L 15 RF 15/16

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 RF 15/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Kostenbeschluss
Leitsätze
1. Raum für eine andere Vergütung als nach der Honorargruppe M 2 besteht für ein auf dem Gebiet des SGB IX erstelltes Gutachten (schwerbehindertenrechtliches Gutachten) nicht.
2. Der Vollständigkeit halber: Eine besonders hervorgehobene berufliche Position oder eine überdurchschnittliche wissenschaftliche Qualifikation des Sachverständigen sind genauso wie die Erforderlichkeit einer Auseinandersetzung mit Vorgutachten kein Kriterium bei der Bestimmung der Honorargruppe.
Die Vergütung für das Gutachten vom 8. März 2016 wird auf 1.070,97 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

In dem am Bayer. Landessozialgericht (LSG) unter dem Aktenzeichen L 3 SB 162/15 geführten schwerbehindertenrechtlichen Berufungsverfahren erstellte der Antragsteller am 08.03.2016 im Auftrag des Gerichts ein chirurgisches Gutachten.

Mit Rechnung vom 10.03.2016 machte er dafür einen Vergütungsanspruch in Höhe von 1.414,67 EUR geltend, wobei er einen Zeitaufwand von 14 Stunden mit einem Stundensatz von 100,- EUR zu Grunde legte.

Die Kostenbeamtin des Bayer. LSG bewilligte mit Schreiben vom 13.04.2016 einen Betrag von 995,97 EUR, wobei sich die Reduzierung der Forderung des Antragstellers aus der Zugrundelegung der Honorargruppe M 2 (75,- EUR) statt der beantragten Honorargruppe M 3 (100,- EUR) und einer Kürzung der für die Erstellung des Gutachtens angegebenen Zeit von 14 auf 13 Stunden ergab. Die Anwendung der Honorargruppe M 2 begründete die Kostenbeamtin damit, dass für Gutachten über den Grad der Behinderung (GdB) die Honorargruppe M 2 einschlägig sei.

Der Antragsteller hat sich mit Schreiben vom 21.04.2016 gegen die Abrechnung nach der Honorargruppe M 2 und die sich daraus ergebende Reduzierung seiner Vergütungsforderung gewandt. Er hat dies wie folgt begründet:

"Zur Begründung möchte ich ausführen, dass die aktuelle Arbeitsbelastung in der Position eines Klinikdirektors es nicht gestattet, entsprechende Gerichtsgutachten innerhalb der Arbeitszeit oder Regelarbeitszeit anzufertigen. So werden von mir regelhaft diese Gerichtsgutachten ausschließlich in meiner Freizeit und am Wochenende diktiert und vorbereitet sowie Korrektur gelesen. Eine Vergütung mit 75 Euro die Stunde erscheint somit aus meiner Sicht nicht akzeptabel.

Außerdem möchte ich ausführen, dass in diesem Falle dem Gericht ein relativ aktuelles Gutachten vorgelegen hat und ein neues Gutachten in Auftrag gegeben worden ist. Hier zeigt sich eine besondere Schwierigkeit, auf das alte Gutachten einzugehen und eventuelle Einschätzungen besonders begründen zu müssen. Eine genauere Recherche der Literatur ist erforderlich gewesen und wurde auch entsprechend im Gutachten angegeben."

Mit Schreiben vom 13.06.2016 hat der Senat dem Antragsteller erläutert, dass Gutachten in Verfahren nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) vom Gesetzgeber explizit der Honorargruppe M 2 zugeordnet worden seien. Die berufliche Position des Sachverständigen sei ohne irgendeine Relevanz für die Honorargruppe. Dass die Anfertigung eines Gutachtens nicht im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit des Sachverständigen als angestellter Arzt, die vom Arbeitgeber durch das Gehalt honoriert werde, erfolge, dürfte eine Selbstverständlichkeit sein.

Eine Reaktion des Antragstellers auf dieses Schreiben ist nicht erfolgt.

II.

Die Festsetzung der Vergütung erfolgt gemäß § 4 Abs. 1 JVEG durch gerichtlichen Beschluss, wenn wie hier der Berechtigte mit Schreiben vom 21.04.2016 sinngemäß die gerichtliche Festsetzung der Vergütung dadurch beantragt, dass er die von der Kostenbeamtin gewährte Vergütung beanstandet.

Die Vergütung für das Gutachten vom 08.03.2016 ist auf 1.070,97 EUR festzusetzen. Ein höherer Vergütungsanspruch unter Zugrundelegung eines Stundensatzes von 100,- EUR besteht nicht.

