S 16 AS 2316/16 ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Halle (Saale) (SAN)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
16
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 16 AS 2316/16 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Sozialgericht Halle

S 16 AS 2316/16 ER

Aktenzeichen



Beschluss

In dem Rechtsstreit

...

gegen

...

hat die 16. Kammer des Sozialgerichts Halle ohne mündliche Verhandlung am 8. August 2016 durch die Vorsitzende, die Richterin am Sozialgericht J., beschlossen:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung darüber, ob die Antragsteller einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) haben.

Die Antragsteller sind rumänische Staatsangehörige. Nach ihrem Vortrag sind sie im Juni 2014 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist.

Der 1992 geborene Antragsteller zu 1) und die 1993 geborene Antragstellerin zu 2) sind seit dem ... 2014 miteinander verheiratet. Sie haben vier gemeinsame Kinder: die am ... 2011 geborene Antragstellerin zu 3), den am ... 2012 geborenen Antragsteller zu 4), den am ... 2014 geborenen Antragsteller zu 5) und die am ... 2015 geborene Antragstellerin zu 6). Sie bewohnen eine Unterkunft in H ... Mietbeginn war ausweislich des vorliegenden Mietvertrages der 1. September 2015. Für die 66 qm große Vier-Raum-Wohnung fallen Mietkosten in Höhe von 330,00 EUR einschließlich der Vorauszahlungen für Heiz- und Warmwasserkosten in Höhe von 50,00 EUR und für "kalte" Betriebskosten in Höhe von 40,00 EUR, insgesamt 420,00 EUR, an.

Die Antragsteller zu 1) und 2) beantragten erstmals am 4. Dezember 2014 für ihre zu diesem Zeitpunkt fünfköpfige Familie Leistungen nach dem SGB II. Der Antragsteller zu 1) erklärte unter Heranziehung einer Dolmetscherin, er sei selbstständig tätig und habe seit dem 19. Juli 2014 ein Gewerbe als Schrotthändler angemeldet. Die zu diesem Zeitpunkt schwangere Antragstellerin zu 2) trug unter Heranziehung einer Dolmetscherin vor, sie verfüge weder über Schulbildung, noch über Berufsausbildung, Berufserfahrung oder über Deutschkenntnisse. Sie legten u.a. einen Mietvertrag vom 19. Juni 2014 über eine Drei-Raum-Wohnung in der ...Straße in Halle vor, wonach Kosten für die Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt 418,58 EUR monatlich anfielen. Aus dem Bescheid über Kindergeld der Familienkasse S. vom 18. November 2014 ergab sich, dass dem Antragsteller zu 1) Kindergeld für die Antragsteller zu 3) bis 5) in Höhe von insgesamt 558,00 EUR bewilligt wurde. Trotz Aufforderung des Antragsgegners mit Schreiben vom 11. Dezember 2014 zur Vorlage von weiteren Unterlagen und weiterem Schreiben vom 19. Dezember 2014 reichten die Antragsteller keine weiteren Unterlagen ein. Mit Bescheid vom 5. Januar 2015 versagte der Antragsgegner daraufhin die Leistungen.

Am 29. Januar 2015 legte der Antragsteller zu 1) die Gewerbeanmeldung der Stadt H. vom 19. August 2014 vor, in der der 19. Juli 2014 als Beginn der selbstständigen Tätigkeit "Altmetall sammeln" vermerkt ist, sowie die Anlage EKS einschließlich der Angaben zum Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit für den Zeitraum von Juli bis November 2014 vor. Hiernach erzielte er im Juli 0,00 EUR, im August 60,05 EUR, im September 53,38 EUR, im Oktober 0,00 EUR und im November 671,86 EUR. Er legte einen Bareinkauf-Beleg der M. GmbH, W., und eine Kassenquittung der S. GmbH über die Umsätze vor. Für den Zeitraum von Dezember 2014 bis Mai 2015 schätzte der Antragsteller zu 1) seine Betriebseinnahmen in Höhe von monatlich 400,00 EUR bis 550,00 EUR und seine Betriebsausgaben in Höhe von monatlich 100,00 EUR. Er legte weitere Kassenquittungen der S. GmbH für Dezember 2014 in Höhe von 276,00 EUR und für Januar 2015 in Höhe von 185,85 EUR vor. Der Antragsteller gab an, sich anfangs ein Auto von seinem Onkel oder von Freunden ohne weitere Kosten geliehen zu haben, und reichte "Einverständniserklärungen" zur Akte. Außerdem übergab der Antragsteller zu 1) eine Kopie des Kaufvertrages vom ... 2014, wonach er einen gebrauchten VW Passat für 700,00 EUR erworben, und einen weiteren Vertrag vom 10. Januar 2015, wonach er diesen für 800,00 EUR wieder verkauft hat. Ausweislich der Zulassungsbescheinigung vom 20. Januar 2015 wurde ein LKW mit geschlossenem Kasten auf die Antragstellerin zu 2) zugelassen. Ein Kaufvertrag hierfür liegt nicht vor. Nach einem Aktenvermerk des Antragsgegners erklärte der Antragsteller zu 1) unter Heranziehung einer Dolmetscherin, dass er in Rumänien mit seiner Ehefrau und den Kindern unentgeltlich bei seinen Eltern gelebt habe und nicht über Vermögen verfüge. Die Betriebserlaubnis der unteren Abfallbehörde nach § 18 KrWG wolle er umgehend nachreichen.

