L 7 AS 1277/15 B ER

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 12 AS 5867/15 ER
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 1277/15 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Der Annahme der Hilfebedürftigkeit eines Leistungsempfängers nach § 9 Abs. 1 SGB II im einstweiligen Rechtsschutzverfahren unter Beachtung einer Folgenabwägung steht nicht entgegen, wenn dieser seine Unterkunftskosten "erbettelt" und unklar ist, welche Geldmittel dabei eingenommen werden.
2. Ein Anordnungsgrund für Zeiten vor der Entscheidung über den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ist nur dann glaubhaft gemacht, wenn noch ein gegenwärtiger schwerer unzumutbarer Nachteil besteht.
3. Zum Bedarf eines Leistungsempfängers hinsichtlich der Kosten für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 SGB II, wenn dieser schon seit längerer Zeit (3 Jahre) in ständig wechselnden Hotels und Pensionen
nächtigt.
1. Der Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 16. Dezember 2015 wird aufgehoben. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 4. April 2016 bis zur bestandskräftigen Abweisung des Widerspruchs gegen den Versagungsbescheid vom 10. November 2015, längstens bis 30. September 2016, in Höhe von monatlich 819,15 EUR zu bewilligen. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

2. Der Antragsgegner hat der Antragstellerin 7/10 der notwendigen außergerichtlichen Kosten in beiden Instanzen zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit ab 01.11.2015.

Die am ...1966 geborene Antragstellerin ist ausgebildete Ärztin und bewohnte im streitgegenständlichen Zeitraum Zimmer in verschiedenen Hotels und Pensionen. Nachdem sie im Januar 2013 aus ihrer damaligen Wohnung in der straße in D zwangsgeräumt wurde, war sie zeitweise obdachlos bzw. bewohnte ein Zimmer bei der Obdachlosenhilfe der Diakonie D in der straße oder Zimmer in Hotels und Pensionen. Die straße in D ist auch die von ihr angegebene Postadresse. Die Antragstellerin ist alleinstehend und nicht erwerbstätig. Sie verfügt über ein Girokonto bei der Commerzbank. Sie steht seit 2005 im ununterbrochenen Leistungsbezug beim Antragsgegner. Bereits in den vorherigen Bewilligungszeiträumen kam es zu gerichtlichen Streitigkeiten wegen der Unterkunftskosten, da diese aufgrund der Hotelkosten erheblich über den für die Stadt D angemessenen Kosten eines Ein-Personen-Haushalts liegen. Im Ergebnis zahlreicher Klagen und Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz zahlte der Antragsgegner jeweils die monatliche Regelleistung an die Antragstellerin und zum Teil Kosten für Unterkunft in angemessener Höhe (z.B. 433,04 EUR für September 2013 bis Januar 2014; 439,07 EUR für Mai 2014 bis Oktober 2014; 374,54 EUR für November 2014 bis April 2015). Im vorangegangenen Leistungszeitraum vom 01.05.2015 bis 31.10.2015 bewilligte der Antragsgegner der Antragstellerin allein die monatliche Regelleistung in Höhe von 399,00 EUR. Ein von der Antragstellerin eingelegter Eilantrag bezüglich der Kosten für Unterkunft in diesem Zeitraum wurde vom SG rechtskräftig abgelehnt (S 12 AS 2788/15 ER). Eine Beschwerde zum Sächsischen Landessozialgericht hat die Antragstellerin diesbezüglich nicht eingelegt.

Am 25.09.2015 beantragte die Antragstellerin beim Antragsgegner die Weiterbewilligung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit ab 01.11.2015. In der Anlage KDU (Kosten für Unterkunft und Heizung) gab sie als ihr "Notquartier" die Pension B , straße in D an. Sie habe für das Pensionszimmer monatlich 762,50 EUR aufzuwenden. Für die Zeit vom 19.06.2015 bis 26.09.2015 legte die Antragstellerin Quittungen der Zimmervermietung B vor, aus denen sich ergibt, dass für eine Übernachtung 25,00 EUR aufzuwenden waren.

Mit Schreiben vom 22.10.2015 forderte der Antragsgegner die Antragstellerin zur persönlichen Meldung im Jobcenter D am 09.11.2015 auf. Zum Nachweis ihres Aufenthaltes in D und ihrer Identität anhand eines gültigen Personalausweises sei das persönliche Erscheinen erforderlich.

