L 5 AS 168/16 B ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 5 AS 449/16 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 168/16 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 26. Februar 2016 wird abgeändert.

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 29. Januar 2016 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 25. Januar 2016 wird festgestellt.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat ein Viertel der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Antragstellers auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) ab Februar 2016.

Der am ... 1951 geborene Antragsteller lebt im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners in einer etwa 30 qm großen Mietwohnung mit zentraler Warmwasseraufbereitung. Für diese Wohnung sind monatlich 169,38 EUR Grundmiete, 40,00 EUR Betriebskostenvorauszahlungen und 110,00 EUR Heizkostenvorauszahlungen zu leisten. Im Juli 2015 wurde der Betrag von 336,83 EUR ("016W3 Guth. aus Abr. 14 abzgl. 26,30 Euro Rest NK Abr. 13") auf dem Konto des Antragstellers gutgeschrieben. Der Antragsteller ist bei den G. O. GmbH seit dem 3. November 2014 unregelmäßig geringfügig beschäftigt. Das Einkommen in Höhe von monatlich 127,00 EUR brutto/113,60 EUR netto fließt jeweils im Folgemonat zu.

Seit August 2014 forderte der Antragsgegner den Antragsteller während des Bezugs von Leistungen nach dem SGB II wiederholt zur Rentenantragstellung auf. Im Verlauf eines durch Antrag des Antragsgegners vom 7. April 2015 eingeleiteten Rentenantragsverfahrens begehrte der Antragsgegner von dem Antragsteller mit Schreiben vom 17. März 2015 unter Hinweis auf dessen Mitwirkungspflichten und eine beabsichtigte Leistungsentziehung die Ausfüllung und Rücksendung von Antragsformularen des Rentenversicherungsträgers. Er entzog mit Bescheid vom 28. April 2015 die dem Antragsteller bewilligten Leistungen nach dem SGB II zum 1. Mai 2015. Die gegen die Entziehungsentscheidung und Aufforderung zur Mitwirkung gerichteten Widersprüche wies der Antragsgegner zurück und der Antragsteller erhob Klagen. In einem vor dem Sozialgericht Magdeburg geführten Verfahren auf gerichtlichen Eilrechtsschutz ordnete das Sozialgericht Magdeburg mit Beschluss vom 3. Juni 2015 die aufschiebende Wirkung der Klagen gegen die Bescheide vom 17. März 2015 sowie 28. April 2015 in der Gestalt der jeweiligen Widerspruchsbescheide an. Im Beschwerdeverfahren vor dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (L 5 AS 432/15 B ER) wies der Senat mit Teilbeschluss vom 29. Juli 2015 die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts vom 3. Juni 2015 zurück, soweit dieses die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 28. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Mai 2015 (vollständige Leistungsentziehung der bewilligten Leistungen ab 1. Mai 2015) angeordnet und dem Antragsgegner aufgegeben hatte, dem Antragsteller ab Mai 2015 die mit Bescheid vom 22. Januar 2015 bewilligten Leistungen auszuzahlen. Mit Endbeschluss vom 21. August 2015 hob der Senat darüber hinaus den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg auf, soweit die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 28. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Mai 2015 (Aufforderung zur Mitwirkung bei der Rentenantragstellung) angeordnet und dieser verpflichtet wurde, den bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See für den Antragsteller am 7. April 2015 gestellten Rentenantrag zurückzunehmen.

Gegen die Entscheidung des Senats vom 21. August 2015 hat der Antragsteller Anhörungsrüge erhoben, die unter dem Aktenzeichen L 5 AS 589/15 B ER RG geführt wird.

Mit Bescheid vom 3. Juli 2015 forderte der Antragsgegner den Antragsteller auf, Altersrente für die Zeit ab dem 1. Januar 2015 zu beantragten und die Antragstellung bis zum 17. Juli 2015 nachzuweisen. Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller am 14. Juli 2015 unter Hinweis auf das beim Landessozialgericht anhängige Verfahren Widerspruch ein.

