L 7 AS 4034/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 3 AS 3124/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AS 4034/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine Minderung des Alg II wegen einer Arbeitsverweigerung kommt nur bei vorsätzlicher Ablehnung eines bestimmten Verhaltens bzw. bei willentlich gesteuerter Ablehnung, eine bestimmte Handlung vorzunehmen, in Betracht. Eine Weigerung kann auch durch konkludentes Verhalten erfolgen. Im Falle der Weigerung durch schlüssiges Verhalten muss jedoch, in Abgrenzung zur bloßen Unachtsamkeit oder Ungeschicklichkeit, das gesamte Verhalten des Leistungsberechtigten den hinreichend sicheren Schluss zulassen, dass er nicht bereit ist, eine Arbeit aufzunehmen. Dagegen reicht ein bloß fahrlässiges Verhalten für den Sanktionstatbestand des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II nicht aus.
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 27. August 2013 sowie der Bescheid des Beklagten vom 24. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. September 2012 aufgehoben.

Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Tatbestand:

Umstritten unter den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit eines Bescheids über den vollständigen Wegfall des Arbeitslosengeldes II im Zeitraum vom 1. September bis 30. November 2012.

Der 1965 geborene geschiedene Kläger stand beim Beklagten vom 1. April bis 31. August 2006 sowie sodann wieder ab 23. Dezember 2008 im Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Durch Bescheid vom 18. November 2011 wurden ihm Leistungen vom 1. Januar bis 30. Juni 2012 in Höhe von 597,58 Euro zuerkannt (Regelbedarf 364,00 Euro, Kosten für Unterkunft und Heizung 233,58 Euro).

Mit Bescheid vom 2. Januar 2012 minderte der Beklagte das Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 1. Februar bis 30. April 2012 monatlich um 30 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs (112,20 Euro monatlich), weil der Kläger das Zustandekommen eines ihm am 25. Oktober 2011 angebotenen zumutbaren Beschäftigungsverhältnisses als Helfer in der Metallbearbeitung verhindert habe; dieser Bescheid wurde bestandskräftig. Durch - ebenfalls bestandskräftig gewordenen - Bescheid vom 29. März 2012 minderte der Beklagte wegen wiederholter Pflichtverletzung das Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 1. Mai bis 31. Juli 2012 um monatlich 60 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs (224,40 Euro monatlich), weil der Kläger die ihm am 18. Januar 2012 angebotene zumutbare Beschäftigung als Metallhilfsarbeiter nicht aufgenommen habe. Wegen der Verhinderung des Zustandekommens eines ihm am 7. Februar 2012 angebotenen Beschäftigungsverhältnisses als Produktionshelfer stellte der Beklagte mit einem weiteren Bescheid vom 3. Mai 2012 eine Minderung des Arbeitslosengeldes II für die Zeit vom 1. Juni bis 31. August 2012 um 60 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs (224,40 Euro monatlich) fest; auch dieser Bescheid wurde vom Kläger nicht angefochten.

Auf den am 15. Mai 2012 gestellten Weiterbewilligungsantrag bewilligte der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 15. Mai 2012 für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2012 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Hierbei berücksichtigte er für die Zeit vom 1. Juli bis 31. August 2012 einen Minderungsbetrag von 224,40 Euro, sodass sich (bei einem Regelbedarf von 374,00 Euro und Kosten für die Unterkunft und Heizung von 261,87 Euro) ein monatlicher Gesamtleistungsbetrag von 411,47 Euro ergab, während sich die Bewilligung für die Zeit vom 1. September bis 31. Dezember 2012 auf monatlich 635,87 Euro belief. Diesen Bescheid focht der Kläger gleichfalls nicht an.

Auf Einladung des Beklagten sprach der Kläger dort im Bereich Arbeitsvermittlung am 15. Juni 2012 persönlich vor. Im Termin abgeschlossen wurde eine neue Eingliederungsvereinbarung. Außerdem bot ihm die Arbeitsvermittlerin an diesem Tag eine zweimonatige, bei der D. + P. GmbH (i.F.: D. + P.) in Vollzeit durchzuführende Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung (Seminar: "Orientierung und Aktivierung mit Kenntnisvermittlung Lager und Logistik und 4 Wochen betrieblicher Erprobung") im Bildungszentrum G. an. An dieser Maßnahme nahm der Kläger in der Zeit vom 18. Juni bis 17. August 2012 (einschließlich eines Praktikums als Lagerhelfer bei der C. GmbH & Co. vom 23. Juli bis 17. August 2012) teil; dabei erwarb er am 27. Juli 2012 auch den Fahrausweis für Flurförderzeuge ("Staplerschein").

