Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 AS 554/15
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 162/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Sanktion wegen Weigerung einer Bewerbung auf einen Vermittlungsvorschlag.
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 05.02.2016 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist das vollständige Entfallen der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II - Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.09.2015 bis 30.11.2015.
Der Kläger bezieht Alg II vom Beklagten. Nachdem der Beklagte bereits in der Vergangenheit mehrfach Pflichtverletzungen festgestellt hatte, stellte er auch mit Bescheid vom 14.11.2014 und mit Bescheid vom 01.12.2014 jeweils Pflichtverletzungen im Hinblick auf eine nicht erfolgte Bewerbung bei der Firma E. bzw des Nichtantritts der Maßnahme "Praxisbezogene Trainingsmaßnahme" fest. Das Alg II des Klägers entfiel dementsprechend vollständig für die Zeit vom 01.12.2014 bis 28.02.2015 bzw. 01.01.2015 bis 31.03.2015. Ein Bescheid mit der Feststellung einer weiteren wiederholten Pflichtverletzung vom 23.04.2015 wurde mit Bescheid vom 03.07.2015 wieder aufgehoben.
Mit Bescheid vom 25.03.2015 ersetzte der Beklagte eine Eingliederungsvereinbarung für die Zeit vom 25.03.2015 bis 24.09.2015 per Verwaltungsakt. Im Rahmen der Ziele wurde unter anderem festgelegt, dass durch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit als Organisationsprogrammierer oder alternativ einer anderen zumutbaren Tätigkeit das Alg II verringert oder evtl. ganz eingestellt werden könne. Als Zielberuf wurde "Helfer Lebensmittelherstellung und alle zumutbaren Helferstellen" definiert. Über einen Überprüfungsantrag vom 04.01.2016 bezüglich des Bescheides vom 25.03.2015 ist nach Aktenlage bislang nicht entschieden.
Am 23.06.2015 unterbreitete der Beklagte dem Kläger einen Vermittlungsvorschlag für die Stelle eines Produktionshelfers bei der Firma P. AG & Co. KG (P.), Niederlassung S-Stadt. Beginn der Tätigkeit mit einer Wochenarbeitszeit von 35 Stunden und einer Vergütung nach Tarifvertrag sollte ab sofort sein. Der Vermittlungsvorschlag enthielt eine Rechtsfolgenbelehrung, wonach bei einer Weigerung, die mit dem Vermittlungsvorschlag angebotene Arbeit aufzunehmen oder fortzuführen, das Alg II erneut vollständig entfalle. Bereits zuvor sei das Alg II aufgrund einer erneuten wiederholten Pflichtverletzung vollständig entfallen gewesen (Bescheid vom 23.04.2015). Bei einer Minderung des Alg II um mehr als 30 % des maßgebenden Regelbedarfs könnten auf Antrag ergänzenden Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erbracht werden. Am 03.07.2015 teilte P. mit, der Kläger habe sich nicht vorgestellt bzw beworben. Er habe keinen Termin vereinbaren wollen, da er kein Interesse an Arbeit über einen Personaldienstleister habe und im Rechtsstreit mit dem Beklagten stehe. Nachdem der Kläger sich zu einem Anhörungsschreiben nicht geäußert hatte, stellte der Beklagte mit Bescheid vom 11.08.2015 den vollständigen Wegfall des Alg II für die Zeit vom 01.09.2015 bis 30.11.2015 fest. Das Angebot der Beschäftigung bei P. sei dem Kläger unter Berücksichtigung seiner Leistungsfähigkeit und seinen persönlichen Verhältnissen zumutbar gewesen. Durch sein Verhalten habe er das Zustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses verhindert. Da er bereits mehrfach seinen Pflichten nicht nachgekommen sei, entfalle das Alg II für den Minderungszeitraum vollständig. Nach Wiedereintritt in den Leistungsbezug könnten auf Antrag Gutscheine oder geldwerte Leistungen frühestens ab dem Monat der Antragstellung erbracht werden. Mit Widerspruchsbescheid vom 06.10.2015 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Für die Zeit von August 2015 bis Februar 2016 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 22.09.2015 Alg II, wobei ua für die Monate September bis November 2015 die Höhe des Alg II auf 0,00 EUR wegen der Minderung des Auszahlungsanspruchs in Folge der Sanktion festgesetzt wurde.