Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Magdeburg (SAN)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 14 AS 1141/15 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. An den Begriff der Erforderlichkeit nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II dürfen wegen des erheblichen Eingriffs in den Anspruch auf die Gewährung des soziokulturellen Existenzminimums keine überspannten Anforderungen gestellt werden.
2. Die Beschränkung nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II ist zu dynamisieren, um eine dauerhafte Bedarfsunterdeckung zu vermeiden.
2. Die Beschränkung nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II ist zu dynamisieren, um eine dauerhafte Bedarfsunterdeckung zu vermeiden.
Der Antragsgegner wird im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet, dem Antragsteller für die Zeit von Mai 2015 bis Oktober 2015 monatlich weitere 118,20 EUR zu zahlen, längstens bis zur Bestandskraft des Bescheides vom 20.03.2015 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 23.04.2015. Der Antragsgegner trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.
Gründe:
I.
Der Antragsteller macht die Gewährung höherer Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes geltend.
Der Antragsteller bewohnte ursprünglich eine 26 m² große Ein-Raum-Wohnung im W.-G.-R., in W. Er zahlte eine Miete von 138,77 EUR monatlich (Grundmiete plus Betriebskostenvorauszahlung) sowie eine Heizkostenvorauszahlung i.H.v. 41 EUR, mithin 179,77 EUR. Seitens der Vermieterin, der G. mbH W. (G.) wurde ihm mitgeteilt, dass eine umfangreiche Sanierung des Wohnblockes beabsichtigt sei. Der Antragsteller begann, sich eine neue Wohnung zu suchen. Seitens der Vermieterin wurden ihm mehrere Wohnungsangebote vorgelegt. Die überwiegende Anzahl der Mietparteien im Aufgang des Antragstellers zogen bis zum Oktober 2012 aus. Der Antragsgegner lehnte einen Antrag auf Umzugsgenehmigung ab. Der Antragsteller bezog zum 01.04.2013 seine jetzige Wohnung. Für die 41 m² große Mietwohnung zahlt er für die Kaltmiete und die Betriebskosten monatlich 252,97 EUR und eine Heizkostenvorauszahlung von 45 EUR. Bis Ende Februar 2015 übte der Antragsteller eine Nebentätigkeit aus. Im Januar 2015 erlitt er einen Bandscheibenvorfall und ist seitdem arbeitsunfähig.
Am 19.03.2015 beantragte er die Fortzahlung seiner Leistungen beim Antragsgegner. Dieser bewilligte mit Bescheid vom 20.03.2015 für Mai 575,77 EUR und für die Zeit von Juni bis Oktober 537,77 EUR unter Berücksichtigung der Unterkunftskosten für die alte Wohnung des Antragstellers i.H.v. 179,77 EUR. Hiergegen erhob der Antragsteller mit Schreiben vom 24.03.2015 Widerspruch. Mit Änderungsbescheid vom 23.04.2015 bewilligte der Antragsgegner für Mai bis Oktober monatlich 578,77 EUR, weiterhin unter Berücksichtigung von Unterkunftskosten i.H.v. 179,77 EUR.
Am 23.04.2015 hat der Antragsteller die Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz beantragt. Er begehre ab Mai 2015 die Übernahme der tatsächlichen Wohnkosten. Der Umzug sei damals wegen der umfangreichen Sanierungsarbeiten erforderlich gewesen. Die Ablehnung der Umzugsgenehmigung sei rechtswidrig. Der Antragsgegner sei verpflichtet, die tatsächlichen KdU des Antragstellers zu tragen. Er habe die Differenz bislang durch die Ausübung seiner Nebentätigkeit abfedern können. Durch den Wegfall des Nebenverdienstes sei ihm dies nicht mehr möglich.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
den Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, ihm ab Mai 2015 weitere 118,20 EUR zu zahlen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Der Umzug sei nicht erforderlich gewesen. Eine Kündigung seitens der Vermieterin erfolgte damals nicht. Diese sei allerdings verpflichtet gewesen, ihm adäquaten Wohnraum zum selben Preis zur Verfügung zu stellen. Eine Dynamisierung im Rahmen des § 22 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch (SGB) – Zweites Buch – (II) sei nach dem Wortlaut der Vorschrift ausgeschlossen.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Antragsgegners haben vorgelegen und waren Gegenstand der Entscheidung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
II.
Der Antrag ist zulässig und begründet.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dabei hat der jeweilige Antragsteller nach § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 und § 294 Zivilprozessordnung (ZPO) den Anordnungsanspruch und den Anordnungsgrund glaubhaft zu machen.
Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch auf die Gewährung weiterer KdU nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Der Antragsteller hat derzeit KdU i.H.v. insgesamt 297,97 EUR (252,97 EUR plus 45 EUR). Der Antragsgegner trägt nur einen Anteil i.H.v. 179,77 EUR, so dass sich eine Differenz von 118,20 EUR monatlich ergibt. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners liegen die Voraussetzungen von § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II nicht vor. Erhöhen sich hiernach nach einem nicht erforderlichen Umzug die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Mit der Regelung sollten Kostensteigerungen im Bereich der KdU entgegengewirkt und verhindert werden, dass Leistungsberechtigte nur zum Zweck der Ausschöpfung der durch die kommunalen Träger ermittelten Angemessenheitsgrenzen für Wohnraum in eine Wohnung mit zwar höheren, aber gerade noch angemessenen Kosten ziehen (Luik in Eicher, Kommentar zum SGB II, 3. Auflage, § 22 RNr. 106). In diesem Zusammenhang bestehen erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass der Umzug des Antragstellers erforderlich gewesen ist. Maßgeblich sind hierbei nicht "zwingende" Gründe, sondern ob für den Umzug ein plausibler, nachvollziehbarer und verständlicher Anlass vorliegt, von dem sich auch ein Nichthilfeempfänger hätte leiten lassen (Luik, a.a.O. § 22 RNr. 110). In Anbetracht der gerichtsbekannten und auch auf der Internetseite der G. ersichtlichen umfangreichen Sanierungsarbeiten im alten Wohnblock des Antragstellers erscheint es plausibel, dass der Antragsteller sich eine neue Wohnung gesucht hat. Bei der umfangreichen Sanierung sind 14 Wohnungen in der 4. und 5. Etage abgerissen worden und Grundrisse der Wohnungen umfangreich umgestaltet worden. Es fand eine grundlegende energetische Sanierung des Heizungssystems, der Fenster und der Dämmung statt. (s. hierzu www.wellenhaus.info). Die überwiegende Anzahl der Mieter ist während dieser Arbeiten ausgezogen. Insoweit erscheint es bedenklich, dass der Antragsgegner in diesen Fällen die Zustimmung für einen Umzug verweigert hat. Dies dürfte letztendlich dazu geführt haben, dass SGB II-Leistungsempfänger, die in diesem Wohnblock gewohnt haben, gezwungen gewesen sind, die psychischen Belastungen während der mehrmonatigen Sanierungsarbeiten zu ertragen bzw. eigenständig einen Umzug durchzuführen und anschließend die Mehrkosten zu tragen. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II einen erheblichen Eingriff in den Anspruch auf die Gewährung des sozio-kulturellen Existenzminimums darstellt. Die Anwendung dieser Vorschrift führt dazu, dass der KdU-Bedarf nicht gedeckt wird. Es sind demnach keine überhöhten Anforderungen an die Auslegung des Begriffs der Erforderlichkeit zu stellen. Insoweit ist auch nicht nachvollziehbar, weshalb im Rahmen dieses Sanierungsprojektes, bei dem offenbar eine Vielzahl von Leistungsempfängern betroffen waren, keine Lösung zwischen dem Antragsgegner und der (städtischen) G. gefunden worden ist.
