L 6 VG 4549/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 4 VG 1922/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VG 4549/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Anschlussberufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 3. September 2014 teilweise aufgehoben und die Klage umfassend abgewiesen.

Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten zuletzt noch über die Höhe des Berufsschadensausgleiches.

Die 1979 geborene, mittlerweile verpartnerte Klägerin und selbst Mutter von 2013 geborenen Zwillingen, wuchs, bis sie 10 Jahre alt war, mit ihrer Mutter und deren Lebensgefährten H. R. (im Folgenden: R.) im Haus der Großeltern mütterlicherseits auf, wobei die Großmutter nach dem Tod des Großvaters im Jahre 1986 ihre Bezugsperson war. Anschließend zog die Klägerin mit ihrer Mutter und R. innerhalb der Wohngemeinde um. Ab dem 13. Lebensjahr hielt sie sich dort nur noch an den Wochenenden auf, ihren Lebensmittelpunkt hatte sie wieder zu ihrer Großmutter verlagert, zu der sie auch in der Zeit davor den Kontakt intensiv gepflegt hatte. Sie lebte dort bis zum Abschluss der Hauptschule im Jahre 1994. Anschließend zog sie wieder zu ihrer Mutter und besuchte die Haus- und Landwirtschaftsschule Bad Mergentheim, eine hauswirtschaftlich-sozialpädagogische Berufsfachschule, die sie 1996 mit der Durchschnittsnote 3,0 und der Berechtigung des Realschulabschlusses beendete. Im Mai 1996 kam sie in eine von der Jugendhilfe Creglingen e. V betreute Außenwohngruppe. Von 1996 bis 1997 leistete sie ein Vorpraktikum in einem Kindergarten ab.

Nachdem die Klägerin einen Tag nach ihrem 18. Geburtstag vormittags jeweils zehn Tabletten Lasix und Paracetamol sowie mehrere pflanzliche Kreislauftabletten eingenommen und deswegen am Abend erbrochen hatte, wurde sie im Caritas-Krankenhaus Bad Mergentheim stationär aufgenommen. Dr. H. diagnostizierte nach dem Entlassungsbericht eine Tablettenintoxikation in suizidaler Absicht (ICD-10 T96.3) und eine Borderline-Persönlichkeit. Am 14. April 1997 verließ sie eigenmächtig das Krankenhaus. Nach Verständigung der Polizei wurde sie von dieser aufgegriffen und in die Psychiatrische Abteilung des Kreiskrankenhauses Tauberbischofsheim verbracht. Dort wurden von dem Chefarzt Dr. L. der Verdacht auf eine Verhaltensstörung bei einem Zustand nach Suizidversuch (ICD-10 F44.0) und eine Essstörung (ICD-10 F50.0) diagnostiziert. Ab Juni 1997 bis September 2001 befand sich die Klägerin, mit Unterbrechung, in ambulanter psychotherapeutischer Behandlung bei der Fachärztin für Psychotherapeutische Medizin, Psychoanalyse, Dr. S., die eine Borderline-Persönlichkeitsstörung diagnostizierte. Die dem Krankheitsbild zugrunde liegenden schweren seelischen und körperlichen Vernachlässigungen und Traumatisierungen im häuslichen Bereich schon in frühester Kindheit ließen durch die damit verbundenen angstbedingten Abwehrmechanismen nur ganz allmählich eine kausale Bearbeitung zu. Die Klägerin habe das therapeutische Angebot nach ihren Möglichkeiten zuverlässig wahrgenommen und habe allmählich Vertrauen entwickeln können. Ein zweitägiger stationärer Aufenthalt im Caritas-Krankenhaus Bad Mergentheim im Januar 2000 erfolgte wegen der Einnahme von acht Tabletten O ... Dr. Haag diagnostizierte im Entlassungsbericht eine demonstrativ-appellative Tablettenintoxikation in nichtsuizidaler Absicht bei bestehender Konfliktsituation.

Auf Veranlassung ihres Hausarztes, dem Arzt für Allgemeinmedizin Dr. T., wurde die Klägerin aufgrund der von ihm gestellten Diagnosen "Angstneurotische Fehlhaltung mit depressivem Einschlag bei gestörter Primärpersönlichkeit, Spannungskopfschmerz, Migräne" von Ende August bis Mitte Dezember 2000 stationär in der Abteilung für Psychosomatik der Baar Klinik (heute: MediClin Klinik am Vogelsang) in Donaueschingen aufgenommen. Nach dem Entlassungsbericht von Dr. T. wurden eine rezidivierende depressive Störung mit gegenwärtig leichter Episode, soziale Ängste und eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Typ Borderline diagnostiziert. Die Klägerin habe berichtet, zur Mutter keinen Kontakt mehr zu haben. Diese sei aggressiv und überfordert, schlage und schreie nur, sei gefühlskalt, ichbezogen und geldgierig. Zu Hause sei es sehr schmutzig gewesen. Ihre Großmutter mütterlicherseits sei nett, aber gefühllos. Auch von ihr sei sie nie in den Arm genommen worden.

Bereits von 1997 an bis 2000 erlernte die Klägerin den Beruf der Haus- und Familienpflegerin, den sie von Februar bis August 2001 in einem Alten- und Pflegeheim ausübte. Diese Tätigkeit beendete sie, um den Beruf der Erzieherin zu erlernen. Die zweijährige schulische Ausbildung schloss sie im Jahre 2003 an der Katholischen Fachschule für Sozialpädagogik in Karlsruhe mit der Durchschnittsnote 1,7 ab. Das anschließende Berufspraktikum in einer Kindertagesstätte brach sie Ende September 2003 nach einem Monat ab, da sie Schwierigkeiten im Kontakt mit den Kindern gehabt haben soll. Im Dezember 2003 arbeitete sie wiederum als Familienpflegerin für einen Pflegedienst. Nach durch Tätigkeiten für Personalvermittlungsunternehmen unterbrochenen Zeiten der Arbeitslosigkeit erwarb sie im Sommer 2006 an der Beruflichen Schule Bretten in der hauswirtschaftlichen, landwirtschaftlichen und sozialpädagogischen Fachrichtung mit der Durchschnittsnote 3,5 die Fachhochschulreife für das Studium an Fachhochschulen in Baden-Württemberg.

Nach einer einjährigen beruflichen Rehabilitationsmaßnahme für eine berufliche Neuorientierung durch das Berufliche Trainingszentrum im Beruflichen Fortbildungszentrum der Bayerischen Wirtschaft gGmbH in Würzburg (bfz) von Mitte September 2006 bis Ende August 2007 führte sie, begleitet hierdurch, von September 2007 bis 28. Juli 2010 eine Umschulung zur Rechtsanwaltsfachangestellten in der Rechtsanwaltssozietät B. sowie St. und Kollegen in Wertheim und Lauda-Königshofen durch. Nach dem Abschlussbericht der Dipl.-Soz.päd. K. vom Beruflichen Trainingszentrum im bfz von September 2010 schloss die Klägerin die Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten erfolgreich ab. Intensive Unterstützung sei hierfür notwendig gewesen. Die Klägerin habe in all den Jahren durchaus kleine, sichtbare Fortschritte und Entwicklungen gemacht, die aber ohne enge und intensive Betreuung nicht möglich gewesen wären. Kognitiv verfüge die Klägerin über ein gutes Wissen. Wegen ihrer Biografie habe sie ein hohes Maß an Schädigung erlitten, welche andauere und sie ein Leben lang begleiten werde. Sie werde langfristig und dauerhaft auf Unterstützung und Begleitung angewiesen sein. Wegen ihrer Schädigung sei sie nicht in vollem Umfang arbeitsfähig und bedürfe weiterhin einer berufsfördernden Maßnahme. Eine traumatherapeutische Behandlung erscheine sinnvoll.