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 06.10.2015 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben. Er sei nach Erhalt des Vermittlungsvorschlags persönlich beim Arbeitgeber gewesen, wobei ihm dort eine einfache Hilfsarbeitertätigkeit angeboten worden sei. Er habe darauf hingewiesen, dass er grundsätzlich an Arbeit interessiert sei, jedoch nur entsprechend seiner bisherigen Qualifikation als Organisationsprogrammierer und Ingenieur. Mit Gerichtsbescheid vom 05.02.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger habe in vorwerfbarer Weise durch seine Nichtbewerbung auf das entsprechende Vermittlungsangebot bzw. durch Äußerungen gegenüber dem Arbeitgeber die Anbahnung eines möglichen Arbeitsverhältnisses verhindert. Es liege auch kein wichtiger Grund vor, da dem Kläger grundsätzlich jede Tätigkeit unabhängig von einer ggf. früher ausgeübten Tätigkeit zumutbar sei. Wie im Eingliederungsverwaltungsakt vom 23.05.2015 ausgeführt, habe der Kläger die Möglichkeit gehabt, Bewerbungen mit Hilfe der Einrichtungen des Beklagten anzufertigen und zu versenden. So sei eine finanzielle Belastung nicht gegeben und unabhängig davon sei der Kläger nach eigenen Angaben auch tatsächlich beim Arbeitgeber vorstellig geworden. Sofern teilweise kein Einverständnis mit bestimmten Formulierungen in der Niederschrift über den Erörterungstermin bestünde, sei dies unerheblich, da die Änderungen entweder keine Bedeutung für den Streitgegenstand hätten oder jedenfalls zu keiner anderen Bewertung in der Sache führen würden. Die Zumutbarkeit des unterbreiteten Vermittlungsangebots richte sich nach § 10 SGB II und nicht nach § 16 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm § 35 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Anderenfalls wäre eine entsprechende Bezugnahme in § 10 SGB II erforderlich gewesen. Die Höhe des Sanktionsumfangs richte sich nach § 31a Abs 1 Satz 3 SGB II, wobei zu berücksichtigen sei, dass es sich innerhalb des von § 31a Abs 1 Satz 5 SGB II gezogenen zeitlichen Rahmens um eine weitere wiederholte Pflichtverletzung gehandelt habe.
Unter Berufung auf sein bisheriges Vorbringen hat der Kläger Berufung beim Bayer. Landessozialgericht eingelegt.
Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 05.02.2016 und den Bescheid des Beklagten vom 11.08.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.10.2015 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 22.09.2015 zu verurteilen, ungekürzte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 01.09.2015 bis 30.11.2015 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung hat der Beklagte auf die Ausführungen im Gerichtsbescheid verwiesen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG), aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 11.08.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.10.2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Im Hinblick auf den vollständigen Wegfall seines Anspruchs auf Alg II für die Zeit vom 01.09.2015 bis 30.11.2015 hat der Beklagte zu Recht die Leistungsbewilligung für diesen Zeitraum im Bescheid von 22.09.2015 abgelehnt.
Streitgegenstand ist vorliegend der Bescheid vom 11.08.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.10.2015, mit dem der Beklagte den vollständigen Wegfall des Alg II des Klägers für den Zeitraum vom 01.09.2015 bis 30.11.2015 festgestellt hat. Soweit der Beklagte mit dem Bewilligungsbescheid vom 22.09.2015 für die Zeit vom 01.09.2015 bis 30.11.2015 kein Alg II bewilligt und insofern den Sanktionsbescheid vom 11.08.2015 berücksichtigt hat, ist auch dieser Gegenstand des Verfahrens geworden, da er die leistungsrechtliche Umsetzung der Sanktion darstellt und mit dem Sanktionsbescheid eine rechtliche Einheit bildet (vgl dazu BSG, Urteil vom 22.03.2010 - B 4 AS 68/09 R; Urteil des Senats vom 06.02.2014 - L 11 AS 535/12).
