L 3 AS 611/16 B PKH

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 17 AS 35/16
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AS 611/16 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Bei einer Zusicherung zum Umzug im Sinne von § 22 Abs. 4 Satz 1 SGB II handelt es sich um einen auf eine Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt im Sinne von § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (Fortführung der Senatsrechtsprechung: Sächs. LSG, Beschluss vom 27. Dezember 2012 - L 3 AS 943/12 B PKH -; entgegen Sächs. LSG, Beschluss vom 26. Oktober 2015 - L 7 AS 932/15 B ER -).
2. Eine Zusicherung zum Umzug im Sinne von § 22 Abs. 4 Satz 1 SGB II ist zeitlich nicht begrenzt mit der Folge, dass § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG einschlägig ist (Fortführung der Senatsrechtsprechung: Sächs. LSG, Beschluss vom 9. September 2013 - L 3 AS 950/13 B PKH -).
3. Ein Antrag auf Erteilung einer Zusicherung muss sich stets auf ein nach Lage der Wohnung, Zeitpunkt des Einzuges und den aufzuwendenden Kosten, insbesondere einem bezifferten Mietzins und einer der Höhe nach feststehenden Kaution, konkretisiertes Wohnungsangebot beziehen (vgl. Fortführung der Senatsrechtsprechung: Sächs. LSG, Beschluss vom 26. Oktober 2009 - L 3 AS 20/09 -).
I. Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichtes Leipzig vom 6. April 2016 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichtes Leipzig vom 6. April 2016, mit dem der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung ihres Bevollmächtigten abgelehnt worden ist, ist zulässig, insbesondere statthaft (1.). Sie ist jedoch nicht begründet (2.). In der Hauptsache begehrt die Klägerin die Erteilung einer Zusicherung zum Umzug gemäß § 22 Abs. 4 Satz 1 des Sozialgesetzbuches Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II). Die Wohnung, hinsichtlich derer die Klägerin zunächst die Erteilung der Zusicherung begehrt hat, ist bereits vor dem Zeitpunkt der Klageerhebung an einen anderen Mieter vergeben gewesen.

1. Gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ist die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte. Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

a) Der erkennende Senat hat bereits im Beschluss vom 27. Dezember 2012 (vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom 27. Dezember 2012 – L 3 AS 943/12 B PKHFamRZ 2013, 1846 ff. = juris Rdnr. 13; siehe auch Sächs. LSG, Beschluss vom 9. September 2013 – L 3 AS 950/13 B PKH – juris Rdnr. 17) entschieden, dass es sich bei einer Zusicherung im Sinne von § 22 Abs. 4 Satz 1 SGB II um einen auf eine Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt im Sinne von § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG handelt. Hieran hält der Senat nach nochmaliger Prüfung und unter Berücksichtigung der entgegenstehenden Entscheidung des 7. Senates des Sächsischen Landessozialgerichtes vom 26. Oktober 2015 (vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom 26. Oktober 2015 – L 7 AS 932/15 B ER – juris Rdnr. 27, wo allerdings nur der Beschluss des LSG Mecklenburg-Vorpommern vom 28. Mai 2014 – L 8 AS 169/14 B ER, L 8 AS 171/14 B – und nicht die diesem entsprechende verbreitete obergerichtliche Rechtsprechung Erwähnung findet) fest.

