L 9 SO 145/14

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
9
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 10 SO 234/13
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 SO 145/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1.
Der Umstand einer Behinderung hat bei der Prüfung, ob ein Mietzinsverlangen ernsthaft ist, schon im Ansatz keine Bedeutung. Dies ist unabhängig vom Vorliegen einer Behinderung zu beurteilen, weil allein eine Behinderung die Ernsthaftigkeit eines Mietzinsverlangen weder begründet noch entkräftet.
2.
Entscheidend ist vor allem der Umstand, ob Eltern überhaupt und wenn ja bis zu welchem Alter normalerweise in Erfüllung ihrer Unterhaltspflicht, darüber hinaus aber auch in elterlicher Fürsorge für ihr Kind aufkommen. Es ist durchaus vorstellbar oder anspruchsbegründend, dass ab einem bestimmten Lebensalter kostenfreie Logis weder von einem Kind noch überhaupt erwartet werden kann.
3.
Dass Eltern von ihren volljährigen Kindern, unabhängig davon, ob sie behindert oder nicht behindert sind, ernsthaft Miete verlangen, solange sie ihrem noch jun-gem Alter entsprechend typischerweise über kein oder nur geringes Einkommen verfügen, welches sie nicht in die Lage versetzt, sich an den Unterkunftskosten zu beteiligen, ist absolut unüblich. Dies gilt erst recht, wenn die Eltern über ein Eigenheim verfügen und die laufenden Kosten decken können.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 12.02.2014 abgeändert und die Klage abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft im Rahmen von Leistungen nach dem Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) in Höhe von 220 EUR monatlich im Zeitraum von August 2012 bis Juni 2013.

Die am 00.00.1993 geborene Klägerin ist geistig behindert - bei ihr wurden ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie verschiedene Merkzeichen, u.a. "G" und "H", an- erkannt - und ausweislich einer im April 2012 durch die Deutsche Rentenversicherung Bund getroffenen Feststellung ab dem 01.01.2003 dauerhaft voll erwerbsgemindert. Sie lebt im Haushalt der Eltern, ihre Mutter ist ihre gesetzliche Betreuerin, der Vater Ersatzbetreuer.

Am 14.10.2011 beantragte die Klägerin, die zu diesem Zeitpunkt noch in einer Werkstatt für behinderte Menschen arbeitete, Leistungen der Grundsicherung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII. Die Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 18.10.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2011 diese Leistungen in Form des Regelbedarfs sowie eines Mehrbedarfs wegen Schwerbehinderung, nicht aber Leistungen für Unterkunft und Heizung. Nachdem die Klägerin Ende Oktober 2011 aus der Werkstatt ausschied, hob die Beklagte mit Bescheid vom 15.12.2011 den o.a. Bewilligungsbescheid ab dem 01.11.2011 auf. Mit Bescheiden vom 16.02.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.08.2012 bewilligte die Beklagte der Klägerin sodann Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII für die Monate November 2011 bis einschließlich März 2012 in Höhe der jeweiligen Regelbedarfe und wiederum ohne Leistungen für Unterkunft und Heizung. Gleichzeitig richtete die Beklagte an den o.a. Rentenversicherungsträger ein Ersuchen nach § 45 SGB XII, welches im April 2012 mit der Feststellung der dauerhaften vollen Erwerbsminderung der Klägerin seit dem 01.01.2003 endete. Gegen die Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII (ohne Kosten für Unterkunft und Heizung) bewilligenden o.a. Bescheide erhob die Klägerin am 07.09.2012 Klage vor dem Sozialgericht Köln (Az.: S 21 SO 383/12). Da die Beklagte der Klägerin sodann mit hier streitgegenständlichen Bescheiden vom 08.10.2012 wiederum Grundsicherungsleistungen anstelle der Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII rückwirkend ab November 2011 (ohne Unterkunfts- und Heizkosten) bewilligte, nahm die Klägerin diese Klage am 20.01.2013 zurück.

Mit Beschluss des Amtsgerichts T vom 10.01.2012 wurde der Klägerin ein Ergänzungsbetreuer zum Abschluss eines Mietvertrages mit den Eltern als Vermieter bestellt (Az.: 43 XVII M 000). Unter dem 13.01.2012 wurde der Mietvertrag zwischen der Klägerin und ihren Eltern abgeschlossen. Mietgegenstand ist danach ein Zimmer im eine Gesamtwohnfläche von 240 qm umfassenden Einfamilienhaus der Eheleute N, und zwar ein "behindertengerechtes Zimmer im Erdgeschoss, mit ebenerdigem Zugang zum Bad mit WC und Dusche". Als Miete wurde ein Betrag von 180 EUR monatlich zzgl. 40 EUR monatlicher Heizkosten vereinbart. Mit Datum vom 08.02.2012 erfolgte eine Ergänzung zum Mietvertrag. Als Mietbeginn wurde der 01.01.2012 festgelegt und die Nutzung eines Zimmers von 10 qm sowie die gemeinschaftliche Benutzung der weiteren Wohnfläche von Wohnzimmer, Küche, Bad und WC von insgesamt 81,5 qm. Die Miete sollte auf das Konto der Eheleute N bei der Kreissparkasse L überwiesen werden. Ausweislich der aktenkundigen Kontoauszüge setzten die monatlichen Zahlungen vom Girokonto der Klägerin bei der Kreissparkasse L in Höhe von 180 EUR ("Miete") und 40 EUR ("Heizkosten") ab August 2012 ein.

