Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 31 AS 361/16 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 354/16 B ER und L 7 AS 355/16 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 12.02.2016 geändert. Der Antragsgegner wird verpflichtet, der Antragstellerin vom 14.03.2016 bis zum 30.09.2016 Leistungen zur Deckung des Regelbedarfs nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu zahlen. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Der Antragsgegner hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin für beide Rechtszüge zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes über die Verpflichtung des Antragsgegners, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu zahlen.
Die 1978 geborene Antragstellerin lebt seit Ihrem Zuzug aus Polen im Jahre 2011 in Deutschland. Sie war vom 15.05.2015 bis 15.07.2015 im Hotelgewerbe sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch gerichtlichen Vergleich zum 21.07.2015 bewilligte der Antragsgegner mit Bescheid vom 20.11.2015 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 01.12.2015 bis 15.01.2016. Für die Zeit darüber hinaus lehnte der Antragsgegner Leistungen mit der Begründung ab, die Antragstellerin werde ab dem 16.01.2016 vom Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II umfasst. Hiergegen legte die Antragstellerin Widerspruch ein, welcher mit Widerspruchsbescheid vom 11.01.2016 zurückgewiesen wurde. Hiergegen hat die Antragstellerin am 26.01.2016 Klage erhoben.
Am 26.01.2016 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Dortmund die einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners zur Zahlung von Leistungen nach dem SGB II beantragt. Sie hat ausgeführt, sie sei völlig mittellos und müsse am 31.01.2016 ihre derzeitige Wohnung in C verlassen. Das Gericht werde gebeten, weitere Schreiben an die Adresse Diakonie S - Beratungsstelle "G", I-straße 00, C zu senden.
Das Sozialgericht hat die Stadt C beigeladen und mit Beschluss vom 12.02.2016 den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz und auf Prozesskostenhilfe abgelehnt. Die Antragstellerin sei für das Gericht nicht erreichbar gewesen und habe nichts zur Glaubhaftmachung von Anordnungsanspruch und -grund beigetragen.
Die Antragstellerin hat am 16.02.2016 gegen den am gleichen Tag zugestellten Beschluss Beschwerde eingelegt. Sie habe mittlerweile auch einen Antrag beim Sozialamt in C gestellt, weil sie vollkommen mittellos sei. Sie hat an Eides statt versichert, über keinerlei Einkommen oder Ersparnisse zu verfügen. Mit Schriftsatz vom 14.03.2016 hat sie ausgeführt, sie sei unter der Anschrift der Beratungsstelle "G" in C zu erreichen, weil sie ihre vorhergehende Wohnung habe verlassen müssen. Zur Glaubhaftmachung hat sie eine Bestätigung der Beratungsstelle und Kontoauszüge vorgelegt. Das Konto weist ein Haben von 11,- EUR auf.
II.
Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist im tenorierten Umfang begründet.
Der Antragsgegner als Träger von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (§§ 6, 44 b Abs. 1 SGB II) ist nach § 43 SGB I zur Erbringung vorläufiger Leistungen verpflichtet (ständige Rechtsprechung des Senats, vergl. nur Beschluss vom 16.12.2015 - L 7 AS 1466/15 B ER).
Besteht ein Anspruch auf Sozialleistungen und ist zwischen mehreren Leistungsträgern streitig, wer zur Leistung verpflichtet ist, kann gem. § 43 SGB I der unter ihnen zuerst angegangene Leistungsträger vorläufig Leistungen erbringen, deren Umfang er nach pflichtgemäßen Ermessen bestimmt. Er hat gem. § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB I Leistungen zu erbringen, wenn der Berechtigte es beantragt.