Ab 20. Juli 2010 war sie arbeitsunfähig erkrankt. Ein stundenweiser Arbeitsversuch beim Immobilienbüro St. in Tübingen ab Ende 2010 konnte im Januar 2011 nicht fortgesetzt werden. K. St. führte hierzu aus, eine weitere Zusammenarbeit sei wegen der Erkrankung der Klägerin, die sie daran hindere, sich mit anderen Personen in einem Raum aufzuhalten, nicht möglich. Die Klägerin hatte sich anfangs noch wegen eines Lohnkostenzuschusses beim Landratsamt Tübingen erkundigt. Noch bevor dieser bewilligt wurde, teilte die Klägerin den Abbruch des Arbeitsversuches mit.

Der leibliche Vater der Klägerin, wohl gelernter Maschinenschlosser und auch als Koch tätig gewesen, verunglückte noch vor ihrer Geburt tödlich im Straßenverkehr; möglicherweise erfolgte der Aufprall des von ihm gelenkten Kraftfahrzeuges auf einen Baum in suizidaler Absicht. Aus der Beziehung ihrer Mutter, die als Reinigungskraft tätig war, mit R. gingen fünf Kinder hervor. Außer S., der im 2. Lebensjahr, angeblich an einem Magen-Darm-Virus, verstarb, wobei als mitursächlich auch die verwahrlosten häuslichen Verhältnisse angesehen wurden, haben alle die Hauptschule besucht und bis auf B., welche auf die Realschule wechselte und die Mittlere Reife erreichte, auch abgeschlossen. B. begann eine Ausbildung zur Medizinischen Fachangestellten und strebt nach deren Beendigung die Erlangung der Allgemeinen Hochschulreife an. I. erlernte den Beruf des Verkäufers und war als Geschäftsführer für die Dänisches Bettenlager GmbH & Co. KG tätig. Nach den Angaben der Klägerin schloss er ebenfalls eine Mittelschulausbildung ab und will noch das Abitur machen. K., der vor der Hauptschule einen Kindergarten für Menschen mit Behinderung besuchte und anfangs auf die Sonderschule ging, ist mittlerweile als Lagerist tätig. J. erlernte den Beruf der Metzgereifachverkäuferin.

Am 19. Oktober 2001 beantragte die Klägerin die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (Opferentschädigungsgesetz - OEG) wegen Misshandlungen durch die Mutter und sexuellen Missbrauch durch R. Während ihrer gesamten Kindheit sei sie von ihrer Mutter psychisch und körperlich misshandelt worden und habe in einer verwahrlosten Wohnung aufwachsen müssen. Sie sei von R. bis zum Alter von 11 Jahren sexuell missbraucht worden; bis sie 15 Jahre alt gewesen sei, habe er sie noch sexuell bedrängt.

Das Amtsgericht Bad Mergentheim verurteilte R. wegen an der Klägerin 1990/1991 und 1994/1995 vorgenommener sexueller Handlungen neben einer Geldauflage zu einer Freiheitsstrafe von eineinhalb Jahren, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das Urteil wurde nach Rücknahme des Rechtsmittels rechtskräftig.

Auf Veranlassung des Beklagten erstattete Dr. M.-W. nach einer Untersuchung der Klägerin am 13. November 2002 ein nervenärztliches Gutachten, wonach eine chronische posttraumatische Belastungsreaktion, depressive Verstimmungszustände bei erheblichen sozialen Problemen und eine primäre Persönlichkeitsstörung diagnostiziert, der GdS mit 50 eingeschätzt und die Fortführung der Psychotherapie für notwendig erachtet wurden.

Auf der Grundlage der versorgungsärztlichen Einschätzung von Dr. H. von März 2003 stellte der Beklagte mit (Erstanerkennungs-)Bescheid vom 15. Mai 2003 gegenüber der Klägerin fest, dass die chronische posttraumatische Belastungsreaktion, die depressiven Verstimmungen und die Borderline-Persönlichkeit Folgen von vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffen in den Jahren 1990/1991 und 1994/1995 sind. Weiter wurde festgestellt, dass sie hierdurch in ihrer Erwerbsfähigkeit ab 1. Oktober 2001 um 50 vom Hundert (v. H.) gemindert ist. Ferner wurde dem Grunde nach Heilbehandlung gewährt. Die Voraussetzungen für die Bewilligung einkommensunabhängiger Leistungen wie Ausgleichsrente, Familienzuschlag und Berufsschadensausgleich seien nicht erfüllt. Unter teilweiser Rücknahme des Bescheides vom 15. Mai 2003 wurde mit Bescheid vom 6. Juli 2005 ein Recht der Klägerin auf Ausgleichsrente vom 1. Oktober 2001 bis 30. September 2003 in folgender monatlicher Höhe festgestellt: ab Oktober 2001 mit 680 DM, ab Januar 2002 mit 360 EUR, ab Juli 2002 mit 368 EUR sowie im Juli, August und September 2003 mit 372 EUR, 381 EUR und 105 EUR.

Zur Prüfung, ob eine von der Klägerin am 14. März 2007 geltend gemachte Verschlimmerung der anerkannten Schädigungsfolgen eingetrat, erstattete wiederum Dr. M.-W. für den Beklagten ein Gutachten, wonach angesichts der nach wie vor bestehenden erheblichen Schwierigkeiten, besonders in der beruflichen Entwicklung, ab Februar 2008 ein Grad der Schädigung (GdS) von 60 anzunehmen sei. Daraufhin stellte der Beklagte mit Bescheid vom 27. März 2008 den GdS mit 60 ab 1. Februar 2008 fest.

Dr. S. führte im Arztbericht von November 2008 aus, inzwischen bezeichne sie das Krankheitsbild der Klägerin aus psychotherapeutischer Sicht eher als schwere neurotische Depression mit Borderline-Persönlichkeitsanteilen. Ursächlich hierfür sei eine Kindheit voller Vernachlässigung, Missbrauch und Brüchen. Im Arztbericht von September 2009 teilte sie mit, bei überdurchschnittlicher Intelligenz, persönlichem Ehrgeiz und prinzipieller Leistungsbereitschaft sei die Klägerin in relativ stabilen Phasen durchaus vier Stunden täglich, unterteilt in Zwei-Stunden-Blöcke mit einer zwischenzeitlichen Pause, einsetzbar. Um ihrer erhöhten Irritierbarkeit durch zwischenmenschliche Kontakte, Nähe und Druck entgegenzukommen, wäre ein relativ ruhiger Arbeitsplatz mit Rückzugsmöglichkeit und ohne stärkeren Publikumsverkehr angebracht und ratsam, an dem sie in ihrem Tempo die Aufgaben erledigen könne. Sie sei auf eine vertrauensvolle Atmosphäre und Verständnis für ihre Labilität angewiesen. Unter solchen Bedingungen werde der Arbeitsplatz sogar einer weiteren Stabilisierung förderlich sein. Unter dieser Maßgabe sei sie im Beruf der "Rechtsanwaltsgehilfin" einsetzbar.

Nach einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in den Kliniken Schmieder in Gailingen vom 1. bis 20. Juli 2010 diagnostizierte der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Sch. im Entlassungsbericht eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung mit Schulter-, Kopf-, Rücken- und Gelenkschmerzen (ICD-10 F45.40), eine posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10 F43.1) und eine gemischte Angststörung (ICD-10 F41.3). Der Aufenthalt habe der Beurteilung gedient, ob trotz der bestehenden Störung ein verwertbares Leistungsbild auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vorhanden sei. Aufgrund der Verhaltensbeobachtung im Milieu und während der Berufstherapie sei derzeit kein verwertbares Leistungsbild für den allgemeinen Arbeitsmarkt vorhanden, wobei betont werden müsse, dass keine kognitiven Einschränkungen vorhanden seien. Die Einbußen im Leistungsbild hätten ihre Ursache in einem massiv gestörten Sozialverhalten mit Problemen in der Interaktion. Diese seien auf eine hohe Anspannung im zwischenmenschlichen Kontakt zurückzuführen, welche im Zusammenhang mit den erlittenen Traumata zu sehen sei. Die Klägerin sei wegen ihrer posttraumatischen Belastungsstörung bisher noch keiner spezifischen Behandlung zugeführt worden. Sie befinde sich bereits seit etwa zehn Jahren in ambulanter Psychotherapie, wobei in deren Rahmen, aus medizinisch therapeutischen Gründen nachvollziehbar, nicht an den Traumata gearbeitet worden sei. Vermutlich sei angenommen worden, deren Bearbeitung würde zu einer erheblichen Destabilisierung beitragen. Die Klägerin sollte nun aber einer stationären, spezifischen Traumatherapie zugeführt werden. Diesbezüglich zeige sie sich in hohem Maße motiviert und habe sich bereits Adressen von Kliniken mit entsprechendem Leistungsspektrum besorgt. Sie sei am 20. Juli 2010 für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt als arbeitsunfähig, für den Ausbildungsberuf hingegen als arbeitsfähig entlassen worden.