Im Software-Programm "V." des Beklagten finden sich ferner mehrere Vermerke, dass dem Kläger am 15. Juni 2012 ein Vermittlungsvorschlag für ein Stellenangebot bei der S. P. GmbH (i.F.: Fa. Sch.) als Lager- und Transportarbeiter erstellt worden sei, der Arbeitgeber jedoch eine "Absage erteilt" habe. Weitere V.-Vermerke beziehen sich darauf, dass am 15. Juni 2012 ein Vermittlungsvorschlag für ein Stellenangebot als Kommissionierer bei der L. GmbH P.D. (i.F.: Fa. L.) erstellt worden sei. In einem Vermerk ohne Datum zu diesem Stellenangebot heißt es unter der Rubrik "STATUS BEWERBUNG (JOBBÖRSE)" stichwortartig: "Durch Arbeitgeber vom 06.07.2012 / Status Bewerbung Nicht vorgestellt/beworben" und weiter: "Bemerkung schriftl. Einladung 21.06. Ohne sonstige Rückmeldung nicht erschienen". Auf das Anhörungsschreiben vom 3. August 2012 gab der Kläger am 13. August 2012 an, ein Schreiben der Fa. L. nie erhalten zu haben. Am 18. Juni 2012 habe er bei der D. + P. eine Maßnahme antreten müssen, die noch bis zum 17. August 2012 andauere. Das im Rahmen dieser Maßnahme von ihm absolvierte Praktikum dürfe er erst beenden, wenn er einen Arbeitsvertrag vorweise; das könne er aber nicht, auch nicht von der Fa. L.

Durch Bescheid vom 24. August 2012 stellte der Beklagte für die Zeit vom 1. September bis 30. November 2012 den vollständigen Wegfall des Arbeitslosengeldes II fest, weil der Kläger wiederholt - vorangegangen sei eine Pflichtverletzung am 7. Februar 2012 - seinen Pflichten nicht nachgekommen sei. Die Angabe des Klägers, nie ein Schreiben der Fa. L. erhalten zu haben, könne bei der Abwägung der persönlichen Einzelinteressen mit denen der Allgemeinheit nicht als wichtiger Grund und als glaubhaft anerkannt werden, da ihm der Vermittlungsvorschlag von der Arbeitsvermittlerin am 15. Juni 2012 persönlich ausgehändigt worden sei. Dem Kläger könnten ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Sachleistungen erbracht werden, wenn er darauf angewiesen sei; in diesem Fall möge er sich an das Jobcenter wenden.

Mit seinem am 31. August 2012 eingegangenen Widerspruch machte der Kläger geltend, er habe bei der Vorsprache bei der Arbeitsvermittlerin kein Angebot für eine Arbeit bei der Fa. L. erhalten. Er könne sich noch daran erinnern, dass die Arbeitsvermittlerin außerhalb ihres Büros seine Fahrkarten kopiert und ihm danach eine Maßnahme bei D. + P. ausgehändigt habe, die er begonnen und erfolgreich abgeschlossen habe. Er hätte "zehnmal lieber" eine Arbeit angenommen, wenn sie ihm angeboten worden wäre, als eine zweimonatige Schulung zu absolvieren. Schon allein wegen der Medikamente, die er auf Grund eines im Jahr 2008 erlittenen Schlaganfalls einnehmen und bezahlen müsse, könne er es sich nicht leisten, eine angebotene Arbeit abzuschlagen. Er versichere, einen Vermittlungsvorschlag weder persönlich noch postalisch erhalten zu haben. Für ihn stelle die unberechtigte Sanktion eine unzumutbare Härte dar, da er sich keines Fehlers bewusst sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 3. September 2012 wurde der Widerspruch mit der Begründung zurückgewiesen, der Kläger habe die Anbahnung eines zumutbaren Beschäftigungsverhältnisses verhindert, indem er sich bei der Fa. L. nicht beworben bzw. nicht vorgestellt habe; ein wichtiger Grund sei nicht erkennbar. Dem Vortrag des Klägers, er habe den Vermittlungsvorschlag nicht erhalten, könne nicht gefolgt werden; ihm sei der Vermittlungsvorschlag laut Aussage der Arbeitsvermittlerin und den digitalisierten Vermerken am 15. Juni 2012 persönlich ausgehändigt worden. Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls sei eine Begrenzung der Minderung auf 60 Prozent der maßgebenden Regelleistung nicht angezeigt. Für den Zeitraum der Sanktion sei die Bewilligungsentscheidung vom 15. Mai 2012 nach § 48 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) in Höhe von 635,87 Euro monatlich aufzuheben gewesen.

Deswegen hat der Kläger am 1. Oktober 2012 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben.

Während des Klageverfahrens sprach der Kläger beim Beklagten am 2. Oktober 2012 vor; es wurden ihm an diesem Tag insgesamt vier Gutscheine für Sachleistungen zu einem Wert von je 38,00 Euro sowie außerdem eine Kassenkarte ausgehändigt, mittels der er am Kassenautomaten 20,00 Euro ausgezahlt erhielt. Am 2. und 8. Oktober 2012 löste der Kläger zwei der Gutscheine zu einem Warenwert von insgesamt 61,46 Euro ein. Nach einer Behandlung am Universitätsklinikum T. befand sich der Kläger vom 7. bis 26. November 2012 in der Fachklinik S. in W. zur medizinischen Rehabilitation; anschließend war er noch vom 27. November bis 14. Dezember 2012 arbeitsunfähig krankgeschrieben.

Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger vorgebracht (vgl. Schriftsatz vom 29. Dezember 2012), er bestreite nach wie vor, dass er am 15. Juni 2012 von der Arbeitsvermittlerin einen Vermittlungsvorschlag für eine Tätigkeit bei der Fa. L. ausgehändigt bekommen habe. Vielmehr sei ihm an diesem Tag von der Arbeitsvermittlerin erklärt worden, dass für den Lehrgang beim Bildungszentrum D. + P. Leute fehlen würden und er deshalb dort sofort teilnehmen könne. Wäre ihm der Vermittlungsvorschlag am 15. Juni 2012 übergeben worden, hätte er bei der Fa. L. auch vorgesprochen, da ihm schon aus finanziellen Gründen mehr an einer Arbeitsaufnahme als an der Teilnahme an einem Seminar gelegen habe. Er sei nach wie vor sehr an einem festen Arbeitsplatz interessiert und würde "lieber heute wie morgen" eine Arbeit aufnehmen. Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Der Kläger habe am 15. Juni 2012 zwei Vermittlungsvorschläge erhalten, die die Arbeitsvermittlerin um 8.11 Uhr ausgedruckt habe. Es sei auch nichts Außergewöhnliches, Vermittlungsvorschläge zu erhalten, wenn man an einer Maßnahme teilnehme. Eine versicherungspflichtige Beschäftigung habe grundsätzlich Vorrang vor jeder anderen Beschäftigung, Maßnahme oder Arbeitsgelegenheit. Mit Schriftsatz vom 10. Juni 2013 hat der Beklagte außerdem verschiedene V.-Vermerke zu den Akten gereicht. Das SG hat den Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 27. August 2013 angehört. Der Kläger hat dort bekundet, er könne sich nicht daran erinnern, am 15. Juni 2012 auch Vermittlungsvorschläge ausgehändigt erhalten zu haben.

Mit Urteil vom 27. August 2013 hat das SG die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Kammer habe keinen Zweifel daran, dass der Kläger den Vermittlungsvorschlag für ein Stellenangebot bei der Fa. L. erhalten und sich hierauf nicht beworben habe. Aus dem vom Beklagten vorgelegten Bewerberauszug sei ferner ersichtlich, dass sich der Kläger auf das Angebot der Fa. Sch. beworben und eine Absage erhalten habe. Von diesen Unterlagen habe der Kläger seit 15. Juni 2012 Kenntnis gehabt. Es habe ihm deshalb klar sein müssen, dass das pauschale Bestreiten, den Vermittlungsvorschlag der Fa. L. nicht erhalten zu haben, so nicht aufrechterhalten werden könne. Soweit der Kläger bestreite, sich bei der Fa. Sch. beworben zu haben, weil er auch dieses Vermittlungsangebot nicht erhalten habe, sei dies in Anbetracht der "offenkundigen Aktenlage" nicht tragfähig. Der Beklagte habe im Übrigen nachvollziehbar dargelegt, dass er selbst weitere Unterlagen zu der Absage der Fa. Sch. nicht mehr habe, da sich der Kläger mit Bezug auf dieses Stellenangebot ordnungsgemäß verhalten habe und daher eine Aufbewahrung nicht notwendig gewesen sei. Die Aussage des Klägers, dass er sich auf einen Vermittlungsvorschlag beworben hätte, wenn er einen solchen erhalten hätte, vermöge vor dem Hintergrund, dass es bereits bestandskräftige "Sanktionen wegen Nichtbewerbung" gebe, nicht zu überzeugen.

Gegen dieses dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 30. August 2013 zugestellte Urteil richtet sich die am 16. September 2013 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegte Berufung. Der Kläger ist dabei verblieben, dass er am 15. Juni 2012 keine Vermittlungsvorschläge erhalten habe. Dies könne er nur bestreiten, da kein entsprechender Nachweis vorhanden sei und auch nicht vorhanden sein könne. Für seinen Vortrag spreche auch, dass er an einem vom Beklagten vorgeschlagenen Vollzeitlehrgang vom 18. Juni bis 17. August 2012 teilgenommen habe. Dem Beklagten sei bekannt gewesen, dass er lieber arbeiten würde, als einen Lehrgang zu absolvieren. Um seine Motivation zur Arbeitsaufnahme gegenüber dem Beklagten zu zeigen, habe er den Lehrgang durchgeführt. Auch die Behauptung, dass er sich bei der Fa. Sch. beworben haben solle, könne er nur pauschal bestreiten. Von diesem Vermittlungsvorschlag habe er erst auf Grund des Schriftsatzes des Beklagten vom 10. Juni 2013 erfahren, welcher seinem Prozessbevollmächtigten am 12. Juni 2013 zugegangen sei. In der Leistungsakte fänden sich keinerlei Vermerke über eine Bewerbung bei der Fa. Sch. Dort sei auch eine Rückantwort der Fa. L. nicht enthalten.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 27. August 2013 sowie den Bescheid vom 24. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. September 2012 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Er hält das angefochtene Urteil und die streitbefangenen Bescheide für zutreffend. Die Vorgänge zu Vermittlungsvorschlägen fänden grundsätzlich zunächst nicht Eingang in die Leistungsakte, sondern verblieben beim Arbeitsvermittler bzw. würden im EDV-System im Programm V. notiert. Die Arbeitsvermittlung führe keine Papierakte und sende nur dann Unterlagen an die Sachbearbeitung weiter, wenn eine Pflichtverletzung in Betracht komme und die Sachbearbeitung den Vorgang weiter ermitteln müsse. Dass in der Leistungsakte keine Unterlagen der Fa. Sch. vorhanden seien, sei mithin der Regelfall, da alle anderen Vorgänge zu Vermittlungsvorschlägen in der Leistungsakte etwas mit einem Fehlverhalten zu tun hätten. Der Kläger habe in den vergangenen Jahren etwa 100 Vermittlungsvorschläge erhalten; das Abheften eines jeden dieser Vermittlungsvorschläge hätte den Aktenumfang unnötig aufgebläht und sei für die Leistungsbewilligung auch völlig unerheblich gewesen. Nach seiner Auffassung sei der Beweis, dass der Kläger die beiden Vermittlungsvorschläge, auf die bereits in der Klageerwiderung vom 14. Februar 2013 hingewiesen worden sei, erhalten habe, durch die vorgelegten Auszüge aus dem Programm V. geführt. Bestritten habe der Kläger dies erst, nachdem das SG seine Rechtsauffassung dahingehend geäußert habe, dass beide Vermittlungsvorschläge ausgehändigt worden sein müssten, weil sich der Kläger auf einen der beiden beworben habe. Dieser sei verpflichtet gewesen, sich auf beide Stellenangebote zu bewerben. Auch die Behauptung des Klägers im Blick auf die ihm zugewiesene Maßnahme ergebe keine andere Sichtweise.