Die Antragstellerin hat dem Grunde nach einen Anspruch auf existenzsichernde Sozialleistungen. Sie ist mangels ausreichenden eigenen Einkommens und Vermögens hilfebedürftig und hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Insofern erfüllt sie sowohl die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und 4 SGB II als auch die Voraussetzungen des §§ 19 Abs. 1, 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XII. Sie bewegt sich innerhalb der Altersgrenzen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II; für Leistungen nach dem SGB XII sind Altersgrenzen nicht vorgegeben (lediglich die Leistungsart ist gem. § 19 Abs. 2 SGB XII altersabhängig). Jedenfalls seit dem 14.03.2016 ist auch glaubhaft gemacht, dass die Antragstellerin unter der Anschrift der Beratungsstelle "G" für den Antragsgegner erreichbar iSd § 7 Abs. 4a SGB II ist.
Der Umstand, dass die Antragstellerin möglicherweise sowohl nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II als auch nach § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII als Person, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus der Arbeitsuche ergibt, von existenzsichernden Leistungen ausgeschlossen ist, steht der höchstrichterlichen Rechtsprechung zufolge einem Anspruch nicht entgegen. Das BSG hat mit Urteilen vom 03.12.2015 (B 4 AS 59/13 R, B 4 AS 44/15 R und B 4 AS 43/15 B ER), vom 16.12.2015 (B 14 AS 15/14 R, B 14 AS 18/14 R, B 14 AS 33/14 R), vom 20.01.2016 (B 14 AS 15/15 R und B 14 AS 35/15 R), vom 17.02.2016 (B 4 AS 24/14 R) sowie vom 17.03.2016 (B 4 AS 32/15 R) entschieden, dass sowohl für Arbeitsuchende, als auch für Personen, die in Ermangelung von Erfolgsaussichten bei der Arbeitsuche nicht über eine Freizügigkeitsberechtigung verfügen, zumindest Sozialhilfeleistungen im Ermessenswege zu erbringen sind, wenn - wie bei der Antragstellerin - ein verfestigter Aufenthalt (über sechs Monate) vorliegt. Das in der Norm vorgesehene Ermessen ist aufgrund der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zum Existenzminium in der Weise reduziert, dass regelmäßig zumindest Hilfe zum Lebensunterhalt zu leisten ist. Der Senat folgt der abweichenden Rechtsprechung einiger Instanzgerichte (vergl. ua LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.01.2016 - L 29 AS 20/16 B ER; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 11.02.2016 - L 3 AS 668/15 B ER; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 22.02.2016 - L 9 AS 1335/15 B ER; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07.03.2016 - L 12 SO 79/16 B ER) nicht und hält eine Verweigerung der Zahlung durch die Leistungsträger für offensichtlich rechtswidrig. Die Rechtslage ist durch die ständige Rechtsprechung mehrerer Senate des Bundessozialgerichts (zur Sozialhilfe vergl. auch BSG, Urteil vom 18.11.2014 - B 8 SO 9/13) geklärt. Mindestens wären aber auch bei Zweifeln an der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgrund der verfassungsrechtlichen Garantie des Existenzminimums Leistungen im Wege der Folgenabwägung zuzusprechen (ständige Rechtsprechung des Senats, vergl. nur Beschlüsse vom 09.07.2014 - L 7 AS 5476/14 B ER und vom 03.06.2013 - L 7 AS 830/13 B ER).
Hierdurch ist zwischen dem Antragsgegner und der Beigeladenen ein negativer Kompetenzkonflikt iSd § 43 SGB I begründet worden, der erst im Hauptsacheverfahren zu klären ist. Die Frage, ob die Antragstellerin dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II unterfällt, ist seit den oa Entscheidungen des BSG aus Dezember 2015 nur noch maßgeblich für die Bestimmung des zuständigen Leistungsträgers. Unterliegt die Antragstellerin dem Leistungsausschluss nicht, weil sie über ein anderweitiges Aufenthaltsrecht verfügt (hierzu BSG, Urteil vom 30.01.2013 - B 4 AS 54/12 R), ist der Antragsgegner für die Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zuständig. Unterliegt die Antragstellerin hingegen dem Leistungsausschluss, ist der Träger der Sozialhilfe bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen für die Erbringung von Hilfe zum Lebensunterhalt zuständig.