Im Psychotherapeutischen Zentrum der Kitzberg-Klinik in Bad Mergentheim wurde die Klägerin ab 28. April 2011 psychotherapeutisch behandelt. Der stationäre Aufenthalt wurde nach dem Entlassungsbericht des Ärztlichen Direktors Prof. Dr. P. am 1. Juni 2011 beendet, da die Klägerin die stationäre Behandlung als sehr belastend empfunden und von zunehmendem inneren Druck, auch Selbstverletzungsdruck, berichtet habe. Es sei der gemeinsame Entschluss gefasst worden, die stationäre Behandlung nicht fortzuführen. Es seien eine komplexe posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10 F43.1), der Verdacht auf eine kombinierte Persönlichkeitsstörung (ICD-10 F61.0), der Verdacht auf eine Essstörung (ICD-10 F50.9), eine Migräne (ICD-10 G43.0) und polyzystische Ovarien (ICD-10 E28.2) diagnostiziert worden. Bei Therapiebeginn sei vorgesehen gewesen, die Klägerin im stationären Setting mit einem 4-phasigen Psychotherapiekonzept zu behandeln.

Am 20. September 2010 stellte die Klägerin ausdrücklich einen Antrag auf Gewährung eines Berufsschadensausgleiches. Im Antragsformular danach gefragt, wie der berufliche Werdegang ohne die Schädigung verlaufen wäre, führte sie einen Intelligenzquotienten (IQ) von 130 an. Es sei schwer zu sagen, welchen Weg sie ohne die Schädigung eingeschlagen hätte, da diese bereits vor Grundschulbeginn erfolgt sei. Sie hätte gerne Jura oder Sozialpädagogik studiert. Allerdings habe sie bereits bei den Ausbildungen große Probleme mit der Klassengröße und Mitschülern sowie wegen Konzentrationsschwierigkeiten und körperlichen Schmerzen in Form von Migräne, Übelkeit und Verspannungen gehabt.

Die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg lehnte unterdessen mit Bescheid vom 27. April 2011 die Feststellung eines Rechts auf Erwerbsminderungsrente ab, da die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt sei.

Mit Bescheid vom 8. März 2012, welcher durch das Schreiben vom 17. April 2012 berichtigt wurde, stellte der Beklagte, unter Anerkennung einer besonderen beruflichen Betroffenheit, den GdS mit 70 ab 1. Februar 2011 fest. Mit weiterem Bescheid vom 8. März 2012 stellte der Beklagte zum einen ein Recht der Klägerin auf Ausgleichsrente im Juni 2011 in Höhe von 479 EUR und ab dem Folgemonat in Höhe von monatlich 484 EUR fest; zum anderen gewährte er ihr damit einen Berufsschadensausgleich für Juni 2011 in Höhe von 799 EUR und ab dem Folgemonat in Höhe von monatlich 805 EUR. Für die Berechnung des Berufsschadensausgleiches legte der Beklagte das Durchschnittseinkommen der Besoldungsgruppe A 7, DA 9 mit Stellenzulage, zugrunde; er orientierte sich am Abschluss einer Mittelschulausbildung ("Mittlere Reife") und daher aus seiner Sicht am Durchschnittseinkommen von Beamtinnen und Beamten im Mittleren Dienst.

Mit ihrem Widerspruch erhob die Klägerin Einwände gegen den festgestellten Beginn der Gewährung des Berufsschadensausgleiches und der Ausgleichsrente sowie die Berechnung des Berufsschadensausgleiches unter Berücksichtigung eines Durchschnittseinkommens, welches ohne Schädigungsfolgen an einer vermuteten Mittelschulausbildung anknüpfe. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 2012 zurückgewiesen.

Hiergegen hat die Klägerin am 16. Juli 2012 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Während des erstinstanzlichen Verfahrens hat der Beklagte mit Bescheid vom 15. Oktober 2012 ab September 2012 unter anderem das Recht auf Berufsschadensausgleich in Höhe von monatlich 929 EUR festgestellt.

In einer am 27. November 2013 anberaumten mündlichen Verhandlung hat die Klägerin ein Attest des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Z. von November 2013 vorgelegt, wonach diese bei ihm seit Ende November 2008 in ambulanter psychiatrischer Behandlung sei. Ihre kognitiven Fähigkeiten, insbesondere ihre Fähigkeit, theoretische und konkrete Problemstellungen zu erfassen, sowie ihr planerisches Denkvermögen seien überdurchschnittlich. Sie erfasse Alltagssituationen gut und finde angemessene Lösungen. Das belege auch ein Intelligenztest aus dem Jahre 2007. Ohne die traumatisierenden Erlebnisse und ihre Folgen hätte die Klägerin ohne Zweifel ein Hochschulstudium absolvieren und eine akademische Laufbahn einschlagen können. Des Weiteren hat sie die Auskunft der Dipl.-Psych. G. vom Beruflichen Trainingszentrum im bfz von Dezember 2013 vorgelegt, nach der mit dem Hamburg-Wechsler-Intelligenztest für Erwachsene (HAWIE-R) im Februar 2007 ein IQ von 122 gemessen worden sei. Die Klägerin liege mit diesem Ergebnis im oberen Bereich ihrer Altersgruppe. Lediglich 4 % der Gleichaltrigen erbrächten gleich gute oder bessere Leistungen. Bei Berücksichtigung der Messungsungenauigkeit des Verfahrens dürfte der IQ mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 % zwischen 114 und 130 liegen. Daher sei die intellektuelle Leistungsfähigkeit als hoch bis extrem hoch zu bezeichnen. Die intellektuellen Fähigkeiten, ein Studium zu absolvieren, seien demnach gegeben. Das SG hat den Rechtsstreit daraufhin vertagt.

Die Klägerin hat noch ein Schreiben der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg von Februar 2014 vorgelegt. Danach ist an der Festlegung des Leistungsfalles mit dem Eintritt in das Erwerbsleben festgehalten worden. Die von ihr zugrunde gelegte Diagnose "anlagebedingte Persönlichkeitsstörung" bedeute, dass die Erkrankung mit den Erlebnissen in der Kinder- oder Jugendzeit zusammenhänge, nicht dass es sich um eine angeborene Erkrankung handele.

Das SG hat schließlich den Beklagten, mit Einverständnis der Beteiligten ohne erneute mündliche Verhandlung, mit Urteil vom 3. September 2014 unter Abänderung der angefochtenen Verwaltungsentscheidung verurteilt, der Klägerin ab 1. Juni 2011 den Berufsschadensausgleich "mit dem Ansatz eines Durchschnittseinkommens unter Eingruppierung bei vermutlichem Erzielen der Reifeprüfung" zu gewähren, und die Klage im Übrigen abgewiesen.

Gegen das ihrer vorherigen Bevollmächtigten am 6. Oktober 2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 28. Oktober 2014 beim SG Berufung eingelegt und im Berufungsverfahren eine Bescheinigung von Prof. Dr. P. übersandt, wonach die stationäre Psychotherapie im Jahre 2011 eine medizinische Behandlungsmaßnahme und keine berufliche Rehabilitation gewesen sei, weshalb die Kosten auch von der AOK Baden-Württemberg übernommen worden seien.