Zur weiteren Darstellung wird auf die Leistungsakten der Beklagten (2 Bände), die Klageakte des SG und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat Erfolg.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist unter Beachtung der Form- und Fristvorschriften des § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eingelegt worden sowie statthaft (§ 143 SGG), weil der Wert des Beschwerdegegenstandes die Wertgrenze des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG übersteigt. Die Berufung ist auch begründet.

Gegenstand des Verfahrens (§ 95 SGG) ist der Bescheid des Beklagten vom 24. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. September 2012. Diese Bescheide hat der Kläger, wie er durch die Antragstellung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 7. Juli 2016 nochmals klargestellt hat (vgl. schon die Klageschrift vom 28. September 2012 sowie den in der mündlichen Verhandlung vor dem SG vom 27. August 2013 gestellten Sachantrag), mit der isolierten Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 SGG) angegriffen. Eine solche Beschränkung auf die Anfechtungsklage ist zulässig, wenn das Arbeitslosengeld II auf der Grundlage eines "Sanktionsbescheids" vollständig entfällt (vgl. zur prozessualen Lage bei bloßer Minderung der Leistungen Bundessozialgericht (BSG) SozR 4-4200 § 31a Nr. 1 (Rdnrn. 13, 17 ff.)).

Regelungsgegenstand des Bescheids vom 24. August 2012 ist die Feststellung einer (weiteren) wiederholten Pflichtverletzung nach § 31 SGB II sowie eines vollständigen Wegfalls der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in der Zeit vom 1. September bis 30. November 2012. Die Feststellung der Pflichtverletzung nach § 31b Abs. 1 Satz 1 SGB II stellt einen eigenständigen Verwaltungsakt dar (BSG SozR 4-4200 § 31a Nr. 1 (Rdnr. 18); BSG, Urteil vom 29. April 2015 - B 14 AS 20/14 R - (juris Rdnr. 15)). Allein auf diese Feststellung hat sich der Regelungsinhalt (§ 31 Satz 1 SGB X) des Bescheids vom 24. August 2012 beschränkt; eine förmliche Aufhebung der früher ergangenen Bewilligungsentscheidung (Bescheid vom 15. Mai 2012), welche auch nach der ab dem 1. April 2011 geltenden Rechtlage (Neubekanntmachung vom 13. Mai 2011 (BGBl. I S. 850)) im Fall einer Minderung oder des Wegfalls des Leistungsanspruchs nach den §§ 31, 31a, 31b SGB II erforderlich ist (vgl. BSG SozR 4-4200 § 31a Nr. 1 (Rdnrn. 14 ff.); BSG, Urteil vom 29. April 2015 - B 14 AS 20/14 R - (juris Rdnrn. 11 ff.); S. Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Auflage, § 31b Rdnrn. 7 f.; Sonnhoff in jurisPK-SGB II, § 31b Rdnrn. 13 f. (Stand: 25.11.2015); Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, § 31b Rdnr. 13 (Stand: 05/16)), ist im Bescheid nicht erfolgt. Dies ist erst im Widerspruchsbescheid vom 3. September 2012 geschehen, wobei die Widerspruchsstelle die Aufhebungsentscheidung auf "§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X" gestützt hat. Dahingestellt bleiben kann, ob die Widerspruchsstelle hierzu unter kompetenzrechtlichen Gesichtspunkten überhaupt befugt war (verneinend für Angelegenheiten der gesetzlichen Rentenversicherung BSG, Urteil vom 20. März 2013 - B 5 R 16/12 R - (juris Rdnr. 28) (m.w.N.); ebenso für die Sozialhilfe bei Fehlen eines Ausgangsbescheids BSG SozR 4-3500 § 75 Nr. 6 (Rdnr. 12)); einer solchen kassatorischen Verfügung, d.h. einem neben der Feststellung des Leistungswegfalls zusätzlichen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X (vgl. hierzu auch BSG, Urteil vom 28. Oktober 2008 - B 8 SO 33/07 R - (juris Rdnr. 17); LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Januar 2016 - L 19 AS 411/15 (juris Rdnr. 31)), mangelte es jedenfalls dem Bescheid vom 24. August 2012. Auch das Anhörungserfordernis des § 24 SGB X dürfte durch das Vorgehen der Widerspruchsstelle nicht gewahrt sein, ganz abgesehen davon, dass sie auf die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X nicht eingegangen ist.