Es ist nicht erforderlich, dass der zuerst angegangene Träger ausdrücklich auf die Einstandspflicht eines anderen Trägers verweist (Lilge, SGB I, § 43 SGB I Rn. 25). Der Antragsgegner ist demnach zuerst angegangener Leistungsträger iSd § 43 SGB I.
Unbeachtlich ist auch, dass der Antragsgegner seine Leistungspflicht aufgrund der Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II bereits mit Bescheid abgelehnt hat. Eine bereits ergangene Ablehnungsentscheidung steht einer Vorleistungspflicht nach § 43 SGB I jedenfalls solange die Ablehnungsentscheidung (wie hier) noch nicht bestandskräftig geworden ist, nicht entgegen. Vorläufigen Entscheidungen nach dem Sozialgesetzbuch kommt allein die Funktion zu, eine (Zwischen-)Regelung bis zur endgültigen Klärung der Sach- und Rechtslage zu treffen. Vorläufig bewilligte Leistungen sind daher als aliud gegenüber endgültigen Leistungen anzusehen, deren Bewilligung keine Bindungswirkung für die endgültige Leistung entfaltet (BSG, Urteil vom 29.04.2015 - B 14 AS 31/14 R mwN) und die daher unabhängig von der Ablehnung endgültig zustehender Leistungen erbracht werden können.
In dem Leistungsantrag ist im Zweifel auch ein Antrag iSd § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB I zu sehen, vorläufige Leistungen zu erbringen. Ein Antrag ist jede gegenüber dem erstangegangenen Leistungsträger abgegebene Willenserklärung, aus der - erforderlichenfalls durch Auslegung - zu entnehmen ist, dass der Berechtigte zumindest vorläufige Leistungen wünscht (Lilge, SGB I, § 43 Rn. 40).
Die Rechte des Antragsgegners sind gewahrt, weil er für den Fall, dass die Antragstellerin von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen sind, einen Erstattungsanspruch nach § 102 SGB X gegen den Beigeladenen als Träger der Sozialhilfe geltend machen kann. Der aus der Anwendung von § 43 SGB I folgende Erstattungsanspruch nach § 102 SGB X erfordert die grundsätzliche Rechtmäßigkeit der vorläufig erbrachten Leistungen (allg. Meinung, vergl. nur LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15.04.2013 - L 20 SO 453/11 mwN), die gegeben ist, weil es sich bei der Frage, ob der Ausschlusstatbestand des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II eingreift, als Folge der Rechtsprechung des BSG aus Dezember 2015 nicht um den Streit um eine materielle Anspruchsvoraussetzung, sondern um die Eröffnung eines Kompetenzkonfliktes handelt. Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich nach den für den Antragsgegner geltenden Rechtsvorschriften (§ 102 Abs. 2 SGB X).
Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsgrund iSd § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG glaubhaft gemacht. Sie hat glaubhaft gemacht, nicht über Mittel zu verfügen, die zur Bestreitung des Lebensunterhalts ausreichen.
Hinsichtlich der Kosten der Unterkunft und Heizung liegt ein Anordnungsanspruch nicht vor. Derzeit hat die Antragstellerin keine Aufwendungen für eine Wohnung. Sie ist nach eigenen Angaben obdachlos, bzw. wohnt zeitweise bei einer Freundin.
Für die Zeit vor dem 14.03.2016 kommt eine Leistungsbewilligung nicht in Betracht, weil der Aufenthaltsort der Antragstellerin unbekannt war (§ 7 Abs. 4a SGB II). Der Senat hat den Leistungszeitraum in Anlehnung an § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II auf sechs volle Kalendermonate begrenzt.