Ein Anspruch auf Alg II für die Zeit vom 01.09.2015 bis 30.11.2015 besteht nicht. Nach § 31a Abs 1 Satz 3 SGB II entfällt nach jeder weiteren wiederholten Pflichtverletzung nach § 31 SGB II das Alg II vollständig. Eine wiederholte Pflichtverletzung liegt nur vor, wenn bereits zuvor eine Minderung festgestellt wurde und nicht der Beginn des vorangegangenen Minderungszeitraums länger als ein Jahr zurückliegt (§ 31a Abs 1 Satz 4 und 5 SGB II). Bereits mit den Bescheiden vom 14.11.2014 und 01.12.2014 wurden Pflichtverletzungen des Klägers mit Sanktionszeiträumen vom 01.12.2014 bis 28.02.2015 bzw. 01.01.2015 bis 31.03.2015 festgestellt. Vorliegend liegt im Hinblick auf die Nichtbewerbung bei P. eine weitere wiederholte Pflichtverletzung innerhalb eines Jahres vor. Gemäß § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB II verletzen erwerbsfähige Leistungsberechtigte ihre Pflichten, wenn sie trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis sich weigern, eine zumutbare Arbeit aufzunehmen, fortzuführen oder deren Anbahnung durch ihr Verhalten verhindern. Dies gilt nicht, wenn erwerbsfähige Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegen und nachweisen (§ 31 Abs 1 Satz 2 SGB II).
Der Beklagte hat den Kläger mit dem Vermittlungsvorschlag vom 23.06.2015 aufgefordert, sich bei P. zu bewerben. Der Vermittlungsvorschlag war hinreichend konkret im Hinblick auf die Tätigkeit, Arbeitszeit und Entlohnung. Ihm war eine ordnungsgemäße Rechtsfolgenbelehrung beigefügt. Dabei wurde der Kläger insbesondere darauf hingewiesen, dass ihm wegen den vorangegangenen, festgestellten Pflichtverletzungen der vollständige Wegfall des Alg II drohe. Soweit in der Rechtsfolgenbelehrung auf einen Bescheid vom 23.04.2015 verwiesen wird, der später mit Bescheid vom 03.07.2015 wieder aufgehoben worden ist, ist damit kein Fehler verbunden. Zutreffend hat der Beklagte auf die Möglichkeit des vollständigen Wegfalls des Alg II hingewiesen, denn auch unter Außerachtlassung des Bescheides vom 23.04.2015 waren mit den Bescheiden vom 14.11.2014 und 01.12.2014 zwei vorangegangene Pflichtverletzungen festgestellt worden und zudem war im Zeitpunkt des Vermittlungsvorschlags vom 23.06.2015 der Bescheid vom 23.04.2015 noch nicht aufgehoben gewesen.
Die im Vermittlungsvorschlag benannte Tätigkeit als Produktionshelfer war dem Kläger auch zumutbar. Das SG hat bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass kein Grund ersichtlich ist, weshalb die Tätigkeit dem Kläger nicht zumutbar sein soll und hierbei auf § 10 SGB II, der die Zumutbarkeit einer Arbeit im Rahmen des SGB II regelt, verwiesen. Der Kläger hat vorliegend ausgeführt, die Arbeit entspreche nicht seiner bisherigen Qualifikation als Organisationsprogrammierer und Ingenieur. Dies allein führt aber nach § 10 Abs 2 Nr 1 SGB II nicht zur Unzumutbarkeit. Weitere in § 10 Abs 1 Nr 1 bis 4 SGB II genannte oder dort unbenannte "sonstige wichtige Gründe" iSv § 10 Abs 1 Nr 5 SGB II (vgl dazu Rixen in Eicher, SGB II, 3. Auflage, § 10 Rn 70 ff) hat der Kläger nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich. Insofern folgt der Senat den Ausführungen des SG im Gerichtsbescheid vom 05.02.2016 und sieht diesbezüglich von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs 2 SGG).