All das bedarf vorliegend indessen keiner weiteren Vertiefung, weil die angefochtenen Bescheide in jedem Fall rechtswidrig sind. Dabei kann sich der Senat unter den gegebenen Umständen auf die Nachprüfung der "Sanktionsentscheidung" in den angefochtenen Bescheiden beschränken, die jedenfalls dann einen abtrennbaren Streitgegenstand darstellt, der isoliert von den übrigen Anspruchsvoraussetzungen nach dem SGB II überprüft werden kann, wenn es an einem Umsetzungsverwaltungsakt fehlt (vgl. BSG SozR 4-4200 § 31a Nr. 1 (Rdnrn. 19, 22); BSG, Urteil vom 29. April 2015 - B 14 AS 20/14 R - (juris Rdnrn. 16, 19)). Eine solche Umsetzung ist vorliegend erst im Widerspruchsbescheid vom 3. September 2012 - und zudem rechtlich bedenklich (siehe oben) - versucht worden. Ohnehin sind beim Kläger keinerlei Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass die Grundvoraussetzungen für einen Leistungsanspruch (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II) zu dem im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung kassatorischer Entscheidungen maßgebenden Zeitpunkt der Erteilung des Widerspruchsbescheids vom 3. September 2012 (vgl. dazu BSGE 95, 176 = SozR 4-4300 § 119 Nr. 3 (jeweils Rdnr. 15); BSG SozR4-4200 § 11 Nr. 70 (Rdnr. 17)), nicht gegeben waren; das hat auch der Beklagte nicht in Zweifel gezogen. Der Kläger hat im Übrigen die Bewilligung im Bescheid vom 15. Mai 2012, insbesondere auch den Zeitraum vom 1. September bis 30. November 2012 betreffend, nicht angefochten, sodass dieser Bescheid bestandskräftig (§ 77 SGG) geworden ist.

Die Voraussetzungen für eine Minderung des Arbeitslosengeldes II um 100 Prozent in der Zeit vom 1. September bis 30. November 2012 liegen nicht vor. Als einzig denkbarer Pflichtverletzungstatbestand, auf welchen der Beklagte den vollständigen Wegfall des Leistungsanspruchs stützen könnte, kommt § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II in Betracht. Danach verletzen erwerbsfähige Leistungsberechtigte ihre Pflichten, wenn sie sich trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis weigern, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung, Arbeitsgelegenheit nach § 16d SGB II oder ein nach § 16e SGB II gefördertes Arbeitsverhältnis aufzunehmen, fortzuführen oder deren Anbahnung durch ihr Verhalten verhindern. Dies gilt nicht, wenn erwerbsfähige Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegen und nachweisen (§ 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II).

Nach § 31a Abs. 1 Satz 1 SGB II mindert sich das Arbeitslosengeld II in einer ersten Stufe um 30 Prozent des für die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person nach § 20 SGB II maßgebenden Regelbedarfs. Bei der ersten wiederholten Pflichtverletzung nach § 31 SGB II mindert sich das Arbeitslosengeld II um 60 Prozent des für die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person nach § 20 SGB II maßgebenden Regelbedarfs (§ 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II). Gemäß § 31a Abs. 1 Satz 3 SGB II entfällt bei jeder weiteren wiederholten Pflichtverletzung nach § 31 SGB II das Arbeitslosengeld II vollständig. Eine wiederholte Pflichtverletzung liegt nur vor, wenn bereits zuvor eine Minderung festgestellt wurde; sie liegt nicht vor, wenn der Beginn des vorangegangenen Minderungszeitraums länger als ein Jahr zurückliegt (§ 31a Abs. 1 Sätze 4 und 5 SGB II). Erklären sich erwerbsfähige Leistungsberechtigte nachträglich bereit, ihren Pflichten nachzukommen, kann der zuständige Träger die Minderung der Leistungen nach Satz 3 ab diesem Zeitpunkt auf 60 Prozent des für sie nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs begrenzen (§ 31a Abs. 1 Satz 6 SGB II). Nach § 31a Abs. 3 Satz 1 SGB II kann der Träger auf Antrag bei einer Minderung des Arbeitslosengeldes II um mehr als 30 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs in angemessenem Umfang ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erbringen. Der Auszahlungsanspruch mindert sich nach § 31b Abs. 1 Satz 1 SGB II mit Beginn des Kalendermonats, der auf das Wirksamwerden des Verwaltungsaktes folgt, der die Pflichtverletzung und den Umfang der Minderung der Leistung feststellt. Der Minderungszeitraum beträgt drei Monate; die Feststellung der Minderung ist nur innerhalb von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der Pflichtverletzung zulässig (§ 31b Abs. 1 Sätze 3 und 5 SGB II).