Mit vorläufigem Bescheid vom 29. Januar 2015 bewilligte der Antragsgegner den Antragstellern zu 1) bis 5) Leistungen nach dem SGB II für Dezember 2014 in Höhe von 1.046,93 EUR sowie für den Zeitraum von Januar bis Mai 2015 in Höhe von 1.075,92 EUR. Mit vorläufigem Änderungsbescheid vom 11. März 2015 bewilligte er der Antragstellerin zu 2) höhere Leistungen aufgrund der Gewährung eines Mehrbedarfs wegen Schwangerschaft bis einschließlich Februar 2015 und der Antragstellerin zu 6) Leistungen für Februar 2015 in Höhe von 29,99 EUR und für März bis Mai 2015 in Höhe von 262,38 EUR. Außerdem wurde der Antragsteller zu 1) nochmals zur Vorlage der Betriebserlaubnis der unteren Abfallbehörde aufgefordert. Eine Bestätigung einer Anzeige bei der unteren Abfallbehörde nach § 18 Abs. 2 KrWG zu einer landesweiten gewerblichen Altmetallsammlung legte er nicht vor.

Laut Mitteilung der Familienkasse vom 16. März 2015 bewilligte diese für die Antragstellerin zu 6) seit Februar 2015 Kindergeld in Höhe von weiteren 215,00 EUR.

Mit Änderungsbeschied vom 23. März 2015 bewilligte der Antragsgegner für April und Mai 2015 vorläufig Leistungen in Höhe von 1.094,95 EUR.

Dem Antragsgegner wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft H. u.a. gegen den Antragsteller zu 1) ein Ermittlungsverfahren führte. Der Antragsteller zu 1) wurde beschuldigt, sich Ende Mai 2014 mit anderen zusammengeschlossen zu haben, um künftig bundesweit Buntmetall, insbesondere Kupfer, in großen Mengen arbeitsteilig zu entwenden und gewinnbringend weiter zu verkaufen, um sich hierdurch eine Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen. Der Antragsgegner wurde sodann über die Aufnahme des Antragstellers zu 1) in die BG Kliniken B. am 23. April 2015 aufgrund der Verletzungen nach seinem Fluchtversuch vor der Polizei mit einem Sprung aus einem Fenster im 3. Stock informiert.

Die Antragsteller beantragten am 29. Juni 2015 erneut Leistungen nach dem SGB II. Im Antrag gab der Antragsteller zu 1) an, dass er sich seit dem 23. April 2015 in stationärer Behandlung befinde. Sein Gewerbe könne er derzeit nicht ausüben. Er könne auch keine Unterlagen für den Zeitraum von Januar 2015 bis Februar 2015 vorlegen, da sich diese in seinem Auto befunden haben, welches ausgebrannt sei. Laut Gewerbeabmeldung vom 28. Juli 2015 übte der Antragsteller zu 1) sein Gewerbe seit dem Fluchtversuch mit Sturz am 23. April 2015 nicht mehr aus.

Mit Bescheid vom 20. August 2015 lehnte der Antragsgegner den Antrag auf Leistungen nach dem SGB II ab.

Mit weiterem Schreiben vom 20. August 2015 forderte der Antragsgegner den Antragsteller zu 1) auf, seine tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben im Zeitraum von Dezember 2014 bis Mai 2015 zu erklären.