Ungeachtet der Frage der Erforderlichkeit schließt sich die Kammer der herrschenden Meinung in der Literatur und der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt an, wonach im Anwendungsbereich von § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II eine Dynamisierung stattzufinden hat (Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 20.11.2014, - L 4 AS 777/13 - , juris; Luik a.a.O. § 22 RNr. 113 m.w.N.). Die Erforderlichkeit einer Dynamisierung zeigt schon die Tatsache, dass der Antragsteller, wenn er in seiner Wohnung verblieben wäre, derzeit 262,69 EUR monatlich zu zahlen hätte. Das Landessozialgericht weist zudem in seiner Entscheidung vom 20.11.2014 zutreffend darauf hin, dass eine zeitlich unbegrenzte und nicht anderweitig kompensierte Unterdeckung des Bedarfs grundrechtlichen Bedenken begegnet. Durch die dauerhafte Unterdeckung im KdU-Bereich ist der Leistungsempfänger dauerhaft gezwungen, Teile seiner Regelleistung zur Deckung dieser Kosten einzusetzen (Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 20.11.2014 a.a.O.). Die Lösung des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt scheint plausibel, nach dem Ablauf von 1 Jahr auf die Angemessenheitsgrenzen des Antragsgegners abzustellen. Der Leistungsberechtigte findet sich nach Fristablauf in derselben Situation wieder, wie alle anderen Leistungsbezieher. (Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 20.11.2014 a.a.O.). Der Antragsgegner bewohnt bereits seit mehr als 2 Jahren die neue Wohnung. Die aktuellen KdU liegen auch innerhalb der Angemessenheitswerte der Richtlinie des Antragsgegners. Der Antragsgegner ist auch unter Berücksichtigung dieses Gesichtspunktes verpflichtet, die tatsächlichen KdU des Antragstellers zu tragen.
Der Anordnungsgrund ergibt sich aus der Tatsache, dass der Antragsteller existenzsichernde Leistungen in nicht nur unerheblicher Höhe geltend macht. Darüber hinaus hat er glaubhaft gemacht, dass er mit dem Wegfall seiner Nebenbeschäftigung nicht mehr in der Lage ist, diese Unterdeckung seines KdU-Bedarfes abzufedern.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Eine Beschwerde gegen diese Entscheidung ist nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ausgeschlossen (118,20 EUR x 6 = 709,20 EUR).
Gründe:
I.
Der Antragsteller macht die Gewährung höherer Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes geltend.
Der Antragsteller bewohnte ursprünglich eine 26 m² große Ein-Raum-Wohnung im W.-G.-R., in W. Er zahlte eine Miete von 138,77 EUR monatlich (Grundmiete plus Betriebskostenvorauszahlung) sowie eine Heizkostenvorauszahlung i.H.v. 41 EUR, mithin 179,77 EUR. Seitens der Vermieterin, der G. mbH W. (G.) wurde ihm mitgeteilt, dass eine umfangreiche Sanierung des Wohnblockes beabsichtigt sei. Der Antragsteller begann, sich eine neue Wohnung zu suchen. Seitens der Vermieterin wurden ihm mehrere Wohnungsangebote vorgelegt. Die überwiegende Anzahl der Mietparteien im Aufgang des Antragstellers zogen bis zum Oktober 2012 aus. Der Antragsgegner lehnte einen Antrag auf Umzugsgenehmigung ab. Der Antragsteller bezog zum 01.04.2013 seine jetzige Wohnung. Für die 41 m² große Mietwohnung zahlt er für die Kaltmiete und die Betriebskosten monatlich 252,97 EUR und eine Heizkostenvorauszahlung von 45 EUR. Bis Ende Februar 2015 übte der Antragsteller eine Nebentätigkeit aus. Im Januar 2015 erlitt er einen Bandscheibenvorfall und ist seitdem arbeitsunfähig.
