S 91 AS 1484/15

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
91
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 91 AS 1484/15
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Wird ein Raum einer Wohnung ausschließlich oder ganz überwiegend für gewerbliche Zwecke genutzt (Arbeitszimmer), so sind die anteilig auf diesen Raum entfallenden Aufwendungen keine Aufwendungen zur Sicherung des existenziellen Bedürfnisses von Unterkunft und Heizung und darum auch nicht als Kosten für Unterkunft und Heizung im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II anzusehen.

2. Ändert sich bei einem nicht notwendigen Umzug gleichzeitig die Zusammensetzung der Bedarfsgemeinschaft, ist die Rechtsfolge des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II dahin auszulegen, dass der anzuerkennende Bedarf für Kosten der Unterkunft und Heizung nach dem Umzug für jeden individuellen Leistungsberechtigten auf höchstens den Betrag begrenzt ist, der für den individuellen Leistungsberechtigten vor dem Umzug als sein individueller Bedarf für Kosten der Unterkunft und Heizung anzusehen war.

Dieser den Leistungsanspruch begrenzende Betrag kann für jeden Leistungsberechtigten unterschiedlich hoch ausfallen.

3. Die Ansicht, wonach Leistungsberechtigte nach einem nicht notwendigen Umzug unter Veränderung des Personenbestandes der Bedarfsgemeinschaft gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II auf Leistungen in Höhe ihres Kopfteils an den Kosten derjenigen Unterkunft beschränkt sein sollen, die sie zumutbarer Weise hätten beziehen können, ist ohne Rechtsgrundlage.
I. Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 24. März 2015 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23. November 2015 verurteilt, dem Kläger zu 1) für den Zeitraum 1. Oktober 2014 bis 28. Februar 2015 Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 252,14 EUR und der Klägerin zu 2) für den Zeitraum 1. September 2014 bis 28. Februar 2015 Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 252,14 EUR zu gewähren. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. II. Der Beklagte hat dem Kläger zu 1) seine zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu 64 % und der Klägerin zu 2) ihre zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu 68 % zu erstatten. III. Die Berufung wird für den Beklagten zugelassen sowie für die Kläger nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Höhe von Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) für den Zeitraum September 2014 bis Februar 2015 im Zusammenhang mit einem Umzug.

Der 1989 geborene Kläger zu 1) und die 1987 geborene Klägerin zu 2) stehen im laufenden Bezug von Leistungen nach dem SGB II und bilden eine nichteheliche Lebensgemeinschaft. Bis zum 31. August 2014 wohnten sie in getrennten Mietwohnungen. Die Klägerin zu 2) geht einer selbstständigen Erwerbstätigkeit als Hundetrainerin nach. Im streitigen Zeitraum erzielte sie (ohne Berücksichtigung von Ausgaben) Einnahmen von rund 250,00 EUR monatlich.

Der Kläger zu 1) bewohnte ursprünglich eine Zweizimmerwohnung unter der Anschrift U straße , Berlin (Neukölln), für die er zuletzt monatlich 405,71 EUR zu zahlen hatte (355,71 EUR Bruttokaltmiete, 50,00 EUR Heizkostenvorschuss). Er erhielt bis zum 30. September 2014 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II vom Jobcenter Berlin-Neukölln. Das Jobcenter Berlin-Neukölln berücksichtigte hierbei bis einschließlich 31. Augst 2014 die Kosten der Wohnung in der U straße in voller Höhe als Bedarf für Unterkunft und Heizung.

Die Klägerin zu 2) wohnte ursprünglich in einer Einzimmerwohnung unter der Anschrift G straße , Berlin und erhielt Leistungen vom Beklagten, der dabei für die Zeit bis zum 31. August 2014 die ihr für die genannte Wohnung entstehenden Kosten von insgesamt 395,47 EUR monatlich (361,47 EUR Bruttokaltmiete, 34,00 EUR Heizkostenvorschuss) in voller Höhe als Kosten der Unterkunft und Heizung berücksichtigte.

Zum 1. September 2014 bezogen die Kläger eine gemeinsame Zweieinhalbzimmerwohnung unter der im Aktivrubrum genannten Anschrift. Die Gesamtwohnfläche beträgt 69,03 Quadratmeter, hierfür waren im streitigen Zeitraum eine Bruttokaltmiete von monatlich 473,00 EUR und Heizkostenvorauszahlungen von 87,00 EUR zu entrichten. Das kleinste Zimmer der Wohnung ("halbes Zimmer") nutzt die Klägerin zu 2) als Arbeitszimmer.

Mit Bescheid vom 2. September 2014 bewilligte der Beklagte den Klägern zunächst vorläufige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für die Zeit vom 1. September 2014 bis 28. Februar 2015. Dabei wurden dem Kläger zu 1) – unter Verweis auf die in diesem Monat noch vom Jobcenter Neukölln gewährten Leistungen – für den Monat September 2014 keine Leistungen gewährt. Der Klägerin zu 1) wurden für den Monat September 2014 (vorläufige) Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 135,23 EUR bewilligt. Für die Monate Oktober 2014 bis Februar 2015 bewilligte der Beklagte für Kosten der Unterkunft und Heizung für den Kläger zu 1) jeweils monatliche Leistungen von 202,85 EUR und für die Klägerin zu 2) von 202,86 EUR (zusammen: 405,71 EUR).

Zur Begründung führte der Beklagte aus, da die Kläger ohne Zustimmung des Leistungsträgers umgezogen seien, seien nur die zuvor zu tragenden Unterkunftskosten als Bedarf anzuerkennen. Dies seien vorliegend die Kosten der früheren Wohnung des Klägers zu 1) von monatlich 405,71 EUR.

Gegen den Bescheid vom 2. September 2014 erhoben die Kläger mit Schreiben vom 24. September 2014 Widerspruch. Zu Begründung führten Sie aus, es seien höhere Kosten der Unterkunft und Heizung zu berücksichtigten.