1. Prüfungsumfang im Verfahren der gerichtlichen Festsetzung gemäß § 4 Abs. 1 JVEG

Die gerichtliche Festsetzung gemäß § 4 Abs. 1 JVEG stellt keine Überprüfung der vom Kostenbeamten vorgenommenen Ermittlung der Entschädigung oder Vergütung dar, sondern ist eine davon unabhängige erstmalige Festsetzung. Bei der Festsetzung durch den Kostenbeamten handelt es sich um eine lediglich vorläufige Regelung, die durch den Antrag auf gerichtliche Festsetzung hinfällig wird (vgl. Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.11.1968, Az.: RiZ (R) 4/68). Damit wird eine vorherige Berechnung der Beträge im Verwaltungsweg sowohl bei den Einzelpositionen als auch im Gesamtergebnis gegenstandslos. Das Gericht hat daher eine vollumfassende Prüfung des Entschädigungs- oder Vergütungsanspruchs vorzunehmen, ohne auf Einwände gegen die im Verwaltungsweg erfolgte Festsetzung beschränkt zu sein. Die vom Gericht festgesetzte Entschädigung oder Vergütung kann daher auch niedriger ausfallen, als sie zuvor vom Kostenbeamten festgesetzt worden ist; das Verbot der reformatio in peius gilt nicht (h.M., vgl. z.B. Beschluss des Senats vom 08.05.2014, Az.: L 15 SF 42/12; Meyer/Höver/Bach/Oberlack, JVEG, 26. Aufl. 2014, § 4, Rdnr. 12 - m.w.N.).

2. Berechnung der Vergütung des Antragstellers

Die Vergütung eines Sachverständigen setzt sich gemäß § 8 Abs. 1 JVEG aus dem Honorar für seine Leistungen, dem Ersatz von Fahrtkosten, der Entschädigung für Aufwand und dem Ersatz für sonstige und für besondere Aufwendungen zusammen.

2.1. Honorar/Vergütung für Zeitaufwand

Das Honorar gemäß § 9 JVEG beträgt 1.050,- EUR.

2.1.1. Zu vergütender Zeitaufwand

Der vom Antragsteller angegebene Zeitaufwand von 14 Stunden ist bei Zugrundelegung der Maßgaben des Senats (vgl. Grundsatzbeschlüsse vom 14.05.2012, Az.: L 15 SF 276/10 B E, und vom 18.05.2012, Az.: L 15 SF 104/11) der Vergütung zugrunde zu legen; bei Berücksichtigung der Toleranzgrenze von 15 v.H. (vgl. Beschluss des Senats vom 18.05.2012, Az.: L 15 SF 104/11) sind 14 Stunden gerade noch vergütungsfähig.

2.1.2. Honorargruppe

Die Vergütung erfolgt nach der Honorargruppe M 2.

Die Zuordnung eines Gutachtens zu einer Honorargruppe bestimmt sich nach der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG. Beschreibende (Ist-Zustands-)Begutachtungen nach standardisiertem Schema ohne Erörterung spezieller Kausalzusammenhänge mit einer medizinischen Verlaufsprognose und mit durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad, insbesondere Gutachten in Verfahren nach dem SGB IX, sind danach der Honorargruppe M 2 zuzurechnen.

Bei dem vom Antragsteller angefertigten Gutachten handelt es sich um ein solches Gutachten in einem Verfahren nach dem SGB IX. Der Gesetzgeber hat derartige Gutachten explizit der Honorargruppe M 2 zugeordnet (vgl. auch Beschluss des Senats vom 02.12.2011, Az.: L 15 SF 221/10 B E; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 07.05.2009, Az.: L 7 SB 11/09 B). Diese Zuordnung ist bindend (vgl. Sächsisches LSG, Beschluss vom 26.04.2010, Az: L 6 AS 118/10 B KO - mit Hinweis auf den Vorrang des Gesetzes). Schwierigkeitsgrad und sonstige Umstände der Gutachtenserstellung im konkreten Einzelfall spielen daher bei der Vergütung eines solchen Gutachtens keine Rolle (vgl. Landgericht Flensburg, Beschluss vom 01.06.2005, Az.: 2 O 337/04, Meyer/Höver/Bach/Oberlack, a.a.O., § 9, Rdnr. 2 - m.w.N.).

Raum für eine Vergütung nach einer anderen Honorargruppe als M 2, wie dies der Gesetzgeber für Gutachten in Verfahren nach dem SGB IX bestimmt hat, besteht damit nicht. Wenn der Antragsteller meint, diese Zuordnung des Gesetzgebers zur Honorargruppe M 2 sei für das von ihm erstellte Gutachten unbeachtlich, irrt er. Sein Vorbringen, warum er das von ihm erstellte Gutachten als so schwer erachtet, dass es seiner Ansicht nach der Honorargruppe M 3 zuzuordnen ist, ist daher von keiner Entscheidungsrelevanz.

