L 28 AS 2230/12

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
28
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 87 AS 19564/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 28 AS 2230/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 95/16 B
Datum
Kategorie
Beschluss
Bemerkung
BSG: NZB Rücknahme
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 31. Juli 2012 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.
Streitig ist die Verpflichtung des Beklagten, dem Kläger die Kosten der Erstausstattung seiner Wohnung zu erstatten.

Der 1990 geborene Kläger wohnte bis zum 16. September 2010 in N im Haushalt seiner Eltern. Mit Aufnahme seiner Ausbildung zum Kfz-Servicemechaniker mit einem Vollzeitschülerstatus (zweijährige Berufsfachschule) am Oberstufenzentrum Kraftfahrzeugtechnik in B, Bezirk C-W am 21. September 2010 zog er zunächst zur Untermiete in eine Wohnung in der H Straße, B und anschließend ab dem 01. Februar 2011 in eine 38,01 m2 große Einzimmerwohnung in der Ballee, B ein. Der Beklagte hatte dem Kläger zuvor mit Bescheid vom 23. Dezember 2010 zugesichert, die Miete für die angemessene Unterkunft in Höhe von 369,25 Euro monatlich sowie die Kaution anzuerkennen, und zugleich die Übernahme der Kosten einer Anfangsrenovierung ausgeschlossen. Der Kläger bezog während seiner Ausbildung Unterhalt von seiner Mutter sowie Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG). Außerdem erhielt er von dem Beklagten einen monatlichen Zuschuss zu den Kosten der Unterkunft und Heizung.

Den mit Schreiben vom 17. Januar 2011 gestellten Antrag auf Übernahme der Kosten der Erstausstattung seiner in der Ballee gelegenen Wohnung lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 04. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Juni 2011 mit der Begründung ab, der Kläger gelte als Auszubildender im Sinne von § 7 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II), da seine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker dem Grunde nach BAföG-förderfähig sei, was sich nicht zuletzt aus dem Bewilligungsbescheid des Amtes für Ausbildungsförderung vom 18. Februar 2011 entnehmen lasse. Damit habe er zwar Anspruch auf die Gewährung der in § 27 Abs. 3 bis 5 SGB II aufgeführten Leistungen, nicht jedoch auf die begehrten Erstausstattungsleistungen, § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II, die von den Leistungen für Auszubildende in § 27 SGB II nicht erfasst seien.

Dagegen hat der Kläger am 25. Juli 2011 Klage bei dem Sozialgericht Berlin erhoben, zu deren Begründung er ausgeführt hat, aus eigenen Kräften und Mitteln die Anschaffungen zur Erstausstattung nicht aufbringen zu können. Ihm sei vom Beklagten die Kostenübernahme zugesichert worden. Mit Schreiben vom 16. Dezember 2011 hat der Kläger dann geltend gemacht, zwischenzeitlich mit Hilfe seiner Eltern einige absolut notwendige Anschaffungen getätigt zu haben. Damit sei ein Teil der Erstausstattung selbst beschafft worden. Auch Gegenstände, über die keine Rechnungen vorgelegt worden seien, blieben weiterhin Gegenstand des Verfahrens. Die vorgelegten Rechnungen beziffern sich auf einen Gesamtbetrag von 886,35 Euro.

Mit Urteil vom 31. Juli 2012, dem Kläger am 04. August 2012 zugestellt, hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Der Kläger sei Schüler einer Berufsfachschule und wohne mit zureichendem Grund nicht im Elternhaus. Er erhalte daher den höheren Bedarfssatz nach § 12 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 2 Abs. 1a BAföG. Damit sei er von ergänzenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II ausgeschlossen. Ein Anspruch ergebe sich auch nicht daraus, dass nach § 7 Abs. 5 SGB II nur die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen seien, denn der Gesetzgeber habe mit dem Wortlaut von § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II die inhaltsgleiche Regelung des bisherigen § 26 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) übernommen. Danach sei Kriterium für den Leistungsausschluss nach ständiger Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte die Förderfähigkeit der Ausbildung dem Grunde nach. Daraus folge, dass der Leistungsträger des SGB II neben den BAföG-Leistungen nur dann einzuspringen habe, wenn entweder eine besondere, nicht ausbildungsbezogene Bedarfslage entstanden sei, oder wenn Leistungen außerhalb des Abschnitts 2 des dritten Kapitels beansprucht würden. Denn der Wortlaut des § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II begrenze den Leistungsausschluss nur auf Leistungen der Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts. Demnach könnten Leistung z. B. für Mehrbedarfe nach Abschnitt 1 des dritten Kapitels des SGB II erbracht werden. Die begehrten Leistungen für die Erstausstattung der Wohnung gehörten dagegen nicht dazu, sondern stellten einen ausbildungsgeprägten Bedarf dar. Angesichts der wortgetreuen Übernahme des § 26 BSHG bestünden keine Bedenken, die bisherige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts heranzuziehen. Die Leistungserstreckung in § 24 Abs. 3 Satz 3 SGB II auf aktuell laufende Leistungen für nicht hilfebedürftige Personen könne nicht so verstanden werden, dass damit auch Ansprüche für Personen begründet würden, die von einem grundsätzlichen Leistungsausschluss betroffen seien. Dies ergebe sich aus Wortlaut und Systematik. Es könne weiterhin dahinstehen, aus welchem Grund der Kläger in die derzeitige Wohnung eingezogen sei. Der geltend gemachte Bedarf habe sich jedenfalls seiner Art nach auf den allgemeinen Lebensunterhalt bezogen. Dieser sei von dem ausbildungsförderungsrechtlichen Bedarf im Sinne des BAföG umfasst. Weder sei eine planwidrige Regelungslücke gegeben, noch lasse sich der Anspruch des Klägers direkt aus dem Verfassungsrecht herleiten.