Die Voraussetzungen für eine Minderung oder gar einen vollständigen Wegfall des Arbeitslosengeldes II im Zeitraum vom 1. September bis 30. November 2012 sind vorliegend nicht gegeben. Zwar hat der Beklagte die Bestimmung des § 31a Abs. 1 Satz 4 SGB II beachtet. Denn der Bescheid vom 24. August 2012 ist erst erlassen und dem Kläger bekanntgegeben worden (§§ 39 Abs. 1 Satz 1, 37 SGB X), nachdem im Bescheid vom 3. Mai 2012 eine Minderung des Arbeitslosengeldes II um 60 Prozent wegen einer weiteren Pflichtverletzung am 7. Februar 2012 festgestellt und dieser letztgenannte Bescheid wiederum auch erst erlassen worden war, nachdem zuvor der Bescheid vom 2. Januar 2012 über eine Minderung des Arbeitslosengeldes II um 30 Prozent wegen einer Pflichtverletzung am 25. Oktober 2011 ergangen war (vgl. hierzu S. Knickrehm/Hahn, a.a.O., § 31a Rdnrn. 12 f.; Sonnhoff in jurisPK, a.a.O., § 31a Rdnrn. 21 ff. (Stand: 10.03.2015); ferner zur Rechtslage bis 31. März 2011 BSG SozR 4-4200 § 31 Nr. 6 (Rdnrn. 22 f.)). Ferner war der für eine wiederholte Pflichtverletzung maßgebliche Jahreszeitraum (§ 31a Abs. 1 Satz 5 SGB II) vorliegend noch nicht verstrichen; denn der Minderungszeitraum im Bescheid vom 3. Mai 2012 betraf die Zeit vom 1. Juni bis 31. August 2012, der frühere Minderungszeitraum im Bescheid vom 2. Januar 2012 den Zeitraum vom 1. Februar bis 30. April 2012. Beide Bescheide - wie auch der Bescheid vom 29. März 2012 über eine Minderung des Arbeitslosengeldes II um 60 Prozent im Zeitraum vom 1. Mai bis 31. Juli 2012 - sind vom Kläger nicht angefochten worden; sie sind damit für die Beteiligten bindend geworden (§ 77 SGG). Der Kläger hat im Übrigen zu keinem Zeitpunkt eine Rechtswidrigkeit der vorgenannten Bescheide vom 2. Januar, 29. März und 5. Mai 2012 geltend gemacht, und zwar weder im Rahmen der Anhörung am 13. August 2012 noch im Widerspruchsschreiben vom 30. August 2012 und ferner - nunmehr anwaltlich vertreten - auch während des gesamten Gerichtsverfahrens nicht, sodass eine Inzidentprüfung der Bescheide (ggf. über § 44 SGB X) hier nicht angezeigt ist (vgl. dazu Senatsurteil vom 21. Juni 2012 - L 7 AS 4298/11 - (juris Rdnr. 28); S. Knickrehm/Hahn, a.a.O., § 31a Rdnr. 12; Sonnhoff, a.a.O., § 31a Rdnr. 24 (jeweils m.w.N.)).

Indessen kann der hier allein zur gerichtlichen Nachprüfung gestellte Sanktionsbescheid vom 24. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. September 2012 bereits deswegen nicht aufrechterhalten bleiben, weil eine Pflichtverletzung des Klägers nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II nicht feststellbar ist. Eine Minderung wegen einer Arbeitsverweigerung im Sinne der vorgenannten Bestimmung kommt schon nach dem Wortsinn des Begriffs "Weigerung" nur bei vorsätzlicher Ablehnung eines bestimmten Verhaltens bzw. bei willentlich gesteuerter Ablehnung, eine bestimmte Handlung vorzunehmen, in Betracht (so zu Recht Sonnhoff in jurisPK, a.a.O., § 31 Rdnr. 28 (Stand: 25. November 2015)). Weigern bedeutet demgemäß regelmäßig die vorsätzliche, ausdrückliche oder stillschweigende, schriftlich, mündlich oder in anderer Weise gegenüber dem Leistungsträger oder dem Arbeitgeber zum Ausdruck gebrachte fehlende Bereitschaft, sich an die durch das Gesetz auferlegte Pflicht zu halten (BSG, Urteil vom 15. Dezember 2010 - B 14 AS 92/09 R - (juris Rdnr. 21)). Eine Weigerung kann auch durch konkludentes Verhalten erfolgen (vgl. nochmals BSG a.a.O.); im Fall der Weigerung durch schlüssiges Verhalten muss indessen, auch in Abgrenzung zur bloßen Unachtsamkeit und Ungeschicklichkeit, das gesamte Verhalten des Leistungsberechtigten den hinreichend sicheren Schluss zulassen, dass er nicht bereit ist, eine Arbeit aufzunehmen (Sonnhoff, a.a.O., Rdnr. 64; Berlit in LPK-SGB II, 5. Auflage, § 31 Rdnr. 29). Vorsatz ist auch für die Tatbestandsvariante der verhaltensbedingt verhinderten Beschäftigungsanbahnung zu fordern, welcher ohnehin keine eigenständige Bedeutung zukommt (S. Knickrehm/Hahn, a.a.O., § 31 Rdnrn. 42, 46). Dagegen reicht ein bloß fahrlässiges Verhalten für den Sanktionstatbestand des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II, und zwar auch in der vorgenannten Fallvariante der Verhinderung der Anbahnung einer Beschäftigung, nicht aus (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 24. Januar 2008 - L 2 B 96/07 AS ER - (juris Rdnr. 36); Sonnhoff, a.a.O.; S. Knickrehm/Hahn, a.a.O., § 31 Rdnrn. 17, 46; Valgolio in Hauck/Noftz, a.a.O., § 31 Rdnrn. 66, 137 (Stand: 02/16)). Ebenso kann ein Irrtum über das geforderte Verhalten nach den Gesamtumständen des Falles den Tatbestand des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II ausschließen (vgl. Sonnhoff, a.a.O, Rdnr. 31).