Die Antragstellerin teilte dem Antragsgegner daraufhin mit Schreiben vom 06.11.2015 mit, dass sie der Einladung für den 09.11.2015 nicht folgen werde, "um sich nach stattgehabten Straftaten des Jobcenters nebst fehlender Einsicht bzw. fehlender tätiger Reue des Jobcenters vor weiteren Straftaten zu schützen". Sie mache von ihrem "Recht Gebrauch, sich gemäß Gesetz zum zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten und Nachstellungen (Gewaltschutzgesetz) vor Straftaten des Jobcenters zu schützen". Zu ihrem Aufenthalt in D würden dem Antragsgegner alle Quittungen ihrer Mietzahlungen vollständig und lückenlos seit 2013 vorliegen. Zudem übersandte sie die Meldebescheinigung vom 05.11.2015 des Bürgeramtes der Landeshauptstadt D , aus der sich ergibt, dass die Antragstellerin seit 23.01.2013 von Amts wegen nach unbekannt ( D ) abgemeldet wurde. Schließlich sei sie seit 13 Jahren beim Antragsgegner registriert und habe sich mehrfach mit ihrem Personalausweis ausgewiesen.

Mit Bescheid vom 10.11.2015 versagte der Antragsgegner der Antragstellerin Leistungen ab dem 01.12.2015 ganz. Die Antragstellerin habe trotz Aufforderung zur persönlichen Meldung mit Rechtsfolgenbelehrung nicht im Jobcenter D zur persönlichen Identifizierung vorgesprochen. Die Mitwirkung nach § 61 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) sei ihr zuzumuten gewesen. Nach § 66 Abs. 1 SGB I sei sie damit ihren Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen, weil die Anspruchsvoraussetzungen auf Leistungen nach dem SGB II gemäß § 7 Abs. 4a SGB II nicht hätten nachgeprüft werden können. Auch die Prüfung der Möglichkeit der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt sei so nicht möglich und die Prüfung der Hilfebedürftigkeit erschwert gewesen.

Die Antragstellerin hat mit Schreiben vom 10.11.2015, eingegangen am 20.11.2015, beim Sozialgericht Dresden (SG) Klage erhoben und zugleich einstweiligen Rechtsschutz beantragt. Es bestehe Eilbedürftigkeit. Sie habe kein Geld mehr und verfüge auch über keinerlei finanzielle Reserven. In der für sie "lebensrettenden Pension" könne sie nur und ausschließlich per Vorkasse übernachten. Der Zimmerpreis in der Pension belaufe sich auf 25,00 EUR pro Tag, also 750,00 EUR für 30 Tage und 775,00 EUR für 31 Tage, im arithmetischen Mittel also auf monatlich 762,50 EUR. Mit dem Antrag hat die Antragstellerin weitere Quittungen für ihre Übernachtungen in der Zimmervermietung B für die Zeit vom 26.09.2015 bis 17.11.2015 vorgelegt. Sie befinde sich nach wie vor intensiv auf Wohnungssuche, habe aber bisher keine geeignete Wohnung finden können. Sie habe in der Zeit von März 2013 bis August 2014 27 Absagen von Vermietern erhalten. Weiter hat die Antragstellerin in ihrem Antrag ausgeführt: "Es versteht sich von selbst, dass seit August 2014 bis zum heutigen Tage durch Verschulden der Beklagten und Sozialgerichtes absolut gar keine Wohnungssuche mehr möglich war, da ich trotz meiner gesundheitlichen Probleme mit immerhin nur Teilzeitarbeitsfähigkeit meine Kräfte damit im vorgenannten Zeitraum damit verschließen musste, bis zu 20 Stunden pro Tag das Geld für die GESAMTE Monatsmiete auf der Straße zusammenbetteln und nur dank der Spender auf der Straße überleben konnte " Die Wohnungssuche sei zudem dadurch erschwert, dass sie zurzeit arbeitsfähig in Teilzeit mit maximal 15 bis 20 Stunden pro Woche sei. Sie sei bis an ihre gesundheitliche Grenze ausgelastet. Bedingt durch die zwingende Vorverauslagung von ca. 285,00 EUR an unabwendbarem Mehrbedarf sei ihr ALG II selbst bei sparsamster Haushaltsführung in der Regel zur Monatsmitte aufgebraucht, sodass sie in der zweiten Monatshälfte mit bis zu 20 Stunden Geldbettelei pro Tag zur notfallmäßigen Geldbeschaffung bis an ihre gesundheitlichen Grenzen ausgelastet sei. Die Wohnungssuche sei für die Antragstellerin deshalb erschwert, weil die Gagfah ihr am 30.05.2014 rechtswidrig erklärt habe, dass sie nicht an sie vermieten wolle. Sie schließe daher die Gagfah auch ihrerseits als Vermieter bei der Wohnungssuche aus. Die Antragstellerin hat im Weiteren ihre einzelnen, erfolglosen Versuche einer Wohnungsanmietung näher dargelegt. Zudem habe sie die ihr vom Sozialamt angebotenen Wohnungen ablehnen müssen, weil diese nicht dem antragsgemäßen Zustand entsprochen hätten. Weitere Angebote habe sie vom Sozialamt nicht erhalten. Sie habe am 05.02.2013 beim Sozialamt die Vermittlung einer Wohnung beantragt, die zwei Zimmer mit 45 m², keinen Balkon und keine doppelflügeligen Türen, sondern eine einflügelige Wohnungstür mit Zylinderschloss habe, sich nicht im Erd- oder Dachgeschoß und möglichst im auszugsrenovierten Zustand befinde.