Mit Änderungsbescheid vom 22. November 2014 änderte der Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 2. September 2014 hinsichtlich der Leistungshöhe für die Monate Januar und Februar 2015 ab, wobei er für die Kosten der Unterkunft und Heizung weiter die bereits im Bescheid vom 2. September 2014 bewilligten Beträge berücksichtigte.

Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22. Dezember 2014 (W 5303/14) als unbegründet zurück und führte aus, es sei den Klägern zumutbar gewesen, in die frühere Wohnung des Klägers zu 1) zu ziehen. Auch seien die auf das Arbeitszimmer entfallenden Kosten allenfalls als Betriebsausgabe der Klägerin zu 2), nicht aber als Unterkunftskosten zu berücksichtigten.

Mit der am 21. Januar 2015 beim Sozialgericht Berlin eingegangenen Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter.

Mit Bescheid vom 24. März 2015 bewilligte der Beklagte den Klägern endgültige Leistungen für den Zeitraum September 2014 bis Februar 2015, wobei er für die Kosten der Unterkunft und Heizung jeweils weiter die bereits im Bescheid vom 2. September 2014 bewilligten Beträge gewährte. Mit Bescheid vom 23. November 2015 änderte der Beklagte die Leistungsbewilligung hinsichtlich des Monats September 2014 nochmals ab und bewilligte der Klägerin zu 2) für diesen Monat nunmehr Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 202,85 EUR.

Nachdem sie sich mit der Klage ursprünglich gegen den Bescheid vom 2. September 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Dezember 2014 gewandt haben, wenden die Kläger sich nunmehr gegen die Bescheide vom 24. März 2015 und 23. November 2015. Sie behaupten, das Arbeitszimmer in der gegenwärtigen Wohnung habe eine Fläche von 6,87 Quadratmetern. Im Übrigen sind sie der Ansicht, der Umzug sei notwendig gewesen.

Sie beantragen,

den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 24. März 2015 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23. November 2015 zu verurteilen, dem Kläger zu 1) für den Zeitraum 1. Oktober 2014 bis 28. Februar 2015 Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 280,00 EUR und der Klägerin zu 2) für den Zeitraum 1. September 2014 bis 28. Februar 2015 Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 280,00 EUR zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verteidigt die angegriffene Entscheidung und vertritt ergänzend die Ansicht, da der Umzug nicht notwendig gewesen sei, sehe § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II vor, dass der Anspruch der Kläger jeweils auf den kopfteiligen Anteil (d.h. vorliegend die Hälfte) der Kosten der früheren Wohnung des Klägers zu 1) beschränkt sei, denn in diese Wohnung hätten die Kläger – so der Beklagte – zumutbarerweise ziehen können.

Insbesondere sehe die Vorschrift nicht vor, dass die Ansprüche der Kläger (jeweils) auf ihre individuell unterschiedlichen früheren Aufwendungen begrenzt seien, denn die Regelung statuiere eine besondere Begrenzung der noch als angemessen anzusehenden Unterkunftskosten. Diese sei nur als Gesamtangemessenheitsgrenze für die gesamte betroffene Bedarfsgemeinschaft anwendbar, da weder Umzugsnotwendigkeit noch die Angemessenheit der Unterkunftskosten im Allgemeinen (nach der Produkttheorie) innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft individuell verschieden beurteilt werden könnten. Als Gesamtangemessenheitsgrenze seien (im hier vorliegenden Fall der Zusammenlegung zuvor getrennter Haushalte) die Kosten für die frühere Wohnung zu Grunde zu legen, in der die Leistungsempfänger zumutbar hätten zusammenziehen können. Dies ergebe sich aus der Pflicht zur Minderung der Hilfebedürftigkeit sowie daraus, dass auch Nichtleistungsempfänger sich entsprechend verhalten würden.

Der nach Ansicht des Beklagten nicht zu übernehmende Anteil der tatsächlichen Kosten der Wohnung von rund 27 % sei auch der Nutzung eines Zimmers als Arbeitszimmer angemessen.

Das Gericht hat Beweis erhoben über die Behauptung der Kläger, die Fläche des Arbeitszimmers betrage 6,87 Quadratmeter durch Inaugenscheinnahme einer von den Klägern angefertigten Fotodokumentation (Bl. 91 bis 95 der Gerichtsakte). Wegen des Inhalts der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 30. November 2015 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere wurde die mit Eingang beim Sozialgericht am 21. Januar 2015 rechtshängig gewordene (§ 94 SGG) Klage innerhalb der mit Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides (vom 22. Dezember 2014) beginnenden einmonatigen Klagefrist gemäß § 87 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 SGG erhoben.

Streitgegenstand ist dabei der Bescheid vom 24. März 2015 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23. November 2015. Dies ergibt sich aus § 96 Abs. 1 SGG, wonach ein neuer Verwaltungsakt nach Klageerhebung Gegenstand des Klageverfahrens wird, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Ursprünglich gewährte der Beklagte für den Zeitraum 1. September 2014 bis 28. Februar 2015 vorläufige Leistungen mit Bescheid vom 2. September 2014. Die darin getroffene Entscheidung hinsichtlich der Monate Januar und Februar 2015 durch mit Bescheid vom 22. November 2014 abgeändert, der gemäß § 86 SGG Gegenstand des zu diesem Zeitpunkt bereits laufenden Vorverfahrens wurde. Die Bewilligungsentscheidung für den gesamten Zeitraum September 2014 bis Februar 2015 wurde sodann durch die endgültige Bewilligungsentscheidung vom 24. März 2015 ersetzt, die die vorläufige Bewilligungsentscheidung im Sinne von § 96 SGG ersetzte (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 03.12.1997 – 6 RKa 21/97 –, juris Rn. 11). Zugleich erledigte sich infolge der endgültigen Leistungsfestsetzung die bis dahin erfolgte vorläufige Bewilligungsentscheidung (vgl. BSG, Urteil vom 10.05.2011 – B 4 AS 139/10 R –, juris Rn. 13) und war damit nicht mehr Gegenstand des Verfahrens. Ein Vorverfahren war insoweit nicht erneut durchzuführen (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 96 Rn. 11c m.w.N.). Der Bescheid vom 24. März 2015 wurde sodann mit dem Bescheid vom 23. November 2015 nochmals abgeändert, der somit ebenfalls Gegenstand des Verfahrens wurde.

