es komme auch nicht auf eine Bedürftigkeit oder ähnliche Dinge an, er habe entsprechende Lebenshaltungsaufwendungen, die es mit 1000 EUR extrem knapp werden ließen, und zwar so knapp, dass Ersparnisse angegriffen werden müssten.
Das SG hat mit Beschluss vom 18.11.2015 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, Zunächst sei schon die Zulässigkeit des Antrags fraglich, als die Zulässigkeit eines derartigen Antrags ein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis voraussetze, was vorliegend zu bezweifeln sei, da der Antragsteller selbst das dem geltend gemachten gegenwärtigen Anspruch korrespondierende Hauptsacheverfahren - nämlich das Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 21.09.2015 - nicht betreibe bzw. dessen Ruhen beantragt habe. Der Antragsteller setze somit selbst die Ursache dafür, dass eine Entscheidung in der Hauptsache bis auf weiteres nicht ergehe, geschweige denn diese einer gerichtlichen Überprüfung zugeführt werden könne. Der Antrag sei jedenfalls nicht begründet. Die Entscheidungen der Antragsgegnerin zu den Übergangsleistungen erschienen nach summarischer Prüfung keineswegs eindeutig rechtswidrig, die Erfolgsaussichten des Antragstellers in den Hauptsachen stellten sich vielmehr im günstigsten Falle als offen dar. Bereits deshalb bedürfe es für die Begründetheit des Antrags eines glaubhaft gemachten, nicht unerheblichen Anordnungsgrundes. Ein Anordnungsgrund sei jedoch überhaupt nicht dargelegt, geschweige denn glaubhaft gemacht. Der Antragsteller habe im Gegenteil vorgebracht, der Antragsteller müsse zur Deckung seiner Aufwendungen für einen entsprechenden Lebensstandard auf Ersparnisse zugreifen. Dass der Zugriff auf die Ersparnisse irreversible und unzumutbare Vermögensdispositionen erforderlich mache sei nicht dargetan. Der Antragsteller werde daher im Falle des Obsiegens in den Hauptsachen durch die Nachzahlung und Verzinsung des zunächst vorenthaltenen Betrages ausreichenden Rechtsschutz erhalten. Der Erlass der einstweiligen Anordnung sei deshalb zur Abwendung wesentlicher, irreversibler Nachteile nicht erforderlich.
Gegen den seinem Bevollmächtigten am 21.11.2015 (Blatt 25b der ER-Akte des SG) zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 30.11.2015 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Beschwerde eingelegt. Die Leistung nach § 3 BKVO sei keine subsidiäre Geldleistung, die Bedürftigkeit voraussetze. Es handele sich um einen originären Primärleistungsanspruch. Der Hinweis darauf, er habe keine soziale Not, sei daher irrelevant. Die Leistung habe Entgeltersatzcharakter, der verloren gehe, wenn die Leistungen nur als Nachzahlung gezahlt werde. Auch habe das Bundessozialgericht 2011 genau mit der Begründung es Klägern verweigert nachträglich die Geldleistung noch einzufordern. Wenn man diese Argumentation weiterverfolge, müsse er seinen Anspruch verlieren und dies, obwohl er Widerspruch erhoben habe. Die Kürzung der Berechnung nach § 3 KVO sei nicht nachvollziehbar – "nicht nachvollziehbarer geht es nicht mehr". Ferner sei die Abfünftelung der Geldleistung grob rechtswidrig, denn es liege ein individuell zu berücksichtigender Fall vor, in dem eine Ermessensreduzierung auf Null vorliege. Auch erstaune was das SG zum Rechtsschutzbedürfnisses gesagt habe; diese Ausführungen seien ungeheuerlich. Das Verfahren sei ruhend gestellt, weil der Ursprungsbescheid mit der abstrusen Rechtsanwendung des § 18b SGB IV Gegenstand des Klageverfahrens in der Hauptsache sei. Einstweilige Anordnungen seien nicht nur im Falle einer Notlage auszusprechen, sondern in dem Fall, in dem ein Recht eineindeutig zunichtegemacht werde. Die Berechnung der Beklagten in vorliegendem Falle sei eineindeutig fehlerhaft, denn § 18b SGB IV habe im SGB VII nichts zu suchen.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß, den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 18.11.2015 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, gemäß den gesetzlichen Vorschriften zur Ermittlung der Übergangsleistung nach § 3 BKVO eine höhere Geldleistung zu zahlen als dies bisher festgesetzt wurde (Verpflichtung dem Grunde nach).
Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin ist der Beschwerde entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Letztendlich verkenne der Antragsteller, dass seine eher formale Argumentation zum besorgten Verlust der von ihm behaupteten Entgeltersatzfunktion von Übergangsleistungen bei nachträglicher Zahlung nicht darüber hinweghelfen könne, dass er das Drohen einer erheblichen, über Randbereiche hinausgehenden Verletzung in seinen Rechten belegen müsse, dies aber schuldig bleibe. Zu Recht vermisse das SG nachvollziehbare Ausführungen dazu, dass der Zugriff auf die Ersparnisse irreversible und unzumutbare Vermögensdispositionen erforderlich mache.
