L 1 AS 4045/15 B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 14 AS 2674/15 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 AS 4045/15 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Gegen einen Beschluss, mit dem das Sozialgericht Verschuldenskosten nach § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG verhängt hat, ohne zugleich eine Entscheidung in der Hauptsache zu treffen, ist die Beschwerde nach § 172 Abs. 1 SGG statthaft.
Hat eine Beschwerde gegen die Verhängung von Verschuldenskosten Erfolg, hat die Staatskasse (und nicht der Beschwerdegegner) die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeführers zu tragen.
Die Beschwerde gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Beschluss des Sozialgerichts Ulm vom 11.09.2015 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe gerichteten Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Die Entscheidung des Sozialgerichts Ulm im Beschluss vom 11.09.2015, der Antragstellerin eine Missbrauchsgebühr in Höhe von 250,00 EUR aufzuerlegen, wird aufgehoben.

Die Staatskasse hat der Antragstellerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten des gegen die Verhängung von Verschuldenskosten gerichteten Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

Gründe:

I. Die Antragstellerin wendet sich insbesondere gegen die Verhängung einer Missbrauchsgebühr (Verschuldenskosten gemäß § 192 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG) i.H.v. 250,00 EUR im Beschluss des Sozialgerichts Ulm (SG) vom 11.09.2015. Von der Beschwerde umfasst ist ebenfalls die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe in dem genannten Beschluss.

Die 1966 geborene Antragstellerin bewohnte im streitgegenständlichen Zeitraum (01.09.2015 bis 31.12.2015) mit ihren jeweils 1990 geborenen Söhnen M. und B. eine gemeinsame Wohnung. Letzterer ist in einer Werkstatt für Behinderte im Arbeitsbereich tätig und bezieht Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII). Der Sohn M. bewohnte bis zum 29.06.2015 eine Wohnung in W. (Bescheinigung der Stadt H. vom 30.06.2015, Bl. 1268 Verwaltungsakte des Antragsgegners – VA)

Die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) für die Wohnung der Antragstellerin betragen monatlich insgesamt 590,00 EUR (Grundmiete von 400,00 EUR, Betriebskostenvorauszahlung von 94,00 EUR und Heizkostenvorauszahlung von 96,00 EUR).

Mit Bewilligungsbescheid vom 23.06.2015 (Bl. 1255 VA) bewilligte der Antragsgegner der Antragstellerin Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 713,50 EUR für den Zeitraum vom 01.07.2015 bis ein 30.12.2015, davon 399,00 EUR entfallend auf den Regelbedarf, 39,90 EUR entfallend auf Mehrbedarfe und 274,60 EUR entfallend auf Bedarfe für Unterkunft und Heizung.

Am 30.06.2015 beantragte der Sohn M. telefonisch beim Antragsgegner die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II, da er wieder bei der Antragstellerin eingezogen sei. Mit Änderungsbescheid vom 09.07.2015 (Bl. 1294 VA) hob der Antragsgegner den Bescheid vom 23.06.2015 teilweise auf und bewilligte der Antragstellerin mit jeweils 639,00 EUR monatlich für die Monate Juli und August 2015 und 712,69 EUR für September 2015 jeweils geringere Leistungen als ursprünglich. Für Oktober bis Dezember 2015 bewilligte er mit 739,40 EUR monatlich höhere Leistungen als ursprünglich.

Dem Sohn M., der 2015 das 25. Lebensjahr vollendet hat, bewilligte er in dem Bescheid ebenfalls Leistungen nach dem SGB II.

Gegen den Änderungsbescheid vom 09.07.2015 legte die Antragstellerin am 15.07.2015 Widerspruch ein (Bl. 1304a VA).