Weiter ist der Streitgegenstand nach dem für das Gericht gemäß § 123 SGG verbindlichen Begehren auf die Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung beschränkt, die als abtrennbarer Teil des Gesamtbescheides selbstständiger bzw. isolierter Verfahrensgegenstand sein können (vgl. BSG, Urteil vom 29. März 2007 – B 7b AS 4/06 R –, juris Rn. 18; Lauterbach in Gagel, SGB II / SGB III, 58. Ergänzungslieferung Juni 2015, § 22 SGB II Rn. 8).

II.

Die Klage ist im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Die angegriffenen Bescheide sind teilweise rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten. Den Klägern steht ein Anspruch auf Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung in erkannter Höhe zu.

Dieser Anspruch ergibt sich aus § 19 Abs. 1 Satz 1 und 3, Abs. 3 SGB II. Nach dieser Vorschrift erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte Arbeitslosengeld II für Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung, soweit diese nicht durch das zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen gedeckt sind. An der nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu bemessenden Leistungsberechtigung der Kläger bestehen keine ersichtlichen Zweifel. Die für die Wohnung der Kläger entstehenden Kosten von 560,00 EUR monatlich stellen in Höhe von 252,14 EUR je Kläger und Monat Aufwendungen für Unterkunft und Heizung im Sinne des SGB II dar (hierzu 1.); eine Beschränkung nach nicht notwendigem Umzug eingreifen würde (hierzu 2.). Da auch auf den Bedarf für Kosten der Unterkunft und Heizung anrechenbares Einkommen im streitigen Zeitraum nicht bestand (hierzu 4.), waren den Klägern im für die von ihren Anträgen umfassten Zeiträume Leistungen in Höhe des vorgenannten Betrages zu gewähren.

1. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Auszugehen ist damit zunächst von den tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft (Nettomiete zuzüglich Betriebskostenvorauszahlung, sog. Bruttokaltmiete, vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr 42, juris Rn. 33) und Heizung. Vorliegend fielen für die Wohnung der Kläger insoweit zunächst Kosten von 473,00 EUR bzw. 87,00 EUR monatlich an.

Indes sind tatsächlich bestehende Zahlungsverpflichtungen nur insoweit als Kosten der Unterkunft bzw. Heizung im Sinne des SGB II anzusehen, als sie tatsächlich für eine von den Leistungsberechtigten im betroffenen Zeitraum zu Wohnzwecken genutzte Unterkunft anfallen (vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 2/10 R –, juris Rn. 15; Bayerisches Landessozialgericht [LSG], Beschluss vom 19. April 2011 – L 7 AS 264/11 B ER –, juris Rn. 19 ff.). Dies ergibt sich aus der Zielsetzung von § 22 SGB II wie auch des SGB II insgesamt (vgl. § 1 Abs. 1 SGB II), existentiell notwendige Leistungen, konkret zur Deckung des existenziell notwendigen Unterkunftsaufwandes, sicherzustellen (Luik in Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 22 Rn. 44, wohl auch Lauterbach, am angegebenen Orte [a.a.O.] Rn. 10 ff.; allgemein auch Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 09. Februar 2010 – 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 –, BVerfGE 125, 175-260, juris). Wird im Zusammenhang mit einer die Hilfebedürftigkeit nicht insgesamt ausschließenden Erwerbstätigkeit ein Raum der Wohnung ausschließlich oder ganz überwiegend für gewerbliche Zwecke genutzt, so sind die anteilig auf diesen Raum entfallenden Aufwendungen keine Aufwendungen zur Sicherung des existenziellen Bedürfnisses von Unterkunft und Heizung und darum auch nicht als Kosten für Unterkunft und Heizung im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II anzusehen (BSG, Urteil vom 23. November 2006 – B 11b AS 3/05 R –, SozR 4-4200 § 16 Nr. 1, juris Rn. 15; und vom 06. April 2011 – B 4 AS 119/10 R –, BSGE 108, 86-97, SozR 4-1500 § 54 Nr. 21, SozR 4-4200 § 40 Nr. 2, SozR 4-4300 § 328 Nr. 1, juris Rn. 36; Luik, a.a.O. Rn. 40; Lauterbach, a.a.O., Rn. 15); gewerblich genutzte Räumlichkeiten dienen eben nicht der Aufrechterhaltung menschenwürdiger Existenz, sondern dem verfolgten Gewerbe, und sind darum allenfalls als Absetzbeträge nach § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 bzw. als Betriebsausgaben nach Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld [ALG-II-VO] vom erzielten Einkommen in Abzug zu bringen (so Lauterbach, a.a.O., Rn. 15).

Vorliegend sind von den monatlichen Kosten danach lediglich 504,27 EUR (425,93 EUR Bruttokaltmiete, 78,34 EUR Heizkosten) Unterkunfts- bzw. Heizkosten im obigen Sinne. Denn auch die Kläger nutzen einen Teil der von ihnen angemieteten Wohnung lediglich als Arbeitszimmer, d.h. für Zwecke der Erwerbstätigkeit. Der dem Flächenanteil des Arbeitszimmers an der Gesamtwohnung entsprechende Teil der Kosten war zur Bestimmung der tatsächlichen Unterkunfts- und Heizkosten daher von den Gesamtkosten in Abzug zu bringen.