Mit Fax vom 14.12.2015 (Blatt 24 der Senatsakte) hat die Antragsgegnerin mitgeteilt, der Antragsteller habe im Oktober 2015 1.087,10 EUR an Übergangsleistungen erhalten und erhalte vom 01.11.2015 bis zum 30.09.2016 monatlich 1.021,21 EUR.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte sowie die beigezogene Akte des SG aus dem ER-Verfahren Bezug genommen.
II.
Die gemäß § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie statthaft (§ 172 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 und § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Sie ist jedoch unbegründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz. 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Abs. 2 Satz 2).
Vorliegend kommt für das Begehren auf Erbringung von Übergangsleistungen nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die – summarische – Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen – insbesondere mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz – wiegen. Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher in Ansehung des sich aus Art. 1 Abs. 1 GG ergebenden Gebots der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie des grundrechtlich geschützten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) u.U. nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen; ist im Eilverfahren eine vollständige Klärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Güter- und Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers vorzunehmen (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer SGG, 10. Aufl., § 86b Rdnr. 29a). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer a.a.O. Rdnr. 42).
Nach der insoweit vorzunehmenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage und ausgehend von den zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegenden Erkenntnissen ist schon ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Denn ein Anordnungsgrund ist dann gegeben, wenn der Erlass der einstweiligen Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Dies ist der Fall, wenn es dem Antragsteller nach einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten (Keller in Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Auflage 2014, § 86b RdNr. 28; dazu auch LSG Baden-Württemberg 23.11.2015 – L 1 AS 4375/15 ER-B – juris RdNr. 3), wenn mithin ohne eine gerichtliche Entscheidung erhebliche Nachteile aktuell drohen, die durch eine spätere Entscheidung in der Hauptsache nicht wieder gut gemacht werden könnten. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
Vorliegend erhält der Antragsteller laufende monatliche Leistungen der Antragsgegnerin bis ins Jahr 2018 hinein über derzeit mehr als 1.000,00 EUR. Dieser ist daher nicht völlig ohne soziale Leistungen und kann damit seinen Lebensunterhalt bestreiten. Er kann aus diesem Einkommen und seinem Vermögen seinen Lebensunterhalt bestreiten. Der Antragsteller ist auch nicht voll erwerbsunfähig, weshalb ihm eine weitergehende Erwerbstätigkeit, wenn auch nicht in dem von ihm zuletzt ausgeübten und zur Anerkennung einer BK 2105 führenden Tätigkeit, grds. durchaus zuzumuten ist; auch hat er ein von der Antragsgegnerin unterbreitetes Angebot über eine Unfallrente nach einer MdE um 20 v.H., was zusätzliche Einnahmen generieren würde (§ 3 Abs. 2 Satz 3 BKV), bisher nicht angenommen. Ist der Antragsteller aber nicht ungesichert und kann er seinen Lebensunterhalt bestreiten, so genügt der Hinweis auf eine lange Bearbeitungsdauer der Hauptsacheverfahren beim SG (Blatt 2 der ER-Akte des SG) oder das voraussichtliche Obsiegen in der Hauptsache nicht, um Eilbedürftigkeit darzulegen.
Auch der Hinweis des Antragstellers auf den Entgeltersatzcharakter der Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 BKV begründet keine Eilbedürftigkeit i.S.e. Anordnungsgrundes. Im Urteil vom 18.09.2012 (B 2 U 15/11 R – juris RdNr. 22) hat das BSG (unter Hinweis auf BSG 22.03.2011 – B 2 U 12/10 R – BSGE 108, 28 – juris RdNr. 23 ff.) ausgeführt, die Leistung des § 3 Abs. 2 BKV verfolge eine präventive Zielrichtung, nämlich das Vermeiden von Gesundheitsschäden. Daneben folge aus dem Wortlaut der Vorschrift, dass die Leistung auch Entgeltersatzfunktion habe (vgl. BSG 18.02.2010 – B 14 AS 76/08 R - juris). Der Charakter als Entgeltersatzleistung bezeichnet lediglich die Funktion der Leistung und macht insoweit deutlich, dass sie an die Stelle eines durch den Versicherungsfall ausgefallenen Arbeitsentgelts tritt und z.B. nicht daneben. Damit kann auch eine rückwirkende Gewährung, Zahlung oder Korrektur einer Übergangsleistung deren Entgeltersatzcharakter wahren, weshalb dies für sich keine Eilbedürftigkeit begründet.
Vorliegend ist aber der Anspruch auf Übergangsleistung gesetzlich begrenzt. Eine Eilbedürftigkeit wegen drohender Nachteile ist aus einer grundsätzlich den gesetzlichen Rahmen einer Leistungsgewährung einhaltenden Zahlung nicht ableitbar. Vorliegend ergibt die summarische Prüfung, entgegen der Rechtsauffassung des Klägers, keinen drohenden Rechtsverlust.