Der Kläger hat am 04. September 2012 die vom Sozialgericht zugelassene Berufung eingelegt, mit der er seinen Anspruch auf Übernahme der Kosten der Erstausstattung durch den Beklagten weiterverfolgt. Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein Vorbringen erster Instanz. Ergänzend führt er aus, aus der elterlichen Wohnung habe er keine Möbel mitnehmen können, da er anfangs in B zur Untermiete in ein möbliertes Zimmer gezogen sei. Außerdem seien seine Kinderzimmermöbel 12 Jahre alt gewesen und dementsprechend abgenutzt und ramponiert. Der Kläger hat weitere Quittungen über angeschaffte Möbel und Haushaltsgegenstände zum Preis von 827,75 Euro vorgelegt.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 31. Juli 2012 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 04. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Juni 2011 zu verurteilen, ihm die Kosten der Erstausstattung in Höhe von 1.714,10 Euro zu erstatten, hilfsweise die Kosten der Erstausstattung in Höhe der von dem Beklagten dafür vorgesehenen Pauschalen zu erstatten.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 20. Januar 2016 sind die Beteiligten zu der beabsichtigten Entscheidung des Senats durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angehört worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

II.
Der Senat konnte die Berufung gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss zurückweisen, denn er hält sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich.

Die Berufung ist statthaft. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts liegt hier jedoch ein Fall der zulassungsfreien Berufung vor, denn der Kläger hat bereits im erstinstanzlichen Verfahren einen Erstattungsbetrag geltend gemacht, der den Wert von 750,- Euro übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist auch zulässig, aber unbegründet. Der Kläger hat, wie das Sozialgericht zutreffend entschieden hat, keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten der Erstausstattung seiner Wohnung in der Ballee, B.

Die Umstellung seiner Klage von einem Antrag auf Erstausstattung auf einen Antrag auf Erstattung der Kosten der im Laufe des Verfahrens selbstbeschafften Einrichtungs- und Haushaltsgegenstände ist zulässig, denn bei der Änderung des Leistungsanspruchs in einen Kostenerstattungsanspruch handelt es sich gemäß § 99 Abs. Abs. 3 Nr. 3 SGG nicht um eine Klageänderung. Bei dem Anspruch auf Erstausstattung einer Wohnung nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II bzw. dem wortgleich seit dem 01. April 2011 geltenden § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II handelt es sich auch um einen eigenständigen, abtrennbaren Streitgegenstand, über den isoliert und unabhängig von den übrigen Grundsicherungsleistungen entschieden werden kann (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 19. September 2008 - B 14 AS 64/07 R -; zitiert nach juris).

Der Kläger hat aber keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Erstattung der aufgewendeten Kosten der Erstausstattung. Denn der Kläger, dessen Ausbildung zum Kfz-Servicemechaniker von September 2010 bis Juni 2012 nach dem BAföG gefördert und dem von dem Beklagten außerdem ein Zuschuss zu seinen Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 27 Abs. 3 SGB II bewilligt wurde, ist nach § 7 Abs. 5 SGB II aufgrund des Bezugs von Leistungen nach dem BAföG von der Gewährung von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Die Voraussetzungen der Rückausnahme nach § 7 Abs. 6 SGB II in der seit dem 01. August 2008 geltenden Fassung liegen im Fall des Klägers nicht vor, wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat. Wegen der weiteren Einzelheiten nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung sowie seinen Beschluss vom 23. November 2015, mit dem der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussichten abgelehnt worden ist, Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG (analog)). Der erneut geäußerten Auffassung des Klägers, die Auslegung der Zusicherung des Beklagten auf Übernahme der Kosten für Umzug und Unterkunft und Heizung lasse auch die Übernahme der Kosten der Erstausstattung zu, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Denn der Wortlaut der Zusicherung vom 23. Dezember 2010 ist eindeutig und nicht über den Wortlaut ausdehnbar. Sie enthält lediglich die Zusicherung, die Miete und die Kaution als angemessen anzuerkennen, und enthält einen Ausschluss für die Übernahme von Kosten der Anfangsrenovierung. Daraus ergibt sich weder die Zusicherung, Umzugskosten zu übernehmen, noch die Kosten der Unterkunft und Heizung in voller Höhe von 369,25 Euro monatlich zu übernehmen. Folglich wurde dem Kläger auch nur der ihm zustehende Zuschuss zu den Wohnkosten gezahlt. Mit der Leistungsgewährung nach dem SGB II und nach dem BAföG verfolgt der Gesetzgeber unterschiedliche Ziele, nämlich die Sicherung des Lebensunterhalts Hilfebedürftiger und die Förderung von Auszubildenden. Eine Leistungsgewährung aufgrund beider Rechtsgrundlagen ist mit Ausnahme der ausdrücklich und abschließend geregelten Ausnahmen ausgeschlossen. Dies ist auch nicht verfassungswidrig (vgl. Bundesverfassungsgericht, 1. Senat 3. Kammer, Nichtannahmebeschluss vom 08. Oktober 2014 - 1 BvR 886/11 -, zitiert nach juris)

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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