Insoweit war eine Fläche des Arbeitszimmers von 6,87 Quadratmetern (entsprechend 9,95 % der Gesamtfläche der Wohnung von 69,03 Quadratmetern) zu Grunde zu legen. Die Kammer ist aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme durch Inaugenscheinnahme überzeugt, dass dies der tatsächlichen Fläche des Arbeitszimmers entspricht. Die Inaugenscheinnahme konnte dabei, da die Beteiligten ihr Einverständnis hiermit erklärt hatten, anhand von Fotoaufnahmen durchgeführt werden (vgl. Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 31. Aufl. 2016, § 371 ZPO, Rn. 4).

Die Kammer ist anhand der Fotografien zu der Überzeugung gelangt, dass das Zimmer eine rechteckige Gestalt mit den Kantenlängen 2,12 Metern und 3,24 Metern (was rechnerisch die Fläche von 6,87 Quadratmetern ergibt) hat. Bei der Würdigung der Aufnahmen übersieht die Kammer nicht, dass die Fotodokumentation keine exakte Bestimmung der Fläche bzw. Abmessungen des rechteckigen Arbeitszimmers erlaubt, weil darin kein das Gesamtzimmer umfassendes Vergleichsmaß abgebildet ist. Jedoch gewährt die Fotomappe einen Überblick über das Zimmer als solches und zeigt einen einen Meter langen, handelsüblichen Zollstock, so dass hierdurch wie auch durch den Größenvergleich mit den abgebildeten Möbeln eine Einschätzung der Maße möglich wird, wobei das Gericht auch die bei Fotoabbildungen naturgemäß gegebene perspektivische Verzerrung (hier insbesondere der Tiefe des Raumes) berücksichtigt hat.

Unter Berücksichtigung der Angaben der Kläger selbst, die das Gericht im Rahmen der mündlichen Verhandlung hierzu angehört hat, verbleiben insgesamt keine vernünftigen Zweifel an den Maßangaben. Die Angaben der Kläger waren in sich schlüssig und insgesamt glaubhaft, insbesondere konnten sie nachvollziehbar und glaubhaft erklären, wieso sie im gerichtlichen Verfahren zunächst schriftlich vortragen ließen, die Fläche betrage 7,38 Quadratmeter. Hierbei handelte es sich um die in einem Übergabeprotokoll vermerkte Fläche, während die zuletzt behaupteten Maße sich durch tatsächliches Messen vor Ort ergaben. Zweifel an der diesbezüglichen Glaubwürdigkeit der Kläger bestehen nach Einschätzung der Kammer nicht.

Die vom Beklagten schriftsätzlich vorgetragene Ansicht, der Anteil des halben Zimmers an den Gesamtkosten sei angemessenerweise mit 27 % anzusetzen bzw. die in diesem Umfang (nach Ansicht des Beklagten) nicht zu gewährenden Kosten der Unterkunft und Heizung seien dem Vorhandensein eines Arbeitszimmers angemessen, ist dagegen ohne jede Grundlage. Wie der Beklagte mittelbar selbst einräumt, beruht seine Ansicht letztlich allein auf dem begehrten Ergebnis, nämlich genau denjenigen Kostenanteil, den der Beklagte (indes: aus völlig anderen Rechtsgründen) nicht als Leistung zu gewähren haben wähnt, als Kostenanteil des Arbeitszimmers deklarieren zu wollen. Ein tatsächlicher oder rechtlicher Zusammenhang, der dies rechtfertigen könnte, ist aber nicht ersichtlich und wird auch vom Beklagten nicht dargetan. Selbst wenn man in dem Vortrag noch die (ansatzweise) Tatsachenbehauptung erblicken wollte, das Arbeitszimmer habe einen größeren realen Flächenanteil, ist nach dem Vorausgeführten die tatsächliche Fläche zur Überzeugung der Kammer erwiesen.

Die tatsächlichen Unterkunftskosten im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind, sofern (wie auch hier) mehrere Leistungsberechtigte eine Unterkunft gemeinsam nutzen, im Regelfall anteilig aufzuteilen und der jeweilige Kopfanteil als Kosten der einzelnen Leistungsberechtigten anzusehen (sog. Kopfteilsprinzip, vgl. statt vieler BSG, Urteil vom 15. April 2008 – B 14/7b AS 58/06 R –, SozR 4-4200 § 9 Nr. 5, juris Rn. 33). Vorliegend ergeben sich unter Beachtung der Rundungsvorschrift des § 47 Abs. 2 Satz 2 SGB II so kopfteilige Kosten der Kläger von jeweils insgesamt 252,14 EUR (212,97 EUR Bruttokaltmiete, 39,17 EUR Heizkosten).

Die so verstandenen Kosten sind auch nach dem von der Kammer in ständiger Rechtsprechung angewandten Konzept zur Bestimmung angemessener Unterkunftskosten in Berlin (vgl. eingehend Schifferdecker/Irgang/Silbermann, Einheitliche Kosten der Unterkunft in Berlin - Ein Projekt von Richterinnen und Richtern des Sozialgerichts Berlin, in: Archiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit 2010, S. 28) angemessen, was auch der Beklagte auf Grundlage der von ihm in Streitzeitraum noch angewandten Verordnung zur Bestimmung der Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (WAV) nicht in Abrede stellt.

2. Der Anerkennung der unter 1. bestimmten Kosten als Bedarf für Unterkunft und Heizung steht auch nicht § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II entgegen. Nach dieser Vorschrift wird nur der bisherige Bedarf anerkannt, wenn sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung erhöhen.

