S 30 SO 15/14

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
30
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 30 SO 15/14
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 SO 238/15
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Erstattung der Kosten für die stationäre Behandlung der rumänischen Staatsangehörigen D1 P1, geboren am 00.00.1952, im von der Klägerin betriebenen F Krankenhaus E.

Die hilfebedürftige P1 wurde am 00.0.2010 (einem Sonntag) um 21:33 h notfallmäßig in die stationäre Behandlung der Klägerin aufgenommen. Der Arztbrief des Krankenhauses vom 10.5.2010, dass sich die Hilfebedürftige mit akut reduziertem Allgemeinzustand und Fieber vorgestellt habe. An Diagnosen sind festgehalten: Pneumonie des rechten Unterlappens mit respiratorische Partialinsuffizienz, abdominelle Beschwerden, Leukozyturie, Hämaturie, Steatosis hepatis, Pankreaslipomatose mit reflexreichen Parenchympixeln wie bei Fibrose, Verdacht auf parapelvine Zyste links, Koprostase, Zustand nach Hepatitis A. Die Hilfebedürftige verlies auf eigenen Wunsch am 26.4.2010 das Krankenhaus, da sie sich in Rumänien ärztlich weiter behandeln lassen wollte.

Die Hilfebedürftige gab am 26.4.2010 gegenüber dem Krankenhaus eine Vermögenserklärung für das Sozialamt der Beklagten ab, die wie folgt lautete: "Hiermit bestätige ich an Eides statt, dass ich über keinerlei Vermögenswerte verfüge. Ich erkläre, dass es auch keine Personen oder andere Institutionen gibt, die mir gegenüber verpflichtet sind, mich finanziell zu unterstützen. Ich verfüge weder in Rumänien noch in einem anderen Land über eine Krankenversicherung. Auch erfülle ich nicht die Voraussetzungen, in Rumänien eine Krankenversicherung zu begründen. Ich bin auch nicht in der Lage, die aktuelle Behandlung im F Krankenhaus aus eigenen Mitteln zu finanzieren. Meinen Lebensunterhalt bestreite ich derzeit durch den Verkauf von G-G Zeitschriften. Unterkunft wird durch Verwandte auf der W1straße 00 in E gewährt."

Die Klägerin zeigte der Beklagten mit Fax vom 26.4.2010, 14:02 Uhr, die Behandlung der Hilfebedürftigen an und beantragte die Übernahme der Kosten. Die Verweildauer war mit fünf Tagen beschrieben.

Die Beklagte führte Ermittlungen durch und stellte fest, dass die Hilfebedürftige weder Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) noch nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) noch der Deutschen Rentenversicherung erhielt und nicht in Düsseldorf gemeldet war. Mit Bescheid vom 05.05.2010 lehnte die Beklagte daher den Antrag auf Übernahme der Behandlungskosten der Klägerin ab. Die Voraussetzungen für eine Übernahme der Kosten gemäß § 25 SGB XII lägen nicht vor. Danach seien demjenigen, der in einem Eilfall einem anderen Leistungen erbracht habe, die bei rechtzeitigem Einsetzen von Sozialhilfe nicht zu erbringen gewesen wären, die Aufwendungen in gebotenem Umfang zu erstatten, wenn er sie nicht aufgrund rechtlicher oder sittlicher Pflicht selbst zu tragen hat. Die Erstattung von Aufwendungen gemäß § 25 SGB XII setze voraus, dass zum Zeitpunkt des Eilfalles, hier der 25.04.2010, Sozialhilfe für den anderen, hier für Frau P1, zu erbringen gewesen wäre. Gemäß § 2 SGB XII erhalte Sozialhilfe aber nicht, wer sich vor allem durch Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen könne und wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhalte. Ab dem 01.05.2004 könnten sich Bürger der EU- und der EWR-Staaten sowie ihre Familienangehörigen beim nationalen Gesundheitsform (NFS) versichern lassen. Dieser Anspruch beinhalte auch grundsätzlich die Übernahme von stationären Behandlungskosten im Ausland. Nach den von der Klägerin zugesandten Unterlagen gehöre Frau P grundsätzlich zum vorgenannten Personenkreis. Sie habe auch versichert, nicht über eine Krankenversicherung in Rumänien zu verfügen. Im Übrigen sei Frau P1 zum Zeitpunkt der Krankenhausbehandlung weder Rentnerin noch dauerhaft erwerbsunfähig gewesen. Sie gehöre daher zum Personenkreis, der dem Grunde nach Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II habe. Hierzu würde auch ein Krankenversicherungsschutz gehören. Sollte sie über diesen Versicherungsschutz oder eine andere Absicherung im Krankheitsfall nicht verfügt haben, wäre sie versicherungspflichtig gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) gewesen. Frau P1 könne somit die Leistung von einem anderen Leistungsträger, nämlich der Krankenkasse, erhalten. Ein Anspruch auf Leistungen der Krankenhilfe habe somit am 25.04.2010 nicht bestanden.