Mit weiterem Bescheid vom 24.08.2015 (Bl. 1324 ff. VA) änderte der Antragsgegner unter erneuter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 23.06.2015 die Höhe der bewilligten SGB II-Leistungen nochmals ab und bewilligte der Antragstellerin für den Monat September 2015 insgesamt 639,24 EUR, für die Monate Oktober bis Dezember 2015 jeweils 639,23 EUR, davon 399,00 EUR entfallend auf den Regelbedarf, 39,90 EUR entfallend auf Mehrbedarfe und 200,34 EUR (September) bzw. 200,33 EUR (Oktober bis Dezember) entfallend auf Bedarfe für Unterkunft und Heizung. In der Rechtsmittelbelehrung wies der Antragsgegner darauf hin, dass der Bescheid nach § 86 SGG Gegenstand des anhängigen Widerspruchsverfahrens werde.

Am 28.08.2015 hat die Antragstellerin vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten den Erlass einer einstweiligen Anordnung und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Der Antragsgegner sei zu verurteilen, ihr Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe ab dem 01.09.2015 zu zahlen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, ihre Existenzgrundlage sei erheblich gefährdet, da die durch die Söhne bezogenen Leistungen nicht ausreichten, um die Kosten der Haushaltsführung zu decken. Bereits deshalb seien die in Ansatz gebrachten Kosten für Unterkunft und Heizung, welche bei monatlich 750,00 EUR insgesamt lägen und durch den Antragsgegner mit lediglich 200,34 EUR bemessen seien, als zu gering anzusehen.

Der Antragsgegner hat in seiner Antragserwiderung ausgeführt, die Ausführungen seien nicht nachvollziehbar. Die Kosten der Unterkunft seien in vollem Umfang i.H.v. 601,00 EUR (Grundmiete von monatlich 400,00 EUR, Heizkostenvorauszahlungen von monatlich 96,00 EUR, Betriebskostenvorauszahlungen von monatlich 105,00 EUR) berücksichtigt worden.

Mit richterlichem Hinweis vom 08.09.2015 hat der Kammervorsitzende des SG darauf verwiesen, dass aus einem Schreiben der Vermieterin vom 25.04.2014 hervorgehe, dass die Gesamtmiete 590,00 EUR betrage. In der Antragsbegründung werde pauschal behauptet, die Kosten der Unterkunft und Heizung würden monatlich 750,00 EUR betragen. Dass tatsächlich höhere Kosten der Unterkunft und Heizung abgeführt würden, sei weder ersichtlich noch glaubhaft gemacht worden. Der Antragsgegner habe in seiner Berechnung des Leistungsanspruchs der Antragstellerin im Zeitraum vom 01.09.2015 bis 31.12.2015 zusätzlich noch einen Betrag von 11,00 EUR für Müllgebühren berücksichtigt und deshalb Kosten der Unterkunft in Höhe von 601,00 EUR zu Grunde gelegt. Diese seien, nachdem die Antragstellerin mit ihren beiden Söhnen gemeinsam in einem Haushalt wohne, entsprechend nach Kopfteilen mit je 200,33 EUR zu berücksichtigen. Daneben berücksichtige der Antragsgegner den Regelbedarf von 399,00 EUR und Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung i.H.v. 39,90 EUR. Die Kosten für Haushaltsstrom seien aus dem Regelsatz zu bestreiten. Da ein weitergehender Leistungsanspruch auch unter Berücksichtigung des bisherigen Vorbringens offenkundig nicht gegeben sei, erscheine ein Weiterbetreiben des Eilverfahrens als rechtsmissbräuchlich im Sinne von § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGG, so dass die Kammer bei Fortführung des Rechtsstreits die Auferlegung von Missbrauchskosten in Erwägung zu ziehen haben werde. Die Antragstellerin werde gebeten, binnen drei Werktagen Stellung zu nehmen, ob das Verfahren gleichwohl weiterbetrieben werden solle. Eine Zustellung des Hinweises ist nicht erfolgt.

Mit einem beim SG am 09.09.2015 um 16:54 Uhr eingegangenen Fax hat die Antragstellerin durch ihren Prozessbevollmächtigten mitgeteilt, der Antrag bleibe aufrechterhalten. Sie bitte um eine Entscheidung.

