L 11 AS 861/15

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 9 AS 250/12
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 861/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Nach eingeholtem Gutachten kein Anspruch auf Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 05.11.2015 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig sind höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II -Alg II -) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Hinblick auf die Berücksichtigung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung für die Zeit vom 01.02.2012 bis 31.01.2013.

Der 1968 geborene Kläger, der u.a. an gemischter Hyperlipidämie mit erhöhten Triglyceriden, multipler Fettstoffwechselstörung, Migräne, Refluxkrankheit der Speiseröhre sowie an orthopädischen Leiden (Funktionsbehinderung beider Kniegelenke sowie der Wirbelsäule) leidet, und bei dem ein GdB von 50 festgestellt wurde, bezieht vom Beklagten Alg II. Bereits in früheren Verfahren machte er im Hinblick auf seine Erkrankungen Mehrbedarfe geltend. So legte er ein Attest des Dr. R. vom 23.03.2010 vor. Danach müsse er wegen einer akuten, rezidivierenden Gastritis mit Refluxösophagitis eine besondere Ernährungsform einzuhalten und verschiedene Medikamente einnehmen. Ein entsprechender finanzieller Mehraufwand sollte dem Kläger erstattet werden. In einem weiteren Attest vom 20.12.2011 führte Dr. R. aus, der Kläger leide an einer multiplen Fettstoffwechselstörung und er sei auf fettreduzierte Produkte besonders aus Geflügel bzw. Soja angewiesen. Entsprechende Lebensmittel seien deutlich teurer. In Attesten vom 21.02.2011 und 10.03.2011 führte der Assistenzarzt Dr. S. u.a. aus, der Kläger sei aufgrund seiner chronischen Erkrankungen gezwungen, eine diätische Kost zu sich zu nehmen, wofür ihm ein erheblicher finanzieller Aufwand entstehe. Nach einem weiteren Attest des Assistenzarztes vom 15.12.2011 bedarf der Kläger einer streng triglycerid- und cholesterinsenkenden Kost. Dr. O. führte in einem Schreiben vom 30.04.2012 aus, es sei beim Kläger ein deutlich erhöhter Histaminspiegel festgestellt worden. Aus Kostengründen sei auf eine Überprüfung der Diaminooxidase verzichtet worden. Daneben listete der Kläger die ihm aus seiner Sicht entstehenden Mehraufwendungen auf und fügte diverse Belege (insbesondere Rechnungen, Quittungen und Verschreibungen) an.

Der Beklagte holte darauf beim Gesundheitsamt W-Stadt ein Gutachten ein. Nach dem Gutachten vom 13.01.2012 entstehe ein Mehrbedarf für Ernährung bei einem vorliegend krankheitsbedingt angezeigten Verzicht auf tierische Fette unter Bevorzugung pflanzlicher Fette bzw. einer Reduktion von Nahrungsfett, einer Einschränkung der Cholesterinzufuhr und einer Erhöhung des Ballaststoffanteils nicht. Eine mäßige körperliche Ausdauerbelastung sei u.a. im Hinblick auf Fettstoffwechselstörung erfolgsversprechend. Es bestehe keine Evidenz für die Notwendigkeit der Zuführung von Haferkleie und Sojaeiweiß.

Mit Bescheid vom 16.01.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.02.2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 04.07.2012 bewilligte der Beklagte dem Kläger darauf für die Zeit vom 01.02.2012 bis zum 31.07.2012 Alg II unter Berücksichtigung eines Regelbedarfs von monatlich 374 EUR und der Bedarfe für Unterkunft und Heizung. Ein Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung wurde unter Verweis auf das Gutachten vom 13.01.2012 nicht berücksichtigt. Zudem fehle es an einem erforderlichen Kost- und Ernährungsplan. Ebenso wurde dem Kläger mit Bescheid vom 04.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.08.2012 Alg II für die Zeit vom 01.08.2012 bis 31.01.2013 unter Berücksichtigung eines Regelbedarfs von monatlich 374 EUR bzw. - ohne weitergehenden Bescheid für Januar 2013 - von 382 EUR und der Bedarfe für Unterkunft und Heizung gewährt. Ein Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung wurde erneut nicht berücksichtigt.