Hiergegen erhob die Klägerin am 1. Juni 2010 Widerspruch. Eine Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V bestehe nicht, da Frau P1 tatsächlich keine Leistungen erhalte. Sie verfüge auch nicht über eine Freizügigkeitsbescheinigung. Diese hätte nach § 4 Freizügigkeitsgesetz/EU auch nur mit vorhandenem Krankenversicherungsschutz erteilt werden können, was wiederum einen Pflichtversicherungsantrag unmöglich gemacht hätte. Auch bei Vorliegen einer Freizügigkeitsbescheinigung nach § 2 Freizügigkeitsgesetz/EU wäre eine Versicherung nicht zu Stande gekommen, da Frau P1 über keinerlei finanzielle Mittel verfüge, die ihr die Finanzierung der Versicherungsbeiträge ermöglicht hätten. Hier hätte die Versicherung auf der Beantragung von Sozialleistungen nach dem SGB zwei bestanden. Von solchen Leistungen sei Frau P1 aber laut Gesetz ausgeschlossen. Da es der Hilfebedürftigen also unmöglich sei, einen Krankenversicherungsschutz für den Zeitraum der Krankenhausbehandlung in Deutschland oder Rumänien zu erlangen und sie nicht in der Lage sei, die Behandlung aus eigenen Mitteln zu bezahlen, habe sie Anspruch auf Sozialleistungen, insbesondere auf Leistungen der Krankenhilfe nach §§ 48, 50 SGB XII.

Mit Bescheid vom 28.03.2011 hob die Beklagte den Bescheid vom 05.05.2010 auf und entschied in der Sache neu. Den Antrag auf Übernahme der Kosten gemäß §§ 20 SGB XII lehnte die Beklagte jedoch erneut ab. Nunmehr stützte die Beklagte die Ablehnung auf den Umstand, dass die Hilfebedürftige der allgemeinen rumänischen Versicherungspflicht unterliege. Über den "National Health Insurance Fonds" seien alle rumänischen und ausländischen Bürger sowie Staatenlose mit festen oder vorübergehendem Wohnsitz in Rumänien versichert, wozu auch Auslandsversicherungsschutz in EU-Mitgliedstaaten gehöre. Auch könne kein Sozialhilfebedarf festgestellt werden. G-G habe nicht beantworten können, ob der Lebensunterhalt durch den Verkauf der Zeitschrift habe sichergestellt werden können. Frau P1 habe auf ein Anschreiben der Beklagten mit der Bitte um Klärung der wirtschaftlichen Verhältnisse nicht reagiert. Die unzureichende Aufklärung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Patienten gehe zu Lasten des Krankenhauses, da der Träger der Sozialhilfe andernfalls zum Ausfallbürgen werde.

Auch hiergegen erhob die Klägerin fristgerecht Widerspruch. Frau P1 habe versichert, über keine eigenen finanziellen Mittel zu verfügen. Die Beklagte hätte unmittelbar nach dieser Erklärung ihre Ermittlungen durchführen müssen. Frau P1 sei nicht nur in Düsseldorf nicht gemeldet sondern verfüge auch über keinen Wohnsitz in Rumänien, so dass sie auch keine Leistungen aus dem rumänischen Gesundheitsfonds erhalte. Im Übrigen müssten zumindest Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Betracht kommen.