Mit Bescheid der Beklagten vom 08.10.2012 wurden der Klägerin Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII für den Zeitraum vom 01.11.2011 bis zum 30.06.2013 i.H.v. 340,47 EUR monatlich bewilligt. Hierbei wurden der Regelbedarf nach Stufe 3 und der Mehrbedarf für das Merkzeichen G berücksichtigt, jedoch wiederum keine Kosten für Unterkunft und Heizung. Mit weiterem Bescheid der Beklagten vom 08.10.2012 wurden die Grundsicherungsleistungen für den Zeitraum ab Januar 2012 wegen der Erhöhung des Regelsatzes auf 349,83 EUR monatlich festgesetzt, mit Änderungsbescheid vom 19.12.2012 ab dem 01.01.2013 wegen einer erneuten Regelsatzerhöhung auf 358,02 EUR.

Hiergegen legte die Klägerin wegen der Nichtberücksichtigung der Kosten der Unterkunft Widerspruch ein (Schreiben vom 16.10.2012). Sie reichte Kontoauszüge ein, die die Mietzahlungen an ihre Eltern ab August 2012 belegen sollten.

Mit Widerspruchsbescheid des S-Kreises vom 13.05.2013 wurde der Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen. Die Klägerin habe, so die Begründung, in der Vergangenheit keine Mietzahlungen an ihre Eltern geleistet. Die vertragliche Grundlage sei erst im Januar 2012 geschaffen worden. Es bestünden Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Mietvertrages. Der Vertrag sei über das bisher bewohnte Kinderzimmer abgeschlossen worden. Die erste Mietzahlung sei überdies erst ein halbes Jahr nach Abschluss des Mietvertrages kurz vor Einreichung der Klage im Rechtsstreit S 21 SO 383/12 erfolgt.

Hiergegen hat sich die Klägerin mit der am 10.06.2013 bei dem Sozialgericht Köln erhobenen Klage gewandt und die Bewilligung von Grundsicherungsleistungen i.H.v. 220 EUR monatlich für Kosten der Unterkunft für den Zeitraum August 2012 bis Juni 2013 begehrt. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen geltend gemacht, dass der abgeschlossene Mietvertrag vertragliche Grundlage für die Zahlung der Kosten der Unterkunft sei. Aus den vorgelegten Kontoauszügen für den Zeitraum August 2012 bis Mai 2013 ergäben sich Mietzahlungen (per Dauerauftrag) auf das Konto ihrer Eltern. In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht haben die Eltern der Klägerin erklärt, dass sie ein Haus von 240 qm Wohnfläche mit drei Personen bewohnen, nämlich sie selbst und die Klägerin. Für das Haus seien noch Kredite zu bedienen. Insgesamt fielen etwa 1.300 EUR monatlich Kosten für Kredite und sonstige Kosten des Hauses an. Die Mutter der Klägerin sei wegen der Betreuung ihrer Tochter zurzeit nicht berufstätig.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte unter teilweiser Aufhebung ihrer Bescheide vom 08.10.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides des Landrats des S-Kreises vom 13.05.2013 zu verpflichten, ihr gegenüber für die Zeit von August 2012 bis Juni 2013 weitere Grundsicherungsleistungen gemäß den Regelungen des Vierten Kapitels des SGB XII für monatliche Unterkunfts- und Heizungskosten in Höhe von jeweils 220 EUR zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat ausgeführt, dass der Mietvertrag am 13.01.2012 geschlossen worden sei, obwohl die Klägerin zu diesem Zeitpunkt über kein eigenes Einkommen und Vermögen verfügt habe. Das kostenlose Wohnrecht sei aufgegeben worden, um eine zusätzliche Einnahmequelle zulasten des Sozialhilfeträgers zu sichern. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin habe den Eltern in einem Schreiben die Überweisung der Miete empfohlen, um ein Leben des Mietvertrages nach außen belegen zu können. Das Kindergeld, das für die Klägerin gezahlt werde, werde nicht angerechnet, sondern verbleibe bei den Eltern. Ferner hat die Beklagte erklärt, dass in der Gemeinde S zurzeit für einen Ein-Personen-Haushalt unter Zugrundelegung von 50 qm Wohnfläche 290 EUR Kosten der Unterkunft monatlich höchstens bewilligt würden, hinzu kämen noch Heiz- und Betriebskosten.

Mit Urteil vom 12.02.2014 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben und die Beklagte antragsgemäß zur Übernahme von Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 220 EUR für die Zeit von August 2012 bis Juni 2013 verurteilt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen das Folgende ausgeführt:

Die Klägerin habe Anspruch auf Bewilligung von Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII. Die dauerhaft erwerbsgeminderte Klägerin gehöre zum berechtigten Personenkreis der Grundsicherung nach § 41 SGB XII. Deren Leistungen umfassten nach § 42 Nr. 4 i.V.m. § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB XII auch solche für Unterkunft und Heizung. Nach der Rechtsprechung des BSG komme bei einem Zusammenleben eines Bedürftigen mit nichtbedürftigen Personen die Übernahme von Kosten der Unterkunft nur dann in Betracht, wenn es eine vertragliche Grundlage hierfür gebe. Es reiche aus, dass der Hilfebedürftige im jeweiligen Leistungszeitraum einer wirksamen und nicht dauerhaft gestundeten Mietzinsforderung ausgesetzt sei. Ausgangspunkt für die Frage, ob eine wirksame Mietzinsverpflichtung des Hilfebedürftigen bestehe, sei in erster Linie der Mietvertrag, mit dem der geschuldete Mietzins vertraglich vereinbart worden sei. Die Klägerin habe mit ihren Eltern im Januar 2012 einen Mietvertrag abgeschlossen und es sei hierfür eigens vom Betreuungsgericht ein Ergänzungsbetreuer bestellt worden. Auch sei der Mietvertrag von der Klägerin bzw. deren Eltern tatsächlich durchgeführt worden. Dies habe die Klägerin durch Kontoauszüge nachgewiesen, ausweislich derer sie im streitbefangenen Zeitraum die Miete in Höhe von insgesamt 220 EUR per Dauerauftrag an ihre Eltern überwiesen habe (180 EUR monatlich, die Heizkosten i.H.v. 120 EUR vierteljährlich). Es gebe daher keine Anhaltspunkte dafür, dass der Mietvertrag nicht ernsthaft gewollt worden sei und nur ein Scheingeschäft darstelle. Es könne der Klägerin und ihren Eltern nicht vorgehalten werden, dass sie den Vorgaben des BSG gefolgt seien und eine vertragliche Grundlage für eine Mietzinszahlung geschaffen hätten. Die Eltern der Klägerin hätten erhebliche Kosten für ihr großes Haus aufzuwenden und verlangten von der Klägerin nur einen Bruchteil der anfallenden Kosten, nicht einmal ein Drittel, wie es ihrem Kopfanteil entsprechen würde. Das Bedürfnis der Eltern, von der erwachsenen Tochter, die noch in ihrem Haus lebe und für die die Mutter ihre Berufstätigkeit aufgegeben habe, wenigstens einen Kostenanteil für das Haus zu erhalten, sei nicht zu beanstanden und nachvollziehbar. Eltern, die ihre erwachsenen, behinderten Kinder in ihrem Haus behielten und nicht in ein Heim gäben, seien in aller Regel fürsorgliche Eltern. Ihnen entgegenzuhalten, dass sie von ihren erwachsenen, behinderten Kindern nicht ernsthaft Miete verlangen würden, würde eine Diskriminierung und Schlechterstellung gegenüber Eltern nichtbehinderter Kinder bedeuten. Dieser Einwand könne zumindest dann nicht gelten, wenn die Miete tatsächlich gezahlt würde. Die Kosten der Unterkunft in Höhe von 220 EUR monatlich seien auch angemessen, weil der Betrag deutlich unterhalb des Betrages liege, den die Beklagte für einen Ein-Personen-Haushalt bewillige. Dass in den Mietvertrag auch die Mitbenutzung weiterer Räume neben dem von der Klägerin bewohnten Zimmer aufgenommen worden sei, sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Dies entspreche der Lebenswirklichkeit von schwerstbehinderten, erwachsenen Kindern im Haushalt ihrer Eltern, die von den Eltern versorgt würden. Auch müssten Mietverträge unter Verwandten nach der Rechtsprechung des BSG keinem Fremdvergleich standhalten. Die Situation eines erwachsenen, behinderten Kindes im Haushalt der Eltern sei völlig anders als der Fall der Vermietung an einen fremden Dritten.

Gegen dieses ihr am 10.03.2014 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit der am 10.04.2014 eingelegten Berufung, die sie im Wesentlichen wie folgt begründet:

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts könne die Klägerin keine Leistungen für Unterkunft und Heizung geltend machen. Zwar habe sie nachgewiesen, dass von ihr seit August 2012 (rückwirkend seit Januar 2012) monatlich 180 EUR Miete und 40 EUR Heizkosten an ihre Eltern überwiesen worden seien. Es gelte aber auch hinsichtlich dieser Kosten, dass für deren Deckung durch den Träger der Grundsicherung ein Bedarf bestehen müsse. Die Übernahme der Unterkunftskosten müsse im Einzelfall erforderlich sein, um eine bestehende Notlage zu beseitigen oder das Entstehen einer Notlage für den Hilfesuchenden zu verhindern. Dies sei im Fall der Klägerin zu verneinen. Hier sei die Ernsthaftigkeit des zwischen der Klägerin und ihren Eltern geschlossenen Mietverhältnisses auszuschließen. Gegen eine ernsthafte Mietzinsforderung spreche schon die Tatsache, dass die Klägerin bis Januar 2012 im Haushalt ihrer Eltern lebte, ohne dass ein Mietvertrag geschlossen oder Miete verlangt worden sei. Auch vor Abschluss des Mietvertrages habe sie das ihr nun vermietete Zimmer genutzt und sei sie zur Mitbenutzung der weiteren Räume der elterlichen Wohnung berechtigt gewesen. Der Mietvertrag sei erst abgeschlossen worden, nachdem festgestanden habe, dass die Klägerin Leistungen nach dem SGB XII dem Grunde nach habe beanspruchen können, die Übernahme der Unterkunftskosten jedoch abgelehnt worden sei. Erst hiernach sei "nachgebessert" worden, nämlich durch Abschluss des Mietvertrages vom 13.01.2012 mithilfe eines hierfür bestellten Ergänzungspflegers und ohne dass zunächst auch tatsächlich Mietzahlungen erfolgt seien. Dies sei erst acht Monate später geschehen. Dies lasse in der Gesamtschau den Rückschluss zu, dass der Mietvertrag nur "pro forma" vor dem Hintergrund eines möglichen Anspruchs der Klägerin nach §§ 42, 35 SGB XII geschlossen worden sei. Auch bestehe auf Seiten der Klägerin keine Notlage und es sei auch nicht zu befürchten, dass eine solche bei ausbleibender Mietzinszahlung eintrete. Es sei auszuschließen, dass die Klägerin von Wohnungslosigkeit bei Nichtzahlung des Mietzinses bedroht werde. Die Klägerin sei zu keiner Zeit ernsthaften Forderungen ihrer Eltern ausgesetzt gewesen. Ein rechtlicher Bindungswille hinsichtlich des Mietvertrages habe daher nicht bestanden. Es sei auch unerheblich, ob die Eltern der Klägerin ein nachvollziehbares Bedürfnis nach einer Kostenbeteiligung der Klägerin hätten. Denn es komme nicht auf die Hilfebedürftigkeit der Eltern, sondern auf diejenige der Klägerin an. So könne eine freiwillige Leistung der Eltern in Form der Aufgabe der Berufstätigkeit nicht zu Lasten Dritter kompensiert werden. Dies stelle auch keine Diskriminierung und Schlechterstellung der Klägerin gegenüber nichtbehinderten Kindern dar. Denn es sei nicht ersichtlich, auf welcher Anspruchsgrundlage ein nichtbehindertes 21-jähriges Kind, das mit (Unter-)Mietvertrag im Haushalt seiner nicht hilfebedürftigen Eltern lebe, Aufwendungsersatz für die Kosten seiner Unterkunft und Heizung erhalten solle.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 12.02.2014 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Soweit die Beklagte dem Mietverhältnis dessen Ernsthaftigkeit abspreche, handele es sich um das übliche "Totschlagargument", das im Umkehrschluss dazu führe, dass Eltern behinderter Kinder diese lebenslänglich kostenfrei bei sich wohnen zu lassen hätten. Dies widerspreche jedoch der aktuellen Rechtslage, die bei Vorliegen der Voraussetzungen auch volljährigen, dauerhaft erwerbsgeminderten Personen Anspruch auf Unterkunfts- und Heizkosten zubillige. Leistungsberechtigte würden von den Grundsicherungsträgern unter Verletzung von Auskunfts- und Beratungspflichten nicht darüber informiert, dass ihnen im Rahmen der Grundsicherung auch ein Anspruch auf Gewährung dieser Leistungen zustehe und welche Bedingungen hierfür erfüllt sein müssten. Insofern versuche die Beklagte aus der Verletzung der ihr auferlegten Beratungs- und Informationspflichten noch einen Vorteil zu ziehen, indem sie ihr - der Klägerin - vorwerfe, dass sie die ihr gesetzlich zustehenden Ansprüche geltend mache. Auch habe sie nur das getan, was das BSG in ständiger Rechtsprechung verlange, nämlich den Abschluss eines Mietvertrages und die tatsächliche Zahlung des Mietzinses. Daher könne ihr die Beklagte auch nicht vorhalten, den Mietvertrag abgeschlossen zu haben, ohne dass sich an ihrem Wohnumfeld etwas geändert habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakte SG Köln - S 21 SO 383/12 - sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, insbesondere statthafte und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 12.02.2014 ist begründet. Das Sozialgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben, weil sie unbegründet ist. Die Bescheide der Beklagten vom 08.10.2012 und 19.12.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.05.2013 sind rechtmäßig, soweit sie darin die Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung abgelehnt hat und beschwert die Klägerin daher nicht i.S.d. § 54 Abs. 2 SGG.

1.) Streitgegenstand sind die Bescheide der Beklagten vom 08.10.2012 und 19.12.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.05.2013 (§ 95 SGG), mit dem die sachlich und örtlich im Wege der Heranziehung durch den S-Kreis zuständige Beklagte der Klägerin Leistungen der Grundsicherung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII in Form des Regelbedarfs sowie eines Mehrbedarfs wegen Schwerbehinderung, nicht aber der Bedarfe für Unterkunft und Heizung für den Zeit vom 01.11.2011 bis 30.06.2013 bewilligt hat. Hiergegen wendet sich die Klägerin statthaft mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 i.V.m. § 56 SGG). Der Streitgegenstand ist in sachlicher Hinsicht auf die Übernahme von Kosten für Unterkunft und Heizung beschränkt. Diese dem erstinstanzlichen Antrag der Klägerin zu entnehmende Beschränkung ist auch zulässig, weil es sich bei den Kosten für Unterkunft und Heizung um einen selbständigen Anspruch handelt, der durch einen selbständigen Verfügungssatz geregelt wird und dementsprechend auch alleiniger, selbständiger Gegenstand einer Klage sein kann (vgl. nur BSG, Urt. v. 14.04.2011 - B 8 SO 18/09 R -, juris Rn. 10). In zeitlicher Hinsicht hat die Klägerin den Streitgegenstand schon wegen ihres erstinstanzlichen Antrags zulässig auf die von den angefochtenen Bescheiden erfasste Zeit vom 01.08.2012 bis 30.06.2013 beschränkt (s. hierzu BSG, Urt. v. 24.03.2015 - B 8 SO 5/14 R -, juris Rn. 10).