Keiner Entscheidung bedarf es dabei, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift vorliegen, so dass dahinstehen kann, ob die Vorschrift die Angemessenheit der aufgegebenen (so Luik in Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 22 Rn. 127) oder der bezogenen (so Lauterbach in Gagel, SGB II / SGB III, 58. Ergänzungslieferung Juni 2015, § 22 SGB II Rn. 84, wohl auch Berlit in LPK SGB II, 5. Aufl. 2013, § 22 Rn. 71) Wohnung voraussetzt oder ob der Umzug vorliegend erforderlich gewesen sein mag. Ebenfalls kann dahinstehen, wie die tatbestandlich vorausgesetzte Erhöhung der Kosten festzustellen ist, d.h. welche früheren Aufwendungen mit welchen späteren Aufwendungen zu vergleichen wären; insoweit spricht indes aus Sicht der Kammer einiges dafür, den Tatbestand sinnentsprechend der Rechtsfolge der Norm (hierzu sogleich) zu verstehen, den Vergleich also personenbezogen durchzuführen.

Denn selbst, wenn man zugunsten des Beklagten unterstellt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift vorliegen, führt diese auf Rechtsfolgenseite nicht dazu, dass den Klägern Leistungen in geringerer als in Höhe der unter 1. ermittelten kopfteiligen Kosten zustünden. Denn bei Vorliegen der Voraussetzungen führt § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II auf Rechtsfolgenseite lediglich dazu, dass Bedarfe für Unterkunft und Heizung bis zum Betrag der bisherigen Bedarfe anzuerkennen sind.

Vorliegend gehörten die Kläger vor dem Umzug jeweils separaten Bedarfsgemeinschaften an bzw. bildeten jeweils eine solche, nach dem Umzug bildeten sie eine gemeinsame Bedarfsgemeinschaft (vgl. § 7 Abs. 3 Nr. 3 c) SGB II). In einem solchen Falle eines Umzuges unter gleichzeitiger Veränderung der personellen Zusammensetzung der Bedarfsgemeinschaft ist die Rechtsfolge des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II dahin auszulegen, dass der anzuerkennende Bedarf für Kosten der Unterkunft und Heizung nach dem (unterstellt: nicht notwendigen) Umzug für jeden einzelnen Leistungsberechtigten auf höchstens den Betrag begrenzt ist, der für den individuellen Leistungsberechtigten vor dem Umzug als sein individueller Bedarf für Kosten der Unterkunft und Heizung anzusehen war.

Im vorliegenden Fall des Zusammenzugs zweier zuvor nicht in Bedarfsgemeinschaft stehender Leistungsberechtigter ist somit der für jeden Leistungsberechtigten anzuerkennende Bedarfe maximal auf den Betrag beschränkt, der für den jeweiligen Leistungsberechtigten individuell vor dem Umzug als Bedarf berücksichtigt wurde. Dieser den Leistungsanspruch begrenzende Betrag kann (und wird in der hier vorliegenden Fallkonstellation auch in der Regel) für jeden Leistungsberechtigten unterschiedlich hoch ausfallen.

Dieses von der Kammer zu Grunde gelegte Verständnis der Vorschrift entspricht dem Wortlaut der Vorschrift (hierzu a.), und ist durch die Intention des Gesetzgebers, den systematischen Zusammenhang und den Zweck der Vorschrift zwingend geboten (hierzu b.). Das vom Beklagten zu Grunde gelegte Verständnis, wonach der Anspruch der Kläger auf den jeweiligen Kopfteil an den Kosten der früheren Wohnung des Klägers zu 1) beschränkt sein soll, ist dagegen ohne Grundlage im Gesetz (hierzu c.).

a. Der Wortlaut der Vorschrift sieht auf Rechtsfolgenseite eine Beschränkung auf "den bisherigen Bedarf" vor. Die Verwendung des Singulars im Normtext rührt daher, dass die Vorschrift vorrangig für den Umzug Alleinstehender bzw. ganzer Bedarfsgemeinschaften ohne Veränderungen des Personenbestandes formuliert ist; in diesem Falle ergibt sich kein Unterschied, ob man als "den bisherigen Bedarf" den Bedarf jedes Einzelnen oder der Bedarfsgemeinschaft insgesamt ansehen wollte.

Hieraus kann indes nicht der Schluss gezogen werden, dass der Umzug unter gleichzeitiger Veränderung des Personenbestandes der Bedarfsgemeinschaft insgesamt nicht der Vorschrift unterfallen könnte. Ein solches Verständnis würde nicht nur den Gesetzeszweck (hierzu sogleich unter b.) untergraben, sondern auch offensichtliche Manipulationsmöglichkeiten eröffnen: So könnten Leistungsberechtigte, die einen kostensteigernden Umzug (an sich: ohne Veränderung der jeweiligen Bedarfsgemeinschaft beabsichtigen) versucht sein, vor dem Umzug kurzzeitig die Zusammensetzung der Bedarfsgemeinschaft zu verändern (z.B. durch zeitweiligen Auszug eines Mitglieds) oder solches zumindest vorzutäuschen, um den eigentlich gewollten und § 22 Abs.1 Satz 2 SGB II unterfallenden Umzug dann formal mit einer Veränderung des Personenbestandes der Bedarfsgemeinschaft, nämlich unter Wiederherstellung des alten Personenbestandes, durchzuführen, so dass die Rechtsfolge der Kostenbeschränkung insgesamt vermieden wäre.

Auch die Verwendung des Singulars auf der Rechtsfolgenseite gebietet ein solches Verständnis nicht: Zu beachten ist, dass die Singularform auf Rechtsfolgenseite mit der Verwendung des Singulars auf Tatbestandsseite ("ein Umzug") korreliert; verändert sich im Rahmen eines § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II tatbestandlich unterfallenden Umzuges der Personenbestand der Bedarfsgemeinschaft, liegen aber bereits tatbestandlich im strengen Wortsinn (wenigstens) zwei Umzüge vor. Auf reiner Wortlautebene ergeben sich daraus zwei prinzipiell vertretbare Möglichkeiten, die Rechtsfolge des § 21 Abs. 1 Satz 2 SGB II zu verstehen: Entweder kann die Beschränkung auf "den" bisherigen Bedarf im Sinne einer Beschränkung aller Leistungsberechtigten in der neuen Bedarfsgemeinschaft auf die Summe ihrer bisherigen Bedarfe (den bisherigen Gesamtbedarf) verstanden werden (und korrelierend hiermit "der" Umzug auf Tatbestandsseite als einheitliches Umzugsgeschehen, das zur Begründung der neu zusammengesetzten Bedarfsgemeinschaft geführt hat), oder im Sinne einer Beschränkung jedes Leistungsberechtigten auf seinen bisherigen Bedarf (und sinnentsprechend "der" Umzug auf Tatbestandsseite als Umzug jedes einzelnen Betroffenen).

b. Das zuletzt genannte Verständnis wird durch die gesetzgeberische Absicht, den Systemzusammenhang und den Zweck der Vorschrift zwingend geboten.

