L 4 AS 76/16 B ER

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 35 AS 226/16 ER
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 AS 76/16 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Nach der Rechtsprechung des Senats ist die Ausschlussnorm des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II europa- und verfassungsrechtlich unbedenklich (Beschl. v. 15.10.2015 – L 4 AS 403/15 B ER).
2. Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, dass aufgrund eines Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II der Anwendungsbereich des SGB XII eröffnet sein kann (Beschl. v. 14.1.2013 – L 4 AS 332/12 B ER).
3. Ermessensleistungen nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII müssen lediglich das unabweisbar Gebotene (ggfs. Reisekosten, Überbrückungshilfe) abdecken.
4. Der Senat folgt nicht der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urt. v. 3.12.2015 – B 4 AS 44/15 R), nach der regelmäßig eine Verfestigung des Aufenthalts zur Arbeitssuche nach sechs Monaten eintritt und dann Hilfe zum Lebensunterhalt verlangt werden kann.
Auf die Beschwerde der Beigeladenen wird der Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 22. Februar 2016 abgeändert: Die Beigeladene wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, über die Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII an den Antragsteller für den Zeitraum vom 20. Januar 2016 bis zum 30. April 2016 nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Die Beigeladene trägt die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers für das Beschwerdeverfahren.

Gründe:

I.

Die am 3. März erhobene Beschwerde der Beigeladenen gegen den Beschluss des Sozialgerichts vom 22. Februar 2016 ist statthaft und auch sonst zulässig (§§ 172, 173 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG). Sie ist auch im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

1.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht einen Anspruch des Antragstellers auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) gegen den Antragsgegner verneint.

Zwar dürfte der Antragsteller die Leistungsvoraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erfüllen. Es greift jedoch der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II. Nach dieser Vorschrift erhalten Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, keine Leistungen nach dem SGB II. Dieser Leistungsausschluss steht nach den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs vom 11. November 2014 ("Dano" – C 333/13) und 15. September 2015 ("Alimanovic" – C 67/14) auch in Einklang mit dem Europarecht. Er gilt zudem nicht nur in den Fällen, in denen ein Antragsteller tatsächlich und aktiv Arbeit sucht, sondern auch in allen Fällen, in denen kein materielles Aufenthaltsrecht nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU festgestellt werden kann (vgl. die Beschlüsse des Senats vom 1.12.2014 – L 4 AS 444/14 B ER, vom 6.10.2014 – L 4 AS 307/14 B ER und vom 14.12.2015 – L 4 AS 475/15 B ER; ebenso BSG, Urteil vom 3.12.2015 – B 4 AS 44/15 R, Rn. 19 ff.).

Wie das Sozialgericht vermag auch der Senat nicht zu erkennen, dass der Antragsteller seinen Aufenthalt auf ein materielles Freizügigkeitsrecht stützen kann. Insbesondere ist ein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizügG /EU) nicht erkennbar. Ein solches haben Unionsbürger, die sich seit fünf Jahren ständig rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten haben. Voraussetzung für einen rechtmäßigen Aufenthalt ist, dass dieser ununterbrochen auf den Freizügigkeitsregelungen nach Art. 7 Abs. 1 der Unionsbürgerrichtlinie (Richtlinie 2004/38/EG vom 29. April 2004) beruht (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.7.2015 – 1 C 22/14; auch BSG, Urteil vom 3.12.2015 – B 4 AS 59/13 Rn. 16). Der Antragsteller hält sich zwar unstreitig seit Februar 2011 und damit – inzwischen – länger als fünf Jahre im Bundesgebiet auf. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass er durchgängig die Voraussetzungen für ein Aufenthaltsrecht nach dem FreizügG/EU, das Art. 7 der Unionsbürgerrichtlinie umsetzt, erfüllt. Der Antragsteller war nach dem Erkenntnisstand des Eilverfahrens in Deutschland insgesamt weniger als ein Jahr erwerbstätig, zuletzt hat er im Juli 2013 gearbeitet. Er war damit weder durchgängig als Arbeitnehmer freizügigkeitsberechtigt (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU) noch konnte er sich auf ein nachwirkendes Freizügigkeitsrecht aus der Erwerbstätigkeit berufen (§ 2 Abs. 3 Nr. 2 FreizügG/EU). Auch ein Freizügigkeitsrecht zur Arbeitssuche stand ihm nicht durchgängig zu. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU besteht ein Freizügigkeitsrecht zur Arbeitssuche über einen Zeitraum von sechs Monaten hinaus nur, solange der Betroffene nachweisen kann, dass er weiterhin Arbeit sucht und begründete Aussicht hat, eingestellt zu werden. Diese Voraussetzungen erfüllt der Antragsteller, der zuletzt im Juli 2013 erwerbstätig war und zudem diverse ärztliche Atteste über Einschränkungen seiner Leistungsfähigkeit vorgelegt hat, jedenfalls seit geraumer Zeit nicht (mehr). Dass der Antragsteller sich auf andere Freizügigkeitsrechte nach dem FreizügG/EU bzw. der Unionsbürgerrichtlinie berufen könnte, ist nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen worden.