Auf Anfrage des Berichterstatters hat die Dipl.-Psych. G. im Juli 2015 telefonisch mitgeteilt, der im Jahre 2007 durchgeführte Intelligenztest sei mittlerweile gelöscht worden. Die AOK Baden-Württemberg hat auf Nachfrage kundgetan, die stationäre medizinische Rehabilitation vom 28. April bis 1. Juni 2011 sei nach § 40 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) durchgeführt und entsprechend abgerechnet worden.

In einer nichtöffentlichen Sitzung am 17. Juli 2015 hat der Berichterstatter einen Vergleichsvorschlag unterbreitet, wonach, über das teilweise zusprechende erstinstanzliche Urteil hinaus, der Beklagte ein Recht der Klägerin auf Berufsschadensausgleich und Ausgleichsrente bereits ab 1. August 2010 feststellt. Diesem Vorschlag ist die Klägerin nicht nähergetreten. Der Beklagte hat daraufhin am 22. Juli 2015 Anschlussberufung eingelegt.

In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin ihr Begehren, den Beklagten zu verurteilen, ihr Berufsschadensausgleich und Ausgleichsrente bereits ab 1. Juli 2010 zu gewähren, nicht mehr weiterverfolgt.

Die Klägerin hat im Wesentlichen vorgetragen, gemäß § 7 Berufsschadensausgleichsverordnung (BSchAV) sei in erster Linie auf ihre Veranlagung und Fähigkeiten abzustellen, erst hilfsweise auf die berufliche und soziale Stellung der Eltern und der sonstigen Lebensverhältnisse. Sie verfüge über einen hohen IQ und besitze zahlreiche Fähigkeiten, welche sich insbesondere darin manifestierten, dass es ihr trotz ihrer erheblichen Traumatisierung und Sozialphobie gelungen sei, drei verschiedene Berufsabschlüsse zu erreichen; zuletzt habe sie die Ausbildung zum ehrenamtlichen Einzelvormund für Pflegekinder absolviert. Nebenher sei sie in Baden-Württemberg Landesvorsitzende der Familien-Partei Deutschlands. Geschwister würden in der Norm nicht genannt. Das Bundessozialgericht stelle hierauf zwar entgegen des Gesetzeswortlautes und unter Verletzung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) ab. Vorliegend sei dies jedoch schon nicht möglich. Sie habe nur Halbgeschwister. Eine Vergleichbarkeit mit Geschwistern, bei denen beide Elternteile identisch seien, bestehe gerade nicht. Ihre Halbgeschwister hätten auch eine andere Erziehung genossen als sie. Sie sei über einen Zeitraum von mindestens elf Jahren hinweg sexuell missbraucht worden. Wegen ihrer starken Dissoziationen seien indes nur zwei Tatkomplexe nachweisbar gewesen und zur Verurteilung gekommen. Sie sei Ende Mai 1996 ins Heim gekommen, um dem sexuellen Missbrauch und den Misshandlungen der Familie zu entgehen. Von da ab habe sie sich wegen ihrer psychischen Probleme in ärztlicher und pädagogischer Betreuung befunden. Ihre damalige Erzieherin könne bestätigen, dass der Berufswunsch der Erzieherin wegen des von ihr damals erworbenen Bildungsabschlusses bestanden habe, sie gleichwohl bereits zum damaligen Zeitpunkt gerne einen bildungsmäßig höhergestellten Beruf erreicht hätte. Der Beklagte übersehe, dass sie mit dem Beruf der Erzieherin und dem Erwerb der Fachhochschulreife ein Fachhochschulstudium der Sozialpädagogik hätte aufnehmen können, so ihr der Besuch der Fachhochschule möglich gewesen wäre. Anders als im Entlassungsbericht der Baar Klinik ausgeführt, habe sie keine Schwierigkeiten gehabt, sich Kindern gegenüber zu öffnen, sondern im Gegenteil Erwachsenen. Ihre Lebenspartnerin könne zudem bestätigen, dass sie, selbst nachdem sie bereits Berufsschadensausgleich erhalten habe, den Wunsch nach dem Erwerb der Allgemeinen Hochschulreife mittels Fernschule geäußert habe. Dies sei ihrer Familie derzeit aber finanziell nicht möglich, da zwei kleine Kinder zu versorgen seien und auch ihre Schwester noch Unterstützung benötige. Hätte sie überdies der Beklagte im Jahre 2006 nicht falsch beraten, sondern sie dabei unterstützt, zumindest die Allgemeine Hochschulreife zu erlangen, hätte sie vermutlich einen höheren Bildungsabschluss erreicht.

Die Klägerin beantragt zuletzt noch,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 3. September 2014 sowie den Bescheid vom 8. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juni 2012 in der Fassung der Bescheide vom 15. Oktober 2012, 20. Juni 2013, 20. Juni 2014 und 22. Juni 2015 teilweise aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr höheren Berufsschadensausgleich nach Besoldungsgruppe A 13 zu gewähren sowie die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 3. September 2014 teilweise aufzuheben und die Klage umfassend abzuweisen sowie die Berufung zurückzuweisen.

Er hat zuletzt noch vorgetragen, es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin ohne die Schädigung die Allgemeine Hochschulreife erlangt hätte. Es sei eine Prognose zu treffen, wie der schulische und berufliche Werdegang ohne die Schädigung gewesen wäre. Der sexuelle Missbrauch habe nach dem Erstanerkennungsbescheid in den Jahren 1990/1991 und 1994/1995 stattgefunden. Nach dem Hauptschulabschluss im Jahre 1994 habe die Klägerin die hauswirtschaftlich-sozialpädagogische Berufsfachschule besucht, die sie 1996 unter Einbeziehung der Mittleren Reife abgeschlossen habe. Nach Beendigung der Schule Ende Mai 1996 sei sie in eine Außenwohngruppe gekommen. Sie habe dann entsprechend dem schon eingeschlagenen hauswirtschaftlich-sozialpädagogischen Berufszweig als Vorpraktikantin in einem Kindergarten gearbeitet. Erstmals im April 1997 seien dann ärztliche Behandlungen wegen der Schädigungsfolgen aktenkundig. Auch nach 1997 habe die Klägerin das Berufsziel der Erzieherin trotz der Schädigungsfolgen weiterverfolgt, was sich aus dem Entlassungsbericht der Baar Klinik ergebe. Prognostisch sei folglich davon auszugehen, dass die Klägerin ohne die Schädigungsfolgen den Beruf der Erzieherin gewählt hätte. Mit dem Abschluss der Erzieherschule, der Fachschule für Sozialpädagogik im Jahre 2003, habe sie dann auch die Fachhochschulreife erlangt, nicht jedoch die Allgemeine Hochschulreife. Tatsächlich habe die Klägerin von 1997 bis 2000 die Ausbildung als Haus- und Familienpflegerin absolviert. Dieser Beruf sei wie derjenige als Rechtsanwaltsfachangestellte als Ausweichberuf anzusehen. Alternativ hätte die Klägerin innerhalb des eingeschlagenen hauswirtschaftlich-sozialpädagogischen Bereiches auch den Beruf der Altenpflegerin gewählt, wie sich aus dem Gutachten von Dr. M.-W. aus dem Jahre 2008 ergebe. Für diesen Beruf wäre ebenfalls keine Allgemeine Hochschulreife erforderlich gewesen. Der Besuch eines hauswirtschaftlich-sozialpädagogischen Gymnasiums sei für die vermutlichen Berufsziele der Klägerin nicht erforderlich gewesen. Es habe somit lediglich eine theoretische Möglichkeit bestanden, dass die Klägerin ohne die Schädigungsfolgen noch ein Gymnasium besucht hätte. Es sei nicht ausreichend, worauf das SG abgestellt habe, dass sich die Klägerin wegen ihrer überdurchschnittlichen Intelligenz bis zur Allgemeinen Hochschulreife hätte steigern können. Es müssten tatsächliche Hinweise vorliegen, dass dies beabsichtigt gewesen sei, woran es vorliegend mangele. Dass die Klägerin ohne die Schädigungsfolgen nach Mai 1996 eine weitere allgemeinbildende Schule in Form eines Gymnasiums besucht hätte, sei auch unter Berücksichtigung des Elternhauses wenig wahrscheinlich. Die Klägerin habe sich im Jahre 1996 bereits beruflich orientiert gehabt. Soweit die Klägerin auf zahlreiche ehrenamtliche Tätigkeiten hinweise, bestehe kein Zusammenhang mit der Schulbildung. Denn trotz guter Schulnoten, hohem IQ und fehlenden kognitiven Einschränkungen habe die Klägerin nie einen Versuch unternommen, die Allgemeine Hochschulreife zu erwerben. Daher könne schon gar nicht davon ausgegangen werden, dass sie eine Hochschulausbildung abgeschlossen hätte.