§ 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II mit dem gegenwärtigen Regelungsgehalt wurde mit dem Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006 (BGBl. I S. 1706) eingeführt und lautete in der Fassung dieses Gesetzes wörtlich: "Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, werden die Leistungen weiterhin nur in Höhe der bis dahin zu tragenden Aufwendungen erbracht."

Der Gesetzgeber ging dabei ausdrücklich davon aus, dass die Begrenzung so wirken sollte, dass der Betroffene nach einem nicht erforderlichen Umzug weiter (maximal) seine bisherigen Unterkunftskosten erhalten sollte; dies deswegen, damit der Bezug von Wohnraum mit gerade noch angemessenen Kosten unter Ausschöpfung der jeweiligen Angemessenheitsgrenzen nicht zu einer Leistungserhöhung führen würde (Bundestagsdrucksache [BT-Drs.] 16/1410, S. 23). Dieses gesetzgeberische Ziel kommt auch in der damaligen Wortlautfassung deutlicher als in der gegenwärtigen Fassung zum Ausdruck, die auf die "bis dahin [d.h. bis zum Umzug] zu tragenden Aufwendungen" abstellt. Die durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24. März 2011 (BGBl. I S. 453) eingeführte aktuelle Wortlautfassung, die eine Begrenzung statt auf die "bisher zu tragenden Aufwendungen" auf "den bisherigen Bedarf" vorsieht, sollte nach der Vorstellung des Gesetzgebers keine Änderung des Bedeutungsgehaltes bewirken (BT-Drs. 17/3404, S. 98).

Dem Verständnis des Gesetzgebers, eine "Leistungsoptimierung" durch ansonsten nicht notwendige Umzüge auszuschließen, entspricht unter Beachtung des systematischen Zusammenhangs allein eine Begrenzung jedes Betroffenen auf seinen individuellen vorherigen Bedarf:

Das SGB II ist insgesamt vom Grundsatz des Individualanspruches aller Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft geprägt (Eicher/Greiser in Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 40 Rn. 206 ff. mit zahlreichen Nachweisen). Einen Anspruch "der Bedarfsgemeinschaft" gibt es nicht. Ebenso wenig sieht das SGB II einen Bedarf – auch einen Unterkunftskostenbedarf – der Bedarfsgemeinschaft (oder einer anderen Personenmehrheit) vor (Lauterbach, a.a.O., Rn. 7). Der individuelle Anspruch korrespondiert ausweislich § 19 Abs. 1 Satz 3 SGB II mit einem gleichfalls individuellen Bedarf. Dies ist der Grund für die grundsätzliche kopfteiligen Aufteilung von Unterkunftskosten (zur Bestimmung des individuellen Bedarfs der jeweiligen Bewohner) und der gleichzeitig vom Bundessozialgericht in ständiger Rechtsprechung betonten prinzipiellen Möglichkeit von Ausnahmen hiervon, wenn nämlich der individuelle Unterkunftskostenbedarf ersichtlich vom entsprechenden Kopfteil abweicht (vgl. z.B. BSG, Urteile vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr. 42 juris Rn. 19 und vom 22. August 2013 – B 14 AS 85/12 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr. 71, juris Rn. 20).

Schon die durchgehende Verwendung des Begriffs "Bedarf" im SGB II als eine individual- und nicht gruppenbezogene Größe spricht dafür, auch in § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II den (bisherigen) Bedarf als jeweils individuellen Bedarf des Einzelnen zu verstehen.

Vor allem aber führt im hier betroffenen Falle des Zusammenziehens mehrerer Leistungsberechtigter unter Schaffung einer neuen Bedarfsgemeinschaft allein das individualbezogene Verständnis dazu, dass jeder Betroffene nach dem (unterstellt: unnötigen) Umzug maximal das erhält, was er zuvor erhalten hat, so dass weder für die individuellen Leistungsempfänger noch für die neue Bedarfsgemeinschaft insgesamt eine Erhöhung der Leistungsansprüche eintritt. Das vom Wortlaut her mögliche Verständnis, wonach die (neue) Bedarfsgemeinschaft insgesamt maximal das erhalten könnte, was die Leistungsberechtigten zuvor in der Summe erhielten, würde dies nicht bewirken. Unter Beachtung des oben dargestellten Kopfteilsprinzips wäre der Unterkunftsbedarf jedes einzelnen Leistungsberechtigten danach rechnerisch auf den Durchschnitt des vorherigen Bedarfs aller Leistungsberechtigten begrenzt. Dies würde aber eben dazu führen, dass für die erfassten Leistungsberechtigten, deren früherer Bedarf unter eben jenem Durchschnitt lag, maximal ein individuell höherer Bedarf anzuerkennen wäre, so dass gerade die nicht gewollte Erhöhung des individuellen Leistungsanspruches eingetreten wäre. Dies gilt auch beim vom Beklagten zu Grunde gelegten Verständnis, wonach die neu geschaffene Bedarfsgemeinschaft insgesamt auf die Kosten beschränkt sein soll, die einem ihrer Mitglieder bzw. einer früheren Bedarfsgemeinschaft zuvor zustanden: Zöge etwa ein zuvor sehr günstig (oder gar: kostenfrei) wohnender Leistungsempfänger mit einem weniger kostengünstig wohnenden Leistungsempfänger in eine neue (dritte) Wohnung ein, so könnte auch nach dem Verständnis des Beklagten der kopfteilige Anspruch des zuvor günstig wohnenden Leistungsempfängers höher ausfallen als seine früheren Gesamtkosten.