Gegen den Widerspruchsbescheid vom 29.02.2012 (S 9 AS 250/12) und vom 21.08.2012 () hat der Kläger jeweils Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben. Die beiden Klagen hat das SG mit Beschluss vom 22.10.2014 verbunden. Der Kläger hat zuletzt noch die weitere Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung iHv monatlich 75 EUR beantragt. Aufgrund seiner Erkrankungen habe er einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung, wodurch ihm seit Jahren ein besonderer, jährlich steigender finanzieller Aufwand entstehe. Er habe bereits mehrere ärztliche Atteste und Schreiben beim Beklagten vorgelegt. Die Stellungnahme des Gesundheitsamtes vom 13.01.2012 sei nicht korrekt. Es seien dort nicht alle Erkrankungen berücksichtigt. Bei einem Verzicht auf tierische Eiweiße seien pflanzliche Eiweiße/Proteine, insb. teurere Soja- und Geflügelprodukte notwendig. Er benötige zudem hochwertige Öle und Bio-Obst/Gemüse bzw. Obst/Gemüse ohne chemische Zusätze. Je billiger das Öl sei, desto ungeeigneter sei es. Hierzu hat der Kläger entsprechende Einkaufsbelege vorgelegt. Auch wenn einzelne seiner Erkrankungen ggf. nicht geeignet seien, einen Mehrbedarf zu begründen, sei dies aber in ihrer Gesamtschau der Fall. Zudem bestehe in Bezug auf eine Histaminose eine gesicherte Diagnose. Eine spezielle Ernährung oder Nahrungsergänzungsmittel könne nicht zulasten der Krankenkasse verschrieben werden. Dr. R. und Dr. R. würden in ihren Attesten von einem erhöhten finanziellen Aufwand ausgehen. Nach einem vom Kläger vorgelegten Attest des Dr. R. vom 06.02.2014 sei eine diätische Ernährung wegen einer multiplen Fettstoffwechselstörung, einer Histaminintoleranz und einer Paraben-Allergie erforderlich. Notwendig seien fettreduzierte Produkte, besonders Produkte aus Geflügel bzw. Soja, die erheblich teurer seien als die aus Schweinefleisch hergestellten Lebensmittel.

Das SG hat verschiedene Befundberichte eingeholt und medizinische Unterlagen beigezogen. Nach dem Bericht des Dr. R. vom 03.11.2014 sei eine ausgewogene Vollkost wegen des darin beinhalteten Schweinefleischs (hoher Fettanteil) für den Kläger nicht ausreichend. Er solle auf besonders magere Geflügelprodukte ausweichen. Fettreduzierte Produkte seien in der Regel teurer. Der Assistenzarzt S. hat in seinem Attest vom 10.03.2011 ausgeführt, der Kläger sei wegen seiner multiplen Allergien, chronischen Gastritis mit intermittierenden Refluxösophagitiden und chronischen Erkrankungen auf eine diätische Behandlung angewiesen, die mit einem erheblichem finanzieller Aufwand verbunden sei. Im Befundbericht des Dr. R. vom 21.11.2014 wird ausgeführt, der Kläger leide an einer Hypercholesterinämie, Hypertriglyzeridämie, Histaminintoleranz und Paraben-Allergie. Es sei eine histaminarme Ernährung und eine fettreduzierte Ernährung notwendig. Es sollte nur wenig Alkohol getrunken und auf Parabene verzichtet werden. Der Kläger müsse testen, was er vertrage und was nicht, und sein Ernährungsverhalten dahingehend ausrichten. Es könne nicht festgestellt werden, ob ein erheblicher erhöhter finanzieller Mehraufwand bestehe. Prof. D. hat in seinem Befundbericht vom 16.12.2014 ausgeführt, es bestehe nach dem Beschwerdebild des Klägers und eines einmaligen Nachweises im Serum der Verdacht auf eine Nahrungsmittelunverträglichkeit und eine Histaminintoleranz. Er habe eine diätische Einstellung mit einer entsprechenden Broschüre empfohlen. Eine ausgewogene Vollkost sei in Bezug auf die angezeigte Reduzierung histaminhaltiger Nahrungsmittel nicht ausreichend, sondern eine entsprechende besondere Ernährung notwendig. Mehraufwendungen und Einsparungen würden sich die Waage halten und eine relevante finanzielle Belastung sei nicht zu erwarten.