Mit Schreiben vom 08.12.2015 hat die Antragstellerin gegen den Versagungsbescheid vom 10.11.2015 Widerspruch eingelegt und den Antragsgegner aufgefordert, Grundsicherung und Kosten der Unterkunft für November und Dezember 2015 sofort nachzuzahlen. Der Weiterbewilligungsantrag für die Zeit ab 01.11.2015 sei noch immer nicht verbeschieden. Die Ankündigung einer Sanktionierung im Schreiben vom 22.10.2015 sei zu allgemein und unkonkret und damit unwirksam. Zudem sei eine Ermessensentscheidung in Höhe von 100 % Sanktionierung auf unbestimmte Dauer/Versagung bei berechtigtem Fernbleiben von einer Einladung nicht möglich. Es hätten höchstens 10 % für drei Monate sanktioniert werden dürfen. Schließlich sei die Einladung mit dem Ziel der Wiedereingliederung in Arbeit rechtswidrig, weil Ärzte sich aufgrund der speziellen und fachlich-arbeitsmarkttechnischen Gegebenheiten besser selbst vermitteln würden und den Mitarbeitern des Jobcenters insoweit naturgemäß die Kenntnisse über die speziellen fachlichen Gegebenheiten und Erfordernisse des Arbeitsmarktes fehlten. Zudem sei in der Einladung zum Jobcenter vom 22.10.2015 ein Erpressungsversuch zu sehen, da sich die Antragstellerin seit 2009 wegen der gegen sie verübten Straftaten weigere, das Jobcenter zu betreten.

Nachdem das SG die Antragstellerin aufgefordert hatte, die Bezahlung der Hotels und Pensionen seit April 2015 in Höhe von 6.037,00 EUR zu erklären, hat diese mit Schreiben vom 15.12.2015 nochmals dargelegt, dass "die gesamte Miete seit Mai 2015 einzeln euroweise als Almosen/Hilfsspenden in nächtelangen Bettelaktionen auf der Straße zusammengebettelt" worden seien. Sie hat zudem die Quittungen für die Übernachtungen vom 17.11.2015 bis 04.12.2015 bei der Zimmervermietung B eingereicht. Vor der Versagung vom 10.11.2015 sei sie nicht angehört worden.

Das SG hat mit Beschluss vom 16.12.2015 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Ein Anordnungsanspruch sei nach summarischer Prüfung nicht gegeben, da die Antragstellerin ihre Hilfebedürftigkeit nach §§ 7 Abs. 1 Nr. 3, 9 SGB II nicht hinreichend glaubhaft gemacht habe. Sie habe vom 01.04.2015 bis 17.11.2015 Gelder für Übernachtungen in Höhe von 6.037,00 EUR ausgegeben. Vom Antragsgegner habe sie aber in dieser Zeit nur 3.159,54 EUR an Leistungen (Regelbedarf) erhalten. Weitere 2.877,46 EUR habe die Antragstellerin aus offenbar vorhandenen, aber nicht offen gelegten Geldmitteln bezahlt. Hinzu seien nicht unerhebliche Mittel gekommen, die die Antragstellerin zur Bestreitung ihres Lebenswandels benötigt haben dürfte. Dass die Antragstellerin die Geldmittel "zusammengebettelt" habe, erschien dem SG angesichts der in Rede stehenden erheblichen Summe nicht glaubhaft. Die Angaben der Antragstellerin zu ihrem Lebensunterhalt und dessen Finanzierbarkeit seien so widersprüchlich und unsubstantiiert, dass sie ungeeignet seien, ihre Hilfebedürftigkeit glaubhaft zu machen. Die Antragstellerin sei zumindest verpflichtet gewesen, die ihr durch Sammeln von Pfandflaschen oder Geldbettelei entstandenen, offenbar nicht unerheblichen Einkünfte beim Antragsgegner anzugeben, da diese als Einkommen berücksichtigt werden müssten. Da die Antragstellerin ihre Hilfebedürftigkeit nicht glaubhaft gemacht habe, bestehe kein Anspruch auf Regelleistung sowie Übernahme angemessener oder tatsächlicher Unterkunftskosten. Unabhängig von der Rechtmäßigkeit des Versagungsbescheides vom 10.11.2015 sei der Antrag daher abzulehnen gewesen.