Die Antragsteller beantragten am 5. Oktober 2015 vor dem Sozialgericht Halle den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Das Verfahren wurde unter dem Aktenzeichen S 26 AS 3434/15 ER geführt. Mit Beschluss des SG Halle vom 9. Oktober 2015 wurde der Antragsgegner in diesem Verfahren aufgrund einer Folgenabwägung verpflichtet, den Antragstellern vorläufig Leistungen nach dem SGB II vom 5. Oktober 2015 bis zum 31. Mai 2016 zu gewähren. Es sei in tatsächlicher Hinsicht offen, ob den Antragstellern ein Aufenthaltsrecht aus anderen Gründen als zur Arbeitssuche zustehe.

Den Weiterbewilligungsantrag vom 27. Mai 2016 lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 1. Juni 2016 unter Verweis auf § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II ab. Hiergegen erhoben die Antragsteller am 8. Juni 2016 Widerspruch.

Am 24. Juni 2016 haben die Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung vor dem Sozialgericht Halle beantragt. Das Aufenthaltsrecht und damit der Leistungsanspruch des Antragstellers zu 1) ergäben sich aus § 2 Abs. 3 Nr. 1 FreizügG/EU und der übrigen Familienmitglieder aus §§ 2 Abs. 2 Nr. 6, 3 Abs. 1, 2 FreizügG/EU. Auch hinsichtlich der Unterkunftskosten sei ein Anordnungsgrund gegeben. Der bisherige Vermieter habe zwar noch keine Räumungsklage erhoben. Er sei jedoch nahezu der letzte Vermieter in H., der noch an Angehörige der Roma vermieten würde. Zu dieser Volksgruppe gehörten auch die Antragsteller. Die Anmietung einer Ersatzwohnung nach einer Räumungsklage sei offensichtlich aussichtlos.

Am 27. Juni 2016 hat der Antragsgegner den Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Die Antragsteller seien gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II nicht leistungsberechtigt nach dem SGB II, da sich ihr Aufenthalt allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergebe. Der Antragsteller zu 1) habe eine selbstständige Tätigkeit nicht länger als ein Jahr ausgeübt, sondern diese aufgegeben, wobei offen bleiben könne, ob diese legal ausgeübt worden sei. Darüber hinaus sei diese Tätigkeit zumindest seit Januar 2015 nicht mehr in nennenswertem Umfang ausgeübt worden, so dass es auf die vorübergehende Erwerbsminderung aufgrund des Unfalls nicht ankäme. Die Antragstellerin zu 2) gehe ebenfalls keiner Tätigkeit nach.

Die Antragsteller beantragen,

den Antragsgegner zu verpflichten, ihnen vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er verweist auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 2016 und ergänzt, dass auch ein Anordnungsgrund bezüglich der Unterkunftskosten fehle, da eine Räumungsklage bislang nicht erhoben worden sei und somit keine Wohnungslosigkeit drohe.

Wegen des weiteren Sachvortrages der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten sowie die Verwaltungsakten des Antragsgegners verwiesen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.

II.

Der statthafte und auch im Übrigen zulässige Antrag der Antragsteller auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist zulässig, aber unbegründet.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt voraus, dass ein materieller Anspruch besteht (sog. Anordnungsanspruch) und der Erlass einer gerichtlichen Entscheidung besonders eilbedürftig ist (sog. Anordnungsgrund).

Eilbedürftigkeit liegt vor, wenn dem Betroffenen ohne die Eilentscheidung eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten droht, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 12. Mai 2005, 1 BvR 569/05, NVwZ 2005, 927, juris, Rn. 23; BVerfG, Beschluss vom 16. Mai 1995, 1 BvR 1087/91, BVerfGE 93, 1, juris, Rn. 28).

Der geltend gemachte (Anordnungs-)Anspruch und die Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO)). Für die Glaubhaftmachung genügt es, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund überwiegend wahrscheinlich sind (Bundessozialgericht (BSG), Beschluss vom 8. August 2001 – B 9 V 23/01 B, juris, Rn. 5), wenn also mehr für als gegen die Richtigkeit der Angaben spricht (vgl. auch Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 13. März 2013, L 5 AS 107/13 B ER, juris, Rn. 32).