Am 19.03.2015 beantragte er die Fortzahlung seiner Leistungen beim Antragsgegner. Dieser bewilligte mit Bescheid vom 20.03.2015 für Mai 575,77 EUR und für die Zeit von Juni bis Oktober 537,77 EUR unter Berücksichtigung der Unterkunftskosten für die alte Wohnung des Antragstellers i.H.v. 179,77 EUR. Hiergegen erhob der Antragsteller mit Schreiben vom 24.03.2015 Widerspruch. Mit Änderungsbescheid vom 23.04.2015 bewilligte der Antragsgegner für Mai bis Oktober monatlich 578,77 EUR, weiterhin unter Berücksichtigung von Unterkunftskosten i.H.v. 179,77 EUR.
Am 23.04.2015 hat der Antragsteller die Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz beantragt. Er begehre ab Mai 2015 die Übernahme der tatsächlichen Wohnkosten. Der Umzug sei damals wegen der umfangreichen Sanierungsarbeiten erforderlich gewesen. Die Ablehnung der Umzugsgenehmigung sei rechtswidrig. Der Antragsgegner sei verpflichtet, die tatsächlichen KdU des Antragstellers zu tragen. Er habe die Differenz bislang durch die Ausübung seiner Nebentätigkeit abfedern können. Durch den Wegfall des Nebenverdienstes sei ihm dies nicht mehr möglich.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
den Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, ihm ab Mai 2015 weitere 118,20 EUR zu zahlen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Der Umzug sei nicht erforderlich gewesen. Eine Kündigung seitens der Vermieterin erfolgte damals nicht. Diese sei allerdings verpflichtet gewesen, ihm adäquaten Wohnraum zum selben Preis zur Verfügung zu stellen. Eine Dynamisierung im Rahmen des § 22 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch (SGB) – Zweites Buch – (II) sei nach dem Wortlaut der Vorschrift ausgeschlossen.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Antragsgegners haben vorgelegen und waren Gegenstand der Entscheidung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
II.
Der Antrag ist zulässig und begründet.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dabei hat der jeweilige Antragsteller nach § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 und § 294 Zivilprozessordnung (ZPO) den Anordnungsanspruch und den Anordnungsgrund glaubhaft zu machen.
Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch auf die Gewährung weiterer KdU nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Der Antragsteller hat derzeit KdU i.H.v. insgesamt 297,97 EUR (252,97 EUR plus 45 EUR). Der Antragsgegner trägt nur einen Anteil i.H.v. 179,77 EUR, so dass sich eine Differenz von 118,20 EUR monatlich ergibt. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners liegen die Voraussetzungen von § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II nicht vor. Erhöhen sich hiernach nach einem nicht erforderlichen Umzug die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Mit der Regelung sollten Kostensteigerungen im Bereich der KdU entgegengewirkt und verhindert werden, dass Leistungsberechtigte nur zum Zweck der Ausschöpfung der durch die kommunalen Träger ermittelten Angemessenheitsgrenzen für Wohnraum in eine Wohnung mit zwar höheren, aber gerade noch angemessenen Kosten ziehen (Luik in Eicher, Kommentar zum SGB II, 3. Auflage, § 22 RNr. 106). In diesem Zusammenhang bestehen erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass der Umzug des Antragstellers erforderlich gewesen ist. Maßgeblich sind hierbei nicht "zwingende" Gründe, sondern ob für den Umzug ein plausibler, nachvollziehbarer und verständlicher Anlass vorliegt, von dem sich auch ein Nichthilfeempfänger hätte leiten lassen (Luik, a.a.O. § 22 RNr. 110). In Anbetracht der gerichtsbekannten und auch auf der Internetseite der G. ersichtlichen umfangreichen Sanierungsarbeiten im alten Wohnblock des Antragstellers erscheint es plausibel, dass der