Lediglich ergänzend und der Vollständigkeit halber weist der Senat zum Vorbringen des Antragstellers gleichwohl auf Folgendes hin: * Mit einer besonders hervorgehobenen beruflichen Position (z.B. der eines Klinikdirektors) oder einer überdurchschnittlichen wissenschaftlichen Qualifikation (z.B. in Form eines Professorentitels) eines Sachverständigen kann eine höhere Honorargruppe nie begründet werden (vgl. Beschlüsse des Senats vom 03.03.2016, Az.: L 15 SF 207/15, und vom 14.03.2016, Az.: L 15 RF 2/16; LSG Thüringen, Beschluss vom 02.06.2014, Az.: L 6 SF 1726/13 E; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 23.06.2014, Az.: L 3 R 317/11 B; Hartmann, Kostengesetze, 46. Aufl. 2016, § 9 JVEG, Rdnr. 6). Gutachter "erster und zweiter Klasse" gemäß ihrer fachlich-beruflichen Qualifikation mit entsprechend unterschiedlicher Höhe des Stundensatzes sind der Systematik der Honorargruppenzuordnung im JVEG fremd. Die Zuordnung ergibt sich vielmehr allein aus der Entscheidung über die Heranziehung, wie sie dem Gutachtensauftrag bzw. Beweisbeschluss zu entnehmen ist (vgl. die Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts [2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - 2. KostRMoG] - Bundestags-Drucksache 17/11471 (neu), S. 260; Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluss vom 16.09.2015, Az.: 15 W 57/15; Hartmann, a.a.O., § 9 JVEG, Rdnr. 6). * Der Umstand, dass ein Gutachten vom Sachverständigen nicht während der von seinem Arbeitgeber bezahlten Arbeitszeit als Arzt erstellt werden kann, sondern dafür Freizeit aufgewendet werden muss, kann kein für die Einordnung der Honorargruppe relevantes Kriterium sein. Im Übrigen betrachtet es der Senat als eine Selbstverständlichkeit, dass ein angestellter Arzt Gutachten nicht im Rahmen der Arbeitszeit anfertigt, sofern ihm dazu nicht im Arbeitsvertrag ausdrücklich die Berechtigung zugesprochen ist; anderenfalls würde der Sachverständige die dem Arbeitgeber geschuldete Arbeitszeit und Arbeitsleistung für private Zwecke missbrauchen. * Es ist für den Senat nicht nachvollziehbar, warum für das Gutachten des Antragstellers eine "genauere Recherche der Literatur" erforderlich gewesen sein sollte. Sofern der Sachverständige auf Seite 7 seines Gutachtens bezüglich der Einstufung des GdB auf zwei Werke der medizinischen Literatur zurückgreift, ist diese Heranziehung der Literatur für den Senat nur mit fehlender Kenntnis der rechtlichen Vorgaben für die Beurteilung des GdB erklärbar. Denn die vom Antragsteller genannten Werte für die Festlegung der Einzel-GdB sind den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen, Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung, zu entnehmen. Von einer Notwendigkeit einer besonderen Recherche in der Literatur kann daher keine Rede sein. * Schließlich ist eine Auseinandersetzung mit Vorgutachten kein Argument für eine erhöhte Schwierigkeit, sondern eine typische und übliche Aufgabe für einen Sachverständigen in einem berufungsgerichtlichen Verfahren (ständige Rspr., vgl. z.B. Beschluss des Senats vom 03.03.2016, Az.: L 15 SF 207/15; Thüringer LSG, Beschlüsse vom 01.06.2011, Az.: L 6 SF 277/11 B, vom 16.03.2012, Az.: L 6 SF 151/12 E, und vom 19.05.2014, Az.: L 6 SF 1614/13 E; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23.09.2011, Az.: L 2 SF 254/11).

2.2. Schreibgebühren

Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 JVEG ist ein Aufwendungsersatz für Schreibgebühren in Höhe von 0,75 EUR pro angefangenen 1.000 Anschlägen zu leisten. Davon ausgehend sind Schreibgebühren in Höhe von 14,40 EUR zu erstatten.

2.3. Porto:

Das Porto ist im vorliegenden Fall antragsgemäß mit 6,57 EUR zu erstatten.

Dem Antragsteller steht daher eine Vergütung in Höhe von insgesamt 1.070,97 EUR zu.

Das Bayer. LSG hat über den Antrag auf gerichtliche Kostenfestsetzung gemäß § 4 Abs. 7 Satz 1 JVEG als Einzelrichter zu entscheiden gehabt.

Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG). Sie ergeht kosten- und gebührenfrei (§ 4 Abs. 8 JVEG).
Rechtskraft
Aus
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