Die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe bleibt im Ergebnis erfolglos. Allerdings hat die Antragstellerin erstinstanzlich rechtzeitig unter Beifügung der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und Benennung eines Rechtsanwalts einen Antrag auf Prozesskostenhilfe gestellt. Das Sozialgericht hätte, sofern es Zweifel an der Mandatierung des Anwalts hatte, dieser Frage nachgehen müssen. Nachdem aber nun die Instanz beendet ist, ohne dass der Anwalt für die Antragstellerin tätig geworden ist, fehlt der auf die Bewilligung der Prozesskostenhilfe gerichteten Beschwerde das Rechtsschutzbedürfnis, weil sich die Rechtsstellung der Antragstellerin bei einer Stattgabe nicht verbessern würde. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe hätte auf das - im Ergebnis zu Gunsten der Antragstellerin - abgeschlossene Verfahren keine Auswirkungen, weil die Wirkungen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren ins Leere liefen. Nach § 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 122 Abs. 1 ZPO bewirkt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe, dass der Vergütungsanspruch eines beigeordneten Rechtsanwalts gestundet wird (§ 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO), ein Beteiligter von der Verpflichtung zur Sicherheitsleistung für die Prozesskosten befreit ist (§ 122 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) und rückständige oder entstehende Gerichtskosten, Gerichtsvollzieherkosten und nach § 59 RVG übergegangene Ansprüche nur nach Maßgabe gerichtlicher Bestimmungen geltend gemacht werden können (§ 122 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Auch bei Bewilligung von Prozesskostenhilfe könnte § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht eingreifen, da ein Anspruch eines Rechtsanwalts auf Vergütung nicht entstanden ist. Die Antragstellerin ist im erstinstanzlichen Verfahren nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten gewesen. Gerichtskosten sind nicht angefallen, da das Verfahren nach § 183 Abs. 1 SGG gerichtskostenfrei ist. Auch sind Kosten nach § 93 S. 3 SGG und § 120 Abs. 2 S. 1 SGG, von denen ggf. ein mittelloser Beteiligter im Rahmen der Prozesskostenhilfe freizustellen ist, nicht angefallen. Als Rechtsverfolgungskosten anzuerkennende Auslagen sind nach Aktenlage nicht ersichtlich und werden nicht angegeben (ebenso LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.08.2015 - L 19 AS 1114/15 B).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG. Kosten im Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe sind nicht erstattungsfähig (§§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes über die Verpflichtung des Antragsgegners, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu zahlen.
Die 1978 geborene Antragstellerin lebt seit Ihrem Zuzug aus Polen im Jahre 2011 in Deutschland. Sie war vom 15.05.2015 bis 15.07.2015 im Hotelgewerbe sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch gerichtlichen Vergleich zum 21.07.2015 bewilligte der Antragsgegner mit Bescheid vom 20.11.2015 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 01.12.2015 bis 15.01.2016. Für die Zeit darüber hinaus lehnte der Antragsgegner Leistungen mit der Begründung ab, die Antragstellerin werde ab dem 16.01.2016 vom Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II umfasst. Hiergegen legte die Antragstellerin Widerspruch ein, welcher mit Widerspruchsbescheid vom 11.01.2016 zurückgewiesen wurde. Hiergegen hat die Antragstellerin am 26.01.2016 Klage erhoben.
Am 26.01.2016 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Dortmund die einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners zur Zahlung von Leistungen nach dem SGB II beantragt. Sie hat ausgeführt, sie sei völlig mittellos und müsse am 31.01.2016 ihre derzeitige Wohnung in C verlassen. Das Gericht werde gebeten, weitere Schreiben an die Adresse Diakonie S - Beratungsstelle "G", I-straße 00, C zu senden.
Das Sozialgericht hat die Stadt C beigeladen und mit Beschluss vom 12.02.2016 den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz und auf Prozesskostenhilfe abgelehnt. Die Antragstellerin sei für das Gericht nicht erreichbar gewesen und habe nichts zur Glaubhaftmachung von Anordnungsanspruch und -grund beigetragen.