Die Zusicherung über die Aufwendungen für eine neue Unterkunft nach § 22 Abs. 4 Satz 1 SGB II ist zwar nicht unmittelbar auf eine Geldleistung gerichtet, da mit ihr keine Geldleistungen bewilligt werden. Für § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG ist es allerdings ausreichend, wenn der streitige Verwaltungsakt zu einer Geldleistung oder zu einem geldwerten Vorteil führt (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [11. Aufl., 2014], § 144 Rdnr. 10a; Breitkreuz/Schreiber, in: Breitkreuz/Fichte, SGG [2. Aufl., 2014], § 144 Rdnr. 7). Dies ist hier der Fall. Bei der Zusicherung nach § 22 Abs. 4 Satz 1 SGB II handelt es sich um einen Verwaltungsakt im Sinne der §§ 31 und 34 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) (vgl. BSG, Urteil vom 22. November 2011 – B 4 AS 219/10 R – SozR 4-4200 § 22 Nr. 57 = juris, jeweils Rdnr. 11, m. w. N.; Sächs. LSG, Beschluss vom 26. Oktober 2009 – L 3 AS 20/09 – juris Rdnr. 17, m. w. N.). Gegenstand der Zusicherung ist die Berücksichtigung der Unterkunftskosten für eine konkrete Unterkunft in konkreter Höhe bei künftigen Bedarfsberechnungen (vgl. Berlit, in: Münder [Hrsg.], SGB II [5. Aufl., 2013], § 22 Rdnr. 129; Piepenstock, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II [4. Aufl., 2015], § 22 Rdnr. 182). Insoweit unterfällt der Streit um die Zusicherung nach § 22 Abs. 4 Satz 1 SGB II unter den Anwendungsbereich von § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (so auch Schlesw.-Holst. LSG, Beschluss vom 28. Februar 2012 – L 6 AS 145/11 B PKH – juris Rdnr. 15; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 18. März 2010 – L 5 AS 93/10 B ER, L 5 AS 101/10 B – juris Rdnr. 17; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 13. Juni 2012 – L 5 AS 189/12 B ERNZS 2012, 839 = juris Rdnr. 17; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 28. Mai 2014 – L 8 AS 169/14 B ER, L 8 AS 171/14 B PKH – juris Rdnr. 19; Leitherer, a. a. O.; offen gelassen: LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 16. Dezember 2010 – L 7 AS 6055/09 – juris Rdnr. 21; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 19. Januar 2011 – L 7 AS 4623/10 B – juris Rdnr. 2).

b) Ferner ist, soweit sich im Einzelfall nicht ausnahmsweise etwas anderes ergibt, § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG einschlägig. Denn weder ist der begehrte Verwaltungsakt, nämlich die Zusicherung zum Umzug im Sinne von § 22 Abs. 4 Satz 1 SGB II, noch das prozessuale Begehren auf Erteilung der Zusicherung zeitlich begrenzt; insbesondere ist das Begehren nicht auf einen bestimmten Bewilligungszeitraum beschränkt (vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom 9. September 2013, a. a. O.; Sächs. LSG, Beschluss vom 26. Oktober 2015, a. a. O.; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 16. Dezember 2010, a. a. O.; offen gelassen: LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 19. Januar 2011, a. a. O.).

Soweit in einigen obergerichtlichen Entscheidungen die Auffassung vertreten wird, im zeitlichen Umfang sei "das Interesse der Zusicherung – wie auch in anderen Fallgestaltungen der Leistungsgewährung nach dem SGB II – begrenzt auf die Dauer eines Bewilligungsabschnitts, mithin auf sechs Monate, höchstens zwölf Monate (§ 41 Abs. 1 Sätze 4, 5 SGB II; [ ])", und eine Einbeziehung weiterer Bewilligungsabschnitte komme nicht in Betracht (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 18. März 2010, a. a. O., Rdnr. 20; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 13. Juni 2012, a. a. O., Rdnr. 23; Schlesw.-Holst. LSG, Beschluss vom 28. Februar 2012, a. a. O., Rdnr. 17; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 28. Mai 2014, a. a. O.), wird hierbei der Regelungsgehalt der Zusicherung zum Umzug im Sinne von § 22 Abs. 4 Satz 1 SGB II und daraus folgend der Streitgegenstand des gerichtlichen Verfahrens verkannt.

Gegenstand der Zusicherung ist, wie bereits ausgeführt wurde, die Berücksichtigung der Unterkunftskosten für eine konkrete Unterkunft in konkreter Höhe bei künftigen Bedarfsberechnungen. Eine Zusicherung wirkt sich zwar auf Entscheidungen über die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II aus, hat aber selbst keine Entscheidung über einen Leistungsanspruch zum Gegenstand. Damit geht der Verweis auf Parallelen zu "anderen Fallgestaltungen der Leistungsgewährung nach dem SGB II" bereits dem Grund nach fehl.

Die Zusicherung zum Umzug im Sinne von § 22 Abs. 4 Satz 1 SGB II gilt grundsätzlich solange, bis in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, die nach Maßgabe von § 40 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 48 SGB X sowie § 40 Abs. 2 Nr. 3 i. V. m. § 330 Abs. 3 Satz 1 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III) die Aufhebung einer Bewilligungsentscheidung rechtfertigen würde (vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom 9. September 2013, a. a. O.; vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. Juli 2014 – L 14 AS 1360/14 B ERNZS 2014, 716 = juris Rdnr. 2; ähnlich: Sächs. LSG, Beschluss vom 26. Oktober 2015, a. a. O.).

2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.

Gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichend Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe erfolgt für jeden Rechtszug besonders (vgl. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass das Gericht im Prozesskostenhilfeverfahren die Prüfung der Sach- und Rechtslage nur summarisch vorzunehmen hat und aus Gründen der Waffengleichheit zwischen den Beteiligten insbesondere bei von Fachgerichten zu entscheidenden Rechtsstreitigkeiten keine allzu überspannten Anforderungen zu stellen sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. April 2002 – 1 BvR 81/00NJW 2000, 1936 ff.). Damit muss der Erfolg des Rechtsbegehrens nicht gewiss sein. Erfolgsaussichten sind nur dann zu verneinen, wenn diese nur entfernt oder schlechthin ausgeschlossen sind (vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom 30. April 2014 – L 3 AL 181/13 B PKH – juris Rdnr. 3, m. w. N.).

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs besitzt die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Es ist anerkannt, dass sich ein Antrag auf Erteilung einer Zusicherung stets auf ein nach Lage der Wohnung, Zeitpunkt des Einzuges und den aufzuwendenden Kosten, insbesondere einem bezifferten Mietzins und einer der Höhe nach feststehenden Kaution, konkretisiertes Wohnungsangebot beziehen muss (vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom 26. Oktober 2009 – L 3 AS 20/09 – juris Rdnr. 20, m. w. N.; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10. Mai 2011 – L 19 AS 629/11 B ER – juris Rdnr. 3; Bay. LSG, Beschluss vom 12. Mai 2011 – L 11 AS 250/11 B ER – juris Rdnr. 20; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23. Januar 2015 – L 7 AS 1873/14 B – juris Rdnr. 7; Berlit, a. a. O., m. w. N.; Krauß, in: Hauck/Noftz, SGB II [Stand: Erg.-Lfg. VI/2015, Juni 2015], § 22 Rdnr. 250; Lauterbach, in: Gagel, SGB II/SGB III [61. Erg. Lfg, März 2016], § 22 Rdnr. 101; Piepenstock, a. a. O.). Da im Falle der Klägerin bereits zum Zeitpunkt der Klageerhebung die von ihr anzumietende Wohnung vergeben war, fehlte der Klage von Anfang an das Rechtsschutzbedürfnis.

Die Kläger trägt dafür, dass sie gleichwohl die Klage betreibt, vor, dass der Beklagte den Antrag auf Erteilung der Zusicherung mit der fehlenden Notwendigkeit des Umzugs begründet habe, und dass die Ablehnung neuer Zusicherungsanträge mit eben dieser Begründung zu erwarten sei. Die Klage mit diesem Rechtsschutzbegehren kann nur Erfolg haben, wenn die Klägerin einen Anspruch auf isolierte Feststellung dieser Anspruchsvoraussetzung hat. Ob eine solche sogenannte Elementenfeststellungsklage zulässig ist, wird von den Senaten des Bundessozialgerichtes unterschiedlich beantwortet (vgl. die Nachweis bei Sächs. LSG, Beschluss vom 18. Mai 2016 – L 3 AS 167/16 B ER – juris Rdnr. 23). Ohne zur Zulässigkeit einer solchen Klage dem Grund nach Stellung zu nehmen, hat der 4. Senat in Bezug auf die Zusicherung zum Umzug die Möglichkeit einer abstrakten Feststellung der Erforderlichkeit eines Umzuges verneint (vgl. BSG, Urteil vom 6. April 2011 – B 4 AS 5/10 R – FEVS 63, 109 ff. = juris Rdnr. 17). Denn der Streit zwischen den Beteiligten habe jedenfalls nicht durch die gerichtliche Feststellung über ein einzelnes Element eines Rechtsverhältnisses vollständig ausgeräumt werden können, weil zu den Aufwendungen für eine bestimmte neue Unterkunft keine Angaben vorgelegen hätten und die Angemessenheit der Kosten der Unterkunft im Vergleichsraum auch vom Zeitpunkt der Anmietung einer neuen Wohnung abhänge. Dieser Entscheidung haben sich das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 10. Mai 2011, a. a. O., Rdnr. 4) und das Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (vgl. LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23. März 2015 – L 19 AS 2347/14 B ER, L 19 AS 2348/14 B – juris Rdnr. 20) angeschlossen.

3. Dieser Beschluss ergeht gerichtskostenfrei (vgl. § 183 SGG). Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig (vgl. § 202 SGG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO).

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (vgl. § 177 SGG).

Dr. Scheer Höhl Strahn
Rechtskraft
Aus
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