Mit seiner Äußerung gegenüber P. kein Interesse an der Arbeit über einen Personaldienstleister im Helferbereich zu haben, hat der Kläger damit ohne wichtigen Grund die Aufnahme einer zumutbaren Tätigkeit verweigert. Da § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB II im Hinblick auf die Pflichtverletzung - anders als § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II - nicht auf einen Verstoß gegen Verpflichtungen aus der Eingliederungsvereinbarung oder einem diese ersetzenden Verwaltungsakt abstellt, kommt es vorliegend auf die Rechtmäßigkeit des eine Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Bescheides vom 25.03.2015 nicht an. Insbesondere richtet sich die Zumutbarkeit einer angebotenen Arbeit nach § 10 SGB II und nicht nach der Eingliederungsvereinbarung oder einen diese ersetzenden Verwaltungsakt. Der Kläger hat sich auch nicht nachträglich bereit erklärt, seinen Pflichten nachzukommen, so dass eine Reduzierung der Minderung des Alg II auf 60 vH des maßgeblichen Regelbedarfs nach § 31a Abs 1 Satz 6 SGB II nicht zu prüfen war.
Im Rahmen des Sanktionsbescheides vom 11.08.2015 ist der Kläger darauf hingewiesen worden, bei Wiedereintritt in den Leistungsbezug - für den Sanktionszeitraum war bei Erlass des Sanktionsbescheides noch kein Bewilligungsbescheid erlassen worden - die Möglichkeit der Beantragung von Sachleistungen zu haben. Dabei regelt § 31a Abs 3 Satz 1 SGB II ausdrücklich, dass diese Ermessensleistungen nur auf Antrag zu erbringen sind; minderjährige Kinder leben nicht im Haushalt des Klägers.
Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Sanktionsregelungen teilt der Senat nicht. Insbesondere sind vom Bundesverfassungsgericht keine voraussetzungslosen steuerfinanzierten Staatsleistungen gefordert worden (vgl BVerfG, Beschluss vom 07.07.2010 - 1 BvR 2556/09; BSG, Urteil vom 09.11.2010 - B 4 AS 27/10 R; Beschluss des Senats vom 25.08.2015 - L 11 AS 558/15 B ER).
Die Berufung war demnach zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist das vollständige Entfallen der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II - Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.09.2015 bis 30.11.2015.
Der Kläger bezieht Alg II vom Beklagten. Nachdem der Beklagte bereits in der Vergangenheit mehrfach Pflichtverletzungen festgestellt hatte, stellte er auch mit Bescheid vom 14.11.2014 und mit Bescheid vom 01.12.2014 jeweils Pflichtverletzungen im Hinblick auf eine nicht erfolgte Bewerbung bei der Firma E. bzw des Nichtantritts der Maßnahme "Praxisbezogene Trainingsmaßnahme" fest. Das Alg II des Klägers entfiel dementsprechend vollständig für die Zeit vom 01.12.2014 bis 28.02.2015 bzw. 01.01.2015 bis 31.03.2015. Ein Bescheid mit der Feststellung einer weiteren wiederholten Pflichtverletzung vom 23.04.2015 wurde mit Bescheid vom 03.07.2015 wieder aufgehoben.
Mit Bescheid vom 25.03.2015 ersetzte der Beklagte eine Eingliederungsvereinbarung für die Zeit vom 25.03.2015 bis 24.09.2015 per Verwaltungsakt. Im Rahmen der Ziele wurde unter anderem festgelegt, dass durch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit als Organisationsprogrammierer oder alternativ einer anderen zumutbaren Tätigkeit das Alg II verringert oder evtl. ganz eingestellt werden könne. Als Zielberuf wurde "Helfer Lebensmittelherstellung und alle zumutbaren Helferstellen" definiert. Über einen Überprüfungsantrag vom 04.01.2016 bezüglich des Bescheides vom 25.03.2015 ist nach Aktenlage bislang nicht entschieden.