Ebenfalls mit Schreiben vom 3. Juli 2015 meldete der Antragsgegner einen Erstattungsanspruch beim Rentenversicherungsträger an und erklärte für den Fall, dass der Antragsteller den Antrag nicht bis zum 17. Juli 2015 gestellt habe, von seinem Recht auf Antragstellung nach § 5 Abs. 3 SGB II Gebrauch zu machen.

Aufgrund der erwarteten Rentenantragstellung bewilligte der Antragsgegner in der Folgezeit Leistungen nach dem SGB II jeweils nur für kürzere als sechsmonatige Zeitabschnitte (Bescheid vom 27. Juli 2015 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 26. August 2015 für August 2015; Bescheid vom 26. August 2015 für September und Oktober 2015, vorläufiger Bescheid vom 27. Oktober 2015 in der Fassung des Rücknahmebescheids vom 7. Januar 2016 für November 2015 bis Januar 2016). Gegen diese Bescheide wandte sich der Antragsteller mit Widersprüchen, mit denen er unter anderem die Dauer des Bewilligungszeitraums sowie die Höhe der berücksichtigten Aufwendungen für die Heizkosten rügte.

Mit Schreiben vom 22. Juli 2015 erklärte der Antragsgegner gegenüber dem Rentenversicherungsträger ausdrücklich die ersatzweise Rentenantragstellung. Hierüber informierte er den Antragsteller mit Schreiben vom selben Tag und forderte diesen unter Hinweis auf eine beabsichtigte Entziehung oder Versagung von Leistungen nach dem SGB II dazu auf, bei ihm – dem Antragsgegner – bis zum 5. August 2015 die Anlagen (1) Antrag auf Kontenklärung V 100, (2) Antrag auf Versichertenrente R 100, (3) Bescheinigung zum Hinzuverdienst R 230, (4) Fragebogen zur Prüfung der Vertrauensschutzregelungen R 240 und (5) Meldung zur Krankenversicherung R 810 ausgefüllt vorzulegen.

Mit Schreiben vom 25. August 2015 beantragte der Antragsgegner beim Rentenversicherungsträger für den Antragsteller Altersrente für langjährig Versicherte und Altersrente wegen Arbeitslosigkeit.

Am 28. September 2015 erhielt der Antragsgegner von dem Rentenversicherungsträger eine Kopie der an den Antragsteller gerichteten Aufforderung zur Mitwirkung im Rentenantragsverfahren. Nach dem Inhalt dieser Aufforderung sollte der Antragsteller den Antrag vervollständigen und unterzeichnet zurücksenden. Am 13. Oktober 2015 erhielt der Antragsgegner eine Kopie des Versagungsbescheids des Rentenversicherungsträgers zum durch den Antragsgegner am 25. August 2015 gestellten Rentenantrag. Gegen diesen Bescheid legte der Antragsgegner am 5. November 2015 Widerspruch ein. Der Rentenversicherungsträger teilte dem Antragsgegner mit Schreiben vom 19. November 2015 mit, weitere Angaben zum Rentenantrag zu benötigen, ohne die er den Antrag nicht bearbeiten könne. Die jeweils benötigten Angaben waren farblich gekennzeichnet. Den markierten Antragsvordruck sollte der Antragsteller auf Anforderung des Antragsgegners vom 11. Dezember 2015 unter Hinweis auf §§ 60 ff Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) - Allgemeiner Teil ausfüllen und an den Antragsgegner zurücksenden.

Auf den Fortzahlungsantrag vom 29. November 2015 versagte der Antragsgegner die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit ab Februar 2016 mit Bescheid vom 25. Januar 2016 ohne Anordnung der sofortigen Vollziehung. Gegen den Versagungsbescheid legte der Antragsteller am 29. Januar 2016 Widerspruch ein.

Am 5. Februar 2016 hat der Antragsteller "Eilklage" wegen der Versagung der Leistungen nach dem SGB II mit Bescheid vom 25. Januar 2016 beim Sozialgericht Magdeburg erhoben. Der Widerspruch habe aufschiebende Wirkung. Zudem beantrage er den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Sein Bedarf setze sich aus 209,38 EUR Bruttokaltmiete, 110,00 EUR Vorauszahlungen für Heizkosten und 404,00 EUR Regelbedarf zusammen. Hierauf sei sein Einkommen anzurechnen. Soweit ihm der Antragsgegner eine fehlende Mitwirkung vorwerfe, sei durch seine Passivität die Aufklärung des Sachverhalts nicht wesentlich erschwert worden. Der Antragsgegner habe alle notwendigen Informationen. Am Unterlassen der Vervollständigung der Angaben im Rentenantrag durch den Antragsgegner treffe ihn keine Schuld. Im Übrigen dürfe er nicht zwangsverrentet werden.