2.

Ebenfalls zu Recht und mit zutreffender Begründung ist das Sozialgericht davon ausgegangen, dass der Antragsteller nicht bereits grundsätzlich nach § 21 Satz 1 SGB XII von Leistungen nach dem SGB XII ausgeschlossen wäre. Der Senat hat bereits mehrfach entschieden, dass aufgrund eines Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II der Anwendungsbereich des SGB XII eröffnet sein kann (vgl. Beschluss vom 14.1.2013 – L 4 AS 332/12 B ER; Beschluss vom 2.3.2016 – L 4 AS 35/16 B ER).

3.

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts hat der Antragsteller jedoch einen Anspruch gegen die Beigeladene auf Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XII nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Nach dieser Vorschrift ist Ausländern, die sich im Inland tatsächlich aufhalten, Hilfe zum Lebensunterhalt, Hilfe bei Krankheit, Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft sowie Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII zu leisten. Einem Anspruch auf Leistungen nach § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XII steht jedoch die Regelung in § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII entgegen. Danach haben Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, keinen Anspruch auf Sozialhilfe. Dies gilt erst recht für solche Ausländer, die nicht einmal Arbeit suchen und die über keine materielle Freizügigkeitsberechtigung oder gar kein Aufenthaltsrecht in Deutschland verfügen (vgl. oben zu der entsprechenden Ausschlussregelung in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II). Der Anwendung dieses Ausschlusstatbestands steht Art. 1 des Europäischen Fürsorgeabkommens (EFA) nicht entgegen. Das dort geregelte Gebot der Gleichbehandlung mit inländischen Staatsangehörigen greift nämlich nur, wenn sich der Ausländer erlaubt im Bundesgebiet aufhält, wofür wiederum eine materielle Freizügigkeitsberechtigung erforderlich ist (so auch BSG, Urteil vom 3.12.2015 – B 4 AS 59/13 R). Eine solche fehlt dem Antragsteller entsprechend den obigen Ausführungen.

4.

Der Antragsteller hat jedoch einen Anspruch darauf, dass die Beigeladene eine Ermessensentscheidung über die Gewährung von Leistungen trifft. Dieser ergibt sich aus § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII. Nach dieser Vorschrift kann "im Übrigen" (d. h. wenn ein Leistungsanspruch nach § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XII nicht besteht) Sozialhilfe geleistet werden, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt ist. Der Leistungsausschluss nach § 23 Abs. 3 SGB XII erfasst nur den Rechtsanspruch auf Sozialhilfe, nicht aber auch den Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über eine Leistungsgewährung nach § 23 Abs. 1 Satz 3 (wie hier BSG, Urteil vom 3.12.2015 – B 4 AS 44/15; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28.7.2014 – L 19 AS 948/14 B ER; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 7.3.2016 – L 15 AS 185/15 B ER; Wahrendorf, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Auflage 2014, § 23 Rn. 42; a.A. – auch Ermessensleistungen ausgeschlossen – LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 17.3.2016 – L 9 AS 1580/15 B ER).

Der weitergehenden Auffassung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 3.12.2015 – B 4 AS 44/15 R und Urteil vom 20.1.2016 – B 14 AS 35/15 R), wonach sich das dem Sozialhilfeträger im Rahmen von § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII zustehende Ermessen wegen Verfestigung des Aufenthalts des Unionsbürgers bereits nach sechs Monaten dahingehend reduziere, dass zumindest die Hilfe zum Lebensunterhalt zu leisten sei, vermag sich der Senat nicht anzuschließen.