Vorliegend lässt sich nicht feststellen, dass der Kläger sich vorsätzlich geweigert hat, eine Arbeit bei der Fa. L. aufzunehmen, oder deren Anbahnung vorsätzlich verhindert hat. Zwar findet sich in den Verwaltungsakten (vgl. dort Bl. 233) ein darauf bezogener, unter dem 15. Juni 2012 datierter Vermittlungsvorschlag für ein Stellenangebot als Kommissionierer. Darüber hinaus lassen sich den Leistungsakten sowie den vom Beklagten mit Schriftsatz vom 10. Juni 2013 zu den Akten gereichten V.-Vermerken zwei Vermittlungsvorschläge vom 15. Juni 2012, darunter auch denjenigen für das Stellenangebot als Kommissionierer bei der Fa. L., entnehmen, die mit dem Kläger besprochen worden seien. Dies könnte zunächst dafür sprechen, dass der Kläger am besagten Tag auch tatsächlich zwei Vermittlungsvorschläge erhalten hat. Allerdings ist eine diesbezügliche Empfangsbestätigung in den Unterlagen der Arbeitsvermittlung nicht vorhanden; eine solche Quittierung könnte im Einzelfall aus Beweisgründen aber etwa dann geboten sein, wenn dem Leistungsberechtigten gleichzeitig ein ganzes Bündel von Schriftstücken, die aktivierenden Hilfen nach den §§ 14 ff. SGB II betreffend, ausgehändigt werden sollen. Darüber hinaus sind die zu dem vorgenannten Vorgang archivierten Unterlagen des Beklagten auch sonst nicht vollständig und zum Teil nicht nachvollziehbar. So ist der handschriftliche Vermerk auf dem in den Leistungsakten (dort Bl. 238) befindlichen Ausdruck über die Besprechung des Vermittlungsvorschlags für das Stellenangebot bei der Fa. L. teilweise mit Tipp-Ex gelöscht, sodass nur noch lesbar ist, dass die Aushändigung "am AV Termin: 15.06.2012" erfolgt sei, während der handschriftliche Eintrag über die Uhrzeit offensichtlich unkenntlich gemacht werden sollte. Es finden sich ferner - im Gegensatz zu den früheren vom Beklagten durch die Bescheide vom 2. Januar, 29. März und 3. Mai 2012 sanktionierten, erfolglos gebliebenen Vermittlungsversuchen für Stellenangebote bei der A. I. GmbH, der B. P. S. GmbH und der T. P. GmbH (vgl. Bl. 181, 191, 201-203 der Leistungsakten) weder ein Absageschreiben der Fa. Sch. noch eine schriftliche Mitteilung der Fa. L. oder eine sonstige hierauf gerichtete Nachricht in den Leistungsakten sowie den Vermittlungsunterlagen, sodass der genaue Inhalt dieser Äußerungen nicht nachprüfbar ist.

Aber selbst wenn dem Kläger am 15. Juni 2012 neben dem Angebot bei der D. + P. über eine zweimonatige Maßnahme zur Kenntnisvermittlung im Bereich Lager und Logistik noch die vorgenannten beiden Vermittlungsvorschläge aushändigt worden sein sollten, für deren Zugang ebenso wie für das Weigerungsverhalten der Leistungsträger im Übrigen die objektive Beweislast trägt (vgl. Sonnhoff, a.a.O., Rdnr. 64; Berlit, a.a.O., Rdnr. 29), vermochte sich der Senat nicht davon zu überzeugen, dass der Kläger die Arbeitsaufnahme oder Arbeitsanbahnung bei der Fa. L. willentlich vereitelt hat. Der Kläger ist während des gesamten Verfahrens durchgehend dabei verblieben, am 15. Juni 2012 keine Vermittlungsvorschläge erhalten zu haben oder sich jedenfalls daran nicht erinnern zu können. So hat der Kläger bereits am 13. August 2012 auf das Anhörungsschreiben des Beklagten vom 3. August 2012 zum Hergang der Ereignisse im Zusammenhang mit einem Beschäftigungsverhältnis bei der Fa. L. hin angegeben, ein Schreiben der Fa. L. nie erhalten zu haben. Ergänzend hat er angeführt, dass er am 18. Juni 2012 bei der D. + P. eine noch bis zum 17. August 2012 andauernde Maßnahme ("Lager + Stapler") habe antreten müssen; das im Rahmen dieser Maßnahme absolvierte Praktikum dürfe er erst beenden, wenn er einen Arbeitsvertrag vorweise, was er aber nicht könne, und zwar auch nicht einen solchen von der Fa. L. Im Widerspruchsschreiben vom 30. August 2012 hat der Kläger nochmals bekräftigt, anlässlich der Vorsprache bei der Arbeitsvermittlerin kein Angebot für eine Arbeit bei der Fa. L. erhalten zu haben. Sein Gedächtnis wachrufend hat er dort außerdem vorgebracht, er könne sich noch daran erinnern, dass die Arbeitsvermittlerin außerhalb ihres Büros seine Fahrkarten - diese Kosten waren entstanden auf Grund des Meldetermins (vgl. den V.-Vermerk, Bl. 40 der SG-Akte) - kopiert und ihm danach eine Maßnahme bei D. + P. ausgehändigt habe, die er begonnen und erfolgreich abgeschlossen habe. Er hat weiter betont, dass er "zehnmal lieber" eine Arbeit angenommen hätte, wenn sie ihm angeboten worden wäre, als eine zweimonatige Schulung zu absolvieren, und er es sich schon allein wegen der Medikamente, die er auf Grund eines im Jahr 2008 erlittenen Schlaganfalls einnehmen und bezahlen müsse, nicht leisten könne, eine angebotene Arbeit abzuschlagen. Im vorgenannten Widerspruchsschreiben findet sich auch eine Versicherung des Klägers, für den besagten Tag einen Vermittlungsvorschlag weder persönlich noch postalisch erhalten zu haben; er hat die Sanktion als unberechtigt und als eine "unzumutbare Härte" bezeichnet, da er sich keines Fehlers bewusst sei. Auch in der Klagebegründungsschrift vom 29. Dezember 2012, in der mündlichen Verhandlung vor dem SG vom 27. August 2013, in der Berufungsbegründungsschrift vom 2. Januar 2014 sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 7. Juli 2016 ist der Kläger von seiner Darstellung nicht abgerückt. In der Berufungsbegründungsschrift vom 2. Januar 2014 hat er außerdem dargetan, erst über den schriftsätzlichen Vortrag des Beklagten im Klageverfahren erfahren zu haben, dass es auch einen Vermittlungsvorschlag für ein Stellenangebot bei der Fa. Sch. gegeben haben solle.