Die Beklagte führte Ermittlungen durch, unter anderem ein Telefonat mit Frau W2 M von G-G, die mitteilte, dass sich ihrer Kenntnis nach Frau P1 bis zuletzt bei ihrem Sohn, N P1, in der Cstraße 0 aufgehalten habe, derzeit sich aber in Rumänien befinde. Das Jobcenter teilte mit, dass keine Leistungen nach dem SGB II erfolgten. Ein Anschreiben an Frau P1 an die Anschrift "Cstraße 0, 00000 E" kam mit dem Vermerk der Post, "Empfänger unter der Anschrift nicht zu ermitteln", zurück.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17.12.2013 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Es könne nicht geklärt werden, dass hier Sozialhilfe zu erbringen gewesen wäre, da die Einkommens- und Vermögenssituation der Patientin ungeklärt sei. Dem Kostenübernahmeantrag sei zwar ein Grundantrag der Patientin beigefügt gewesen, allerdings sei dieser nicht vollständig ausgefüllt worden. Darüber hinaus seien die von der Patientin gemachten Angaben in keiner Weise belegt worden. Versuche des Sozialhilfeträgers, mit der Patientin unter der von ihr angegebenen Anschrift Kontakt aufzunehmen, seien ohne Reaktion geblieben, so dass der Sozialhilfeträger die finanziellen und persönlichen Verhältnisse nicht habe aufklären können. Welche Einnahmen die Hilfebedürftige aus dem Verkauf der Zeitschrift G-G erziele, sei nicht zu klären. Nach § 25 SGB XII trage der Nothelfer die materielle Beweislast dafür, dass die Anspruchsvoraussetzungen vorlägen, mithin auch dafür, dass Hilfebedürftigkeit bestand.

Die Klägerin hat am 16.01.2014 Klage erhoben und eine Rechnung vom 06.05.2010 über die Behandlung der Frau P1 i.H.v. 1.004,03 EUR vorgelegt. Da weder die Patientin noch deren Tochter, Frau T D2, die Rechnung habe ausgleichen können, habe sich die Klägerin noch am 26.04.2010 an die Beklagte gewandt und den vollständigen Kostenübernahmeantrag übersandt. Frau P1 sei nicht Pflichtmitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V. Der Ausschluss ergebe sich aus § 5 Abs. 11 S. 2 SGB V i.V.m. § 4 Freizügigkeitsgesetz/EU. Gemäß den Vereinbarungen im Zuge des Beitritts von Rumänien zur Europäischen Union sei der Zuzug nach Deutschland für erwerbstätige Arbeitnehmer noch bis zum Jahresende 2013 begrenzt gewesen. Rumänische Bürger hätten zur Aufnahme einer Beschäftigung in Deutschland eine Arbeitsgenehmigung EU der Bundesanstalt für Arbeit bedurft. Verfügten sie über diese nicht, konnten sie nicht als Arbeitnehmer, zur Arbeitssuche oder zur Berufsausbildung nach Deutschland einreisen. Sie waren damit rechtlich von einer Erwerbstätigkeit ausgeschlossen. Dies führte gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 5 FreizügigG/EU dazu, dass sie ihre Freizügigkeit nur unter den Voraussetzungen des §§ 4 FreizügigG/EU ausüben durften. Diese Vorschrift setzte jedoch für das Freizügigkeitsrecht voraus, dass ein nicht erwerbstätiger Unionsbürger über ausreichend Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel verfügte. Diese Voraussetzungen allein seien schon von der Beklagten nicht geprüft worden. Tatsächlich hätten bei Frau P1 diese Voraussetzungen nicht bestanden. Es sei ihr nicht möglich gewesen, ihren Lebensunterhalt oder die Heilbehandlungskosten selbst sicherzustellen. Schließlich sei der Beklagten ja auch bekannt, dass die Tochter der Frau P1, Frau D2, nicht über ein Einkommen verfüge, welches es ihr erlauben würde, Unterhaltsleistungen für Frau P1 zu erbringen. Die Höhe der Vergütung entspreche dem Krankenhausentgeltgesetz und der Fallpauschalenvereinbarung 2010.