Gegen den der Antragstellerin am 23.12.2015 zugestellten Beschluss des SG hat diese mit Schreiben vom 23.12.2015, eingegangen am 23.12.2015, Beschwerde beim Sächsischen Landessozialgericht erhoben. Sie "befinde sich nach wie vor intensiv auf der Suche nach einer lebensrettenden Wohnung". Sie sei bis an ihre gesundheitlichen Grenzen ausgelastet mit Gerichtsverfahren sowie Wegen und Besorgungsgängen, die durch die Wohnungslosigkeit verursacht würden.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 16.12.2015 aufzuheben und den Antragsgegner zur Zahlung von Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 399,00 EUR sowie Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 762,50 EUR monatlich und Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 01.11.2015 bis 30.04.2016 im Voraus zu verpflichten.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Über den Widerspruch vom 08.12.2015 gegen den Versagungsbescheid vom 10.11.2015 sei noch nicht entschieden worden. Der Antragsgegner habe Zweifel daran, dass man theoretisch und praktisch mit Betteln auch angemessene Kosten für Unterkunft erwirtschaften könne.

Dem Senat lagen die Verfahrensakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakten des Antragsgegners (Band I bis VIII) vor.

II.

Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist teilweise begründet. Daher ist der Beschluss des Sozialgerichts Dresden aufzuheben. Der Antragsgegner ist im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 04.04.2016 bis zur bestandskräftigen Abweisung des Widerspruchs gegen den Versagungsbescheid vom 10.11.2015, längstens bis 30.09.2016, in Höhe von monatlich 819,15 EUR zu bewilligen.

1. Die Beschwerde ist zulässig. Nach § 172 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist die gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte grundsätzlich zulässige Beschwerde nur dann ausgeschlossen, wenn in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Hauptsache der Zulassung der Berufung nach § 144 Abs. 1 SGG bedürfte. Danach bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Die Antragstellerin begehrt die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für jedenfalls sechs Monate (entsprechend dem Regelbewilligungszeitraum gemäß § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II) hinsichtlich Regelbedarf und Kosten der Unterkunft. Bereits der sechsmonatige Regelbedarf in Höhe von 2.414,00 EUR (jeweils 399,00 EUR für November bis Dezember 2015 und jeweils 404,00 EUR für Januar bis April 2016) überschreitet den Wert des Beschwerdegegenstandes in Höhe von 750,00 EUR. Die Berufung bedürfte daher keiner Zulassung nach § 144 Abs. 1 SGG, weshalb die Beschwerde nach § 172 Abs. 1, 3 SGG statthaft ist.

2. Die Beschwerde der Antragstellerin ist auch begründet. Die Antragstellerin hat einen Anspruch auf vorläufige Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II ab dem 04.04.2016. Der Antragsgegner ist insoweit verpflichtet, der Antragstellerin den Regelbedarf und auch die angemessenen Kosten der Unterkunft für den Zeitraum vom 04.04.2016 bis zum 30.09.2016 vorläufig zu zahlen.

Nach § 86b Abs. 2 S. 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 S. 2 SGG). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt grundsätzlich voraus, dass der Antragsteller das Bestehen eines zu sichernden Rechts (den so genannten Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (den so genannten Anordnungsgrund) glaubhaft macht, § 86 b Abs. 2 S. 4 SGG, § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO).

a) Der Anordnungsanspruch ist bezogen auf den Regelbedarf und die Bedarfe für Unterkunft und Heizung glaubhaft gemacht.

Die Antragstellerin ist nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II leistungsberechtigt. Sie hat das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II), sie ist erwerbsfähig im Sinne von § 8 Abs. 1 SGB II (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II), sie hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II) und sie ist auch hilfebedürftig (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II).

Die Antragstellerin hält sich seit der Zwangsräumung aus ihrer vorherigen Wohnung in der straße weiterhin in D auf, obwohl sie seit Januar 2013 als wohnungslos und nach unbekannt verzogen bei den Meldebehörden gilt. Nach der letzten Meldebescheinigung vom 05.11.2015 hat sie weiterhin keinen festen Wohnsitz. Durch die Vorlage der Quittungen der Zimmervermietung B und der weiteren Hotelquittungen hat sie aber hinreichend glaubhaft belegt, dass sie sich weiterhin in D aufhält, wenn auch ohne festen Wohnsitz. Entgegenstehende Anhaltspunkte sind nicht ersichtlich.