Der Berufsschadensausgleich ist aufgrund verschiedener Anpassungsverordnungen (AnpV) mit Bescheiden vom 20. Juni 2013 (19. KOV-AnpV), 20. Juni 2014 (20. KOV-AnpV) und 22. Juni 2015 (21. KOV-AnpV) wie folgt angehoben worden: ab Juli 2013 in Höhe von monatlich 932 EUR, ab Juli 2014 in Höhe von monatlich 944 EUR und ab Juli 2015 in Höhe von monatlich 958 EUR. Die Klägerin bezieht damit, unter weiterer Berücksichtigung der Beschädigtengrundrente von 426 EUR, der Ausgleichsrente von 515 EUR und des Ehegattenzuschlages von 77 EUR, aktuell monatliche Versorgungsbezüge in Höhe von insgesamt 1.976 EUR.

Bereits seit 2010 ist die Klägerin Landtagskandidatin der Familien-Partei in Baden-Württemberg und deren Landesvorsitzende, hat von November 2013 bis Dezember 2014 eine Zusatzausbildung zur ehrenamtlichen Beistandsbegleiterin erfolgreich abgeschlossen. Sie hat zahlreiche Seminare über Presse- und Parteiarbeit besucht sowie zur Vorbereitung auf die Betreuung von Pflegekindern. Seit 2013 lebt sie in eingetragener Lebensgemeinschaft und ist im selben Jahr Mutter von Zwillingen geworden, die sie betreut. Sie leitet eine Krabbelgruppe und die Abteilung Kinderturnen des SV Tübingen-Hirschau. Außerdem ist sie bei drei Seminaren Dozentin bei der Pflegeelternschule zum Thema Opferentschädigung gewesen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und auf die Verwaltungsakte des Beklagten (5 Bände) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist form- und am 28. Oktober 2014 beim SG fristgerecht (§ 151 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG) eingelegt worden sowie im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§§ 143, 144 Abs. 1 SGG), aber unbegründet. Das SG hat die als kombinierte (Teil-)Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG, vgl. zur Klageart Bayerisches LSG, Urteil vom 26. April 2012 - L 15 VS 2/06 -, juris, Rz. 37) zulässige Klage zu Recht abgewiesen, soweit die Klägerin mit ihr die Gewährung des Berufsschadensausgleiches nach Besoldungsgruppe A 13 verfolgt hat. Die Klägerin hat keinen Anspruch hierauf. Die insoweit angefochtene und mit Bescheid vom 8. März 2012 getroffene Verwaltungsentscheidung ist rechtmäßig und verletzt sie nicht in ihren Rechten. Dies gilt darüber hinaus aber auch, soweit der Beklagte bei der Berechnung des Berufsschadensausgleiches die Besoldungsgruppe A 7 zugrunde gelegt hat und nicht, wie von der Klägerin sinngemäß als Minus begehrt worden ist, die Besoldungsgruppe A 10 herangezogen hat. Demzufolge hätte das SG der Klage nicht teilweise stattgeben dürfen, sondern sie umfassend abweisen müssen. Daher ist die zulässige unselbstständige Anschlussberufung des Beklagten - eine eigenständige Berufung wäre wegen Versäumung der Berufungsfrist des § 151 Abs. 1 SGG unzulässig - im Sinne des § 202 SGG in Verbindung mit § 524 Zivilprozessordnung (vgl. zu den Voraussetzungen Leitherer, in M.-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Aufl. 2014, § 143 Rz. 5 ff.), die sich auf denselben Streitgegenstand wie die Hauptberufung bezieht und für die ohnehin keine Beschwer erforderlich wäre (ständige Rspr., vgl. BSG, Urteil vom 23. Februar 1966 - 2 RU 103/65 -, BSGE 24, 247 (249)), begründet.

Gegenstand der Klage ist zuletzt noch ein Anspruch auf Gewährung des Berufsschadensausgleiches nach einer höheren Besoldungsgruppe als A 7, nach dem Begehren der Klägerin A 13 (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18. September 2009 - L 8 U 5884/08 -, juris, Rz. 32 ff. zu einer Teilrücknahme der Klage durch spätere Antragsbeschränkung). Diesem Anspruch steht der Bescheid vom 8. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juni 2012 entgegen, mit dem die Höhe des Berufsschadensausgleiches lediglich nach der Besoldungsgruppe A 7 berechnet wurde. Gegenstand des Verfahrens werden auch die während des Rechtsstreites ergangenen Verwaltungsakte (§ 86, § 96 Abs. 1, § 153 Abs. 1 SGG), soweit sie die streitige Höhe des Berufsschadensausgleiches betreffen (vgl. BSG, Urteil vom 28. April 2005 - B 9a/9 VJ 1/04 R -, juris, Rz. 17), also der Änderungsbescheid vom 15. Oktober 2012 sowie die Anpassungsbescheide vom 20. Juni 2013, 20. Juni 2014 und 22. Juni 2015. Der Streitgegenstand konnte von der Klägerin hierauf begrenzt werden (vgl. auch Bayerisches LSG, Urteil vom 26. April 2012 - L 15 VS 2/06 -, juris, Rz. 37 f.).

Kann wie vorliegend dem Grunde nach Berufsschadensausgleich verlangt werden, ergeben sich die konkreten Berechnungsmodalitäten aus § 30 Bundesversorgungsgesetz (BVG). Die ab 1. Juli 2011 geltende Neuordnung des Berufsschadensausgleiches (vgl. Gesetz zur Änderung des BVG und anderer Vorschriften vom 20. Juni 2011, BGBl I S. 1114), insbesondere die grundlegend reformierten Vorschriften des § 30 Abs. 5 BVG und der neugefassten Verordnung zur Durchführung des § 30 Abs. 3 bis 12 und des § 40 a Abs. 1 und 5 des BVG - BSchAV - vom 28. Juni 2011 (BGBl. I S. 1273) gelten jedoch nur für solche Fälle, in denen erstmalig nach dem 30. Juni 2011 ein Berufsschadensausgleich beantragt worden ist (Senatsurteil vom 24. Mai 2012 - L 6 VU 6/10; Dau, in Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 2012, § 30 BVG Rz. 49). Die Klägerin beantragte die Gewährung von Beschädigtenversorgung, also nach Auslegung auch einen Berufsschadensausgleich, demgegenüber bereits am 19. Oktober 2001. Bei dem Schreiben der Klägerin vom 14. September 2010, welches beim Beklagten am 20. September 2010 einging, handelte es sich lediglich um die ausdrückliche Benennung ihres bereits zuvor angebrachten Begehrens.