Die Klägerin legte ein Schreiben von G- G vom 15.06.2010 an das F Krankenhaus vor, in dem es heißt: "Die oben genannte Personen (D1 P1 und T D2) sind unsere Klientinnen. Sie sind nicht in der Lage, die im Betreff genannte Rechnung zu begleichen. Sie leben vom Verkauf unserer Obdachlosenzeitung und bekommen als neue EU-Bürgerinnen keine Leistungen nach dem SGB II. Frau D2 hat sechs Kinder und wird vom Jugendamt betreut. Dort ist das Fehlen einer Krankenversicherung bekannt. Frau P1, die Patientin, wird von ihrer Tochter so gut es geht, ernährt. Beide sind bereit, ihre prekäre finanzielle Lage eidesstattlich zu versichern."

Die Klägerin hat das Protokoll der Beweisaufnahme vom 26.04.2013 aus dem Verfahren S 42 SO 64/12 vorgelegt. In dem Verfahren hat der Sozialarbeiter P2 P3 von G-G ausgesagt, dass sowohl die Familie P1 als auch Frau L. im Jahr 2008 einen G-G-Ausweis bekommen hätten. Voraussetzung für eine Ausweiserstellung sei der Nachweis, dass sie in materieller Armut und/oder Wohnungslosigkeit leben würden. Das sei für ihn insofern ersichtlich gewesen, da die Familie P1 wie auch Frau L. zunächst in einem Zelt gewohnt und ihr Geld durch Akkordeonspielen und Betteln erwirtschaftet hätten. Später habe es dann eine Wohnung gegeben, in der bis zu 20 Rumänen gewohnt hätten. Die Miete sei von diesen selber bezahlt worden aus zusammen gebettelten Geld. Bei der vom Zeugen genannten Familie P1 sei auch die Patientin gemeint gewesen, denn es habe sich um die Familie P1 gehandelt, die auf der W1str. 00 gelebt habe. Diese Anschrift habe die Patientin auch bei der Aufnahme angegeben.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, an die Klägerin unter Aufhebung des Bescheides vom 28.03.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.12.2013 1.004,03 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte macht geltend, dass die von der Klägerin benannte Tochter, Frau T D2, dem Jugendamt unbekannt sei. Ihr sei nur der Sohn, Herr N P1, bekannt. Allerdings seien die Versuche, unter dessen damaliger Wohnanschrift Anschrift Kontakt mit der Patientin aufzunehmen ebenso gescheitert wie mehrere Versuche an die im Leistungsantrag angegebene Anschrift W1straße 00. Das Protokoll aus dem Verfahren S 42 SO 64/12 sei nicht relevant, weil der Zeuge nicht zur D1 P1 ausgesagt habe sondern zur Familie J und Q P1, die in der W1straße 00 wohnen. Die Klägerin habe jedoch selbst angegeben, dass sich Frau P1 bei ihrem Sohn N P1 in der Cstraße aufgehalten habe. Das Kostenanerkenntnis in der anderen Sache sei aus anderen Gründen erfolgt.

Das Gericht hat versucht, sowohl Herrn N P1 als auch Frau D1 P1 als Zeugen zu laden. Zustellungsversuche sind jedoch gescheitert.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sachs-und Streitstand wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Verwaltungsakte der Beklagten und der Akte S 42 S 64/12, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid vom 28.03.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.12.2013 nicht beschwert im Sinne von § 54 Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), da dieser rechtmäßig ist. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Übernahme der Behandlungskosten für D1 P1 gemäß § 25 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).