b) Zudem geht der Senat nach summarischer Beurteilung der Sach- und Rechtslage davon aus, dass die Antragstellerin auch hilfebedürftig im Sinne von § 9 SGB II ist. Hilfebedürftig ist danach, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

Die Antragstellerin hat als alleinstehende Person einen Regelbedarf von monatlich 399,00 EUR im Jahr 2015 und in Höhe von 404,00 EUR im Jahr 2016. Hinzu kommen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II die Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen, soweit diese angemessen sind. Die Antragstellerin hat aufgrund des fehlenden festen Wohnsitzes keine monatlich gleichbleibenden Mietkosten. Allerdings fallen auch bei ihr monatliche Kosten für die Unterbringung in Hotels und Pensionen, zuletzt nur noch über die Zimmervermietung B (seit 19.06.2015), an. Dort hat die Antragstellerin entsprechend der von ihr vorgelegten Quittungen und ihrer eigenen Angaben tägliche Kosten in Höhe von 25,00 EUR. Für einen durchschnittlichen 30tägigen Monat fallen bei ihr damit Kosten in Höhe von 750,00 EUR an. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden die tatsächlichen Aufwendungen aber nur anerkannt, soweit diese angemessen sind. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt sich dabei das Produkt Mietpreis zusammen aus angemessener Wohnfläche und Wohnstandard. Die tatsächlich anfallende Miete darf die abstrakt angemessene Mietobergrenze in dem räumlichen Bezirk, der den Vergleichsmaßstab bildet, nicht überschreiten. Der Senat nimmt insoweit Bezug auf seine Entscheidung zum "schlüssigen Konzept" der Landeshauptstadt D vom 19.12.2013 – L 7 AS 637/12 (bestätigt durch BSG, Urteil vom 18.11.2014 – B 4 AS 9/14 R, Rn. 15). Danach liegt die Angemessenheitsgrenze für einen Ein-Personen-Haushalt mit 45 m² bei einer Bruttokaltmiete (Grundmiete + Betriebskosten) in Höhe von 342,21 EUR (vgl. IWU Institut Wohnen und Umwelt, "Richtwerte für angemessene Kosten der Unterkunft nach SGB II und SGB XII in der Landeshauptstadt D 2015 und 2016" vom 28.11.2014). Hinzu kommen Heizkosten, die sich anhand des Bundesweiten Heizspiegels berechnen. Für das Abrechnungsjahr 2014, welches dem aktuellen Heizspiegel 2015 zugrunde liegt, beträgt der Durchschnittswert der Heizkosten (Durchschnitt aus Heizöl, Erdgas, Fernwärme – jeweils unter Berücksichtigung der Höchstwerte pro m² und Jahr) 19,45 EUR pro m² und Jahr. Für eine 45 m²-Wohnung liegt der Jahreswert der Heizkosten danach bei 875,25 EUR, umgerechnet auf den Monat somit bei 72,94 EUR.

Die Antragstellerin hat mithin einen monatlichen Bedarf in Höhe von 814,15 EUR im Jahr 2015 (399,00 EUR + 342,21 EUR + 72,94 EUR) und in Höhe von 819,15 EUR im Jahr 2016 (404,00 EUR + 342,21 EUR + 72,94 EUR). Diesem Bedarf steht weder berücksichtigungsfähiges Einkommen noch Vermögen gegenüber. Die Antragstellerin hat keine Einkünfte aus Erwerbstätigkeit und ihr fließen auch sonst keine Einnahmen zu. Zudem sind auf dem Girokonto der Antragstellerin lediglich geringfügige Eurobeträge vorhanden. Dementsprechend kann nach §§ 11, 12 SGB II weder Einkommen noch Vermögen angerechnet werden.

Dem steht auch nicht entgegen, dass die Antragstellerin nun angegeben hat, sie habe sich die hohen Kosten für die Unterkunft in den Hotels und Pensionen "zusammengebettelt". Aus diesen Angaben kann der Antragstellerin nicht unterstellt werden, sie sei nicht hilfebedürftig bzw. sie habe Einkommen oder Vermögen, mit welchem sie ihren Bedarf decken könne. Einkünfte, die die Antragstellerin möglicherweise aus Betteln auf der Straße erzielt, sind bislang in keiner Weise bezifferbar. Die Antragstellerin hat angegeben, sie müsse in der zweiten Monatshälfte 20 Stunden am Tag betteln, um ihre Unterkunfts- und Lebenshaltungskosten bestreiten zu können. Was sie innerhalb eines Monats an Einkünften aus dem Betteln bezieht, ist damit nicht klar und kann im Rahmen einer Folgenabwägung, die hier vorzunehmen ist, auch nicht einfach unterstellt werden.