Nach § 3 Abs. 1 BKV haben die Unfallversicherungsträger der Gefahr, dass beim Versicherten eine Berufskrankheit entsteht, wieder auflebt oder sich verschlimmert, mit allen geeigneten Mitteln entgegenzuwirken. Versicherte, die die gefährdende Tätigkeit unterlassen, weil die Gefahr fortbesteht, haben zum Ausgleich hierdurch verursachter Minderungen des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile gegen den Unfallversicherungsträger Anspruch auf Übergangsleistungen (§ 3 Abs. 2 S. 1 BKV). Als Übergangsleistung wird entweder ein einmaliger Betrag bis zur Höhe der Vollrente oder eine monatlich wiederkehrende Zahlung bis zur Höhe eines Zwölftels der Vollrente längstens für die Dauer von 5 Jahren gezahlt (§ 3 Abs. 2 S. 2 BKV).
Übergangsleistung sind keine Entschädigungsleistungen für den eingetretenen Minderverdienst, sondern sollen als unterstützende Maßnahme der Vorbeugung und Krankheitsverhütung dienen, was das Bestehen eines Entschädigungsanspruchs nicht voraussetzt (BSG 29.05.1963 - 2 RU 269/59 - juris RdNr. 35, BSGE 19,157). Die Übergangsleistung hat grundsätzlich den Zweck, den Versicherten im Zuge der Entwicklung eines langwierigen Krankheitsgeschehens zur Aufgabe der ihn gefährdenden Tätigkeit zu bewegen (BSGE 40,146; 50,40). Die Anwendung des § 3 BKV setzt nicht zwingend voraus, dass der Versicherte nach Aufgabe der schädigenden Tätigkeit wieder berufstätig wird (BSGE 50,40). Innerhalb des in der BKV genannten Rahmens entscheidet der Unfallversicherungsträger nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der Verhältnisse des Einzelfalls über Art, Dauer und Höhe der Leistung (BSGE 78, 261). Der auszugleichende Verdienstausfall ergibt sich aus dem Vergleich des tatsächlich erzielten Nettoentgelts oder Nettoeinkommens (§§ 14, 15 SGB IV), das der Versicherte nach dem Wechsel der Tätigkeit erzielt, mit dem fiktiven Einkommen, das er bei seiner bisherigen, dem Unterlassungszwang unterliegenden Tätigkeit erzielt hätte. Zum Nettolohn, der nach Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit bezogen wird, rechnen auch Leistungen mit Entgeltersatzfunktion. Hierzu zählen auch Renten wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung, jedenfalls sofern sie auf denselben Gesundheitsstörungen beruhen, die den Zwang zur Tätigkeitsaufgabe bedingt haben (BSG SozR 3-5670 § 3 Nr. 3). Die finanziellen Einbußen, die der Bezieher von Krankengeld oder Verletztengeld dadurch erleiden, dass die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung von ihnen zu tragen sind, können nicht als Minderverdienst im Rahmen des § 3 Abs. 2 BKV geltend gemacht werden (BSG Urt. vom 25.02.1993 2 RU 6/92 , juris, HV-Info 1993, 1150). Mit dem Sinn der Übergangsleistung nach § 3 BKV ist es vereinbar, den Versicherten allmählich auf die geänderte wirtschaftliche Situation hinzuführen, indem die Leistung während ihrer Laufzeit stufenweise verringert wird (BSGE 50,40). Es entspricht gängiger Verwaltungspraxis, eine Staffelung des Ausgleichs des tatsächlichen Minderverdienstes mit 5 Fünftel im ersten Jahr, d.h. voller Ausgleich des Minderverdienstes, bis zu einem Fünftel des Minderverdienstes im 5. Jahr vorzunehmen, wenn nicht besondere Umstände eine andere Beurteilung oder ein Absehen von der sonst gerechtfertigten allgemeinen Praxis erfordern (BSG 11.10.1973 - 8/7 RU 51/72 - Breithaupt 1974, 314). Solche, eine Abweichung von der allgemeinen Verwaltungspraxis rechtfertigende Umstände sind gerade nicht vorgetragen worden.
Vorliegend konnte der Senat eine Eilbedürftigkeit nicht annehmen, denn bei Abwägung aller Umstände des Einzelfalles, der Interessen des Antragstellers und unter Berücksichtigung der Folgen für diesen konnte der Senat nicht feststellen, dass dem Antragsteller ohne eine vorläufige gerichtliche Entscheidung erhebliche Nachteile aktuell drohen, die auch durch eine spätere Entscheidung in der Hauptsache nicht wieder gut gemacht werden könnten. Auch konnte der Senat nicht annehmen, dass insoweit ein Anordnungsgrund auch schon im Ansatz glaubhaft gemacht worden ist ... Das Zuwarten bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache verursacht beim Antragsteller daher keinerlei unzumutbare Nachteile. Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.
Damit musste der Senat auch nicht entscheiden, ob – wie vom SG angesprochen – überhaupt ein Rechtsschutzinteresse des Antragstellers besteht oder ob sein Antrag auf höhere Verpflichtung der Antragsgegnerin dem Grunde nach überhaupt im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes bei bereits bewilligten Leistungen zulässig ist.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved