L 7 SO 2526/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 9 SO 1476/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 2526/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 1. Juli 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Leistungen der Sozialhilfe.

Der 1953 geborene, verheiratete Kläger sprach erneut - einen Antrag auf Unterhalt nach der Haager Landkriegsordnung (HLKO) in Höhe des geringsten Soldes eines Bediensteten der Bundeswehr vom 4. September 2014 hatte die Beklagte mit Bescheid vom 16. Oktober 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Dezember 2014 abgelehnt - am 3. Mai 2016 bei der Beklagten vor und begehrte Sozialhilfe. Die Beklagte übermittelte ihm ein Antragsformular für Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (SGB XII) und bat ihn, dieses ausgefüllt nebst verschiedener Unterlagen und Nachweise wieder vorzulegen (Schreiben vom 3. Mai 2016).

Am 17. Mai 2016 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben und zur Begründung u.a. vorgetragen, dass er bei einer Vorsprache am 10. Mai 2016 einem Mitarbeiter des Sozialamtes H. mitgeteilt habe, er wolle keine Leistungen nach dem SGB XII, sondern Sozialhilfe beantragen, weil das SGB XII (Agenda 2010) im Jahre 2005 von der Regierung Schröder eingeführt worden und deshalb ungültig sei. Seit dem 25. Juli 2012 stehe endgültig fest, dass unter der Geltung des Bundeswahlgesetzes noch nie ein verfassungsmäßiger Gesetzgeber am Werk gewesen sei und somit insbesondere alle erlassenen Gesetze und Verordnungen seit 1956 nichtig seien (unter Hinweis auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 25. Juni 2012 - 2 BvF 3/11, 2 BvR 2670/11, 2 BvE 9/11 - BVerfGE 131, 316). Weiter hat er ausgeführt: "Somit ist zum Beispiel das Richtergesetz, das Beurkundungsgesetz, das Arbeitsgerichtsgesetz, das OWIG, das StGB, das BGB, die ZPO und viele andere Scheinnormen nichtig, da in Ermangelung eines verfassungskonformen Wahlrechts der BRD seit 1956, Politiker überhaupt nicht gewählt werden durften und somit nicht im Bundesrat und Bundestag überhaupt hätten einziehen und schon gar nicht Gesetze und andere Normen hätten erlassen dürfen, da die hierfür notwendige Legitimation nicht bestand! ... Dabei müßte man in Betracht ziehen, daß aufgrund eines fehlenden Friedenvertrages, in Deutschland lediglich die HLKO (Haager Landkriegsordnung) und die SHAEF-Gesetze gültig sind. Da die sogenannte "Bundeswehr" den Befehlen der USA unterliegt, sollten wir die Besoldungstabelle der Bundeswehr zu Grunde legen. (Beweis: K4) Ich könnte mich irren, aber der niederste Rang, ist Rekrut (A 3), Stufe 2, verheiratet/keine Kinder ... Die Stadt H. bzw. deren hauptverantwortlicher "Oberbürgermeister" Dr. Eckart Würzner, sollte per Urteil dazu verpflichtet werden den Betrag in Höhe von EUR 2.061,24 rückwirkend ab 12.09.14, monatlich an mich und meine Ehefrau zu überweisen ...".

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat darauf hingewiesen, dass der Kläger die mit Schreiben vom 3. Mai 2016 angeforderten Unterlagen, die zur Prüfung eines Sozialhilfeanspruchs notwendig seien, nicht vorgelegt habe.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 1. Juli 2016 abgewiesen und zur Begründung u.a. ausgeführt, dass der Sozialrechtsweg nach § 51 Nr. 6a Sozialgerichtsgesetz (SGG) eröffnet sei, denn der Kläger mache einen Anspruch auf Sozialhilfe geltend. Unerheblich sei hierbei, dass er das SGB XII - wie offenkundig alle bundesrepublikanischen Gesetze - nicht anerkenne und glaube, sein - vermeintlicher - Anspruch beruhe auf der HLKO. Der Kläger bezeichne die eingeklagte Leistung selbst als Sozialhilfe. Für die Bestimmung des zulässigen Rechtswegs sei auf den wahren Charakter des eingeklagten Rechts, nicht jedoch auf eine vom Kläger irrtümlich herangezogene Rechtsgrundlage abzustellen (unter Hinweis auf § 17a Gerichtsverfassungsgesetz (GVG)). Die Klage sei unzulässig. Denn bislang liege zu dem streitigen Anspruch weder ein Bescheid noch ein Widerspruchsbescheid vor. Beides sei jedoch für die Annahme einer einzig zweckmäßig erscheinenden kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 sowie § 78 SGG) unerlässlich. Denn die Gerichte seien lediglich dazu berufen, das Verwaltungshandeln der staatlichen Behörden nachträglich zu überprüfen. Ohne vorheriges Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren komme eine gerichtliche Entscheidung zur vorläufigen Leistungsauszahlung nur im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes in Betracht (§ 86b Abs. 2 SGG). Im Übrigen komme es nicht in Betracht, die am 17. Mai 2016 erhobene Klage in eine Untätigkeitsklage (§ 88 SGG) umzudeuten. Denn diese setze stets eine vorherige Antragstellung bei der zuständigen Behörde voraus. Dies sei hier nicht der Fall, denn der Kläger habe den ihm am 3. Mai 2016 überlassenen Antragsvordruck nicht ausgefüllt bzw. nicht zusammen mit den notwendigen Nachweisen bei dem beklagten Sozialamt eingereicht. Vor diesem Hintergrund wäre auch eine Untätigkeitsklage unstatthaft, zumal noch nicht einmal die sechsmonatige Sperrfrist abgelaufen sei (§ 88 Abs. 1 Satz 1 SGG).