Entgegen der Auffassung der Klägerin hat der Beklagte ihren Berufsschadensausgleich zutreffend nach der Besoldungsgruppe A 7 berechnet. Maßgebliche Rechtsgrundlage ist § 1 OEG in Verbindung mit § 30 Abs. 3 BVG in der am 1. Juli 1990 in Kraft getretenen Fassung des Gesetzes vom 23. März 1990 (BGBl I 582), geändert durch das Gesetz vom 26. Juni 1990 (BGBl I S. 1211). Danach erhalten rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 v. H. des auf volle Deutsche Mark - gemäß § 66a Abs. 1 und 2 BVG in der Fassung von Art. 55 des Gesetzes zur Einführung des Euro im Sozial- und Arbeitsrecht sowie zur Änderung anderer Vorschriften vom 21. Dezember 2000 (BGBl I S. 1983) nunmehr Euro - nach oben abgerundeten Einkommensverlustes (Absatz 4) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach Absatz 6.

Die Wendung "nach Anwendung des Absatzes 2" kennzeichnet das Nebeneinander der gemäß § 30 Abs. 2 BVG wegen besonderer beruflicher Betroffenheit erhöhten Grundrente und des nach § 30 Abs. 3 BVG zu gewährenden Berufsschadensausgleiches (vgl. hierzu und zum Folgenden BSG, Urteil vom 28. April 2005 - B 9a/9 VJ 1/04 R -, juris, Rz. 20). Beide Formen der Entschädigung besonderer beruflicher Folgen stehen in einem inneren Zusammenhang. Durch die Anwendung des § 30 Abs. 2 BVG können berufliche Schäden ausgeglichen werden, die vom Berufsschadensausgleich nicht erfasst werden; der "besonderen beruflichen Betroffenheit" kommt vor diesem Hintergrund die Bedeutung einer Härtevorschrift zu (BSG, Urteil vom 18. Oktober 1995 - 9 RV 18/94 -, SozR 3-3100 § 30 Nr. 14, S. 26, 29), nach der - allerdings auch nur ausnahmsweise - individuelle berufliche Belastungen zur Erhöhung der festgestellten Minderung der Erwerbsfähigkeit führen können. Der Berufsschadensausgleich ist auch dann zu zahlen, wenn - anders als im Falle der Klägerin - die Voraussetzungen nach § 30 Abs. 2 BVG nicht erfüllt werden (vgl. BSG, Urteil vom 31. März 1969 - 9 RV 730/67 -, BSGE 29, 208 (211 ff.)); ebenso kann - wie hier - ein allerdings modifizierter Berufsschadensausgleich neben der Grundrentenerhöhung wegen besonderer beruflicher Betroffenheit stehen.

Die Berechnung des Berufsschadensausgleiches in Höhe von 42,5 v. H. des Einkommensverlustes folgt vorliegend den Regelungen in § 30 Abs. 4 BVG. Die gesetzliche Alternative, einen Berufsschadensausgleich nach § 30 Abs. 6 BVG zu gewähren, kommt nach dem Wortlaut nur in Betracht, "falls dies günstiger ist"; der einschlägige "Nettovergleich" ist indessen im Falle der Klägerin nicht günstiger.

Einkommensverlust ist gemäß § 30 Abs. 4 Satz 1 BVG der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Letzteres errechnet sich gemäß § 30 Abs. 5 Satz 1 BVG nach dessen Sätzen 2 bis 6 aus dem monatlichen Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe, der der Beschädigte ohne die Schädigung nach seinen Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten und dem bisher betätigten Arbeits- und Ausbildungswillen wahrscheinlich angehört hätte. Durch die Bezugnahme auf ein "Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe" kommt bereits deutlich eine gesetzliche Vorgabe zur Pauschalierung bei der Feststellung des Vergleichseinkommens zum Ausdruck (BSG, Urteil vom 28. April 2005 - B 9a/9 VJ 1/04 R -, juris, Rz. 23).

§ 30 Abs. 14 Buchst. a BVG ermächtigt die Bundesregierung, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen, welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist. Die auf dieser Ermächtigungsgrundlage erlassene BSchAV in der Fassung der Ersten Verordnung zur Änderung der BSchAV vom 16. Januar 1991 (BGBl I S. 136) verweist in ihrem § 2 Abs. 1 Satz 2 für die Ermittlung des Durchschnittseinkommens auf § 7 BSchAV, wenn die Schädigung vor Abschluss der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung eingetreten ist. Im Falle der Klägerin ist die Schädigung durch die anerkannten Angriffshandlungen in den Jahren 1990/91 und 1994/95 bereits vor Abschluss der Schulausbildung eingetreten, selbst wenn auf den Abschluss der Haus- und Landwirtschaftsschule Bad Mergentheim mit Berechtigung des Realschulabschlusses im Jahre 1996 abgestellt wird und nicht auf den Erwerb der Fachhochschulreife für das Studium an Fachhochschulen in Baden-Württemberg an der Beruflichen Schule in Bretten im Jahre 2006.

Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BSchAV in der Fassung der Ersten Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Durchführung des § 30 Abs. 3 bis 5 BVG vom 29. Juni 1984 (BGBl I S. 858) ist das Durchschnittseinkommen nach den Besoldungsgruppen des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) zu ermitteln, wenn Beschädigte infolge einer vor Abschluss der Schulausbildung erlittenen Schädigung in ihrem beruflichen Werdegang behindert sind. Hierbei handelt es sich um eine von den allgemeinen Einstufungsregeln abweichende Sondervorschrift, die, wenn wie vorliegend ihre Anwendbarkeit feststeht, als abschließende Regelung allein maßgeblich bleibt (BSG, Urteil vom 29. Juli 1998 - B 9 V 14/97 R -, SozR 3-3642 § 7 Nr. 1, S. 3). Die Eingruppierung ist gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 BSchAV nach ihrer Veranlagung und ihren Fähigkeiten, hilfsweise auch unter Berücksichtigung der beruflichen und sozialen Stellung ihrer Eltern und sonstiger Lebensverhältnisse der Beschädigten, vorzunehmen. Durchschnittseinkommen ist nach § 7 Abs. 1 Satz 3 BSchAV zumindest das Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 5, vom vollendeten 45. Lebensjahr an A 6 des BBesG zuzüglich des Ortszuschlages nach Stufe 2 (Anlage V), bei vermutlichem Abschluss einer Mittelschul- oder gleichwertigen Schulausbildung das in § 4 Abs. 1 für Beamtinnen und Beamte des mittleren Dienstes bestimmte Durchschnittseinkommen, bei einer höheren oder gleichwertigen Schulausbildung (Reifeprüfung) das in § 4 Abs. 1 für Beamtinnen und Beamte des gehobenen Dienstes bestimmte Durchschnittseinkommen und Hochschulausbildung (§ 3 Abs. 5 Satz 2) das in § 4 Abs. 1 für Beamtinnen und Beamte des höheren Dienstes bestimmte Durchschnittseinkommen. Der Berufsschadensausgleich ist gemäß § 7 Abs. 1 Satz 4 BSchAV frühestens nach dem vermutlichen Abschluss der beruflichen Ausbildung zu gewähren.

§ 4 Abs. 1 Satz 1 BSchAV in der Fassung der Ersten Verordnung zur Anpassung des Bemessungsbetrages und der Geldleistungen nach dem BVG sowie zur Änderung der BSchAV (Erste KOV-Anpassungsverordnung 1992 - 1. KOV-AnpV 1992) vom 17. Juni 1992 (BGBl I 1078) bestimmt, soweit für den vorliegend noch streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. Juni 2011 bis zum Tag der mündlichen Verhandlung, in dem die Klägerin anfangs 32 Jahre und aktuell 36 Jahre alt gewesen ist, von Relevanz: Durchschnittseinkommen ist bei Beamtinnen und Beamten das Grundgehalt der folgenden Besoldungsgruppe und Dienstaltersstufe des BBesG, und zwar bei Beamtinnen und Beamten des mittleren Dienstes (Nr. 2) nach Vollendung des 30. Lebensjahres bis zur Vollendung des 46. Lebensjahres A 7, des gehobenen Dienstes (Nr. 3) nach Vollendung des 30. Lebensjahres bis zur Vollendung des 40. Lebensjahres A 10, des höheren Dienstes (Nr. 4) bis zur Vollendung des 37. Lebensjahres A 13. Grundgehalt ist der in der Anlage IV zum BBesG ausgewiesene Betrag; Amtszulagen sind bei der Bestimmung des Grundgehaltes nicht zu berücksichtigen. Das ermittelte Grundgehalt ist nach § 4 Abs. 1 Satz 2 BSchAV um den Ortszuschlag nach Stufe 2 des BBesG (Anlage V) und um die Stellenzulage nach Vorbemerkung Nr. 27 zu den Bundesbesoldungsordnungen A und B (Anlage I des BBesG) zu erhöhen.