Nach dem Bundessozialgericht soll eine solche Aufenthaltsverfestigung regelmäßig nach sechs Monaten tatsächlichen Aufenthalts in Deutschland eintreten. Zur Begründung dieser typisierenden Annahme bezieht sich das Bundessozialgericht auf die Regelung in § 2 Abs. 1a FreizügG/EU. Es erscheint jedoch zweifelhaft, allein aufgrund des Ablaufs der in dieser Vorschrift genannten Sechsmonatsfrist und des Nichtergreifens aufenthaltsbeendender Maßnahmen von einem Vollzugsdefizit des Ausländerrechts und infolgedessen – unabhängig von der tatsächlichen Lebenssituation des Betroffenen – von einem verfestigten Aufenthalt in Deutschland auszugehen. Außerdem steht die Annahme einer Ermessensreduktion auf Null auch im Widerspruch zu dem Anspruchsausschluss des § 23 Abs. 3 S. 1 SGB XII, da mit ihr der in § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII lediglich eingeräumte Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung im Einzelfall zu einem regelhaften Leistungsanspruch aller EU-Bürger vom siebten Monat ihres Aufenthalts an verdichtet würde (so auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 7.3.2016 – L 15 AS 185/15 B ER).

Soweit das Bundessozialgericht (Urteil vom 3.12.2015 – B 4 AS 44/15 R) sich für die Annahme einer Ermessensreduktion auf Null auf eine Gleichbehandlung der EU-Ausländer mit anderen Ausländern, die sich ohne Aufenthaltsberechtigung tatsächlich im Inland aufhalten, und auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Asylbewerberleistungsgesetz (Urteil vom 18.7.2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11) stützt, vermag dies ebenfalls nicht zu überzeugen. Es drängt sich bereits die Frage auf, warum diese Erwägungen nicht auch auf EU-Ausländer mit einem Aufenthalt von weniger als sechs Monaten gelten sollen (hierzu ausführlich LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 7.3.2016 – L 15 AS 185/15 B ER). Im Übrigen gebieten nach Auffassung des Senats auch verfassungsrechtliche Erwägungen keine Ermessensreduktion auf Null. Der Senat hat hierzu bereits in seinem Beschluss vom 15. Oktober 2015 (L 4 AS 403/15 B ER) ausgeführt: "Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ist auch mit dem nationalen Verfassungsrecht vereinbar (so auch BayLSG, Beschluss vom 1.10.2015 – L 7 AS 627/15 B ER). Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG ist als Menschenrecht nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dem Grunde nach unverfügbar und muss durch einen Leistungsanspruch eingelöst werden (vgl. BVerfG, Urteil vom 18.7.2012 – 1 BvL 10/10 und 2/11). Den entsprechenden verfassungsrechtlichen Vorgaben kann aus Sicht des Senats dadurch hinreichend Rechnung getragen werden, dass arbeitsuchenden Unionsbürgern ein Anspruch auf eine Mindestsicherung in Form der unabweisbar gebotenen Leistungen eingeräumt wird (vgl. dazu im Einzelnen LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 6.9.2012 – L 7 AS 758/12 B ER). Welche Leistungen unabweisbar sind, hängt dabei von den Umständen des Einzelfalls ab. Bei möglicher und zumutbarer Rückkehr in das Heimatland kommt in der Regel lediglich die Übernahme der Kosten der Rückreise und des bis dahin erforderlichen Aufenthalts in Betracht (Überbrückungsleistungen). Es kann dahingestellt bleiben, ob ein solcher Anspruch auf die unabweisbar gebotene Hilfe aus einer entsprechenden Anwendung des § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII (Hilfegewährung im Ermessenswege, vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20.3.2015 – L 19 AS 116/15 B ER; Coseriu, in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 23 Rn. 74 ff.; Hohm, in: Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 19. Aufl. 2015, § 23 Rn. 29.6), des § 1a AsylbLG (Schlette, in: Hauck/Noftz, SGB XII, 28. Lfg. Stand 7/2012, § 23 Rn. 50; Birk, in: LPK-SGB XII, 10. Aufl. 2015, § 23 Rrn. 13, 22; a.A. Oppermann, in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 1a AsylbLG Rn. 18 f.: es kommen allenfalls Leistungen nach dem SGB XII in Frage) oder unmittelbar aus Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG (Herbst, in: Mergler/Zink, SGB XII, 28. Lfg. Stand 1/2015, § 23 Rn. 48) herzuleiten ist oder ob in entsprechenden Fällen von einer atypischen Bedarfslage auszugehen ist, die den Einsatz öffentlicher Mittel im Sinne des § 73 SGB XII (Hilfe in sonstigen Lebenslagen) rechtfertigt.

Aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Asylbewerberleistungsgesetz (Urteil vom 18.7.2012, a.a.O., im Folgenden zitiert nach juris) folgt nichts anderes. In jener Entscheidung ging es um die Bemessung des existenznotwendigen Bedarfs nach § 3 AsylbLG. Nur in dem Zusammenhang hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, dass Leistungen in einem transparenten und sachgerechten Verfahren begründet werden müssten und die Höhe der Leistungsansprüche nicht pauschal nach dem Aufenthaltsstatus differenziert werden dürfe (Rn. 69, 73). Hier jedoch geht es um einen Leistungsausschluss, der seine Rechtfertigung in dem europäischen Konzept einer Freizügigkeit findet, ohne dass zugleich (schon) eine sog. Sozialunion hergestellt ist. Dieses Konzept ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wobei der Senat davon ausgeht, dass in sämtlichen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union deren grundlegende, in Art. 2 des EU-Vertrages festgelegten Werte, wozu Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und die Wahrung der Menschenrechte gehören, gewährleistet sind (vgl. auch LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 4.2.2015 – L 2 AS 14/15 B ER). Weiter hat das Bundesverfassungsgericht in jener Entscheidung ausgesprochen, dass die Hilfebedürftigen nicht auf freiwillige Leistungen verwiesen werden dürften, sondern der Gesetzgeber ihnen ein entsprechendes subjektives Recht einräumen müsse (Rn. 65). Dem genügt der oben beschriebene Anspruch auf eine Mindestsicherung in Form der unabweisbar gebotenen Leistungen, der – wie etwa auch der Anspruch nach § 1a oder § 11 Abs. 2 AsylbLG bzw. nach § 23 SGB XII – ein gesetzlicher Anspruch ist, selbst wenn seine konkrete Ausgestaltung im Einzelfall nicht direkt aus dem Gesetz ablesbar ist. Anders als bei der Bemessung der Leistungen nach § 3 AsylbLG stößt der Gesetzgeber wegen der Individualität und Situationsbezogenheit dieses Anspruchs an sachbezogene Grenzen.

Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG. Vielmehr beruht er auf sachgerechten Gründen, nämlich dem bereits erwähnten europäischen Konzept der Freizügigkeit einerseits und dem grundsicherungsrechtlichen Grundsatz der Selbsthilfe andererseits. EU-Bürger sind nämlich typischerweise ohne weiteres imstande, in ihren Herkunftsstaat zurückzukehren und dort unter adäquaten, menschenwürdigen Umständen zu leben. Insoweit ist ihre Situation mit der in § 11 Abs. 2 AsylbLG geregelten Lage derjenigen Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz vergleichbar, denen bei Verstoß gegen eine räumliche Beschränkung im Bundesgebiet nur die unabweisbar gebotene Hilfe ist leisten ist. Zwar mag es im Hinblick auf § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG Fälle geben, in denen ausländische Nicht-EU-Bürger Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beziehen, obwohl sie ebenfalls ohne weiteres in ihren Herkunftsstaat zurückkehren könnten. Darin liegt aber – abgesehen von der politischen Diskussion über Rechtsänderungen in diesem Bereich – kein relevanter Gleichheitsverstoß, weil der Gesetzgeber bei der ihm nur möglichen typisierenden Betrachtung nicht von der gleichmäßigen Gewähr adäquater, menschenwürdiger Umstände außerhalb der Europäischen Union ausgehen muss."

An diesen Erwägungen hält der Senat fest.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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