Gegen den ihm am 4. Juli 2016 zugestellten Gerichtsbescheid wendet sich der Kläger mit seiner am 7. Juli 2016 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegten Berufung, mit der er - unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vortrages - sein Begehren weiterverfolgt. Der Gerichtsbescheid sei mit einfacher Post zugesandt worden, womit "eine Ungleichbehandlung der Parteien" stattgefunden habe. Dem Absender mangle es "offenkundig am tatsächlichen Zustellungswillen". Es handele sich zudem "um eine Gerichtsbescheids-Kladde (Absichtserklärung im Entwurf) ohne klarschriftleserliche Unterschrift eines verantwortenden Richters". Der Gerichtsbescheid sei nichtig und ungültig. Er erhalte seit März 2016 keine Sozialleistungen.

Der Kläger beantragt (teilweise sinngemäß),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 1. Juli 2016 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm ab 12. September 2014 monatlich 2.061,24 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verweist zur Begründung auf den angefochtenen Gerichtsbescheid.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Verfahrensakten des SG und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

1. Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung ist statthaft und zulässig, da sie nicht der Zulassung bedarf (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 SGG).

2. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet - unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsgrundsatzes unabhängig von der jeweiligen Anspruchsgrundlage (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 24. März 2015 - B 8 SO 5/14 R - juris Rdnr. 10; Urteil vom 10. November 2011 - B 8 SO 12/10 R - juris Rdnr. 11; Urteil vom 26. August 2008 - B 8/9b SO 18/07 R - juris Rdnr. 22) - das Begehren des Klägers auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ab 12. September 2014 in Höhe von monatlich 2.061,24 EUR, das er mit der allgemeinen Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) verfolgt. Hinsichtlich seines Begehrens gem. Antrag vom 3. Mai 2016 fehlt es an einer Verwaltungsentscheidung, nämlich an einem Verwaltungsakt im Sinne des § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X). Die Beklagte hat über dieses klägerische Begehren - ggf. einschließlich der Überprüfung gem. § 44 SGB X des bestandskräftigen Bescheids vom 18. Oktober 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Dezember 2014 (§ 77 SGG), der einer Leistungsgewährung für die Vergangenheit ab 12. September 2014 entgegenstehen könnte (vgl. BSG, Urteil vom 13. Februar 2014 - B 8 SO 15/12 R - juris Rdnr. 16), bisher sachlich nicht entschieden, sondern - vor einer Entscheidung - noch weitere Informationen und Mitwirkungshandlungen des Klägers für erforderlich gehalten (vgl. z. B. Schreiben vom 3. Mai 2016).

Eine Untätigkeitsklage nach § 88 Abs. 1 SGG, die lediglich auf die Bescheidung eines Antrages und nicht auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Bescheids oder das Bestehen eines materiell-rechtlichen Anspruchs gerichtet ist, hat der Kläger ausweislich seines vor dem SG mit Schreiben vom 12. Mai 2016 (Eingang beim SG am 17. Mai 2016) gestellten Antrages nicht erhoben. Im Übrigen ist auch zu beachten, dass der Kläger auf die Ausführungen des SG in dem angefochtenen Gerichtsbescheid, wonach eine Untätigkeitsklage i.S. von § 88 SGG unzulässig sei, weil die Wartefrist von sechs Monaten seit Antragstellung noch nicht verstrichen sei, mit seinem Schreiben 18. Juli 2016 auf eine inhaltliche Entscheidung über sein Leistungsbegehren bestanden und gerade keine bloße Bescheidung begehrt hat.