Das Sozialgericht Magdeburg hat den Antrag mit Beschluss vom 26. Februar 2016 abgelehnt: Einem möglichen Anordnungsanspruch stehe bereits die Rechtmäßigkeit der Versagungsentscheidung entgegen. Zwar passe § 66 Abs. 1 SGB I dem Wortlaut nach nicht, wenn – wie hier – nicht der für die Rentenleistung Berechtigte, sondern der Grundsicherungsträger den Rentenantrag stelle. Auch sehe § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I bei mangelnder Mitwirkung nur eine Sanktionierung durch den für die beantragte Leistung zuständigen Leistungsträger vor. Das sei bei einer Rente der Rentenversicherungsträger. § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I müsse in der besonderen Konstellation eines Antrags nach § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II aber zumindest analog dahingehend ausgelegt werden, dass der Hilfebedürftige seine Mitwirkungspflicht auch gegenüber dem Grundsicherungsträger verletze, wenn er im Rentenantragsverfahren entgegen § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I die notwendigen Angaben verweigere. Dies entspreche auch den allgemeinen Pflichten aus § 2 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 3 SGB II. Der Antragsgegner habe auch keine einfachere Möglichkeit gehabt, die fehlenden Daten beizubringen, Denn diese kenne (zum Teil nur) der Antragsteller.

Gegen diese Entscheidung hat der Antragsteller am 17. März 2016 Beschwerde beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt.

Er ist der Ansicht, aufgrund seiner finanziellen Situation sei das von dem Antragsgegner bei der Versagungsentscheidung auszuübende Ermessen auf Null reduziert. Ihm stehe tatsächlich kein Einkommen aus einer Rente zur Verfügung. Renteneinkommen sei aber nur anzurechnen, wenn er es erhalte. Leistungen nach dem SGB XII könne er nicht beanspruchen, weil er erwerbsfähig sei. Der Antragsgegner habe die Möglichkeit der Rückforderung nach § 102 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X). Der Antragsgegner habe sich notwendige Informationen von der Krankenkasse, dem Finanzamt oder der Bundesagentur für Arbeit zu beschaffen. Im Übrigen wiederholt der Antragsteller seine Ausführungen aus dem Verfahren vor dem Sozialgericht Magdeburg.

Der Antragsteller beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 26. Februar 2016 aufzuheben, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 29. Januar 2016 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 25. Januar 2016 anzuordnen und den Antragsgegner zu verpflichten, ihm Leistungen nach dem SGB II ab Februar 2016 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Antragsgegner meint, das Sozialgericht Magdeburg habe zutreffend entschieden.

Der Antragsteller hat ein Schreiben des Rentenversicherungsträgers vom 11. März 2016 vorgelegt, nach dem er erklärt hat, den Rentenantrag zurücknehmen zu wollen. Hierauf hat der Rentenversicherungsträger mitgeteilt, dazu werde die Zustimmung des Antragsgegners benötigt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten und Beiakten Bezug genommen. Die Verwaltungsakte des Antragsgegners hat ab Blatt 461 vorgelegen.

II.

Die Beschwerde gegen die Ablehnung der Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Versagungsbescheid vom 25. Januar 2016 sowie des Erlasses einer einstweiligen Anordnung ist form- und fristgerecht eingelegt sowie statthaft gemäß §§ 173, 172 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 in Verbindung mit § 144 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Insbesondere ist der Beschwerdewert von 750,00 EUR überschritten, weil der Antragsgegner die beantragte Erbringung von Leistungen vorläufig ganz versagt hat. Schon unter Berücksichtigung des Leistungsanspruchs des Antragstellers für zwei Monate errechnet sich eine Summe oberhalb dieses Betrags.