Im Hinblick auf die Bedeutung der durch die Anspruchsvoraussetzung nach § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II betroffenen grundrechtlichen Belange der Antragstellerin - Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums - hält der Senat es deshalb für gerechtfertigt, im Wege einer Folgenabwägung, die die grundrechtlichen Belange der Antragstellerin, die existenzsichernde Leistungen begehrt, und das Interesse des Antragsgegners an einer Verhinderung einer rechtswidrigen Mittelvergabe berücksichtigt, zu entscheiden. Nach dieser Abwägung tritt das öffentliche Interesse des Antragsgegners, bei ungeklärter Sach- und Rechtslage keine finanziellen Aufwendungen an die Antragstellerin zu erbringen, hinter dem Interesse der Antragstellerin zurück, weil die hier streitigen existenzsichernde Leistungen - wie die des SGB II - nach ihrer Konzeption dazu dienen, eine gegenwärtige Notlage zu beseitigen. Die spätere, nachträgliche Erbringung von existenzsichernden Leistungen verfehlt insoweit ihren Zweck.

Der Antragstellerin drohen ohne einstweilige Anordnung schwerwiegende Nachteile, die durch ein Hauptsacheverfahren nicht mehr abgewendet werden könnten. Dabei begegnet es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage aufgrund einer summarischen Prüfung an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05). Allerdings sind die an die Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs und Anordnungsgrundes zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22.11.2002 – 1 BvR 1586/02, NJW 2003, 1236; Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05, NVwZ 2005, 927). Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher in Ansehung des sich aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) ergebenden Gebots der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie des grundrechtlich geschützten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz u.U. nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen; ist im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Güter- und Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers vorzunehmen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005, a.a.O., Rn.26; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.10.2005, L 7 SO 3804/05 ER-B und Beschluss vom 06.09.2007, L 7 AS 4008/07 ER-B; jeweils unter Verweis auf die Rechtsprechung des BVerfG).

Hier lässt sich im Eilverfahren nicht aufklären, ob und wieviel die Antragstellerin monatlich an "Einkünften aus Betteln erwirtschaftet". Allein die Behauptung, die das SG in seinem Beschluss vom 16.12.2015 aufstellt, sie habe offenbar genügend Geldmittel, um die nicht – durch gezahlte Regelbedarfe – abgedeckten Kosten für die Pensionsunterkunft abzudecken und zu begleichen, reicht nicht aus, die Hilfebedürftigkeit auszuschließen. Vielmehr ist im Rahmen der dargestellten Folgenabwägung davon auszugehen, dass die der Antragstellerin drohenden Nachteile bei Nichtleistung die dem Antragsgegner entstehenden Aufwendungen bei Leistung überwiegen. Ob die Kosten der Unterkunft durch Betteln erwirtschaftet werden können, spielt allein dann eine Rolle, wenn diese Einkünfte als Einkommen nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II berücksichtigt werden können, was eben nur dann möglich ist, wenn sie der Höhe nach verifizierbar feststehen. Dies bleibt weiteren Ermittlungen des Antragsgegners und ggf. einem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Dem Antragsgegner stehen hinsichtlich der Mitwirkung durch die Antragstellerin insoweit die Mittel der §§ 60, 66 SGB I offen.

c) Hinsichtlich der über die angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung hinausgehenden tatsächlichen Aufwendungen der Antragstellerin in geltend gemachter Höhe von 762,50 EUR monatlich (angemessen: 342,21 EUR + 72,94 EUR = 415,15 EUR) war der Antrag hingegen abzulehnen, da die Antragstellerin insoweit keinen Anordnungsanspruch hat. Die tatsächlichen Kosten sind nur dann übernahmefähig, wenn es der Antragstellerin unmöglich gewesen wäre, eine kostenangemessene Unterkunft in ihrem Wohnbereich anzumieten. Auch dazu lässt sich bei einer summarischen Prüfung im Eilverfahren – und unter Berücksichtigung des vorhandenen schlüssigen Konzepts der Landeshauptstadt D – lediglich feststellen, dass Wohnraum für eine einzelne Person in D ausreichend vorhanden ist (vgl. SächsLSG, Urteil vom 19.12.2013, a.a.O., Rn. 194 ff.). Dass es der Antragstellerin aufgrund der von ihr dargelegten Umstände unmöglich gewesen sein soll, eine Wohnung anzumieten, die den Angemessenheitskriterien des "schlüssigen Konzepts" der Stadt D entspricht, kann vom Senat nicht nachvollzogen werden. Möglicherweise hat die Antragstellerin zu hohe Anforderungen an eine für sie angemessene Wohnung gestellt. Beispielsweise kann der Umstand, dass eine Wohnung in der sechsten Etage ohne Lift liegt, nicht dazu führen, dass die Antragstellerin diese als für sie unangemessen ablehnt, weil sie meint, sie könne nur bis zur vierten Etage ohne Lift wohnen. Was die Antragstellerin darüber hinaus unter einem "unrenovierten Zustand" versteht, ist nicht nachvollziehbar. Andererseits ist auch nicht hinreichend belegt, dass die Antragstellerin keine entsprechende Wohnung mit angemessenen Kosten anmieten könnte. Letztlich ist auch dieser Umstand im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens zu klären. Vorläufig ist die Leistung in Höhe der nach dem "schlüssigen Konzept" angemessenen Bruttokaltmiete zuzüglich angemessener Heizkosten ausreichend, um den lebensnotwendigen Bedarf für Unterkunft zu decken.