Ob ein Anordnungsanspruch vorliegt, ist in der Regel durch summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu ermitteln. Können ohne die Gewährung von Eilrechtsschutz jedoch schwere und unzumutbare Nachteile entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, ist eine abschließende Prüfung erforderlich (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. Mai 2005, Az. 1 BvR 569/05, juris). Liegt ein Anordnungsanspruch nicht vor, ist ein schützenswertes Recht zu verneinen und der Eilantrag abzulehnen. Hat die Hauptsache hingegen offensichtlich Aussicht auf Erfolg, ist dem Eilantrag stattzugeben, wenn die Angelegenheit eine gewisse Eilbedürftigkeit aufweist. Bei offenem Ausgang muss das Gericht anhand einer Folgenabwägung entscheiden, die die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend einstellt (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005, a. a. O.; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 86b Rn. 29, 29a).

Nach diesem Maßstab war der Antrag abzulehnen. Es fehlt an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs.

Die Antragsteller haben keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.

1. Leistungen nach dem SGB II erhalten nur erwerbsfähige Leistungsberechtigte (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Dies sind nach der Legaldefinition des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben, sofern kein Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II vorliegt.

a) Die Antragsteller zu 1) und 2) sind 23 Jahre alt und mangels anderer Anhaltspunkte erwerbsfähig. Gegen eine Erwerbsfähigkeit des Antragstellers zu 1) spricht dabei auch nicht seine momentane Arbeitsunfähigkeit infolge seines Sturzes am 23. April 2015 aufgrund des Fluchtversuches vor der Polizei. Erwerbsfähigkeit fehlt gemäß § 8 SGB II, wenn wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit keine Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich ausgeübt werden kann. Aufgrund des Fenstersturzes ist der Antragsteller nach seinen Angaben derzeit arbeitsunfähig und damit nicht in der Lage, seiner Tätigkeit als Altmetallhändler weiter nachzugehen. Anhaltspunkte dafür, dass er darüber hinaus über kein Restleistungsvermögen im Umfang von mindestens drei Stunden täglicher Erwerbstätigkeit verfügt, ergeben sich daraus jedoch nicht und sind im Übrigen auch nicht vorgetragen.

Die Antragsteller haben ihren derzeitigen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II i.V.m. § 30 Abs. 3 Satz 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) hat jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Entscheidend ist, ob der örtliche Schwerpunkt der Lebensverhältnisse faktisch dauerhaft im Inland ist. Dauerhaft ist ein solcher Aufenthalt, wenn und solange er nicht auf Beendigung angelegt, also zukunftsoffen ist (BSG, Urteil vom 30. Januar 2013, B 4 AS 54/12 R, BSGE 113, 60-70, SozR 4-4200 § 7 Nr. 34, SozR 4-1200 § 30 Nr. 7, Rn. 18). Die Antragsteller leben seit Juni 2014 in der Bundesrepublik Deutschland. Anhaltspunkte für eine fehlende Dauerhaftigkeit sind nicht gegeben.

Offen bleiben kann, ob die Antragsteller hilfebedürftig im Sinne des § 9 SGB II sind.

b) Denn sie sind jedenfalls nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgenommen. Dies ist vorliegend der Fall. Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II sind Ausländerinnen und Ausländer von Leistungen nach dem SGB II ausgenommen, wenn sich ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen.

Der Antragsteller zu 1) ist Ausländer. Er ist als Staatsangehöriger Rumäniens Unionsbürger.

Ein Aufenthaltsrecht richtet sich nach § 2 Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern in der Fassung vom 2. Dezember 2014 (FreizügG/EU). Danach hat er weder ein Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 noch Abs. 3 Nr. 1 FreizügG/EU. Er kann sich nach derzeitiger Sachlage auch nicht auf ein Aufenthaltsrecht aus dem Zweck der Arbeitssuche berufen, wobei dies offenbleiben konnte.

aa) Nach § 2 FreizügG/EU haben freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger und ihre Familienangehörigen das Recht auf Einreise und Aufenthalt nach Maßgabe dieses Gesetzes (§ 2 Abs. 1 FreizügG/EU). Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU sind unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt Unionsbürger, die sich als Arbeitnehmer oder zur Berufsausbildung aufhalten wollen, und nach Nr. 2 Unionsbürger, wenn sie zur Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit berechtigt sind (niedergelassene selbstständige Erwerbstätige).