Der Beklagte hat ein Gutachten des Dr. E. vom 29.01.2015 vorgelegt. Darin wird u.a. ausgeführt, eine Sondenernährung und Vitamine sowie Spurenelemente bei nachgewiesenem Mangel könnten auf Kosten der Krankenkasse verordnet werden. Bei einer Ablehnung komme ein Mehrbedarf iHv 10 vH der Regelbedarfsstufe 1 in Betracht. Die Histaminose sei nicht nachgewiesen. Bei Vermeidung histaminreicher Nahrung könne ein wesentlicher Mehraufwand nicht sicher gesehen werden.

Das SG hat Beweis erhoben und ein Gutachten durch Prof. B. - Universität H-Stadt, Institut für Biologische Chemie und Ernährungswissenschaft - eingeholt. Dieser hat unter dem 26.07.2015 ausgeführt, der Kläger leide u.a. an einer multiplen Fettstoffwechselstörung, Refluxkrankheit der Speiseröhre, Magenschleimhautentzündung, Bluthochdruck, Histaminintoleranz und Allergie gegen Benzoylperoxid und Parabene. Da im Hinblick auf die Histaminintoleranz bislang eine notwenidge Enzymuntersuchung nicht durchgeführt worden sei, könne nur von einem Verdacht ausgegangen werden. Eine Zusammenstellung von Lebensmitteln nach unterschiedlichem Histamingehalt sei schwer möglich, weil der Histamingehalt je nach Reifungsgrad pflanzlicher Lebensmittel und Lagerungsbedingungen schwanke und weil einige Lebensmittel einen direkten Einfluss auf die körpereigene Histaminbildung hätten. Eine Ernährungstherapie der Histaminintoleranz sei demzufolge symptomatisch, so dass Lebensmittel, die zu den typischen Symptomen der Histaminintoleranz führten (was individuell sehr verschieden sein könne), gemieden werden müssten, insb. alkoholische Getränke und Käse. Ein besonderer Ernährungsplan sei nicht erforderlich. Benzoylperoxid komme in Lebensmitteln nicht vor. Im Hinblick auf die Allergie gegen Parabene, die als Konservierungsstoffe bei unterschiedlichen Stoffen sowie bei manchen Lebensmitteln eingesetzt würden, könne in der Nährwertkennzeichnung an dem Vermerk PHB-Ester oder den E-Nummern 214, 216, 218 erkannt werden, welche Produkte diese enthalten und einfach gemieden werden. Auch hier sei kein spezieller Ernährungsplan erforderlich. Schließlich sei für Fettstoffwechselstörungen ebenfalls kein spezieller Kost- und Ernährungsplan notwendig. Eine medizinisch begründete Empfehlung zur Ernährungsumstellung sei ohne zusätzliche Kosten zu erreichen. Insofern stelle Vollkost die geeignete Form der Ernährung dar. Hierbei seien viele der geeigneten Lebensmittel preisgünstig. Dass Alternativen zu Schweinefleisch teurer seien, sei nicht zutreffend, wenn vergleichbare Produkte hinzugezogen würden. Zudem bestünde auch eine ausgewogene Vollkost nicht überwiegend aus Schweinefleisch. Eine Notwendigkeit zum Konsum von Bio-Soja-Produkten gebe es nicht. Hier sei zB fettarme Milch gleichfalls geeignet.