Die Beschwerde ist teilweise begründet.

Unabhängig von der Frage der Rechtmäßigkeit des Versagungsbescheids des Antragsgegners vom 25. Januar 2016 waren dessen Wirkungen nicht zu suspendieren. Denn der Widerspruch gegen einen Versagungsbescheid hat schon kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung (dazu 1.). Wegen des Erlasses einer einstweiligen Anordnung kann offen bleiben, ob der Antragsteller einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II in Form eines Zuschusses oder Darlehens hat, oder ob seiner Hilfebedürftigkeit einzusetzendes Vermögen entgegensteht, das der Antragsgegner durch den (vorzeitigen) Rentenantrag aktiviert hat (vgl. Senatsbeschluss vom 1. März 2016 - L 5 AS 25/16 B ER - juris, Rn. 53; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 23. Februar 2016 - L 4 AS 33/16 B ER - juris, Rn. 24). Denn der Antragsteller hat keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (dazu 2.).

1. Die Wirkungen des Versagungsbescheids vom 25. Januar 2016 müssen nicht gesondert mit der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG (vorläufig) suspendiert werden. Der Widerspruch vom 23. November 2015 hat, da die Versagung in § 39 Nr. 1 SGB II (vgl. § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG) nicht genannt ist, aufschiebende Wirkung gemäß § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG. Der Senat hat seine entgegenstehende Rechtsauffassung (vgl. Senatsbeschluss vom 21. Dezember 2011 - L 5 AS 182/11 B ER - juris; Senatsbeschluss vom 30. April 2014 - L 5 AS 566/12 B ER - nicht veröffentlicht) bereits mit Beschluss vom 15. März 2016 (L 5 AS 787/15 B ER) aufgegeben. Da der Antragsgegner die sofortige Vollziehung des Bescheids vom 25. Januar 2016 nicht gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG angeordnet hat, war auch diesbezüglich keine Entscheidung nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG zu treffen. Die Feststellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers erfolgt deklaratorisch.

2. Der Antragsteller hat hinsichtlich des Erlasses einer auf die Verpflichtung des Antragsgegners zur vorläufigen Erbringung existenzsichernder Leistungen nach dem SGB II gerichteten einstweiligen Anordnung einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht.

Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1, 2 und 4 SGG kann, soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die §§ 920, 921, 923, 926, 928, 929 Absatz 1 und 3, die §§ 930 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung (ZPO) gelten entsprechend.

Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO stets die Glaubhaftmachung des Vorliegens sowohl eines Anordnungsgrunds (also die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile), als auch eines Anordnungsanspruchs (die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Hauptsache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs). Ein Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft gemacht, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen überwiegend wahrscheinlich sind.

So liegt es hier nicht wegen der Eilbedürftigkeit einer Entscheidung des Senats über Ansprüche des Antragstellers auf Arbeitslosengeld II.

Einstweiliger Rechtsschutz hat vor dem Hintergrund des Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) die Aufgabe, in den Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung in dem grundsätzlich vorrangigen Verfahren der Hauptsache zu schweren und unzumutbaren, nicht anders abwendbaren Nachteilen führen würde, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 22. November 2002 - 1 BvR 1586/02 - und vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - beide dokumentiert in juris).

Solche nicht anders abwendbaren Nachteile hat der Antragsteller mit dem Vortrag geltend gemacht, seinen Lebensunterhalt nicht durch eigenes Einkommen und Vermögen decken zu können und daher auf Leistungen des Antragsgegners angewiesen zu sein.

Dabei verkennt der Antragsteller jedoch, dass es ihm obliegt, im Rentenverfahren mitzuwirken (§§ 60, 66 SGB I) und die Voraussetzungen für die Klärung seines Rentenanspruchs sowie in deren Folge der Bewilligung der Rente herbeizuführen. Dass § 12a Satz 1 SGB II auch den Antragsteller verpflichtet, eine vorgezogene Altersrente in Anspruch zu nehmen, hat der Senat bereits ausführlich im Beschluss vom 21. August 2015 (L 5 AS 432/15 B ER) dargelegt.