Am 23.06.2015 unterbreitete der Beklagte dem Kläger einen Vermittlungsvorschlag für die Stelle eines Produktionshelfers bei der Firma P. AG & Co. KG (P.), Niederlassung S-Stadt. Beginn der Tätigkeit mit einer Wochenarbeitszeit von 35 Stunden und einer Vergütung nach Tarifvertrag sollte ab sofort sein. Der Vermittlungsvorschlag enthielt eine Rechtsfolgenbelehrung, wonach bei einer Weigerung, die mit dem Vermittlungsvorschlag angebotene Arbeit aufzunehmen oder fortzuführen, das Alg II erneut vollständig entfalle. Bereits zuvor sei das Alg II aufgrund einer erneuten wiederholten Pflichtverletzung vollständig entfallen gewesen (Bescheid vom 23.04.2015). Bei einer Minderung des Alg II um mehr als 30 % des maßgebenden Regelbedarfs könnten auf Antrag ergänzenden Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erbracht werden. Am 03.07.2015 teilte P. mit, der Kläger habe sich nicht vorgestellt bzw beworben. Er habe keinen Termin vereinbaren wollen, da er kein Interesse an Arbeit über einen Personaldienstleister habe und im Rechtsstreit mit dem Beklagten stehe. Nachdem der Kläger sich zu einem Anhörungsschreiben nicht geäußert hatte, stellte der Beklagte mit Bescheid vom 11.08.2015 den vollständigen Wegfall des Alg II für die Zeit vom 01.09.2015 bis 30.11.2015 fest. Das Angebot der Beschäftigung bei P. sei dem Kläger unter Berücksichtigung seiner Leistungsfähigkeit und seinen persönlichen Verhältnissen zumutbar gewesen. Durch sein Verhalten habe er das Zustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses verhindert. Da er bereits mehrfach seinen Pflichten nicht nachgekommen sei, entfalle das Alg II für den Minderungszeitraum vollständig. Nach Wiedereintritt in den Leistungsbezug könnten auf Antrag Gutscheine oder geldwerte Leistungen frühestens ab dem Monat der Antragstellung erbracht werden. Mit Widerspruchsbescheid vom 06.10.2015 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Für die Zeit von August 2015 bis Februar 2016 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 22.09.2015 Alg II, wobei ua für die Monate September bis November 2015 die Höhe des Alg II auf 0,00 EUR wegen der Minderung des Auszahlungsanspruchs in Folge der Sanktion festgesetzt wurde.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 06.10.2015 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben. Er sei nach Erhalt des Vermittlungsvorschlags persönlich beim Arbeitgeber gewesen, wobei ihm dort eine einfache Hilfsarbeitertätigkeit angeboten worden sei. Er habe darauf hingewiesen, dass er grundsätzlich an Arbeit interessiert sei, jedoch nur entsprechend seiner bisherigen Qualifikation als Organisationsprogrammierer und Ingenieur. Mit Gerichtsbescheid vom 05.02.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger habe in vorwerfbarer Weise durch seine Nichtbewerbung auf das entsprechende Vermittlungsangebot bzw. durch Äußerungen gegenüber dem Arbeitgeber die Anbahnung eines möglichen Arbeitsverhältnisses verhindert. Es liege auch kein wichtiger Grund vor, da dem Kläger grundsätzlich jede Tätigkeit unabhängig von einer ggf. früher ausgeübten Tätigkeit zumutbar sei. Wie im Eingliederungsverwaltungsakt vom 23.05.2015 ausgeführt, habe der Kläger die Möglichkeit gehabt, Bewerbungen mit Hilfe der Einrichtungen des Beklagten anzufertigen und zu versenden. So sei eine finanzielle Belastung nicht gegeben und unabhängig davon sei der Kläger nach eigenen Angaben auch tatsächlich beim Arbeitgeber vorstellig geworden. Sofern teilweise kein Einverständnis mit bestimmten Formulierungen in der Niederschrift über den Erörterungstermin bestünde, sei dies unerheblich, da die Änderungen entweder keine Bedeutung für den Streitgegenstand hätten oder jedenfalls zu keiner anderen Bewertung in der Sache führen würden. Die Zumutbarkeit des unterbreiteten Vermittlungsangebots richte sich nach § 10 SGB II und nicht nach § 16 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm § 35 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Anderenfalls wäre eine entsprechende Bezugnahme in § 10 SGB II erforderlich gewesen. Die Höhe des Sanktionsumfangs richte sich nach § 31a Abs 1 Satz 3 SGB II, wobei zu berücksichtigen sei, dass es sich innerhalb des von § 31a Abs 1 Satz 5 SGB II gezogenen zeitlichen Rahmens um eine weitere wiederholte Pflichtverletzung gehandelt habe.