In Bezug auf das Gutachten hat der Kläger ergänzend ausgeführt, der Gutachter gehe zu Unrecht lediglich vom Verdacht einer Histaminintoleranz aus, die durch den behandelnden Arzt tatsächlich festgestellt worden sei. Ggf. hätte der Gutachter weitere Untersuchungen anstellen müssen. Nicht überzeugend sei dessen Aussage, dass spezielle Diäten zur Histaminintoleranz nicht wissenschaftlich überprüft seien. Insofern werde auf Ausführungen des Schweizer Allergiezentrums verwiesen, wonach eine Behandlung durch eine dreistufige Ernährungsumstellung (Karenzphase, Testphase und Dauerernährung) erfolge. An erster Stelle stehe eine histaminarme Ernährung und bestimmte Nahrungsmittel seien zu meiden. Beim Verweis hinsichtlich der Fettstoffwechselstörung auf tierische Lebensmittel, die arm an gesättigten Fettsäuren seien, werde die Aussage, hierdurch würden keine höheren Kosten entstehen bzw. viele der angegebenen Lebensmittel seien preisgünstiger, nicht belegt. Es handele sich alleine um eine allgemeine Aussage. Es fehle auch ein Eingehen auf das Zusammenwirken der Krankheiten. Der Gutachter weiße auf Alkoholkarenz und Bewegung hin, ohne dass entsprechende Feststellungen von ihm beim Kläger getroffen worden seien. Der Verweis auf "Problemtrinker" stamme nur aus einem Verdacht einer Ärztin aus dem Jahr 2007. Bezüglich einer medikamentösen Behandlung wäre den Akten zu entnehmen gewesen, dass diese wegen Nebenwirkungen nicht fortgesetzt worden sei. Nach Einschätzung des Dr. E. wäre bei - wie vorliegend gegeben - fehlender Kostenübernahme durch die Krankenkasse ein Mehrbedarf gegeben. Hiermit habe sich der Gutachter nicht auseinander gesetzt.

Mit Urteil vom 05.11.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Die beim Kläger vorliegenden Erkrankungen würden keine besondere Ernährung erfordern, die gegenüber der in der Bevölkerung üblichen Ernährung kostenaufwändiger sei. Dies folge aus dem Gutachten von Prof. B. vom 26.07.2015, dessen Einschätzung gefolgt werde. Bei den jeweiligen Erkrankungen des Klägers bedürfe es keines besonderen Ernährungsplans. Im Hinblick auf die diagnostizierte Fettstoffwechselstörung sei die Vollkost die geeignete Form der Ernährung. Dies habe der Gutachter mit ausführlicher, überzeugender und fundierter Begründung ohne innere Widersprüche für den konkreten Fall hergeleitet. Im Hinblick auf die Histaminintoleranz und auf die Parabenallergie müsse der Kläger bestimmte Nahrungsmittel meiden und durch andere ersetzen. Dies sei nicht mit einem Mehrkostenaufwand verbunden. Unerheblich sei, dass der Gutachter nur von einem Verdacht auf His-taminintoleranz ausgehe, denn die Begründungen, mit denen das Gutachtensergebnis insoweit hergeleitet werde, stelle nicht maßgeblich auf die bloße Verdachtsdiagnose ab, sondern beziehe sich ausdrücklich auf das Erkrankungsbild der Histaminintoleranz. Bei der Fettstoffwechselstörung sei für die Behandlung kein spezieller Kost- oder Ernährungsplan notwendig. Die medizinisch begründete Empfehlung zur Ernährungsumstellung sei ohne zusätzliche Kosten zu erreichen. Die geeignete Vollkost könne aus der Regelleistung bestritten werden.

Dagegen hat der Kläger Berufung zum LSG eingelegt. Auch Dr. E. sei zum Ergebnis gekommen, ein Mehrbedarf sei zu gewähren, sollte die Krankenkasse keine Kosten übernehmen. Andere Ärzte hätten dies ebenfalls bestätigt. Als Beweis für Mehrkosten habe er verschiedene Kassenbelege vorgelegt. Im Hinblick auf die Reduzierung tierischer Fette sei er auf andere Produkte, insbesondere auf Soja-Basis, zur Deckung des Proteinbedarfs angewiesen, die nachweislich teurer seien. Gleiches gelte für den Einkauf von Putenfleisch im Vergleich zu Schweinefleisch. Auch hochwertigere Mehle, Öle, etc. seien teurer. Dies alles sei vom Gutachter nicht berücksichtigt worden. Es werde angeregt, ein weiteres Gutachten einzuholen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 05.11.2015 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 16.01.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.02.2012 und des Bescheides vom 04.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.08.2012 zu verurteilen, für die Zeit vom 01.02.2012 bis 31.01.2013 weitere Leistungen im Hinblick auf einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung zu zahlen.