Kommt der Antragsteller seinen Mitwirkungsobliegenheiten nach und kann hiernach allein aufgrund seiner Mitwirkung eine Prüfung der Voraussetzungen sowie die Bewilligung der Rente erfolgen, bezieht er Altersrente, was – ohne dass es auf eine Hilfebedürftigkeit des Antragstellers ankäme – einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II gemäß § 7 Abs. 4 SGB II ausschließt. Gegebenenfalls kann der Antragsteller Vorschussleistungen beim Rentenversicherungsträger beantragen, diese beginnen spätestens nach Ablauf eines Kalendermonats nach Eingang des Antrags, § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB I. Der Streit um den Umfang der Mitwirkung im Rentenverfahren ist aber zwischen dem Antragsteller und dem Rentenversicherungsträger auszutragen, ebenso wie dieser für Vorschusszahlungen auf die Rente zuständig ist.

Anders als der Antragsteller meint, führt daher die Verweigerung seiner Mitwirkung im Rentenverfahren nicht dazu, dass der Antragsgegner, der für die Rentenzahlungen nicht zuständig ist, gleichsam als "Ausfallbürge" die Last der unzureichenden Mitwirkung des Antragstellers im Rentenverfahren durch die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II zu tragen hätte.

Der Senat kann im Übrigen nicht erkennen, wie eine rückwirkende Gewährung von Leistungen nach dem SGB II eingetretene Lücken in der Finanzierung des Lebensunterhalts des Antragstellers decken soll. Denn wirkt der Antragsteller im Rentenverfahren mit, ist eine Rentenbewilligung absehbar. Ein Erstattungsanspruch des Antragsgegners nach § 40a Satz 2 SGB II in entsprechender Anwendung des § 104 SGB X gegenüber dem Rentenversicherungsträger bezöge sich nur auf die von dem Antragsgegner erbrachten Leistungen. Für die Zeit der Nichtleistung ab Februar 2016 steht dem Antragsteller ein Auszahlungsanspruch zu, weil sein Rentenanspruch gegen den Rentenversicherungsträger insoweit nicht als erfüllt gilt (vgl. § 40a Satz 3 SGB II in Verbindung mit § 107 Abs. 1 SGB X).

Zwar stehen dem Antragsteller bei einer Mitwirkung im Rentenverfahren voraussichtlich geringere Einnahmen als mit einem Anspruch auf Arbeitslosengeld II zur Verfügung. Auch dieser Umstand kann aber nicht zur Dringlichkeit der Gewährung von Leistungen nach dem SGB II führen. Denn reichte – wofür keine Anhaltspunkte bestehen – das Einkommen des Antragstellers zur Deckung des Lebensunterhalts nicht aus, bestünde ein Anspruch auf Leistungen nach dem Dritten Kapitel Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) - Sozialhilfe.

Ausgehend von einem Regelbedarf des Antragstellers in Höhe von 404,00 EUR und tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft in Höhe von 209,38 EUR sowie Heizung in Höhe von 110,00 EUR bestünde – ohne Deckelung der Aufwendungen für Heizung – ein Gesamtbedarf des Antragstellers in Höhe von 723,38 EUR. Nach Anrechnung des bereinigten (§ 11b Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 SGB II) Einkommens des Antragstellers in Höhe von 8,50 EUR verbliebe ein monatlicher Leistungsanspruch in Höhe von 714,88 EUR.

Nach den Ermittlungen des Antragsgegners im Verwaltungsverfahren beliefe sich der Altersrentenbetrag für langjährig Versicherte auf 735,73 EUR brutto und 664,73 EUR netto. Da das Einkommen von 127,00 EUR brutto/113,60 EUR netto die Hinzuverdienstgrenze des § 34 Abs. 3 Nr. 1 SGB VI nicht rentenschädlich im Sinne des § 34 Abs. 2 Satz 1 SGB VI überschreitet, bleibt es anrechnungsfrei. Damit stünden dem Antragsteller monatlich 778,33 EUR zur Verfügung, die mit anzurechnenden 744,25 EUR (§ 82 Abs. 3 Satz 1 SGB XII) seinen grundsicherungsrechtlichen Bedarf auch nach demSGB XII decken.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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