Unter Berufung auf sein bisheriges Vorbringen hat der Kläger Berufung beim Bayer. Landessozialgericht eingelegt.
Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 05.02.2016 und den Bescheid des Beklagten vom 11.08.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.10.2015 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 22.09.2015 zu verurteilen, ungekürzte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 01.09.2015 bis 30.11.2015 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung hat der Beklagte auf die Ausführungen im Gerichtsbescheid verwiesen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG), aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 11.08.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.10.2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Im Hinblick auf den vollständigen Wegfall seines Anspruchs auf Alg II für die Zeit vom 01.09.2015 bis 30.11.2015 hat der Beklagte zu Recht die Leistungsbewilligung für diesen Zeitraum im Bescheid von 22.09.2015 abgelehnt.
Streitgegenstand ist vorliegend der Bescheid vom 11.08.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.10.2015, mit dem der Beklagte den vollständigen Wegfall des Alg II des Klägers für den Zeitraum vom 01.09.2015 bis 30.11.2015 festgestellt hat. Soweit der Beklagte mit dem Bewilligungsbescheid vom 22.09.2015 für die Zeit vom 01.09.2015 bis 30.11.2015 kein Alg II bewilligt und insofern den Sanktionsbescheid vom 11.08.2015 berücksichtigt hat, ist auch dieser Gegenstand des Verfahrens geworden, da er die leistungsrechtliche Umsetzung der Sanktion darstellt und mit dem Sanktionsbescheid eine rechtliche Einheit bildet (vgl dazu BSG, Urteil vom 22.03.2010 - B 4 AS 68/09 R; Urteil des Senats vom 06.02.2014 - L 11 AS 535/12).
Ein Anspruch auf Alg II für die Zeit vom 01.09.2015 bis 30.11.2015 besteht nicht. Nach § 31a Abs 1 Satz 3 SGB II entfällt nach jeder weiteren wiederholten Pflichtverletzung nach § 31 SGB II das Alg II vollständig. Eine wiederholte Pflichtverletzung liegt nur vor, wenn bereits zuvor eine Minderung festgestellt wurde und nicht der Beginn des vorangegangenen Minderungszeitraums länger als ein Jahr zurückliegt (§ 31a Abs 1 Satz 4 und 5 SGB II). Bereits mit den Bescheiden vom 14.11.2014 und 01.12.2014 wurden Pflichtverletzungen des Klägers mit Sanktionszeiträumen vom 01.12.2014 bis 28.02.2015 bzw. 01.01.2015 bis 31.03.2015 festgestellt. Vorliegend liegt im Hinblick auf die Nichtbewerbung bei P. eine weitere wiederholte Pflichtverletzung innerhalb eines Jahres vor. Gemäß § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB II verletzen erwerbsfähige Leistungsberechtigte ihre Pflichten, wenn sie trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis sich weigern, eine zumutbare Arbeit aufzunehmen, fortzuführen oder deren Anbahnung durch ihr Verhalten verhindern. Dies gilt nicht, wenn erwerbsfähige Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegen und nachweisen (§ 31 Abs 1 Satz 2 SGB II).