d) Die Antragstellerin hat nur einen ab 04.04.2016 bestehenden Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Ein Anordnungsgrund besteht, wenn der Betroffene bei Abwarten bis zur Entscheidung der Hauptsache Gefahr laufen würde, seine Rechte nicht mehr realisieren zu können oder gegenwärtige schwere, unzumutbare, irreparable rechtliche oder wirtschaftliche Nachteile erlitte. Die individuelle Interessenlage des Betroffenen, unter Umständen auch unter Berücksichtigung der Interessen des Antragsgegners, der Allgemeinheit oder unmittelbar betroffener Dritter muss es unzumutbar erscheinen lassen, den bzw. die Betroffenen zur Durchsetzung seines Anspruchs auf das Hauptsacheverfahren zu verweisen (SächsLSG, Beschluss vom 08.11.2012 – L 7 AS 705/12 B ER).

In einem auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gerichteten Verfahren beurteilt sich das Vorliegen eines Anordnungsgrundes grundsätzlich nach dem Zeitpunkt, in dem das Gericht über den Antrag entscheidet. Im Beschwerdeverfahren ist dies grundsätzlich der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung (SächsLSG, Beschluss vom 23.09.2014 – L 7 AS 986/14 B ER; SächsLSG, Beschluss vom 08.11.2012 – L 7 AS 705/12 B ER). Soweit Leistungen für einen zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgelaufenen Zeitraum beansprucht werden, ist ein Anordnungsgrund regelmäßig gegeben (SächsLSG, Beschluss vom 08.11.2012 – L 7 AS 705/12 B ER).

Der Antragstellerin steht ein Anordnungsgrund erst ab 04.04.2016 zu. Wegen des Versagungsbescheides vom 10.11.2015 erhält sie derzeit keine Leistungen; Vermögen ist ebenso wenig vorhanden. Für einen früheren Zeitpunkt ist ein Anordnungsgrund allerdings nicht glaubhaft gemacht worden. Sofern Leistungen für einen zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung in der Vergangenheit liegenden Zeitraum geltend gemacht werden (hier: 01.11.2015 bis 03.04.2016), ist ein Anordnungsgrund nur dann zu bejahen, wenn noch ein gegenwärtiger schwerer unzumutbarer Nachteil besteht, der glaubhaft gemacht wird (SächsLSG, Beschluss vom 08.11.2012 – L 7 AS 705/12 B ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12.04.2006 – L 10 B 136/06 AS-ER). Grundsätzlich besteht ein Anordnungsgrund nicht für Leistungszeiträume vor Stellung des Antrags auf einstweilige Anordnung beim SG (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 04.05.2007 – L 13 AS 32/06 ER).

Einen fortbestehenden schweren unzumutbaren Nachteil aus der Nichtgewährung der Leistungen für den zum Zeitpunkt der Entscheidung in der Vergangenheit liegenden Zeitraum hat die Antragstellerin vorliegend nicht glaubhaft gemacht. Ein solcher ist gegeben, wenn ein besonderer Nachholbedarf besteht, d.h. wenn die Nichtgewährung der begehrten Leistungen in der Vergangenheit auch in Zukunft fortwirkt und weiterhin eine gegenwärtige, die einstweilige Anordnung rechtfertigende Notlage begründet (Phillip, NVWZ 1984, S.489; Knorr, DÖV 1981, Seite 79; Sächsisches OVG (SächsOVG), Beschluss vom 19.08.1993 – 2 S 183/93, SächsVBl. 1994, Seiten 114, 115; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 06.05.1980 – 8 B 1376/79, DÖV 1981, Seite 302). Dies kann gegeben sein, wenn die Antragstellerin zur Bestreitung ihres notwendigen Lebensunterhalts Verbindlichkeiten eingegangen ist, deren Tilgung unmittelbar bevorsteht (SächsLSG, Beschluss vom 21.01.2008 – L 2 B 621/07 AS-ER; SächsOVG, a.a.O.; OVG Nordrhein-Westfalen, a.a.O.; Phillip, a.a.O.; Knorr, a.a.O.). Es ist ferner denkbar, dass vorangegangene Einsparungen nachwirken (OVG Nordrhein-Westfalen, a.a.O.; SächsOVG, a.a.O.), beispielsweise wenn die Verweigerung der (darlehnsweisen) Bewilligung von Schülerbeförderung für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum zum gegenwärtigen Ausschluss des betroffenen Kindes von der Schülerbeförderung führt (SächsLSG, Beschluss vom 06.02.2008 – L 2 B 601/07 AS-ER).