2.) Die Klägerin hat gegen die Beklagte für den streitigen Zeitraum keinen Anspruch auf Übernahme von Kosten für Unterkunft und Heizung gemäß § 42 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. § 35 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 SGB XII.

a) Die Klägerin gehört allerdings zum nach dem Vierten Kapitel des SGB XII anspruchsberechtigten Personenkreis (§§ 19 Abs. 2, 41 ff. SGB XII). Sie hatte im streitgegenständlichen Zeitraum das 18. Lebensjahr vollendet (§ 41 Abs. 3 SGB XII) und ist ausweislich der Feststellung der Deutschen Rentenversicherung Bund im Verfahren nach § 45 SGB XII seit dem Jahr 2003 dauerhaft voll erwerbsgemindert i.S.d. § 43 Abs. 2 SGB VI. Auch hatte sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland. Sie verfügte auch über kein eigenes Einkommen (§§ 82 ff. SGB XII) und Vermögen (§ 90 SGB XII). Auch ist das elterliche Einkommen nicht bedarfsmindernd zu berücksichtigen, weil ein solches von jährlich mindestens 100.000 EUR ausweislich der entsprechenden Erklärung der Klägerin im ursprünglichen Grundsicherungsantrag vom 14.10.2011 nicht vorhanden ist (s. § 43 Abs. 3 Satz 1 SGB XII).

b) Die Beklagte hat jedoch zu Recht die Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung im streitbefangenen Zeitraum abgelehnt, weil ein entsprechender Bedarf der Klägerin nicht festgestellt werden kann.

Nach § 42 Satz 1 Nr. 4 SGB XII umfassen die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Vierten Abschnitt des Dritten Kapitels des SGB XII. Gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 SGB XII werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe erbracht. Sie werden sowohl nach dem SGB II als auch nach dem SGB XII nur erbracht, wenn und soweit der leistungsberechtigten Person tatsächliche Aufwendungen bzw. tatsächliche Kosten für Unterkunft und Heizung entstehen (vgl. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II, § 35 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 SGB XII). Ein Anspruch auf Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung setzt grundsätzlich einen entsprechenden tatsächlichen Bedarf - im Sinne einer wirksamen zivilrechtlichen Verpflichtung gegenüber Dritten - voraus (s. zur vergleichbaren Problematik im SGB II: BSG, Urt. v. 20.08.2009 - B 14 AS 34/08 R -, juris Rn. 16, BSG, Urt. v. 03.03.2009 - B 4 AS 37/08 R -, juris Rn. 24 f.; BSG, Urt. v. 07.05.2009 - B 14 AS 31/07 R -, juris Rn. 16 ff.). Dies gilt jedenfalls dann, wenn diese Person mit anderen, nichthilfebedürftigen Personen in einer Haushaltsgemeinschaft lebt, wenn also weder eine Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II noch eine Einsatzgemeinschaft nach dem SGB XII noch eine sog. gemischte Bedarfsgemeinschaft (d.h. zwischen Leistungsberechtigten nach dem SGB II und dem SGB XII) besteht (BSG, Urt. v. 25.08.2011 - B 8 SO 29/10 R -, juris Rn. 12). Für einen Anspruch nach § 35 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 SGB XII kommt es daher in diesen Fällen darauf an, ob ein wirksamer, mit Rechtsbindungswillen unter Beachtung von §§ 117, 133 BGB geschlossener Mietvertrag vereinbart wurde und die hilfebedürftige Person darüber hinaus einer ernsthaften Mietzinsforderung der mit ihr zusammenlebenden Personen ausgesetzt ist (BSG, Urt. v. 03.03.2009 - B 4 AS 37/08 R -, juris Rn. 27). Die Annahme tatsächlicher Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach der sog. Kopfteilmethode, wonach die Kosten der Unterkunft und Heizung im Regelfall unabhängig von Alter und Nutzungsintensität anteilig pro Kopf aufzuteilen sind, wenn Hilfebedürftige eine Unterkunft gemeinsam mit anderen Personen, insbesondere anderen Familienangehörigen, nutzen, kommt demgegenüber nur dann in Betracht, wenn die Konstellation einer Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II oder einer Einsatzgemeinschaft nach dem SGB XII oder einer sog gemischten Bedarfsgemeinschaft besteht, bei der mindestens eine Person dem System des SGB II und mindestens eine andere dem System des SGB XII zuzuordnen ist (vgl. BSG, Urt. v. 14.04.2011 - B 8 SO 18/09 R -, juris Rn. 15; BSG, Urt. v. 25.08.2011 - B 8 SO 29/10 R -, juris Rn. 12 f.). Auch für die Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 SGB II ist es grundsätzlich Voraussetzung, dass die leistungsberechtigte Person einer ernsthaften Mietzinsforderung ausgesetzt ist, was insbesondere dann einer besonderen Prüfung bedarf, wenn ein erwachsenes Kind - alleine oder zusammen mit anderen Personen - in einer einem Verwandten gehörenden Wohnung lebt (vgl. BSG, Urt. v. 03.03.2009 - B 4 AS 37/08 R -, juris Rn. 24 f.; BSG, Urt. v. 07.05.2009 - B 14 AS 31/07 R -, juris Rn. 16 ff.; s. auch Senat, Urt. v. 19.03.2015 - L 9 SO 309/14 -, juris Rn. 37).