Der Beklagte hat den Kläger mit dem Vermittlungsvorschlag vom 23.06.2015 aufgefordert, sich bei P. zu bewerben. Der Vermittlungsvorschlag war hinreichend konkret im Hinblick auf die Tätigkeit, Arbeitszeit und Entlohnung. Ihm war eine ordnungsgemäße Rechtsfolgenbelehrung beigefügt. Dabei wurde der Kläger insbesondere darauf hingewiesen, dass ihm wegen den vorangegangenen, festgestellten Pflichtverletzungen der vollständige Wegfall des Alg II drohe. Soweit in der Rechtsfolgenbelehrung auf einen Bescheid vom 23.04.2015 verwiesen wird, der später mit Bescheid vom 03.07.2015 wieder aufgehoben worden ist, ist damit kein Fehler verbunden. Zutreffend hat der Beklagte auf die Möglichkeit des vollständigen Wegfalls des Alg II hingewiesen, denn auch unter Außerachtlassung des Bescheides vom 23.04.2015 waren mit den Bescheiden vom 14.11.2014 und 01.12.2014 zwei vorangegangene Pflichtverletzungen festgestellt worden und zudem war im Zeitpunkt des Vermittlungsvorschlags vom 23.06.2015 der Bescheid vom 23.04.2015 noch nicht aufgehoben gewesen.
Die im Vermittlungsvorschlag benannte Tätigkeit als Produktionshelfer war dem Kläger auch zumutbar. Das SG hat bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass kein Grund ersichtlich ist, weshalb die Tätigkeit dem Kläger nicht zumutbar sein soll und hierbei auf § 10 SGB II, der die Zumutbarkeit einer Arbeit im Rahmen des SGB II regelt, verwiesen. Der Kläger hat vorliegend ausgeführt, die Arbeit entspreche nicht seiner bisherigen Qualifikation als Organisationsprogrammierer und Ingenieur. Dies allein führt aber nach § 10 Abs 2 Nr 1 SGB II nicht zur Unzumutbarkeit. Weitere in § 10 Abs 1 Nr 1 bis 4 SGB II genannte oder dort unbenannte "sonstige wichtige Gründe" iSv § 10 Abs 1 Nr 5 SGB II (vgl dazu Rixen in Eicher, SGB II, 3. Auflage, § 10 Rn 70 ff) hat der Kläger nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich. Insofern folgt der Senat den Ausführungen des SG im Gerichtsbescheid vom 05.02.2016 und sieht diesbezüglich von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs 2 SGG).
Mit seiner Äußerung gegenüber P. kein Interesse an der Arbeit über einen Personaldienstleister im Helferbereich zu haben, hat der Kläger damit ohne wichtigen Grund die Aufnahme einer zumutbaren Tätigkeit verweigert. Da § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB II im Hinblick auf die Pflichtverletzung - anders als § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II - nicht auf einen Verstoß gegen Verpflichtungen aus der Eingliederungsvereinbarung oder einem diese ersetzenden Verwaltungsakt abstellt, kommt es vorliegend auf die Rechtmäßigkeit des eine Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Bescheides vom 25.03.2015 nicht an. Insbesondere richtet sich die Zumutbarkeit einer angebotenen Arbeit nach § 10 SGB II und nicht nach der Eingliederungsvereinbarung oder einen diese ersetzenden Verwaltungsakt. Der Kläger hat sich auch nicht nachträglich bereit erklärt, seinen Pflichten nachzukommen, so dass eine Reduzierung der Minderung des Alg II auf 60 vH des maßgeblichen Regelbedarfs nach § 31a Abs 1 Satz 6 SGB II nicht zu prüfen war.
Im Rahmen des Sanktionsbescheides vom 11.08.2015 ist der Kläger darauf hingewiesen worden, bei Wiedereintritt in den Leistungsbezug - für den Sanktionszeitraum war bei Erlass des Sanktionsbescheides noch kein Bewilligungsbescheid erlassen worden - die Möglichkeit der Beantragung von Sachleistungen zu haben. Dabei regelt § 31a Abs 3 Satz 1 SGB II ausdrücklich, dass diese Ermessensleistungen nur auf Antrag zu erbringen sind; minderjährige Kinder leben nicht im Haushalt des Klägers.
Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Sanktionsregelungen teilt der Senat nicht. Insbesondere sind vom Bundesverfassungsgericht keine voraussetzungslosen steuerfinanzierten Staatsleistungen gefordert worden (vgl BVerfG, Beschluss vom 07.07.2010 - 1 BvR 2556/09; BSG, Urteil vom 09.11.2010 - B 4 AS 27/10 R; Beschluss des Senats vom 25.08.2015 - L 11 AS 558/15 B ER).
Die Berufung war demnach zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
FSB
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