Die Antragstellerin hat schon nicht behauptet Schulden zu haben. Vielmehr hat sie sich nach ihren Angaben die täglichen Kosten ihrer Unterkunft erbettelt. Ein Nachholbedarf ist damit nicht ersichtlich.

e) Hinsichtlich des "Wie" der einstweiligen Anordnung und damit auch deren zeitlichen Begrenzung ist dem entscheidenden Gericht ein Ermessen eingeräumt, § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 938 Abs. 1 ZPO. Die Verpflichtung durch einstweilige Anordnung darf aber nicht über die mögliche Verurteilung in einem Hauptsacheverfahren hinausgehen. Der Senat hat sich insoweit davon leiten lassen, dass nach § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II Leistungen jeweils für sechs Monate zu erbringen sind. Auf den Weiterbewilligungsantrag der Antragstellerin vom 25.09.2015 hat der Antragsgegner noch keinen Bescheid erlassen, also auch keinen Ablehnungsbescheid. Dass die Antragstellerin bereits einen weiteren Antrag gestellt hätte, lässt sich weder der Verwaltungsakte des Antragsgegners noch dessen Vortrag im einstweiligen Rechtsschutz- und Beschwerdeverfahren entnehmen. Damit ist die Bewilligung von Leistungen nicht – wie von der Antragstellerin beantragt – auf die Zeit bis 30.04.2016 zu begrenzen, sondern hat sich – ausgehend vom Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung – darauf zu beziehen, dass ab diesem Zeitpunkt Leistungen vorläufig zu bewilligen sind, damit die für die Antragstellerin bestehende gegenwärtige Notlage beseitigt werden kann.

f) Auch der Versagungsbescheid vom 10.11.2015 steht dem nicht entgegen. Es kann offen bleiben, ob der Versagungsbescheid rechtmäßig war, da über den Widerspruch der Antragstellerin vom 08.12.2015 gegen den Versagungsbescheid vom 10.11.2015 noch nicht entschieden wurde. Solange entfaltet der Widerspruch gegen den Versagungsbescheid aufschiebende Wirkung, da die Versagung nicht von § 39 SGB II erfasst wird. Nur für den Fall der bestandskräftig festgestellten Rechtmäßigkeit des Versagungsbescheides ist der Antragsgegner zunächst von der Leistungserbringung nach dem SGB II "befreit" bis die Antragstellerin die rechtmäßig geforderte Mitwirkungshandlung nach § 67 SGB I nachgeholt hat. Ob die Anordnung des persönlichen Erscheinens mit der Einladung vom 22.10.2015 den Anforderungen nach § 61 SGB I genügt oder ob damit bereits die Grenzen der Mitwirkung nach § 65 Abs. 1 SGB I überschritten sind, kann in diesem Verfahren offen bleiben. Es bleibt darauf hinzuweisen, dass sich die Antragstellerin bei Erstbeantragung von Leistungen nach dem SGB II im Jahr 2004 mit ihrem Personalausweis ausgewiesen hat und mangels entgegenstehender Hinweise auch nicht davon auszugehen sein wird, dass sie sich außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs im Sinne von § 7 Abs. 4a SGB II aufgehalten hätte. Welche Folgehandlung der Antragsgegner bei Erscheinen der Antragstellerin vorzunehmen gedachte, bleibt unklar. Die Ermessensentscheidung des Antragsgegners, die Antragstellerin insoweit persönlich erscheinen zu lassen (in Abgrenzung zum Meldetermin nach §§ 309, 310 Drittes Buch Sozialgesetzbuch [SGB III]), bedarf im noch zu erlassenden Widerspruchsbescheid einer Überprüfung.

3. Die Entscheidung über die Kosten folgt entsprechend des Obsiegens und Unterliegens aus § 193 SGG. Danach hat der Antragsgegner 819,15 EUR monatliche Leistungen vorläufig zu erbringen. Die Antragstellerin hatte hingegen 1.166,50 EUR gefordert und unterliegt demzufolge in Höhe von 3/10.

Der Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.

Dr. Anders Wagner Lang
Rechtskraft
Aus
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