bb) Ein Aufenthaltsrecht des Antragstellers zu 1) ergibt sich danach jedoch nicht. Er hält sich in Deutschland weder als Arbeitnehmer noch zur Berufsausbildung auf. Ein Aufenthaltsrecht ergibt sich auch nicht aus § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU, da der Antragsteller keine selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt, zu der er berechtigt ist. Zwar hat er ein Gewerbe "Sammeln von Altmetall" zum 19. Juli 2014 angemeldet. Er hat dieses jedoch zum 23. April 2015 wieder abgemeldet. Seitdem ist der Antragsteller zu 1) wegen der Verletzungen infolge des Fenstersturzes nicht selbstständig tätig gewesen.

cc) Ein Aufenthaltsrecht ergibt sich auch entgegen seiner Auffassung nicht aus § 2 Abs. 3 Nr. 1 FreizügG/EU. Zwar bleibt ein Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 2 FreizügG/EU nach § 2 Abs. 3 Nr. 1 FreizügG/EU für selbstständig Erwerbstätige bei vorübergehender Erwerbsminderung infolge Krankheit oder Unfall unberührt. Er kann sich jedoch auch im Zeitraum vom 19. Juli 2014 bis zum 23. April 2015 nicht auf ein Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 2 FreizügG/EU berufen. Der Antragsteller zu 1) war nicht in diesem Sinne selbstständig erwerbstätig. Niedergelassene Erwerbstätige (Artikel 43&8201;ff. EGV) sind Personen, die eine nicht weisungsgebundene und nicht untergeordnete, auf Kontinuität angelegte selbstständige Erwerbstätigkeit in einem Mitgliedstaat aufnehmen und ausüben. Hierzu genügt jedoch nicht jegliche Form wirtschaftlich selbstständigen Handelns. Es muss sich nach dem Inhalt der Vorschrift um eine Tätigkeit handeln, deren Umfang sich als nicht völlig untergeordnet und unwesentlich darstellt. Dies ergibt sich nicht nur aus einer Anlehnung an die Kriterien zur Arbeitnehmerfreizügigkeit, sondern auch schon aus dem Begriff der wirtschaftlich selbstständigen Betätigung. Nach der Rechtsprechung des EuGH liegt eine Freizügigkeitsberechtigung bei Arbeitnehmern nur dann vor, wenn diese eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausüben (vergleiche Urteil vom 18. Juli 2007, C-213 05 [Geven]). Ein Arbeitnehmer, dessen Tätigkeit einen so geringen Umfang hat, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellt, kann sich nicht auf das Recht der Arbeitnehmerfreizügigkeit berufen. Gleiches gilt bei einer nicht tragfähigen selbstständigen Tätigkeit. Die selbstständige Tätigkeit kann kein Freizügigkeitsrecht vermitteln, wenn sie von vornherein nicht geeignet ist, ein Einkommen zu erzielen, welches zumindest ansatzweise reicht, um die Bedarfe der Bedarfsgemeinschaft zu decken, sondern vielmehr der Aufenthalt in Deutschland fast ausschließlich durch staatliche Leistungen finanziert werden soll. Die wirtschaftliche Betätigung darf nicht nur eine Formalie sein, um die gesetzlichen Kriterien zu erfüllen (SG Halle, Beschluss vom 14. April 2016, S 32 AS 1109/16 ER, Rn. 27, juris). Von einer Aufnahme der Tätigkeit zu diesem Zweck ist zumindest dann auszugehen, wenn – wie hier – über einen Zeitraum von zehn Monaten lediglich weniger als ein Fünftel des Bedarfs erwirtschaftet werden kann, ohne dass erkennbar wird, dass wesentlich höhere Gewinne in Aussicht stehen. Selbstständigkeit bedeutet wirtschaftliche Selbstständigkeit in dem Sinne, dass jedenfalls ein nicht unwesentlicher Teil der eigenen Bedarfe der Bedarfsgemeinschaft aus dem Einkommen gedeckt werden kann. Der Antragsteller hat in dem gesamten Zeitraum des angemeldeten Gewerbes von Juli 2014 bis April 2015 (zehn Monate) einen Umsatz von insgesamt rund 1.250 EUR erzielt. Dabei ist die Höhe der zwangsläufig entstandenen Ausgaben (Kosten für den Erwerb des VW Passat und des LKW, deren Versicherung, Treibstoff) sogar noch unklar. Über Vermögen haben die Antragsteller nicht verfügt. Wie der Antragsteller zu 1) daher den Erwerb der Fahrzeuge, deren Anmeldung und Versicherung sowie die laufenden Kosten finanzieren konnte, erschließt sich der Kammer nicht. Leistungen nach dem SGB II erhielt er zum Zeitpunkt der Anschaffungen noch nicht. Unabhängig davon führen die Umsätze jedoch auch ohne weitere Ausgaben bei einer Verteilung auf zehn Monate zu monatlichen Einnahmen in Höhe von lediglich 125 EUR. Sie reichen nicht ansatzweise, um die Bedarfe einer sechsköpfigen Familie zu decken. Wie der Antragsteller zu 1) höhere Einnahmen erwirtschaften wollte, ist nicht erkennbar. Von einer selbstständigen Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU kann daher nicht ausgegangen werden. Ob diese Einnahmen auf legalem Wege erzielt wurden, kann dabei auch trotz Eröffnung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens wegen schweren Bandendiebstahls dahinstehen. Offen bleiben kann darüber hinaus im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens, ob er zu dieser Tätigkeit berechtigt gewesen war. Da es an der erforderlichen Anzeige bei der unteren Abfallbehörde gemäß §§ 18 Abs. 2, 53 Abs. 1 KrWG fehlt, dürfte jedenfalls eine Ordnungswidrigkeit vorliegen. Mangels Aufenthaltsrechts nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU liegt damit auch trotz seiner momentanen Arbeitsunfähigkeit kein Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 3 Nr. 1 FreizügG/EU vor.