Soweit die Vorschrift zugleich den Zweck hat, dass durch den (nicht notwendigen) Umzug der Leistungsträger keinen höheren als den bisherigen Kosten ausgesetzt wird (BSG, Urteil vom 01. Juni 2010 – B 4 AS 60/09 R –, BSGE 106, 147-155, SozR 4-4200 § 22 Nr. 35, juris Rn. 21; Luik, a.a.O., Rn. 106; Berlit a.a.O., Rn. 71), wird auch dies durch das individualbezogene Verständnis der Rechtsfolge erreicht. Indem die Leistungen für jedes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft nach dem Umzug auf den individuellen vorher berücksichtigten Bedarf beschränkt werden, kann auch in der Summe maximal der zuvor in Summe zu erbringende Betrag anzuerkennen sein; Mehrkosten sind mithin ausgeschlossen.

c. Das vom Beklagten vertretene Verständnis der Rechtsfolge von § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II – wonach Leistungsberechtigte nach einem nicht notwendigen Umzug unter Veränderung des Personenbestandes der Bedarfsgemeinschaft auf Leistungen in Höhe ihres Kopfteils an den Kosten der Unterkunft beschränkt sein sollen, die sie zumutbarerweise hätten beziehen können – verletzt dagegen bereits die Wortlautgrenze: Der Wortlaut der Vorschrift sieht eine Beschränkung auf den bisherigen Bedarf vor. Das Adjektiv "bisher" bezeichnet aber einen von einem unbestimmten früheren Zeitpunkt bis zum Umzug bestehenden, mithin einen in der Vergangenheit realen Zustand.

Nach der Auslegung des Beklagten soll aber der Leistungsanspruch der Kläger auf jeweils die (kopfteilige) Hälfte des früheren Bedarfs des Klägers zu 1) – eben die von ihm berücksichtigten 202,85 EUR bzw. 202,86 EUR – beschränkt sein. Dies ist gerade kein Bedarf, den der Kläger zu 1) und erst recht die Klägerin zu 2) vor dem Umzug so hatte. Der Bedarf des Klägers zu 1) betrug vor dem Umzug 405,71 EUR, der der Klägerin zu 2) 395,47 EUR. Nach dem Verständnis des Beklagten soll im Ergebnis eine Begrenzung des Leistungsanspruches auf den Betrag eintreten, auf den die Betroffenen ihren Unterkunftsbedarf – durch Zusammenziehen in der früheren Wohnung des Klägers zu 1) – hätten senken können, also einen individuell wie auch in der Summe fiktiven Bedarf, der zu keinem Zeitpunkt je realer Bedarf der Kläger war.

In der Sache bewirkt dies nicht die von der Norm bezweckte Verhinderung einer Leistungs- bzw. Kostensteigerung, sondern sanktioniert die Kläger faktisch für eine nach Ansicht des Beklagten ausgelassene Möglichkeit der (Bedarfs- und) Kostensenkung. Hierfür fehlt es an einer Rechtsgrundlage: § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II enthält – dies belegt die Bezugnahme auf den bisherigen Leistungsstandard – gerade keine Grundlage für eine Verringerung des Leistungsniveaus. Auch die vom Beklagten angeführte Pflicht zur Minderung der Hilfebedürftigkeit (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB II) ist weder mit Mitteln des Verwaltungszwanges durchsetzbar, noch ist ihre Erfüllung Leistungsvoraussetzung (Berlit in LPK SGB II, 5. Aufl. 2013, § 2 Rn. 11 f.) noch ist ihre Verletzung sonst hinreichende Grundlage für Sanktionsmöglichkeiten irgendeiner Art (Berlit, a.a.O., juris Rn. 11; Kador in Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 2 Rn. 6). Auch eine Pflichtverletzung im Sinne von § 31 SGB II liegt in der Durchführung eines nicht notwendigen Umzuges ersichtlich nicht, so dass sich der vom Beklagten schriftsätzlich ohne Begründung vorgebrachte Verweis auf die §§ 31 ff. SGB II nicht erschließt.

Auch der vom Beklagten vorgebrachte Hinweis, § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II statuiere eine Form der Angemessenheitsgrenze, und seine Ansicht, diese sei als "Gesamtangemessenheitsgrenze" zu bilden, tragen seine Auslegung nicht. Zwar hat das Bundessozialgericht – ohne hieraus konkrete rechtliche Konsequenzen abzuleiten – der Vorschrift die Funktion einer Angemessenheitsgrenze zuerkannt (BSG, Urteil vom 24. November 2011 – B 14 AS 107/10 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr. 52, juris Rn. 13). Dabei soll es sich aber eben um eine individuelle (so wörtlich BSG a.a.O.), und nicht um eine – wie der Beklagte meint – für die gesamte Bedarfsgemeinschaft zwingend einheitlich zu bildende Gesamtangemessenheitsgrenze handeln. Derartiges findet sich in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht. Im Gegenteil verkennt der Beklagte offenkundig, dass es auch allgemein keinen Rechtsgrundsatz gibt, wonach innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft für jedes Mitglied zwangsläufig derselbe individuelle Betrag für Kosten der Unterkunft und Heizung als angemessen zu gelten hätte (vgl. zur Möglichkeit einer Durchbrechung des Kopfteilsprinzips nochmals BSG, Urteil vom 22. August 2013 – B 14 AS 85/12 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr. 71, juris Rn. 20; für mögliche weitere Fallgestaltungen Lauterbach in Gagel, SGB II / SGB III, 58. Ergänzungslieferung Juni 2015, § 22 SGB II Rn. 61).