Am Kautel des Vorliegens einer ernsthaften Mietzinsforderung ist auch in Ansehung des Urteils des BSG vom 17.12.2015 - B 8 SO 10/14 R -, juris Rn. 16 f. festzuhalten. Zwar hat das BSG entschieden, dass Kosten für Unterkunft und Heizung nicht nur dann zu übernehmen sind, wenn ein wirksamer zivilrechtlicher Vertrag vorliegt, sondern es genügen lassen, wenn sich ein volljähriger Leistungsberechtigter und seine Eltern über eine Kostenbeteiligung faktisch einig waren. Jedoch kann auch eine "faktische" Einigung nur dann einen anerkennungsfähigen Bedarf begründen, wenn diese Einigung ernst gemeint und nicht nur deshalb erfolgt war, um gegen den Sozialhilfeträger einen Anspruch nach § 35 SGB XII zu begründen (ebenso BSG, a.a.O. -, juris Rn. 16 a.E.: [" ] ernsthafte Erwartung einer Beteiligung an den Kosten für Unterkunft und Heizung"). Nichts anderes kann auch für den Fall eines zivilrechtlich wirksamen Mietvertrages gelten. Ob und in welchem Umfang einem erwachsenen Kind, das mit seinen Eltern zusammenlebt, tatsächliche Aufwendungen für Unterkunft und Heizung entstehen, hängt deshalb weiterhin davon ab, ob es einer ernsthaften Mietzinsforderung seiner Eltern ausgesetzt ist, d.h. entweder ein wirksamer Mietvertrag abgeschlossen oder zumindest eine faktische Einigung über eine entsprechende Kostenbeteiligung erzielt worden ist und der Mietvertrag oder die faktische Einigung von Seiten des Vermieters auch tatsächlich vollzogen werden soll (vgl. LSG Schleswig-Holstein, Urt. v. 29.06.2011 - L 9 SO 16/10 -, juris Rn. 25; Senat, Urt. v. 19.03.2015 - L 9 SO 309/14 -, juris Rn. 39, 50). Ob insbesondere Letzteres der Fall ist, obliegt allein der tatrichterlichen Würdigung im Einzelfall (so BSG, a.a.O.).

aa) Zwischen der im streitgegenständlichen Zeitraum bereits volljährigen Klägerin und ihren Eltern bestand keine Einsatzgemeinschaft (vgl. zum Begriff jurisPK-SGB XII/Coseriu, § 19 Rn. 12 ff., 17). Denn § 19 Abs. 2 i.V.m. mit § 27 Abs. 2 SGB XII sieht bei Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII grundsätzlich keine Berücksichtigung von Vermögen und/oder Einkommen der Eltern vor. Ein Ausnahmefall wegen eines besonders hohen elterlichen Einkommens (§ 43 Abs. 3 SGB XII) lag bei der Klägerin nicht vor, da ein solches Einkommen von mindestens 100.000 EUR, wie bereits erwähnt, nicht vorhanden war.

bb) Dem Sozialgericht ist auch noch darin zu folgen, dass zwischen der Klägerin, vertreten durch den vom Amtsgericht T bestellten Ergänzungsbetreuer, und ihren Eltern ein wirksamer Mietvertrag vom 13.01.2012 nebst Ergänzungsvereinbarung vom 08.02.2012 mit Wirkung ab dem 01.01.2012 zustande gekommen ist. Es ist hier - schon wegen Bestehens eines rechtlichen Bindungswillens zumindest des Ergänzungsbetreuers der Klägerin - weder von einem nach § 117 Abs. 1 BGB nichtigen Scheingeschäft auszugehen, noch liegt, da der aktenkundige Mietvertrag mangels anderweitiger Regelung auf unbestimmte Zeit abgeschlossen worden ist und keinerlei Regelungen zu dessen Kündigung enthält, ein schwebend unwirksamer Vertrag mangels unterbliebener Genehmigung durch das Betreuungsgericht vor; denn bei einer wie hier jederzeit möglichen Kündigung des unbestimmte Zeit geschlossenen Vertrages bedarf dieser keiner Genehmigung (vgl. hierzu eingehend Senat, Urt. v. 19.03.2015 - L 9 SO 309/14 -, juris Rn. 42 ff., 47 ff.). Ebenso wenig handelt es sich bei dem Mietvertrag vom 13.01.2012 um einen grundsätzlich unzulässigen Vertrag zu Lasten Dritter, sprich des Sozialhilfeträgers (Senat, a.a.O. -, juris Rn. 45). Dieser ist auch nicht wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, weil die Begründung einer rechtlichen Verbindlichkeit zur Zahlung von Unterkunfts- und Heizkosten im Grundsatz als naheliegende und nicht beanstandungswürdige Gestaltungsmöglichkeit erscheint, wenn Eltern ihr behindertes oder sonst in Schwierigkeiten befindliches Kind in ihren Haushalt aufnehmen (ebenso LSG NRW, Urt. v. 11.08.2014 - L 20 SO 141/13 -, juris Rn. 42; Senat, a.a.O. -, juris Rn. 46).

cc) Entgegen dem Sozialgericht vermag der Senat unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalles jedoch nicht festzustellen, dass die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum von August 2012 bis Juni 2013 einer ernsthaften Mietforderung ihrer Eltern ausgesetzt war, obwohl sie - offenbar aus der ihr gewährten Regelleistung - ab August 2012 tatsächlich Zahlungen in Höhe von 180 EUR bzw. 40 EUR mit dem ausweislich der aktenkundigen Kontoauszüge benannten Bestimmungszwecken "Miete" und "Heizung" erbracht hat.