Mit Terminsbestimmung vom 10.09.2015 hat der Kammervorsitzende des SG im Verfahren S 14 AS 2674/15 ER Erörterungstermin auf den 29.09.2015 bestimmt. In Ziff. 1 der Terminsbestimmung heißt es: "Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage sowie der Erfolgsaussichten des Prozesskostenhilfeantrags für den Fall, dass das Verfahren trotz des Hinweises vom 08.09.2015 weiterbetrieben wird, wird bestimmt auf Dienstag, den 29.09.2015 ( )."

Mit weiterem Fax vom 10.09.2015, welches am SG um 17:03 Uhr eingegangen ist, hat die Antragstellerin den Rechtsstreit für erledigt erklärt.

Mit Beschluss vom 11.09.2015 hat das SG den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt und der Antragstellerin gerichtliche Verschuldenskosten i.H.v. 250,00 EUR auferlegt. Es hat ausgeführt, nach Zugang des Schreibens vom 09.09.2015 um 16:54 Uhr per Telefax, wonach der Antrag aufrechterhalten bleibe und um eine Entscheidung gebeten werde, habe das Gericht am 10.09.2015 die Entscheidung vollständig abgefasst. Mit an diesem Tag um 17:03 Uhr zugegangenem Schreiben habe die Antragstellerin das Verfahren, nicht jedoch den Antrag auf Prozesskostenhilfe, für erledigt erklärt. Hinsichtlich des Antrages auf Prozesskostenhilfe fehle es an hinreichender Aussicht auf Erfolg für das anhängig gemachte Eilverfahren. Weder bestehe ein höherer Leistungsanspruch noch habe die Antragstellerin eine Existenzgefährdung glaubhaft gemacht. Darüber hinaus sei die Rechtsverfolgung auch mutwillig gewesen. Die Auferlegung von Verschuldenskosten in Höhe von 250,00 EUR hat das SG damit begründet, dass eine Partei, die sich weigere, die Argumente der Gegenseite oder des Gerichts Kenntnis zu nehmen, rechtsmissbräuchlich handle. Auch ein subjektives Verschulden liege dann vor, denn es müsse jedermann einleuchten, dass die Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe zumindest ein Auseinandersetzen mit den Argumenten der Gegenseite und des Gerichts erfordere. Verschließe sich eine Partei dieser Selbstverständlichkeit völlig und bestehe gleichwohl trotz dargelegter Aussichtslosigkeit auf einer Entscheidung, erreiche die Uneinsichtigkeit ein außergewöhnlich hohes Ausmaß. Die anwaltlich vertretene Antragstellerin habe zur Begründung ihres Antrages einzig vortragen lassen, die Kosten der Unterkunft und Heizung würden 750,00 EUR betragen. Trotz des ausführlichen Hinweises des Gerichts habe sie es nicht für notwendig erachtet, ihre Behauptung richtig zu stellen oder weiter zu substantiieren. Eine Auseinandersetzung mit den Hinweisen des Gerichts sei nicht erfolgt. Auch der Umstand, dass der Antrag in der Hauptsache mit Schriftsatz vom 10.09.2015 doch noch für erledigt erklärt worden sei, gebiete nicht, von einer Verhängung von Verschuldenskosten abzusehen. Auf die Verfügung des SG vom 08.09.2015 habe die Antragstellerin um eine Entscheidung gebeten, was ein Weiterbetreiben des Verfahrens darstelle. Vor diesem Hintergrund rechtfertige es auch die spätere Erledigungserklärung nicht, von der Verhängung von Verschuldenskosten abzusehen. Darüber hinaus sei auch der Umstand, dass der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe trotz der Anregung des SG nicht zurückgenommen worden sei, zu berücksichtigen. Die Erklärung vom 10.09.2015 teile ausschließlich mit, dass "der Rechtsstreit" für erledigt erklärt werde, ohne sich zum Prozesskostenhilfeantrag einzulassen. Nachdem der Zusatz "vollumfänglich" gefehlt habe und dass SG auf die isolierte Rücknahme des Prozesskostenhilfeantrags hingewiesen habe, könne eine Rücknahme auch nicht durch Auslegung der Prozesserklärung unterstellt werden.