Die Antragstellerin hat am 16.02.2016 gegen den am gleichen Tag zugestellten Beschluss Beschwerde eingelegt. Sie habe mittlerweile auch einen Antrag beim Sozialamt in C gestellt, weil sie vollkommen mittellos sei. Sie hat an Eides statt versichert, über keinerlei Einkommen oder Ersparnisse zu verfügen. Mit Schriftsatz vom 14.03.2016 hat sie ausgeführt, sie sei unter der Anschrift der Beratungsstelle "G" in C zu erreichen, weil sie ihre vorhergehende Wohnung habe verlassen müssen. Zur Glaubhaftmachung hat sie eine Bestätigung der Beratungsstelle und Kontoauszüge vorgelegt. Das Konto weist ein Haben von 11,- EUR auf.
II.
Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist im tenorierten Umfang begründet.
Der Antragsgegner als Träger von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (§§ 6, 44 b Abs. 1 SGB II) ist nach § 43 SGB I zur Erbringung vorläufiger Leistungen verpflichtet (ständige Rechtsprechung des Senats, vergl. nur Beschluss vom 16.12.2015 - L 7 AS 1466/15 B ER).
Besteht ein Anspruch auf Sozialleistungen und ist zwischen mehreren Leistungsträgern streitig, wer zur Leistung verpflichtet ist, kann gem. § 43 SGB I der unter ihnen zuerst angegangene Leistungsträger vorläufig Leistungen erbringen, deren Umfang er nach pflichtgemäßen Ermessen bestimmt. Er hat gem. § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB I Leistungen zu erbringen, wenn der Berechtigte es beantragt.
Die Antragstellerin hat dem Grunde nach einen Anspruch auf existenzsichernde Sozialleistungen. Sie ist mangels ausreichenden eigenen Einkommens und Vermögens hilfebedürftig und hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Insofern erfüllt sie sowohl die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und 4 SGB II als auch die Voraussetzungen des §§ 19 Abs. 1, 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XII. Sie bewegt sich innerhalb der Altersgrenzen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II; für Leistungen nach dem SGB XII sind Altersgrenzen nicht vorgegeben (lediglich die Leistungsart ist gem. § 19 Abs. 2 SGB XII altersabhängig). Jedenfalls seit dem 14.03.2016 ist auch glaubhaft gemacht, dass die Antragstellerin unter der Anschrift der Beratungsstelle "G" für den Antragsgegner erreichbar iSd § 7 Abs. 4a SGB II ist.
Der Umstand, dass die Antragstellerin möglicherweise sowohl nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II als auch nach § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII als Person, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus der Arbeitsuche ergibt, von existenzsichernden Leistungen ausgeschlossen ist, steht der höchstrichterlichen Rechtsprechung zufolge einem Anspruch nicht entgegen. Das BSG hat mit Urteilen vom 03.12.2015 (B 4 AS 59/13 R, B 4 AS 44/15 R und B 4 AS 43/15 B ER), vom 16.12.2015 (B 14 AS 15/14 R, B 14 AS 18/14 R, B 14 AS 33/14 R), vom 20.01.2016 (B 14 AS 15/15 R und B 14 AS 35/15 R), vom 17.02.2016 (B 4 AS 24/14 R) sowie vom 17.03.2016 (B 4 AS 32/15 R) entschieden, dass sowohl für Arbeitsuchende, als auch für Personen, die in Ermangelung von Erfolgsaussichten bei der Arbeitsuche nicht über eine Freizügigkeitsberechtigung verfügen, zumindest Sozialhilfeleistungen im Ermessenswege zu erbringen sind, wenn - wie bei der Antragstellerin - ein verfestigter Aufenthalt (über sechs Monate) vorliegt. Das in der Norm vorgesehene Ermessen ist aufgrund der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zum Existenzminium in der Weise reduziert, dass regelmäßig zumindest Hilfe zum Lebensunterhalt zu leisten ist. Der Senat folgt der abweichenden Rechtsprechung einiger Instanzgerichte (vergl. ua LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.01.2016 - L 29 AS 20/16 B ER; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 11.02.2016 - L 3 AS 668/15 B ER; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 22.02.2016 - L 9 AS 1335/15 B ER; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07.03.2016 - L 12 SO 79/16 B ER) nicht und hält eine Verweigerung der Zahlung durch die Leistungsträger für offensichtlich rechtswidrig. Die Rechtslage ist durch die ständige Rechtsprechung mehrerer Senate des Bundessozialgerichts (zur Sozialhilfe vergl. auch BSG, Urteil vom 18.11.2014 - B 8 SO 9/13) geklärt. Mindestens wären aber auch bei Zweifeln an der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgrund der verfassungsrechtlichen Garantie des Existenzminimums Leistungen im Wege der Folgenabwägung zuzusprechen (ständige Rechtsprechung des Senats, vergl. nur Beschlüsse vom 09.07.2014 - L 7 AS 5476/14 B ER und vom 03.06.2013 - L 7 AS 830/13 B ER).