Aus der nach Aktenlage sichtbaren Chronologie, den äußeren Umständen sowie der persönlichen Situation der Klägerin ist ersichtlich, dass die Klägerin und ihre Eltern mit dem Abschluss des Mietvertrages im Januar 2012 und den erst ab August 2012 einsetzenden Zahlungen ausschließlich einen entsprechenden Leistungsanspruch gegen die Beklagte als Sozialhilfeträger begründen wollten. So lebte die Klägerin von ihrer Geburt an (1993) im Haus ihrer Eltern, ohne dass diese von ihr - auch nicht mit Vollendung ihres 18. Lebensjahres ab dem 18.02.2011 - eine auch nur geringfügige Beteiligung an den Wohn- und Betriebskosten des Hauses verlangt hätten. Erst als die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 18.10.2011 erstmals Grundsicherungsleistungen ohne Berücksichtigung der Kosten für Unterkunft und Heizung bewilligte, wurde diese Problematik von den Eltern mit dem Widerspruch vom 27.11.2011 moniert. Und erst als die Beklagte bzw. der S-Kreis im Widerspruchsbescheid vom 16.12.2011 ausführte, dass kein Anspruch auf Berücksichtigung von anteiligem Bedarf für Unterkunft und Heizung nach Kopfteilen in Betracht käme, wenn es an einer rechtlichen Verpflichtung der nachfragenden Person mangele, haben die Klägerin und ihre Eltern mithilfe ihres mittlerweile eingeschalteten Prozessbevollmächtigten reagiert und nach Bestellung eines Ergänzungsbetreuers einen Mietvertrag vom 13.01.2012 abgeschlossen. Dass sich die wohnliche Situation der Klägerin im Haus ihrer Eltern ab Januar 2012 verändert hätte, ist nicht ersichtlich und von der Klägerin auch nicht geltend gemacht worden. Sie hat stets ihr 10 qm großes Zimmer sowie die Gemeinschaftsräume im Erdgeschoss des Hauses genutzt. Dass die Klägerin vor Beginn der rechtlichen Auseinandersetzungen mit der Beklagten auch keinerlei (ernsthaften) Mietforderung seitens ihrer Eltern ausgesetzt war, erklärt sich ohne Weiteres aus ihrer persönlichen Situation, weil sie - abgesehen von einem geringfügigen Werkstatteinkommen von monatlich 63 EUR in der Zeit von März bis Oktober 2011 - immer einkommens- und vermögenslos gewesen ist. Hieran hat sich auch im Januar 2012 nichts geändert, was ebenfalls dafür spricht, dass der Abschluss des Mietvertrages einzig und allein von dem Bestreben motiviert gewesen ist, der Klägerin einen Leistungsanspruch gegen die Beklagte auch hinsichtlich der Kosten für Unterkunft und Heizung zu verschaffen. Dass Eltern von ihren volljährigen Kindern, unabhängig davon ob sie behindert oder nichtbehindert sind, ernsthaft Miete verlangen, solange sie ihrem noch jungen Alter entsprechend - die Klägerin ist 1993 geboren - typischerweise noch über kein oder nur geringfügiges Einkommen verfügen, welches sie in die Lage versetzt, sich an den Unterkunftskosten zu beteiligen, ist absolut unüblich (so schon Senat, Urt. v. 19.03.2015 - L 9 SO 309/14 -, juris Rn. 53). Dies gilt erst recht, wenn die Eltern - wie hier - über ein Eigenheim verfügen und die laufenden Kosten mit ihren Mitteln decken können (Senat, a.a.O.).

Weiterhin sprechen neben der dargestellten zeitlichen Abfolge auch die äußere Form sowie der Inhalt des am 13.01.2012 abgeschlossenen Mietvertrages gegen eine entsprechende ernsthafte Forderung der Eltern gegenüber ihrer Tochter. So besteht dieser aus einer ganzen halben Seite, auf der neben dem eigentlichen Mietzins (180 EUR Miete, 40 EUR Heizkosten) der Gegenstand des Mietvertrages nur äußerst rudimentär beschrieben worden ist und noch nicht einmal der Beginn des Mietverhältnisses angegeben war. Ebenso fehlten dort jegliche Angaben, an wen und in welcher Weise die angeblich zu zahlende Miete überwiesen werden sollte. Dementsprechend haben sich die "Mietparteien" auch veranlasst gesehen, den Mietvertrag am 08.02.2012 zu ergänzen, indem sie erst dann den Zeitpunkt des Mietbeginns zum 01.01.2012 festlegten, die Fläche des gemieteten Wohnraumes "bereichsscharf" bestimmten und die Überweisungsmodalitäten (Konto der Eheleute N) regelten. Aber auch dies entspricht nicht dem typischen Muster eines Mietvertrages, der die Haupt- und Nebenpflichten der jeweiligen Mietvertragsparteien normalerweise eingehend regelt. So fehlen beispielsweise jegliche Regelungen zur Kündigung des Mietvertrages, was aber typischerweise Bestandteil eines jeden Mietverhältnisses ist. Auch diese "unorthodoxe" Vertragsgestaltung spricht im hohen Maße dafür, dass hierbei nicht die Interessen der Mietvertragsparteien im Vordergrund standen, sondern es zuvörderst darum ging, die Beklagte als Sozialhilfeträgerin verpflichten zu wollen.