Der Beschluss wurde dem Bevollmächtigten der Antragstellerin vorab per Fax am 11.09.2015 übermittelt und am 16.09.2015 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt. Am 14.09.2015 hat sie gegen den Beschluss Beschwerde eingelegt und ausgeführt, diese beziehe sich insbesondere auf die Verhängung von Verschuldenskosten. Hierfür habe keinerlei Veranlassung bestanden. Noch innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist von drei Werktagen, gerechnet ab dem 08.09.2015, sei der Rechtsstreit für erledigt erklärt worden. Die Erledigungserklärung habe sich, was auch die Auslegung ergebe, auf die Erledigung des Rechtsstreits insgesamt bezogen. Somit habe auch kein weiteres Begehren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mehr bestanden. Zudem sei die Rechtsverfolgung der Antragstellerin nicht von vornherein als erfolglos anzusehen gewesen, denn ausweislich der Entscheidung des SG (Seite 9 des Beschlusses) habe der Antragsgegner einen rechtswidrigen Verwaltungsakt erlassen.

Der Antragsgegner hat sich nicht geäußert.

Mit Beschluss vom 18.01.2016 hat der Senat die Verfahren über die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe (L 1 AS 4046/15 B) und über die Beschwerde gegen die Verhängung von Verschuldenskosten in Höhe von 250,00 EUR (L 1 AS 4045/15 B) unter dem letztgenannten Aktenzeichen zu gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten des Antragsgegners sowie die Prozessakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

II.

1. Der Senat geht nach Auslegung der Beschwerdebegründung der Antragstellerin (§ 123 SGG), wonach sich die Beschwerde "insbesondere" gegen die Verhängung von Verschuldenskosten richtet, davon aus, dass die Antragstellerin daneben auch gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe Beschwerde erheben wollte. Diese ist unzulässig.

Anders als das SG legt der Senat die Prozesserklärung des Bevollmächtigten der Antragstellerin vom 10.09.2015 dahingehend aus, dass damit nicht nur der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes, sondern auch der in derselben Antragsschrift gestellte Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren für erledigt erklärt worden ist. Die Erklärung des Bevollmächtigten der Antragstellerin vom 10.09.2015 lässt in keiner Weise erkennen, dass an dem Prozesskostenhilfeantrag weiter festgehalten werden sollte. Der Antragsteller hat nicht nur das auf einstweiligen Rechtsschutz gerichtete Verfahren für erledigt erklärt, sondern "den Rechtsstreit". Ausgehend von der gewählten Formulierung und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass es sich um die Äußerung eines Rechtsanwalts gehandelt hat, legt der Senat die Äußerung dahingehend aus, dass die einseitige Erledigungserklärung auch das als Nebenverfahren zum Eilverfahren anhängig gemachte Prozesskostenhilfeverfahren umfasst hat. Eine solche einseitige Erledigungserklärung ist im Sozialgerichtsverfahren, soweit es sich um Verfahren handelt, an denen kostenprivilegierte Personen im Sinne des § 183 SGG, wie vorliegend die Antragstellerin als Hilfeempfängerin beteiligt sind und § 197a SGG keine Anwendung findet, als Rücknahme (vgl. § 102 Abs. 1 Satz 2 SGG) auszulegen (vgl. zum Klageverfahren BSG, Beschluss vom 29.12.2005 – B 7a AL 192/05 B –, juris, Rn. 7). Da die Auslegung der Erklärung vom 10.09.2015 durch den Senat mit dem ausweislich der Beschwerdebegründung tatsächlich gewollten Erklärungsgehalt (Erledigung auch des Prozesskostenhilfeverfahrens) übereinstimmt, fehlt es der gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe gerichteten Beschwerde am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis, weshalb sie als unzulässig zu verwerfen war.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig (§ 73a Abs. 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 Zivilprozessordnung – ZPO).

3. Zulässig und begründet ist demgegenüber die Beschwerde gegen den Beschluss vom 11.09.2015, soweit die Aufhebung der verhängten Verschuldenskosten in Höhe von 250,00 EUR begehrt wird.

Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft. Durch die als Rücknahme auszulegende einseitige Erledigungserklärung vom 11.09.2015 hatten sich sowohl das Eilverfahren als auch der damit verbundene Antrag auf Prozesskostenhilfe in der Hauptsache erledigt (s.o.). Die Entscheidung der Auferlegung von Verschuldenskosten hat das SG dann durch gesonderten Beschluss getroffen, ohne dass eine Verknüpfung mit einer Entscheidung zur Hauptsache erfolgt ist. Eine solche Entscheidung durch gesonderten Beschluss ist nach zutreffender Rechtsauffassung (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Auflage 2014, § 192 Rn. 21, Breitkreuz in: Breitkreuz/Fichte, SGG-Kommentar, 2. Auflage 2014, § 192 Rn. 13) nach § 172 SGG grundsätzlich (mit Ausnahme der Sonderregelung des § 172 Abs. 3 Nr. 4 SGG, welche hier von vornherein nicht eingreift) mit der Beschwerde anfechtbar, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob in der Hauptsache die Berufung (oder Beschwerde) zulässig gewesen wäre. Nachdem der Gesetzgeber in § 172 Abs. 3 Nr. 3 und 4 SGG nicht nur den Ausschluss der Beschwerde gegen Kostengrundentscheidungen nach § 193 SGG, sondern auch gegen Entscheidungen nach § 192 Abs. 4 SGG ausdrücklich ausgeschlossen hat, bestehen für die Annahme einer planwidrigen Regelungslücke für isolierte Entscheidungen nach § 192 Abs. 1 SGG durch Beschluss keine Anhaltspunkte (gegen eine erweiternde bzw. analoge Anwendung des § 172 Abs. 3 SGG ebenfalls Sächsisches LSG, Beschluss vom 21.01.2013 – L 7 AS 413/12 B –, juris, Rn. 7 m.w.N.). Ein Ausschluss der Beschwerde in (analoger) Anwendung des § 144 Abs. 4 SGG, wonach die Beschwerde ausgeschlossen ist, wenn im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein die Kostenentscheidung angegriffen wird, kommt hier mangels eines Ausspruchs in der Hauptsache im nach Erledigung des Eilverfahrens ergangenen Beschluss vom 11.09.2015 von vornherein nicht in Betracht (vgl. zum Stand der Diskussion Beschluss des Landessozialgerichts (LSG) Sachsen-Anhalt vom 29.09.2014 – L 5 AS 1005/13 B –, juris, Rn. 16 ff. [18]).

Über den Antrag auf Rücknahme der verhängten Verschuldenskosten entscheidet nicht der Berichterstatter allein nach § 155 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5, Abs. 4, sondern der Senat in der Besetzung mit drei Berufsrichtern (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O. § 155 Rn. 9e).

Die Beschwerde ist begründet. Die Entscheidung des SG, der Antragstellerin Verschuldenskosten in Höhe von 250,- EUR aufzuerlegen, ist aufzuheben, weil die erforderlichen Voraussetzungen dafür nicht vorlagen.

Nach § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass der Beteiligte den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung oder -verteidigung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreites hingewiesen worden ist.

Für die Annahme von Rechtsmissbräuchlichkeit genügt allein die Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung als solche nicht. Hinzukommen müssen weitere Umstände, welche die Rechtsverfolgung im Einzelfall missbräuchlich erscheinen lassen. Dies ist anzunehmen, wenn das Klagebegehren offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist und seine Weiterverfolgung von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden müsste (vgl. Beschluss des LSG Nordrhein-Westfalen vom 04.11.2014 - L 20 AY 7/14, juris, Rn. 28, ebenso Beschluss des Thüringer LSG vom 26.01.2015 - L 6 KR 988/13, juris, Rn. 14, jeweils m.w.N.). Dabei soll die Darlegung des Missbräuchlichkeit dem Betroffenen ermöglichen, diese einzusehen; sie muss mithin dazu geeignet sein und im jeweiligen Fall zumindest einen einsichtigen Verfahrensbeteiligten voll überzeugen können (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 01.06.2006 - L 7 V 2/06, juris, Rn. 34).