Antragsteller sich eine neue Wohnung gesucht hat. Bei der umfangreichen Sanierung sind 14 Wohnungen in der 4. und 5. Etage abgerissen worden und Grundrisse der Wohnungen umfangreich umgestaltet worden. Es fand eine grundlegende energetische Sanierung des Heizungssystems, der Fenster und der Dämmung statt. (s. hierzu www.wellenhaus.info). Die überwiegende Anzahl der Mieter ist während dieser Arbeiten ausgezogen. Insoweit erscheint es bedenklich, dass der Antragsgegner in diesen Fällen die Zustimmung für einen Umzug verweigert hat. Dies dürfte letztendlich dazu geführt haben, dass SGB II-Leistungsempfänger, die in diesem Wohnblock gewohnt haben, gezwungen gewesen sind, die psychischen Belastungen während der mehrmonatigen Sanierungsarbeiten zu ertragen bzw. eigenständig einen Umzug durchzuführen und anschließend die Mehrkosten zu tragen. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II einen erheblichen Eingriff in den Anspruch auf die Gewährung des sozio-kulturellen Existenzminimums darstellt. Die Anwendung dieser Vorschrift führt dazu, dass der KdU-Bedarf nicht gedeckt wird. Es sind demnach keine überhöhten Anforderungen an die Auslegung des Begriffs der Erforderlichkeit zu stellen. Insoweit ist auch nicht nachvollziehbar, weshalb im Rahmen dieses Sanierungsprojektes, bei dem offenbar eine Vielzahl von Leistungsempfängern betroffen waren, keine Lösung zwischen dem Antragsgegner und der (städtischen) G. gefunden worden ist.
Ungeachtet der Frage der Erforderlichkeit schließt sich die Kammer der herrschenden Meinung in der Literatur und der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt an, wonach im Anwendungsbereich von § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II eine Dynamisierung stattzufinden hat (Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 20.11.2014, - L 4 AS 777/13 - , juris; Luik a.a.O. § 22 RNr. 113 m.w.N.). Die Erforderlichkeit einer Dynamisierung zeigt schon die Tatsache, dass der Antragsteller, wenn er in seiner Wohnung verblieben wäre, derzeit 262,69 EUR monatlich zu zahlen hätte. Das Landessozialgericht weist zudem in seiner Entscheidung vom 20.11.2014 zutreffend darauf hin, dass eine zeitlich unbegrenzte und nicht anderweitig kompensierte Unterdeckung des Bedarfs grundrechtlichen Bedenken begegnet. Durch die dauerhafte Unterdeckung im KdU-Bereich ist der Leistungsempfänger dauerhaft gezwungen, Teile seiner Regelleistung zur Deckung dieser Kosten einzusetzen (Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 20.11.2014 a.a.O.). Die Lösung des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt scheint plausibel, nach dem Ablauf von 1 Jahr auf die Angemessenheitsgrenzen des Antragsgegners abzustellen. Der Leistungsberechtigte findet sich nach Fristablauf in derselben Situation wieder, wie alle anderen Leistungsbezieher. (Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 20.11.2014 a.a.O.). Der Antragsgegner bewohnt bereits seit mehr als 2 Jahren die neue Wohnung. Die aktuellen KdU liegen auch innerhalb der Angemessenheitswerte der Richtlinie des Antragsgegners. Der Antragsgegner ist auch unter Berücksichtigung dieses Gesichtspunktes verpflichtet, die tatsächlichen KdU des Antragstellers zu tragen.
Der Anordnungsgrund ergibt sich aus der Tatsache, dass der Antragsteller existenzsichernde Leistungen in nicht nur unerheblicher Höhe geltend macht. Darüber hinaus hat er glaubhaft gemacht, dass er mit dem Wegfall seiner Nebenbeschäftigung nicht mehr in der Lage ist, diese Unterdeckung seines KdU-Bedarfes abzufedern.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Eine Beschwerde gegen diese Entscheidung ist nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ausgeschlossen (118,20 EUR x 6 = 709,20 EUR).
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