Der Beklagte beantragt: Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 05.11.2015 (Az.: S 9 AS 250/12) wird zurückgewiesen.

Zur Begründung hat er auf das Urteil des SG verwiesen.

Einen am 13.05.2016 eingegangenen Befangenheitsantrag gegen die Richter des Senats hat der Senat mit Beschluss vom 24.05.2016 (L 11 SF 157/16 AB) für unzulässig befunden. Den am 30.05.2016 bei Gericht eingegangenen weiteren Befangenheitsantrag gegen die Richter des Senats hat der Kläger zurückgenommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung Einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird auf die beigezogenen Akten des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte durch den bestellten Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung entscheiden, denn die Beteiligten haben sich hiermit ausdrücklich einverstanden erklärt (§ 155 Abs 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz -SGG- iVm § 124 Abs 2 SGG).

Die form- und fristgerechte Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG), in der Sache jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, da der Bescheid des Beklagten vom 16.01.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.02.2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 04.07.2012 und der Bescheid vom 04.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.08.2012 rechtmäßig sind und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzen.

Streitgegenstand ist vorliegend die Gewährung von Alg II in Bezug auf die Gewährung von Leistungen für Regel- und Mehrbedarfe für die Zeit vom 01.02.2012 bis zum 31.01.2013, worüber der Beklagte mit Bescheid vom 16.01.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.02.2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 04.07.2012 (dieser ist nach § 96 SGG Gegenstand des bei dessen Erlass bereits beim SG anhängigen Verfahrens S 9 AS 250/12 geworden) und mit Bescheid vom 04.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.08.2012 entschieden hat. Eine weitergehende Beschränkung des Streitgegenstandes auf Leistungen für den Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung, die nur ein Begründungselement für den Leistungsanspruch bezüglich Regel- und Mehrbedarfe darstellen, ist nicht möglich (vgl BSG, Urteil vom 11.02.2015 - B 4 AS 26/14 R). Nur die Leistungen für Unterkunft und Heizung, die einen abtrennbaren Streitgegenstand darstellen (vgl BSG, Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 4/14 R; Urteil vom 04.06.2014 - B 14 AS 42/13 R; Urteil vom 06.08.2014 - B 4 AS 55/13 R), sind - im Hinblick auf die Beschränkung des klägerischen Begehrens - vorliegend nicht mehr zu prüfen.

Ein höherer Anspruch auf Alg II nach §§ 19 Abs 1, 7 SGB II für den Zeitraum vom 01.02.2012 bis zum 31.01.2013, der über die Bewilligung der Regelleistungen in den angefochtenen Bescheiden hinausgeht, besteht nicht.

Nach § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig sowie hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte). Der Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum 43 bzw. 44 Jahre alt, erwerbsfähig und hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Er war darüber hinaus in der Zeit vom 01.02.2012 bis zum 31.01.2013 hilfebedürftig. Dementsprechend hat der Beklagte auch zutreffend Alg II unter Berücksichtigung der jeweils maßgeblichen Regelleistung iHv monatlich 374 EUR bzw. für Januar 2013 iHv 382 EUR - und der hier nicht streitgegenständlichen Bedarfe für Unterkunft und Heizung - bewilligt bzw. jedenfalls tatsächlich gezahlt.