Gemäß § 25 SGB XII sind demjenigen, der in einem Eilfall einem Anderen Leistungen erbracht hat, die bei rechtzeitigem Einsetzen von Sozialhilfe nicht zu erbringen gewesen wären, die Aufwendungen in gebotenem Umfang zu erstatten, wenn er sie nicht aufgrund rechtlicher oder sittlicher Pflicht selbst zu tragen hat.

Der Anspruch des Nothelfers setzt damit einen Eilfall in dem Sinne voraus, dass ein beim Hilfeempfänger bestehender Bedarf unabwendbar und unmittelbar durch den Nothelfer gedeckt werden muss. Dies beschreibt zunächst als bedarfsbezogene Moment die Eilbedürftigkeit des Eingreifens selbst (BSG, Urteil vom 23.08.2013, B 8 SO 19/12 R). Dies war hier gegeben: Ausweislich des vorliegenden Arztbriefes vom 10.05.2010 erfolgte die Aufnahme aufgrund einer Pneumonie des rechten Unterlappens mit respiratorischer Partialinsuffizienz bei einer Sauerstoffsättigung von nur 93,3 %. Bei akut reduziertem Allgemeinzustand und erhöhter Temperatur von 39 °C, war eine notfallmäßige Behandlung erforderlich.

Die Aufwandserstattung für den Nothelfer setzt neben dem bedarfsbezogenen auch ein sozialhilferechtliches Moment voraus: Grundsätzlich darf eine rechtzeitige Leistung des Sozialhilfeträgers objektiv nicht zu erlangen sein; der Sozialhilfeträger darf nicht eingeschaltet werden können. Es darf keine Zeit zur Unterrichtung des zuständigen Sozialhilfeträgers verbleiben, um zunächst dessen Entschließung über eine Gewährung der erforderlichen Hilfe abzuwarten. Der Anspruch des Nothelfers besteht also in Abgrenzung zum Anspruch des Hilfebedürftigen nur dann, wenn der Sozialhilfeträger keine Kenntnis vom Leistungsfall hat und ein Anspruch des Hilfebedürftigen gegen den Sozialhilfeträger (nur) deshalb nicht entsteht (BSG, Urteil vom 23.08.2013, B 8 SO 19/12 R m.w.N.). Die Voraussetzungen für einen Eilfall sind deshalb nur dann und so lange erfüllt, wie es der hilfebedürftigen Person bzw. dem Krankenhausträger nicht möglich oder zumutbar ist, den zuständigen Sozialhilfeträger über den Hilfefall zu unterrichten (LSG NRW, Urteil vom 27. Februar 2012, L 20 SO 48/11 m.w.N.). Grundsätzlich ist auch diese Voraussetzung erfüllt war. In Anbetracht der Tatsache, dass die notfallmäßige Aufnahme an einem Sonntagabend um 21:33 Uhr erfolgte, war eine rechtzeitige Benachrichtigung der Beklagten nicht möglich. Diese ist zeitnah am nächsten Arbeitstag um 14:02 Uhr nachgeholt worden, so dass grundsätzlich die Zeit vom 25.04.2010 von 21:33 Uhr bis 26.04.2010, 14:02 Uhr Gegenstand des Nothelferanspruchs sein kann.