Hier lag eine Fallgestaltung, in welcher der Antragstellerin Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung vorgeworfen werden konnte, weil sie entgegen dem schriftlichen Hinweis des Kammervorsitzenden vom 08.09.2015 an ihrem Antragsbegehren festgehalten hat, jedenfalls zum Zeitpunkt der einseitigen Erledigungserklärung vom 10.09.2015 nicht vor. Es kann deshalb dahinstehen, ob die im Schreiben vom 08.09.2015 bestimmte Äußerungsfrist von drei Werktagen ausreichend war, ebenfalls lässt der Senat offen, ob das SG sich nicht durch das Schreiben vom 08.09.2015 selbst gebunden hatte, bei einer Zurücknahme der Anträge jedenfalls innerhalb dieser Äußerungsfrist von der Verhängung von Verschuldenskosten abzusehen. Mit der Bestimmung des für den 29.09.2015 vorgesehenen Erörterungstermins am 10.09.2015 hat das SG zu erkennen gegeben, dass es für erforderlich hält, vor einer Entscheidung über die Anträge der Beschwerdeführerin die Sach- und Rechtslage persönlich mit den Beteiligten zu erörtern. Der schriftliche Hinweis vom 08.09.2015, auf den die Antragstellerin mit ihrem Fax vom 09.09.2015 reagiert hatte, war damit überholt. Vor Erteilung eines neuerlichen Hinweises gemäß § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kam deshalb die Verhängung einer Missbrauchsgebühr nicht in Betracht.

4. Eine Kostenentscheidung hat auch bezüglich der Beschwerde gegen die Verhängung von Verschuldenskosten (Missbrauchsgebühren) zu ergehen. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Beschwerdeverfahren um ein selbstständiges, nicht kontradiktorisches und mit einer eigenen Kostenentscheidung zu versehendes Verfahren im Rahmen des von den Beteiligten betriebenen Hauptsacheverfahrens handelt (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 11.03.2011 – L 9 U 1083/10 B –, juris, Rn. 23). Nach der neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 01.04.2009 – B 14 SF 1/08 R – jurisPR-SozR 11/2010, Anm. 5, Münker) ist grundsätzlich in jedem Beschwerdeverfahren, das zu einem gesonderten Gebührenanfall nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) führt, eine Kostenentscheidung zu treffen (vgl. dazu auch Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt, RVG-Kommentar, 22. Auflage 2015, § 18 Rn. 10, 11, 17). In Ansehung der §§ 3 Abs. 1 Satz 1, 18 Abs. 1 Nr. 3 a) RVG i.V.m Gebührenziffer 3501 der Anlage 1 zum RVG (Vergütungsverzeichnis – VV) darf die Kostenentscheidung daher nicht unterbleiben (vgl. Beschluss des Sächsischen LSG vom 21.01.2013 – L 7 AS 413/12 B –, juris, Rn. 13 m.w.N.).

Auch unter Berücksichtigung des in § 21 Abs. 1 GKG zum Ausdruck kommenden Rechtsgedankens, dass Kosten, die durch eine fehlerhafte Sachbehandlung des Gerichts verursacht werden, den Parteien nicht zur Last fallen dürfen, sind die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin für die Beschwerde gegen die Verhängung der Verschuldenskosten hier der Staatskasse aufzuerlegen. Insoweit liegt eine den Beschwerden gegen die Auferlegung von Ordnungsgeld gemäß § 202 SGG in Verbindung mit § 141 ZPO vergleichbare Sachlage vor (vgl. Beschluss des Sächsischen LSG vom 21.01.2013, a.a.O., Rn. 14 m.w.N.). Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der Frage nach dem Kostenschuldner im Falle des Obsiegens der Beschwerdeführerin auf einer entsprechenden Anwendung des § 46 Abs. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten i.V.m. § 467 Abs. 1 der Strafprozessordnung (StPO) (vgl. auch LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 16.01.2012 – L 5 AS 228/11 B –, juris, Rn. 12, dort allerdings in einem Verfahren nach § 197a SGG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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