Weitere Leistungen standen dem Kläger nicht zu. Ein Mehrbedarf war nicht zu berücksichtigen. Nach § 21 Abs 5 SGB II wird bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt. Dabei müssen die notwendigen Aufwendungen über den im Regelbedarf nach § 20 SGB II bereits berücksichtigten Anteil hinausgehen, mit dem die laufenden Kosten eines typischen Leistungsberechtigten im Rahmen eines soziokulturellen Existenzminimums für eine ausreichende ausgewogene Ernährung im Sinne einer ausreichenden Zufuhr von Proteinen, Fetten, Kohlehydraten, Mineralstoffen und Vitaminen, im Ergebnis eine Vollkosternährung, bestritten werden können (vgl dazu BSG, Urteil vom 20.02.2014 - B 14 AS 65/12 R). Voraussetzung sind weiter medizinische Gründe iS von gesundheitlichen Beeinträchtigungen, eine kostenaufwändige Ernährung und ein Ursachenzusammenhang zwischen den medizinischen Gründen und der kostenaufwändigen Ernährung (vgl BSG, Urteil vom 10.05.2011 - B 4 AS 100/10 R; Urteil vom 20.02.2014 - B 14 AS 65/12 R).

Der Kläger leidet unstreitig an einer Vielzahl von Erkrankungen, wobei nach den vom Kläger vorgelegten Unterlagen, den Befundberichten und dem Gutachten des Prof. B. insbesondere eine multiple Fettstoffwechselstörung, Refluxkrankheit der Speiseröhre, Magenschleimhautentzündung, Bluthochdruck, und Allergien gegen Benzoylperoxid und Parabene festgestellt wurden. Bezüglich der Histaminintoleranz besteht jedenfalls der Verdacht des Vorliegens. Ob beim Kläger eine Histaminintoleranz tatsächlich vorliegt ist insofern unerheblich, da selbst bei deren Unterstellung keine kostenaufwändigere Ernährung notwendig ist. Insofern ist es auch ohne Belang, dass der Gutachter des SG wohl lediglich von einem Verdacht einer solchen Erkrankung ausgegangen ist, da er sich mit den Auswirkungen auf die bei einer solchen Unverträglichkeit notwendige Ernährung auseinandergesetzt hat.

Der Gutachter Prof. B. hat zutreffend, überzeugend und widerspruchsfrei in seinem Gutachten vom 26.07.2015 erhöhte Aufwendungen für die im Fall des Klägers medizinisch angezeigte Ernährung verneint. Im Wesentlichen sind danach bei der Histaminintoleranz der Konsum histaminhaltiger Lebensmittel zu meiden bzw. zu reduzieren und ggf. durch andere Lebensmittel zu ersetzen. Darauf stellen im Grunde alle beteiligten Mediziner ab. Sofern aber Dr. R., Dr. R. und der Assistenzarzt S. davon ausgehen, hierdurch würden Mehrkosten im Vergleich zur gesunden Vollkost entstehen, kann dem nicht gefolgt werden. Belegt wird deren Ansicht nicht. Insbesondere erscheint gerade die für den Kläger offensichtlich teure Ernährung mit Soja-Produkten nicht medizinische indiziert. Im Übrigen kommt auch Prof. D. in seinem Befundbericht vom 16.12.2014 zum Ergebnis, dass sich Mehraufwendungen und Einsparungen bei der medizinisch notwendigen Ernährungsform die Waage halten und eine relevante finanzielle Belastung nicht zu erwarten ist. Es kann von der hinreichenden Sachkunde und Einschätzungsmöglichkeit des Gutachters Prof. B. ausgegangen werden, der sich an der Universität H-Stadt, Institut für Biologische Chemie und Ernährungswissenschaft, mit Ernährungswissenschaft explizit befasst. Soweit er auf Alkoholkarenz und Bewegung zur Therapie verweist, ist dies unschädlich, da er sich daneben auch eingehend mit der notwendigen Ernährung im Hinblick auf das Krankheitsbild des Klägers auseinandersetzt. Sofern vom Kläger gerügt wird, das Gutachten gehe nicht auf das Zusammenspiel der verschiedenen Krankheiten ein, ist dies ebenfalls nicht durchgreifend. Insofern kann dem Gutachten im Hinblick auf die Ausführungen zu den bei den einzelnen Erkrankungen notwendigen Ernährungsformen entnommen werden, dass es insofern keine Überschneidungen bzw. Beeinflussungen gibt. Das Weglassen von Nahrungsmitteln mit hohem Histamingehalt oder mit Parabenen steht nicht im Widerspruch zu einer fettarmen und gesunden Ernährung.