Das betreffende Vorbringen des Klägers ist im Gesamtzusammenhang mit dessen weiteren Verhalten im Einladungstermin vom 15. Juni 2012 (einem Freitag) nicht zu widerlegen. So hat der Kläger an diesem Tag ausweislich der aktenkundigen V.-Vermerke eine neue Eingliederungsvereinbarung abgeschlossen und sich ferner zur Teilnahme an der Maßnahme bei der D. + P., die schon am folgenden Montag beginnen sollte, bereiterklärt, obwohl er darüber augenscheinlich nicht begeistert war (vgl. auch den V.-Vermerk auf Bl. 40 der SG-Akte). Der Kläger hat an der zweimonatigen Vollzeitmaßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung (einschließlich des während dieser Zeit stattfindenden vierwöchigen Praktikums) auch tatsächlich teilgenommen und dort ferner den "Staplerschein" erworben. Wohl könnte gegen den Kläger sprechen, dass er in der Vergangenheit insgesamt drei - allerdings schon mehrere Monate zurückliegenden - Vermittlungsvorschlägen (vom 25. Oktober 2011 sowie 18. Januar und 7. Februar 2012) nicht nachgekommen war und deswegen sogar Minderungen des Arbeitslosengeldes II um bis zu 60 Prozent hingenommen hatte. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass der Kläger nicht nur den oben aufgezeigten Verlangen der Arbeitsvermittlerin auf Durchführung der Maßnahme bei der D. + P. sowie auf den Abschluss einer weiteren Eingliederungsvereinbarung Folge geleistet hat, sondern es bei einer überwältigenden Vielzahl der ihm von der Arbeitsvermittlung des Beklagten in der Vergangenheit unterbreiteten etwa 100 Vermittlungsvorschlägen offensichtlich keine Beanstandungen gegeben hat.

Bei einer Würdigung der gesamten Umstände des Falles einschließlich der Persönlichkeit des Klägers, von dessen einfacher Wesensstruktur sich der Senat in der mündlichen Verhandlung vom 7. Juli 2016 einen persönlichen Eindruck verschaffen konnte, vermochte sich der Senat nicht davon zu überzeugen, dass der Kläger mit Blick auf das Stellenangebot als Kommissionierer bei der Fa. L., selbst wenn er dieses erhalten haben sollte, vorsätzlich gehandelt hat. Ihm könnte allenfalls vorgehalten werden, ihm sei entgangen, dass in dem Konvolut von Unterlagen, die ihm von der Arbeitsvermittlerin am 15. Juni 2012 ausgehändigt worden sind - vom Beklagtenvertreter im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 7. Juli 2016 als "einen ganzen Stapel Papier" bezeichnet - auch der vorgenannte Vermittlungsvorschlag enthalten war. Eine solche Unachtsamkeit ist nach den hier gegebenen Besonderheiten des Einzelfalls als bloßes Versehen, äußerstenfalls jedoch als leichte Fahrlässigkeit zu werten; dies genügt für den Pflichtverletzungstatbestand des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II, der ein vorsätzliches Verhalten fordert, indessen nicht. Für den Vorwurf, den Vermittlungsvorschlag willentlich "vergessen" zu haben, reichen die vorhandenen Tatsachengrundlagen nicht aus.

Bei dieser Sachlage kann unerörtert bleiben, ob das Stellenangebot der Fa. L. überhaupt dem Anforderungsprofil des Klägers entsprochen hat, denn dort sollte u.a. "Erfahrung im Getränkebereich" sowie "Berufserfahrung" mitgebracht werden. Auch die weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II können offenbleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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