dd) Dem Antragsteller kann daher allenfalls ein Freizügigkeitsrecht nach § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU zum Zwecke der Arbeitsuche geltend machen. Ob ihm dieses Recht überhaupt zusteht, da ein solches nur den Unionsbürgern ein Freizügigkeitsrecht vermittelt, die sich für bis zu sechs Monate zur Arbeitsuche in einem anderen Mitgliedsstaat aufhalten bzw. für einen längeren Zeitraum, solange sie nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden, kann dahinstehen. Dass diese begründete Aussicht hier besteht, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Zwar hat der Antragsteller sich bei seiner erstmaligen Beantragung von SGB II-Leistungen am 4. Dezember 2014 im Bereich "Arbeitsvermittlung" bei der Beklagten vorgestellt. Seit seiner Arbeitsunfähigkeit infolge der Verletzungen beim Fluchtversuch sind jedoch keine Bemühungen des Antragstellers zu 1) vorgetragen und durch entsprechende Unterlagen belegt, die darauf schließen lassen, dass er eine begründete Aussicht auf eine Anstellung in einem Arbeitsverhältnis hat.

ee) Sofern sich über die Arbeitssuche daher kein Aufenthaltsrecht herleiten ließe, ergibt sich für das vorliegende Eilverfahren jedoch nichts anderes. Erst recht gilt der Leistungsausschluss, wenn ein Hilfebedürftiger überhaupt kein Freizügigkeitsrecht beanspruchen kann (vgl. BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015, B AS 44/15 und B 4 AS 59/13). Ein anderes materielles Freizügigkeitsrecht ist jedenfalls nicht ersichtlich.

Der Leistungsausschluss bezieht sich dabei gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 am Ende SGB II auch auf seine Familienangehörigen.

2. Es ergibt sich vorliegend auch kein Anspruch nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Eine Beiladung des zuständigen Leistungsträgers konnte daher unterbleiben. Nach Auffassung der Kammer erhalten Ausländer, die von dem Leistungsausschluss in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II erfasst werden, auch keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB XII. Da sie dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II sind, schließt § 21 Satz 1 SGB XII einen Bezug solcher Leistungen nach Sozialhilferecht ausdrücklich aus (so ausdrücklich BT-Drs. 16/688 S. 13). Für diese Ausländer liegt die Grundsicherungsverantwortung noch beim Herkunftsstaat (Hänlein in Gagel, SGB II, § 7 Rn. 73). Dies begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Bei Rumänien handelt es sich um einen EU-Mitgliedstaat, dem bei Geltung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nach Art. 43 seiner Verfassung (www.verfassungen.eu/ro) die Gewährleistungen eines "anständigen Lebensniveaus" für seine Staatsbürger obliegt und der dem Grunde nach verpflichtet ist, ärztlichen Beistand und Arbeitslosenunterstützung zu leisten (SG Halle, Beschluss vom 22. Januar 2016, S 5 AS 4299/15 ER, Rn. 22, juris).