Hierdurch ist zwischen dem Antragsgegner und der Beigeladenen ein negativer Kompetenzkonflikt iSd § 43 SGB I begründet worden, der erst im Hauptsacheverfahren zu klären ist. Die Frage, ob die Antragstellerin dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II unterfällt, ist seit den oa Entscheidungen des BSG aus Dezember 2015 nur noch maßgeblich für die Bestimmung des zuständigen Leistungsträgers. Unterliegt die Antragstellerin dem Leistungsausschluss nicht, weil sie über ein anderweitiges Aufenthaltsrecht verfügt (hierzu BSG, Urteil vom 30.01.2013 - B 4 AS 54/12 R), ist der Antragsgegner für die Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zuständig. Unterliegt die Antragstellerin hingegen dem Leistungsausschluss, ist der Träger der Sozialhilfe bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen für die Erbringung von Hilfe zum Lebensunterhalt zuständig.
Es ist nicht erforderlich, dass der zuerst angegangene Träger ausdrücklich auf die Einstandspflicht eines anderen Trägers verweist (Lilge, SGB I, § 43 SGB I Rn. 25). Der Antragsgegner ist demnach zuerst angegangener Leistungsträger iSd § 43 SGB I.
Unbeachtlich ist auch, dass der Antragsgegner seine Leistungspflicht aufgrund der Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II bereits mit Bescheid abgelehnt hat. Eine bereits ergangene Ablehnungsentscheidung steht einer Vorleistungspflicht nach § 43 SGB I jedenfalls solange die Ablehnungsentscheidung (wie hier) noch nicht bestandskräftig geworden ist, nicht entgegen. Vorläufigen Entscheidungen nach dem Sozialgesetzbuch kommt allein die Funktion zu, eine (Zwischen-)Regelung bis zur endgültigen Klärung der Sach- und Rechtslage zu treffen. Vorläufig bewilligte Leistungen sind daher als aliud gegenüber endgültigen Leistungen anzusehen, deren Bewilligung keine Bindungswirkung für die endgültige Leistung entfaltet (BSG, Urteil vom 29.04.2015 - B 14 AS 31/14 R mwN) und die daher unabhängig von der Ablehnung endgültig zustehender Leistungen erbracht werden können.
In dem Leistungsantrag ist im Zweifel auch ein Antrag iSd § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB I zu sehen, vorläufige Leistungen zu erbringen. Ein Antrag ist jede gegenüber dem erstangegangenen Leistungsträger abgegebene Willenserklärung, aus der - erforderlichenfalls durch Auslegung - zu entnehmen ist, dass der Berechtigte zumindest vorläufige Leistungen wünscht (Lilge, SGB I, § 43 Rn. 40).