Der Beklagte hat eine zur Überzeugung des Senats zutreffende - nachträgliche - Prognoseentscheidung getroffen, wonach die Klägerin ohne die mit Bescheid vom 15. Mai 2003 anerkannten Schädigungsfolgen nicht vermutlich den Abschluss einer höheren oder gleichwertigen Schulausbildung (Reifeprüfung) erreicht hätte.

Die im Sommer 2006 an der Beruflichen Schule Bretten in der hauswirtschaftlichen, landwirtschaftlichen und sozialpädagogischen Fachrichtung tatsächlich erreichte Fachhochschulreife für das Studium an Fachhochschulen in Baden-Württemberg stellt keinen solchen Bildungsgrad dar. Denn im Unterschied dazu beschränkt dieses so genannte "Fachabitur" mit dem Zeugnis der fachgebundenen Hochschulreife den Hochschulzugang auf bestimmte, in der Regel eben fachgebundene Hochschulstudiengänge. Ohnehin sind aus dem zurückgelegten Schul- und Erwerbsleben, auf den auch der Beklagte zuletzt im Wesentlichen abgestellt hat, allenfalls Anhaltspunkte für den Rückschluss auf die Veranlagung und die Fähigkeiten der Beschädigten zu gewinnen (vgl. BSG, Beschluss vom 18. September 2003 - B 9 V 71/02 B -, juris, Rz. 8 m. w. N.). Entsprechendes gilt auch für das Verhalten des sozialen Umfeldes, welches allenfalls hilfsweise als Indiz dafür dienen kann, ob eine angestrebte Ausbildung unter Beachtung des familiären Lebenszuschnittes überhaupt in Betracht zu ziehen gewesen wäre (BSG, a. a. O.).

Ist daher vorrangig auf die Veranlagung und die Fähigkeiten der Klägerin abzustellen, so lässt sich zwar der im Februar 2007 mittels des Hamburg-Wechsler-Intelligenztests für Erwachsene (HAWIE-R) bei der Klägerin ermittelte IQ von 122 anführen, mit dem, so die Darlegung der Dipl.-Psych. G., die Klägerin im oberen Bereich ihrer Altersgruppe liegt und lediglich 4 % der Gleichaltrigen gleich gute oder bessere Leistungen erbringen. Eine überdurchschnittliche Intelligenz attestierte der Klägerin auch Dr. S ... Das Ergebnis des Intelligenztests konnte der Senat allerdings nicht über die einzelnen Ergebnisse der Subtests auf seine Plausibiliät prüfen, da, wie die Dipl.-Psych. G. mitgeteilt hat, die Testergebnisse nicht mehr archiviert, vielmehr gelöscht sind. Gleichwohl deutet ein IQ in dieser Höhe darauf hin, dass die Betreffenden in der Lage sind, die Allgemeine Hochschulreife zu erlangen oder sogar eine Hochschulausbildung zu absolvieren. Einzig bei einem solchen Verständnis kann der Senat die Einschätzungen der Dipl.-Psych. G., wonach die intellektuelle Leistungsfähigkeit der Klägerin als hoch bis extrem hoch bezeichnet werde und die intellektuellen Fähigkeiten für das Absolvieren eines Studiums demnach gegeben seien, sowie von Dr. Z., der keine Zweifel gehegt hat, die Klägerin könne ohne die Schädigungsfolgen ein Hochschulstudium absolvieren und eine akademische Laufbahn einschlagen, nachvollziehen und einordnen. Eine solche, gegenüber den Mitmenschen höhere Begabung liefert indes noch nicht ausreichend Anhaltspunkte dafür, dass zu vermuten ist, die Betreffenden erreichten auch einen entsprechenden Abschluss, sie zeigen nur das – im Wege des Berufsschadensausgleichs nicht zu entschädigende - Potential des Geschädigten. Im Übrigen führt eine überdurchschnittliche Intelligenz, worauf das SG zutreffend hingewiesen hat, nicht zwangsläufig zu entsprechend überdurchschnittlichen Schul- oder Hochschulleistungen. Dies zeigt sich gerade im Falle der Klägerin. So schloss die Klägerin die Haus- und Landwirtschaftsschule Bad Mergentheim mit der Durchschnittsnote 3,0 und die Berufliche Schule Bretten mit der Durchschnittsnote 3,5 ab.

Der im September 2010 gegenüber dem Beklagten mitgeteilte und angeblich schon länger bestandene Wunsch, Jura oder Sozialpädagogik studieren zu wollen, lässt, ohne dass er konstant vorhanden gewesen ist und sich nicht bereits verdichtet hat (vgl. Sächsisches LSG, Urteil vom 14. November 2000 - L 2 V 38/97 -, juris, Rz. 39), keinen Rückschluss auf Fähigkeiten oder Neigungen der Klägerin mit Blick auf einen vermutlichen Schul- oder Hochschulabschluss zu. Die Schädigungsfolgen haben bei ihr nämlich zu keinerlei kognitiven Einschränkungen geführt, so dass sie aufgrund der anerkannten Schädigung nicht gehindert war, einen höheren als die drei bereits erreichten Berufsabschlüsse zu erreichen, wenn sie dies denn tatsächlich gewollt hätte. Vor diesem Hintergrund hat der Senat auch die Einlassung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gewertet, dass sie das Abitur gemacht hätte, wenn ihr die Sachbearbeiterin bereits anlässlich der Antragstellung in 2001 diese Möglichkeit aufgezeigt hätte. Danach war auch aus Sicht der Klägerin gerade nicht die Schädigung kausal für den beruflichen Werdegang. Dies wird tatsächlich auch eindrucksvoll dadurch unterstrichen, dass die Klägerin trotz der Schädigung gesundheitlich in der Lage war, drei mehrjährige Berufsausbildungen erfolgreich durchzustehen und abzuschließen. Insbesondere die letzte Ausbildung zur Rechtsanwaltsgehilfin belegt die Willenskraft der Klägerin, selbst angesichts erheblicher Krankheitszeiten und unter starker Medikation nicht aufzugeben, so dass sich letztlich die Nichtverfolgung höherwertiger Berufsabschlüsse nicht schädigungsbedingt, sondern zwanglos vor dem Hintergrund ihrer neuen Lebenssituation mit eigenen Kindern und Lebenspartnerschaft erklären lässt.