Ob der Anspruch der Frau P1 dagegen tatsächlich entstanden wäre, wenn die Beklagte rechtzeitig Kenntnis erlangt hätte, ist bereits aus dem Grund zweifelhaft, weil der Hilfebedarf der Frau P1 nicht eindeutig geklärt ist. Letztlich scheitert die Annahme der Hilfebedürftigkeit allerdings daran, weil hier nicht angenommen werden kann, dass die behandelte Patienten tatsächlich Sozialhilfe in Anspruch nehmen wollte. Ein Anspruch des Nothelfers scheidet auch dann aus, wenn der Hilfebedürftige von seinem Recht, Leistungen der Sozialhilfe nicht in Anspruch zu nehmen, Gebrauch gemacht hat (BSG, Urteil vom 23.08.2013, B 8 SO 19/12 R). Das ist hier der Fall. Die Patientin P1 hat zwar eine Erklärung gegenüber der Klägerin zur Vorlage beim Sozialamt der Beklagten abgegeben, in dem Sie bestätigt hat, dass sie über keinerlei Vermögenswerte verfüge und dass es auch keine anderen Personen oder andere Institutionen gebe, die ihr gegenüber verpflichtet seien, sie finanziell zu unterstützen. Auch sei sie nicht in der Lage, die aktuelle Behandlung im F Krankenhaus aus eigenen Mitteln zu finanzieren, da sie ihren Lebensunterhalt ohnehin nur durch den Verkauf von G-G Zeitschriften bestreite. Gleichwohl war die Patientin weder im Jahr 2010 noch zu irgendeiner Zeit danach bei der Beklagten im Leistungsbezug. Auch erhielt sie keine Leistungen nach dem SGB II und war auch zu keinem Zeitpunkt in Düsseldorf melderechtlich erfasst. Die Ermittlung der Beklagten haben auch ergeben, dass die Klägerin keine Leistungen der Deutschen Rentenversicherung erhalten hat oder erhält. Die weiteren Ermittlungen der Beklagten ergaben zwar, dass Frau P1 ihren Lebensunterhalt, soweit sie sich in Düsseldorf aufhielt, tatsächlich durch den Verkauf von G-G Zeitschriften bestritt. Ob sie allerdings ausschließlich von dem Verkauf der Zeitschriften lebte, konnte nicht geklärt werden. Denn alle Versuche, mit Frau P1 in Verbindung zu treten, sind seitens der Beklagten und seitens des Gerichts erfolglos gewesen. Die Patientin hatte im Krankenhaus angegeben, auf der W1straße 00 in 00000 E wohnhaft zu sein. Der Versuch der Beklagten, mit Schreiben vom 13.02.2011 mit Frau P1 in Kontakt zu treten, scheiterte jedoch, eine Antwort erfolgte nicht. Nachdem eine Mitarbeiterin von G-G der Beklagten mitgeteilt hatte, dass sich Frau P1 bis zuletzt (April 2011) bei ihrem Sohn, N P1, auf der Cstraße 0 in E aufgehalten habe, versuchte die Beklagte, auch unter dieser Anschrift mit Frau P1 in Verbindung zu treten und nähere Auskünfte über eine eventuelle Sozialhilfebedürftigkeit zu erhalten. Das Schreiben an die letztgenannte Anschrift kam mit dem Vermerk der Post: "Empfänger unter der Anschrift nicht zu ermitteln" zurück. Auch das Gericht hat versucht, Frau P1 unter der Anschrift Cstraße 0, E, zu einem Verhandlungstermin zu laden. Die Ladung kann jedoch mit dem Vermerk "Adressat unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln" zurück.