Der Einwand des Klägers, dass das Schweizer Allergiezentrum eine "Diät" bei Histaminintoleranz vorsehe, führt nicht zu einer anderen Sichtweise. Die dort empfohlene dreistufige Ernährungsumstellung mit einer Karenzphase, Testphase und Dauerernährung, die im Übrigen auch den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) entspricht (vgl zB Diätik Kompakt - Fachinformationen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V., 1. Auflage 2014, Seite 4 f), belegt keinen Kostenmehrbedarf. Vielmehr geht es dabei um das Austesten, welche Lebensmittel nicht vertragen werden und das anschließende Weglassen. Mehrkosten können damit alleine nicht begründet werden. Auf dieses Vorgehen weißt auch der Gutachter Prof. B. in seinem Gutachten vom 26.07.2015 hin. Im Übrigen ist der Histamingehalt nicht nur von der Art der Lebensmittel abhängig, sondern es ergibt sich eine große Schwankungsbreite des Histamingehalts vor allem durch die Lagerdauer, den Reifegrad sowie bestimmte Verarbeitungsprozesse (vgl DGE aaO Seite 5 mit dem Beispiel von Fisch). Auch hier ist nicht ersichtlich, dass das Berücksichtigen dieser Umstände mit Mehrkosten verbunden ist.

In Bezug auf die Fettstoffwechselstörung kommt der Gutachter Prof. B. ebenfalls zu dem Ergebnis, dass hier keine Mehrkosten entstehen würden. Dem schließt sich das Gericht an. Ein spezieller Kost- und Ernährungsplan ist hier nicht notwendig. Die vom Regelbedarf umfasste ausgewogene Vollkost ist die geeignete Ernährungsform und entspricht auch den Empfehlungen der DGE, die bereits die Erkenntnisse zur Prävention und Therapie u.a. von Fettstoffwechselstörungen berücksichtigt hat (vgl auch BayLSG, Urteil vom 21.11.2014 - L 8 SO 128/12). Nicht nachvollziehbar ist, weshalb Geflügelfleisch generell teurer sein soll, als Schweinefleisch. Allein die Vorlage von Kassenbelegen für den Kauf von Schweinefleisch einerseits und Geflügelfleisch andererseits, kann dies nicht belegen. Es erscheint zudem nicht zwingend nachvollziehbar, dass die vom Regelbedarf umfasste gesunde Vollkost alleine Schweinefleisch beinhaltet bzw. dieses gewichtsmäßig eins zu eins durch Geflügelfleisch ersetzt werden müsste. Insofern erscheint die Darlegung des Gutachters nachvollziehbar.

Auch aus dem Zusammenspiel der verschiedenen Erkrankungen und deren Erfordernissen für die Ernährung vermag das Gericht keinen Mehrbedarf zu erkennen. Dies folgt aus dem Ergebnis, dass in keinem Fall ein Abweichen von der grundsätzlichen Ernährungsform der gesunden Vollkost krankheitsbedingt indiziert ist.

Schließlich kann auch aus den Angaben des Dr. E. vom 29.01.2015 kein anderes Ergebnis hergeleitet werden. Dort ist die Rede von einer Sondenernährung und Vitaminen sowie Spurenelementen bei nachgewiesenem Mangel. Eine Sondenernährung wird hier nicht geltend gemacht und es gibt keine Anhaltspunkte für eine entsprechende Notwendigkeit. Bei Vitaminen und Spurenelementen ist unklar, ob dabei auf nicht von § 21 Abs 5 SGB II erfasste Nahrungsergänzungsmittel abgestellt wird. Im Hinblick auf das überzeugende Gutachten des Prof. B. wäre jedenfalls kein Mehrbedarf zu berücksichtigen.

Da auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers und der oben vorgenommenen Auseinandersetzung mit dem Gutachten des Prof. B. für das Gericht keine hinreichenden Zweifel an der Richtigkeit und Schlüssigkeit der Ergebnisse des Gutachtens vom 26.07.2015 verblieben sind, bedurfte es nicht der Einholung eines weiteren Gutachtens, wie es der Kläger angeregt hat.

Die Berufung war somit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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