Auch daraus, dass die Umzugsnotwendigkeit nur einheitlich beurteilt werden könnte, rechtfertigt sich die Auslegung des Beklagten nicht. Es erschließt sich schon nicht, wie daraus, dass der Umzug nur für alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft notwendig oder nicht notwendig sein könne, folgen würde, dass diese auch nach dem (nicht notwendigen) Umzug zwingend auf denselben Bedarf, und zwar den jeweiligen Bruchteil des Bedarfs eines bestimmten Bedarfsgemeinschaftsmitglieds, beschränkt sein müssten. Zudem ist auch schon die Grundannahme, ein Umzug könne nur für die Bedarfsgemeinschaft insgesamt notwendig oder nicht notwendig sein, zweifelhaft. Wenn (wie vorliegend) der Umzug mit einer Veränderung des Personenbestandes der Bedarfsgemeinschaft einhergeht, spricht abstrakt besehen nichts dafür, dass der Umzug nicht für einige Betroffene notwendig, für andere aber nicht notwendig sein könnte. Der Beklagte hat sein diesbezügliches Argument im Übrigen schon selbst widerlegt: Er nimmt nämlich für die hiesige Fallkonstellation selbst an, dass die Kläger "richtigerweise" in die frühere Wohnung des Klägers zu 1) hätten ziehen sollen. Die Richtigkeit dieser Annahme unterstellt, führt dies aber dazu, dass der Umzug des Klägers zu 1) nicht notwendig war, während ein Umzug der Klägerin zu 2) bei Vorliegen entsprechender tatsächlicher Umstände ohne weiteres als notwendig anzusehen sein könnte. Erst recht, wenn die Klägerin zu 2) tatsächlich in die Wohnung des Klägers zu 1) gezogen wäre, müsste nach Ansicht des Beklagten eine personengetrennte Prüfung der Umzugsnotwendigkeit eröffnet sein.

d. Entsprechend den früheren Bedarfen der Kläger sind somit – bei unterstelltem Vorliegen der Voraussetzungen von § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II – für den Kläger zu 1) Kosten der Unterkunft und Heizung bis zum Betrag seiner früheren Aufwendungen, d.h. bis maximal 405,71 EUR und für die Klägerin zu 2) entsprechend bis maximal 395,47 EUR anzuerkennen. Da die tatsächlichen Unterkunftskosten der Kläger von je 252,14 EUR (vgl. oben 1. und 2.) diese Grenze jeweils nicht überschreiten, waren Bedarfe in entsprechender Höhe zu berücksichtigen.

Einer getrennten Betrachtung, ob sich die jeweiligen Unterkunfts- und Heizkosten gegenüber dem früheren Bedarf erhöht haben, bedarf es nicht; entsprechend dem unter b. dargestellten Normzweck, eine Kostenerhöhung für den Leistungsträger zu vermeiden, ist vielmehr lediglich zu vergleichen, ob sich für jeden Kläger die anzuerkennenden Bedarfe für Unterkunft und Heizung erhöht haben, ohne dass es auf die konkrete Aufteilung der Kosten ankäme (sog. Mehrkostenvergleich, siehe Berlit a.a.O., § 22 Rn. 75; Lauterbach, a.a.O., Rn. 85).

3. Da die Kläger kein Einkommen erzielt haben, das unter Berücksichtigung der Anrechnungsregel nach § 19 Abs. 3 Satz 2 SGB II auf die hier allein streitgegenständlichen Bedarfe für Kosten der Unterkunft und Heizung anzurechnen wäre – der Betrag von 250,00 EUR monatlich, von dem noch Ausgaben in Abzug zu bringen wären, reicht nicht einmal zur Deckung der Regelbedarfe –, waren ihnen Leistungen im zeitlichen Umfang ihrer Anträge in der erkannten Höhe zuzusprechen (vgl. zum Prüfungsumfang bei Beschränkung des Streitgegenstandes auf die Kosten der Unterkunft und Heizung eingehend Lauterbach in Gagel, SGB II / SGB III, 58. Ergänzungslieferung Juni 2015, § 22 SGB II Rn. 8).

Ein über den Betrag von 252,14 EUR je Monat und Kläger hinausgehender Leistungsanspruch für Kosten der Unterkunft und Heizung steht den Klägern nicht zu, so dass die Klage insoweit mangels Verletzung der Kläger in ihren jeweiligen Rechten abzuweisen war.

III.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG und berücksichtigt das Verhältnis der jeweiligen Obsiegens- und Unterliegensanteile in Bezug auf das geltend gemachte Mehrleistungsbegehren. Dabei war zu beachten, dass der Beklagte sich insoweit, wie er den der Klägerin zu 2) bewilligten Betrag im für den Monat September 2014 im Laufe des gerichtlichen Verfahrens von ursprünglich 135,23 EUR auf 202,85 EUR erhöht hat, in die Rolle des Unterlegenen begeben hat, so dass auch insoweit kostenmäßig von einem Obsiegen der Klägerin zu 2), bezogen auf ihr ursprüngliches Klageziel, auszugehen war.

Die Berufung bedarf für beide Beteiligte der Zulassung, da sie jeweils nicht in den Betrag von 750,00 EUR übersteigender Höhe beschwert sind und kein Fall des § 144 Abs. 1 S. 2 SGG vorliegt (§§ 143, 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG). Danach war die Berufung für den Beklagten gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, da die Auslegung der Rechtsfolge des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II im Falle des Umzugs unter gleichzeitiger Begründung einer neuen Bedarfsgemeinschaft höchstrichterlich nicht geklärt ist und grundsätzliche Bedeutung hat. Für die Kläger war die Berufung mangels Vorliegen eines Zulassungsgrundes gemäß § 144 Abs. 2 SGG nicht zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
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