Die als Zeugin zum Verhandlungstermin geladene Tochter der Frau P1, T D2, hat ausgesagt, dass ihre Mutter derzeit wieder in Rumänien sei. Sie sei alle paar Monate in Rumänien und alle paar Monate hier in Deutschland. Wenn sie in Deutschland sei, wohne sie in F bei ihrem Sohn. Demnach ist davon auszugehen, dass sich Frau P1 nicht nur einmalig in Deutschland aufgehalten hat, sondern sich immer wieder für mehrere Monate in Deutschland aufhält, ohne Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen, obwohl sie gegenüber der Klägerin angegeben hat, über keinen ausreichenden Lebensunterhalt zu verfügen. Dabei ist auch davon auszugehen, dass die Einnahmen des Bruders der Frau D2 nicht ausreichen, um auch den Lebensunterhalt der Mutter zu finanzieren. Auch der Bruder der Frau D2 ist einwohnermelderechtlich nicht erfasst. Nach der zuletzt genannten bekannten Anschrift "Cstraße 0" wurde noch eine Anschrift in N bekannt, bei der jedoch auch ein Zustellversuch scheiterte. Nach Aussage seiner Schwester lebt der Bruder von Arbeiten auf Baustellen, wobei im Hinblick auf die fehlende melderechtliche Erfassung nicht davon ausgegangen werden kann, dass es sich um legale Tätigkeiten handelt. Auch bei der Tochter der Frau P1, der Zeugin D2, ist völlig unklar, ob durch den Verkauf der Zeitung G-G der notwendige Lebensunterhalt gedeckt ist. Selbst wenn man nach Aussage der Zeugin davon ausgehen kann, dass sie täglich ca. 15-20 EUR verdient, ist in Anbetracht der Tatsache, dass der Haushalt zwei Erwachsene und sechs Kinder umfasst und die Einnahmen des Ehemannes der Frau D2 nicht geklärt sind, unklar geblieben sind, wie der ausreichende Lebensunterhalt sichergestellt wird (auch wenn von dem Kindergeld, das die Familie erhält, wohl die Kosten der Unterkunft in Höhe von ca. 1.000 EUR monatlich sichergestellt sind) – insbesondere vor dem Hintergrund, dass ganz offensichtlich ein gesetzlicher Krankenversicherungsschutz für kein Familienmitglied besteht und die Zeugin selbst angegeben hat, mit den Kindern nur im Notfall Behandlung in Anspruch zu nehmen. Für sämtliche hier bekannten Familienmitglieder gilt ein auffälliges Bemühen, hier behördlicherseits nach Möglichkeit nicht in Erscheinung zu treten, dabei insbesondere keine staatlichen Leistungen in Anspruch zu nehmen, die möglicherweise zu einer Beendigung des ohnehin zweifelhaften Aufenthaltsstatus führen könnten. Dieses Bemühen ist auch für die hier relevante Patientin P1 ganz offensichtlich, die nach Aussagen ihrer Tochter D2, nachdem sie das Krankenhaus gegen ärztlichen Rat vorzeitig verlassen hatte, entgegen den dort getätigten Angaben nicht unmittelbar nach Rumänien zurückgegangen ist sondern sich noch ca. einen Monat bei der ebenfalls in der T2straße wohnenden anderen Tochter aufgehalten hat bevor sie dann wieder zeitweilig nach Rumänien zurückgegangen ist. Im Hinblick auf den Umstand, dass Frau P1 nicht direkt nach Rumänien zurückgekehrt sondern noch in E verblieben ist, geht die Kammer davon aus, dass Frau P1 noch nicht in der Lage war, eine weite Reise zu unternehmen sondern sich erst bei der Tochter erholt hat, die vorzeitige Beendigung des Krankenhausaufenthaltes aber vor dem Hintergrund erfolgte, dass sie weder den Aufenthalt bezahlen wollte oder konnte, aber auch keinen ernstgemeinten Sozialhilfeantrag stellen wollte. Dafür spricht insbesondere der zeitliche Zusammenhang von Aufklärung durch den sozialen Dienst und Vorlage der entsprechenden Anträge und Erklärungen und der selbstgewählten Entlassung. Die Kammer kann das ganze Verhalten der Frau P1 nur dahingehend würdigen, dass diese keine Hilfe (der Beklagten) in Anspruch nehmen wollte und will. Dann aber reicht eine – hier nicht zweifelsfrei feststehende - objektive Hilfebedürftigkeit nicht aus, um den Nothelferanspruch auszulösen. Denn auch wenn ein Zweck der Regelung ist, die Hilfsbereitschaft Dritter im Interesse in Not geratener Menschen zu erhalten und zu stärken, ist dieser Zweck kein den Nothelferanspruch allein tragender Grund. Es bedarf auch einer sozialhilferechtlicher Rechtfertigung zur Kostenerstattung, was bedeutet, dass Hilfe in den Fällen sichergestellt werden soll, in denen Leistungen des Sozialhilfeträgers andernfalls zu spät kämen oder wegen Zeitablaufs ins Leere gingen. Diese Voraussetzung fehlt, wenn der Betroffene von vornherein keine Leistungen der Sozialhilfe in Anspruch nehmen will.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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