Der Mietvertrag ist auch nicht deswegen ernsthaft vollzogen worden, weil die Klägerin ausweislich der vorgelegten Kontoauszüge ab August 2012 tatsächlich Zahlungen in vertragsgemäßer Höhe erbracht hat. So ist es bemerkenswert, dass diese Zahlungen erst über ein halbes Jahr nach Abschluss des Mietvertrages im Januar 2012 einsetzten, und zwar "pünktlich" kurz vor Erhebung der Klage in dem Rechtsstreit S 21 SO 383/12 (SG Köln) am 07.09.2012, was wiederum gegen ein ernsthaftes Mietverlangen seitens der Eltern spricht. Stattdessen ist die angebliche Miete ausweislich des aktenkundigen Kontoauszuges für die Zeit von Januar bis Juni 2012 am 07.08.2012 in Höhe von 1.080 EUR nachgezahlt worden. Da die Klägerin unstreitig einkommenslos war, konnte sie dies nur aus ihrer Regelleistung in Höhe von damals 299 EUR bestritten haben (299 EUR x 7 Monate = 2.093 EUR). Im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der laufenden rechtlichen Auseinandersetzung gegenüber der Beklagten kann dieser Vorgang, einschließlich des Beginns der regelmäßigen monatlichen Zahlungen der Klägerin, schlechterdings nicht als ernsthafte Mietzahlung, sondern lediglich als Simulation einer solchen gewertet werden.

Einer ernsthaften Mietforderung ist die Klägerin seitens ihrer Eltern schließlich auch nicht deswegen ausgesetzt, weil diese noch Darlehensverbindlichkeiten für das Hausgrundstück zu bedienen haben. Zwar mag eine Beteiligung der Klägerin an den Wohnkosten im Hinblick auf Darlehensverpflichtungen, die über die "normalen" Betriebskosten des Hauses hinausgehen, nachvollziehbar erscheinen. Jedoch bestanden diese Darlehensverbindlichkeiten der Eltern der Klägerin schon weit vor dem Jahr 2012, ohne dass diese auch nur erwogen hätten, ihre weitgehend einkommens- und vermögenslose Tochter an den Wohnkosten zumindest anteilig zu beteiligen. Etwas Anderes haben sie im Klage- und Berufungsverfahren auch nicht geltend gemacht. Im Übrigen hat die Beklagte zutreffend eingewendet, dass aus einem Finanzierungsbedarf der Eltern nicht ohne Weiteres, d.h. ohne Hinzutreten weiterer Umstände, ein Bedarf der Klägerin hinsichtlich der Kosten für Unterkunft und Heizung resultiert. Auch ist nicht ersichtlich und von der Klägerin bzw. ihren Eltern nicht geltend gemacht worden, dass sie ohne eine Kostenbeteiligung der Klägerin nicht in der Lage (gewesen) wären, neben den laufenden Betriebskosten auch die laufenden Darlehensverbindlichkeiten hinsichtlich des Wohnhauses zu bedienen (vgl. hierzu auch Senat, Urt. v. 03.12.2015 - L 9 SO 51/14).

Soweit die Klägerin das entscheidungserhebliche Moment der Ernsthaftigkeit mit der Argumentation, es handele sich um das übliche "Totschlagargument", das im Umkehrschluss dazu führe, dass Eltern behinderter Kinder diese lebenslänglich kostenfrei bei sich wohnen zu lassen hätten, ad absurdum führen will, greift dies zu kurz. Der Umstand der Behinderung hat bei der Prüfung, ob ein Mietzinsverlangen ernsthaft ist, schon im Ansatz keine Bedeutung. Vielmehr ist dies unabhängig vom Vorliegen einer Behinderung zu beurteilen, weil allein eine Behinderung die Ernsthaftigkeit eines Mietzinsverlangens weder begründet noch verstärkt. Entscheidend ist allein insofern der Umstand, ob Eltern überhaupt und wenn ja bis zu welchem Alter normalerweise in Erfüllung ihrer Unterhaltspflicht, darüber hinaus aber auch in elterlicher Fürsorge für ihr Kind aufkommen. Diese Frage ist nicht pauschalierend, sondern stets im konkreten Einzelfall zu beurteilen. Hier sind maßgeblich das junge Alter der im Jahre 1993 geborenen Klägerin, die unbestritten gute finanzielle Situation ihrer Eltern und das Ausmaß des ihnen in der 240 m2 großen Wohnfläche eröffneten Lebensraumes. Angesichts dieser Umstände erscheint es dem Senat ausgeschlossen, dass Eltern ernsthaft eine Mietzahlung von einem neunzehnjährigen jungen Erwachsenen, der noch in ihrem Haushalt lebt, erwarten. Ob sich dies mit zunehmendem Alter der Klägerin ändert und insbesondere wann dies der Fall ist, hat der Senat nicht zu entscheiden. Es ist durchaus vorstellbar und dann auch anspruchsbegründend, dass ab einem bestimmten Lebensalter kostenfreie Logis weder von einem Kind noch überhaupt erwartet werden kann. Aber auch dafür werden stets die konkreten Umstände des Einzelfalls und insbesondere der Lebenssituation aller Beteiligten prägend sein.

3.) Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

4.) Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG) bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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