Darüber hinaus ist ein Anspruch der Antragsteller auf Sozialhilfeleistungen gemäß § 23 Abs. 3 SGB XII ausgeschlossen. Danach haben Ausländer, die eingereist sind, um Sozialhilfe zu erlangen, oder deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, sowie ihre Familienangehörigen keinen Anspruch auf Sozialhilfe. So liegt der Fall hier.

Ebenso scheidet ein Anspruch auf Sozialhilfeleistungen gem. § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII wegen einer besonderen Bedarfslage und eines diesbezüglich aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Grundgesetz (GG) folgenden Anspruches auf Gewährleistung des soziokulturellen Existenzminimums aus.

Dieser Anspruch, bei dem es sich gegenüber dem im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Anspruch auf ALG II um ein aliud handelt, wäre darüber hinaus von den Antragstellern wegen seiner Abhängigkeit von einer auf den Einzelfall bezogenen Ermessensentscheidung beim Sozialhilfeträger unter Vorbringen der besonderen Umstände, die ihrer Ausreise ggf. auch längerfristig entgegenstehen, gesondert geltend zu machen, wobei nicht bereits der Umstand, dass Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums begehrt werden, eine Ermessenreduzierung auf Null begründet (vgl. hierzu LSG Niedersachen-Bremen, Beschluss vom 26. März 2014, L 15 AS 16/14 B ER).

Der weitergehenden Auffassung des BSG in dessen Urteil vom 3. Dezember 2015 (B 4 AS 44/15 R, Rn. 36 ff, juris, dem folgend LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. Januar 2016, L 28 AS 3053/15 B ER; Bayerisches LSG, Beschluss vom 25. April 2016, L 16 AS 221/16 B ER; a.A. SG Berlin, Beschluss vom 11. Dezember 2015, S 149 AS 7191/13; SG Halle, Beschluss vom 22. Januar 2016, S 5 AS 4299/15 ER; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 11. Februar 2016, L 3 AS 668/15 B ER; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 22. Februar 2016, L 9 AS 1335/15 B ER, juris), dass der zuständige Sozialhilfeträger bedürftigen EU-Bürgern, die nach Ablauf eines sechsmonatigen Aufenthalts nicht oder nicht mehr über eine materielle Freizügigkeitsberechtigung zur Arbeitssuche verfügen, aufgrund einer Reduzierung des ihm insoweit nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB II eingeräumten Ermessens im Regelfall obligatorisch Hilfe zum Lebensunterhalt nach Maßgabe des Dritten Kapitels SGB XII zu gewähren hat, kann sich die Kammer nicht anzuschließen. Wie das BSG selbst ausführt, regelt § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII keinen Anspruch auf Sozialhilfe, sondern eröffnet lediglich eine auf Ausnahmefälle beschränkte Ermessensentscheidung des zuständigen Sozialhilfeträgers (BSG, aaO, Rn. 51; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 7. März 2016, L 15 AS 185/15 B ER, Rn. 16, juris; Coseriu in jurisPK-SGB XII, § 23 SGB XII Rn. 75). Bereits die Ausübung von Ermessen wird hierbei von § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII nach seinen insoweit eindeutigen tatbestandlichen Voraussetzungen nur dann eröffnet, wenn der Einzelfall sie rechtfertigt. Soweit demgegenüber das BSG schon für den Regelfall eines mehr als sechs Monate währenden Aufenthalts eine Ermessensentscheidung des Sozialhilfeträgers nicht lediglich für eröffnet, sondern diese weitergehend im Sinne einer obligatorischen Sozialhilfegewährung für gebunden hält, wird die Reichweite der gesetzlichen Ermächtigung in § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII überschritten. Zugleich entsteht ein Widerspruch zu dem Anspruchsausschluss des § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII (so auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 7. März 2016, L 15 AS 185/15 B ER, Rn. 16). Ein Anspruch von EU-Ausländern auf eine zwingende Bewilligung von Sozialleistungen nach sechs Monaten Aufenthalt in Deutschland lässt sich der gesetzlichen Regelung nicht entnehmen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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