Auch der Akteninhalt bestätigt diese Einschätzung. So entnimmt der Senat dem Entlassungsbericht von Dr. Sch. über die stationäre Rehabilitationsmaßnahme in den Kliniken Schmieder im Juli 2010, worin er dies besonders betont hat, dass keinerlei kognitiven Einschränkungen bestehen. Auch der Dipl.-Soz.Päd. K. fiel auf, dass die Klägerin kognitiv über ein gutes Wissen verfügt. Demgegenüber, so hat Dr. Sch. überzeugend ausgeführt, haben die Einbußen im Leistungsbild ihre Ursache in einem massiv gestörten Sozialverhalten mit Problemen in der Interaktion. Diese sind auf eine hohe Anspannung im zwischenmenschlichen Kontakt zurückzuführen, welche allein im Zusammenhang mit den erlittenen Traumata zu sehen ist. Diesen Befund hat Dr. Z. bestätigt. Diese Bewertung ist auch vor dem Hintergrund nachvollziehbar, dass Dr. S. nach ihrem Arztbericht von September 2009 zu dem Schluss gekommen ist, dass die Klägerin in relativ stabilen Phasen durchaus vier Stunden täglich, unterteilt in Zwei-Stunden-Blöcke mit einer zwischenzeitlichen Pause, einsetzbar ist. Um ihrer erhöhten Irritierbarkeit durch zwischenmenschliche Kontakte, Nähe und Druck entgegenzukommen, ist allerdings ein relativ ruhiger Arbeitsplatz mit Rückzugsmöglichkeit und ohne stärkeren Publikumsverkehr angebracht und ratsam, an dem sie in ihrem Tempo die Aufgaben erledigen kann. Die Klägerin selbst hat im Antragsformular für den im September 2010 ausdrücklich gestellten Antrag auf Gewährung eines Berufsschadensausgleiches angeführt, sie habe bei den Ausbildungen große Probleme mit der Klassengröße und Mitschülern sowie wegen Konzentrationsschwierigkeiten und körperlichen Schmerzen in Form von Migräne, Übelkeit und Verspannungen gehabt. Gerade diese Umstände hätten sie jedoch nicht daran gehindert, die Allgemeine Hochschulreife mittels Fernunterricht zu erwerben. Sie hat im Berufungsverfahren vorgebracht, selbst nachdem sie bereits Berufsschadensausgleich erhalten habe, den Wunsch nach dem Erwerb der Allgemeinen Hochschulreife mittels Fernschule geäußert zu haben, was ihre Lebenspartnerin bestätigen könne. Allein in die Tat umgesetzt worden ist dieser Wunsch bislang zu keiner Zeit, obwohl, so versteht der Senat die Klägerin, insoweit auch aus ihrer Sicht keine auf die Schädigungsfolgen zurückzuführenden maßgeblichen Hindernisse bestanden haben, sondern einzig solche finanzieller Art; und dies, neben der Unterstützung der Schwester B., im Wesentlichen erst seit der insoweit zusätzlichen Belastung im Jahre 2013, als die Zwillinge auf die Welt kamen.

Hinzu kommt als ergänzendes Indiz, dass auch die Eltern der Klägerin keine entsprechende Ausbildung hatten und sie im häuslichen Bereich nicht den notwendigen Rückhalt für den Erwerb einer höheren Schul- oder Hochschulbildung hatte. Ihr leiblicher Vater war vor ihrer Geburt verstorben. Die Mutter, die selbst keinen höheren Schulabschluss erzielte und beruflich als Reinigungskraft tätig war, zeigte sich in der Wahrnehmung der Klägerin wenig interessiert, überfordert, unzuverlässig und unberechenbar. Dies ergibt sich aus dem Entlassungsbericht von Prof. Dr. P. von Juni 2011 und wurde ähnlich schon von Dr. T. nach dem Aufenthalt der Klägerin in der Baar Klinik Ende 2000 festgehalten. Wie die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren vorgetragen hat, wollte ihre Mutter nicht einmal, dass sie eine Realschule besucht, sondern arbeiten geht und Geld verdient, weshalb diese sich sogar weigerte, die Kosten für die Anschaffung einer Schülermonatskarte zu übernehmen. Mag der Großmutter, welche die Klägerin in jungen Jahren, nach dem Tod des Großvaters 1986, als Bezugsperson angesehen hatte, wichtig gewesen sein, dass ihre Enkelinnen und Enkel eine gute Schulausbildung absolvieren, so war sie, wie sich aus den Anamnesen der Arztberichte ergibt, auf der emotionalen Ebene nicht erreichbar und setzte keine Grenzen. Als notwendiger Rückhalt stand daher auch sie nicht zur Verfügung.

Die Klägerin kann ihr Begehren schließlich nicht auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen. Dieser hat einen im Wesentlichen dreigliedrigen Tatbestand. Er fordert das Vorliegen einer Pflichtverletzung, die dem zuständigen Sozialleistungsträger zuzurechnen ist. Dadurch muss bei den Berechtigten ein sozialrechtlicher Nachteil oder Schaden eingetreten sein. Schließlich muss durch Vornahme einer Amtshandlung des T. der Zustand wiederhergestellt werden können, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht erfolgt wäre (st. Rspr; z. B. BSG, Urteil vom 3. April 2014 - B 5 R 5/13 R -, SozR 4-2600 § 137b Nr. 1, Rz. 37). Dahingestellt bleiben kann, ob der pauschale Vorwurf der Klägerin, der Beklagte habe sie im Jahre 2006 falsch beraten, zutrifft. Eine Pflichtverletzung darin zu sehen, dass er ihr nicht dazu geraten hatte, die Allgemeine Hochschulreife zu absolvieren, sondern ihr stattdessen eine einjährige berufliche Rehabilitationsmaßnahme für eine berufliche Neuorientierung durch das Berufliche Trainingszentrum im bfz bewilligte, ist nach Auffassung des Senats bereits nicht naheliegend, sondern nach zwei abgeschlossenen Berufsausbildungen ohne Aufnahme einer Beschäftigung sogar geboten. Davon abgesehen ist Ziel des Herstellungsanspruches die Vornahme einer Amtshandlung zur Herbeiführung derjenigen Rechtsfolge, die eingetreten wäre, wenn sich der Leistungsträger rechtmäßig verhalten hätte. Dahinter steht die Vorstellung des Gesetzgebers, dass Gegenstand dieses Anspruches letztlich die Erhaltung des originären Leistungsanspruches ist. Mit dem Herstellungsanspruch kann allerdings im Wege der Restitution grundsätzlich nur ein Handeln der Verwaltung nachgeholt werden; es können nicht Handlungen verlangt werden, die persönlich durch die Betroffenen vorzunehmen sind, wie vorliegend einen bestimmten Schulabschluss zu absolvieren (vgl. Seewald, in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand: Juni 2012, Vorbemerkungen vor §§ 38 bis 47 Rz. 190 ff.). Sofern der Klägerin aus der insoweit von ihr angenommenen Pflichtverletzung ein Schaden entstanden ist, ist sie folglich auf den Amtshaftungsanspruch (§ 839 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB, Art. 34 GG) als Sekundäranspruch verwiesen.

Ohne die Schädigungsfolgen hätte die Klägerin somit, anders als das SG angenommen hat, vermutlich keine höhere oder gleichwertige Schulausbildung (Reifeprüfung) abgeschlossen, weshalb das Durchschnittseinkommen, orientiert am Lebensalter der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum, nach der Besoldungsgruppe A 7 zu ermitteln gewesen ist, wie dies der Beklagte zutreffend vorgenommen hat. Dass die Klägerin mit dem tatsächlichen Erwerb der Fachhochschulreife einen gehobenen Bildungsabschluss erreicht hat, der zwischen einer Mittelschul- oder gleichwertigen Schulausbildung und einer höheren oder gleichwertigen Schulausbildung (Reifeprüfung) im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 3 BSchAV liegt, der vermutliche Abschluss also hinter dem tatsächlich erreichten zurückbleibt, liegt an dem generalisierten und pauschalierten Berufsschadensausgleich bei einer vor Abschluss der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung erlittenen Schädigung. In einer solchen Konstellation bestimmt sich das Durchschnittseinkommen ausgehend von drei verschiedenen Schul- und Hochschulausbildungsabschlüssen. Verfassungsrechtlich ist das nicht zu beanstanden (vgl. BVerfGE 26, 16), da die Vorschriften des BVG und der BSchAV über den Berufsschadensausgleich einen Bereich der gewährenden Staatstätigkeit regeln und der Gesetzgeber im Rahmen der ihm in diesem Bereich zustehenden besonders weitgehenden Gestaltungsfreiheit (vgl. BVerfGE 11, 50 (60); 17, 210 (216); 23, 258 (264) in weitem Umfang zum Erlass typisierender und generalisierender Regelungen berechtigt ist (BVerfGE 17, 1 (23)).

Nach alledem war auf die Anschlussberufung des Beklagten das Urteil des SG teilweise aufzuheben und die Klage umfassend abzuweisen sowie die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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