Die Rechte des Antragsgegners sind gewahrt, weil er für den Fall, dass die Antragstellerin von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen sind, einen Erstattungsanspruch nach § 102 SGB X gegen den Beigeladenen als Träger der Sozialhilfe geltend machen kann. Der aus der Anwendung von § 43 SGB I folgende Erstattungsanspruch nach § 102 SGB X erfordert die grundsätzliche Rechtmäßigkeit der vorläufig erbrachten Leistungen (allg. Meinung, vergl. nur LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15.04.2013 - L 20 SO 453/11 mwN), die gegeben ist, weil es sich bei der Frage, ob der Ausschlusstatbestand des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II eingreift, als Folge der Rechtsprechung des BSG aus Dezember 2015 nicht um den Streit um eine materielle Anspruchsvoraussetzung, sondern um die Eröffnung eines Kompetenzkonfliktes handelt. Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich nach den für den Antragsgegner geltenden Rechtsvorschriften (§ 102 Abs. 2 SGB X).
Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsgrund iSd § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG glaubhaft gemacht. Sie hat glaubhaft gemacht, nicht über Mittel zu verfügen, die zur Bestreitung des Lebensunterhalts ausreichen.
Hinsichtlich der Kosten der Unterkunft und Heizung liegt ein Anordnungsanspruch nicht vor. Derzeit hat die Antragstellerin keine Aufwendungen für eine Wohnung. Sie ist nach eigenen Angaben obdachlos, bzw. wohnt zeitweise bei einer Freundin.
Für die Zeit vor dem 14.03.2016 kommt eine Leistungsbewilligung nicht in Betracht, weil der Aufenthaltsort der Antragstellerin unbekannt war (§ 7 Abs. 4a SGB II). Der Senat hat den Leistungszeitraum in Anlehnung an § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II auf sechs volle Kalendermonate begrenzt.
Die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe bleibt im Ergebnis erfolglos. Allerdings hat die Antragstellerin erstinstanzlich rechtzeitig unter Beifügung der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und Benennung eines Rechtsanwalts einen Antrag auf Prozesskostenhilfe gestellt. Das Sozialgericht hätte, sofern es Zweifel an der Mandatierung des Anwalts hatte, dieser Frage nachgehen müssen. Nachdem aber nun die Instanz beendet ist, ohne dass der Anwalt für die Antragstellerin tätig geworden ist, fehlt der auf die Bewilligung der Prozesskostenhilfe gerichteten Beschwerde das Rechtsschutzbedürfnis, weil sich die Rechtsstellung der Antragstellerin bei einer Stattgabe nicht verbessern würde. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe hätte auf das - im Ergebnis zu Gunsten der Antragstellerin - abgeschlossene Verfahren keine Auswirkungen, weil die Wirkungen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren ins Leere liefen. Nach § 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 122 Abs. 1 ZPO bewirkt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe, dass der Vergütungsanspruch eines beigeordneten Rechtsanwalts gestundet wird (§ 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO), ein Beteiligter von der Verpflichtung zur Sicherheitsleistung für die Prozesskosten befreit ist (§ 122 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) und rückständige oder entstehende Gerichtskosten, Gerichtsvollzieherkosten und nach § 59 RVG übergegangene Ansprüche nur nach Maßgabe gerichtlicher Bestimmungen geltend gemacht werden können (§ 122 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Auch bei Bewilligung von Prozesskostenhilfe könnte § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht eingreifen, da ein Anspruch eines Rechtsanwalts auf Vergütung nicht entstanden ist. Die Antragstellerin ist im erstinstanzlichen Verfahren nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten gewesen. Gerichtskosten sind nicht angefallen, da das Verfahren nach § 183 Abs. 1 SGG gerichtskostenfrei ist. Auch sind Kosten nach § 93 S. 3 SGG und § 120 Abs. 2 S. 1 SGG, von denen ggf. ein mittelloser Beteiligter im Rahmen der Prozesskostenhilfe freizustellen ist, nicht angefallen. Als Rechtsverfolgungskosten anzuerkennende Auslagen sind nach Aktenlage nicht ersichtlich und werden nicht angegeben (ebenso LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.08.2015 - L 19 AS 1114/15 B).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG. Kosten im Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe sind nicht erstattungsfähig (§§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
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