Der Senat kann offen lassen, ob die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit für eine Streitigkeit über Leistungen nach der HLKO, die der Kläger als Anspruchsgrundlage immer wieder angeführt hat, nach der Rechtswegzuweisung des § 51 Abs. 1 SGG sachlich überhaupt zuständig sind (vgl. Verwaltungsgericht (VG) Cottbus, Beschluss vom 4. Februar 2016 - VG 1 L 888/15 - juris Rdnr. 5; vgl. ferner LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11. April 2016 - L 20 SO 35/15 - juris Rdnrn. 44 ff. und LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Juni 2013 - L 1 SV 1689/13 -, wonach ein Anspruch auf Leistungen der HLKO in Höhe der derzeit niedrigsten Besoldungsstufe der Festangestellten der Bundeswehr evident nicht besteht). Denn nach § 98 SGG i.V.m. § 17a Abs. 5 GVG prüft das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist.

3. Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Das SG hat in dem angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend ausgeführt, dass die Klage mangels Verwaltungsentscheidung unzulässig ist. Insoweit weist der Senat die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung des SG zurück und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass vor Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes eine Klage mangels gegenwärtiger Beschwer nicht zulässig ist und eine "Heilung" selbst durch eine spätere Bekanntgabe nicht eintritt (vgl. Senatsurteil vom 16. Oktober 2014 - L 7 AS 5359/11 -; Bayerisches LSG, Urteil vom 20. Januar 2009 - L 15 VG 20/08 - juris Rdnr. 10). Danach würde selbst der Erlass eines Bescheids betreffend das klägerische Leistungsbegehren nichts an der Unzulässigkeit der vom Kläger bereits am 17. Mai 2016 erhobenen Klage ändern.

Die vom SG vorgenommene Zustellung des Gerichtsbescheids vom 1. Juli 2016 ist entsprechend den einschlägigen rechtlichen Bestimmungen erfolgt und nicht zu beanstanden. Bei Urteilen bzw. Gerichtscheiden, die - wie hier - nicht auf Grund mündlicher Verhandlung ergehen, wird die Verkündung durch Zustellung ersetzt (§§ 105, Abs. 1 Satz 3, 133 Satz 1 SGG). Zugestellt wird von Amts wegen nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) (§ 63 Abs. 2 Satz 1 SGG). Hier ist die Zustellung im Wege der Ersatzzustellung durch Einlegen der beglaubigten Abschrift des Gerichtsbescheides vom 1. Juli 2016 in den Briefkasten gemäß §§ 178 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 180 ZPO bewirkt worden. Gemäß § 317 Abs. 1 Satz 1 ZPO werden Urteile den Parteien zugestellt. Die Urteilszustellung erfolgt in der Regel durch Zustellung einer beglaubigten Abschrift (vgl. Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 11. Aufl. 2014, § 133 Rdnr. 2c und § 137 Rdnr. 2). Das vom Richter unterschriebene Original verbleibt in den Gerichtsakten. Ein Rechtsanspruch auf Zustellung eines handschriftlich unterschriebenen Gerichtsbescheids besteht nicht (LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 6. Mai 2015 - L 8 SO 15/15 B ER - juris Rdnr. 7).

Die übrigen Ausführungen des Klägers zum Bestehen der Bundesrepublik Deutschland und zur Geltung von Gesetzen, soweit überhaupt verständlich, entbehren jeglicher rechtlicher Grundlage. So behauptet der Kläger beispielsweise, das BVerfG habe mit Urteil vom 25. Juli 2012 (2 BvE 9/11, 2 BvF 3/11, 2 BvR 2670/11 - BVerfGE 131, 316) entschieden, dass alle erlassenen Gesetze und Verordnungen seit 1956 nichtig seien. Tatsächlich hat das BVerfG ausweislich des Urteilstenors lediglich § 6 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2a des Bundeswahlgesetzes (BWahlG) in der Fassung des Neunzehnten Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes vom 25. November 2011 (BGBl. I, S. 2313) mit Art. 21 Abs. 1 und Art. 38 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) unvereinbar und nichtig sowie § 6 Abs. 5 BWahlG mit Art. 21 Abs. 1 und Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG unvereinbar erklärt. Daraus folgt jedoch nicht, dass alle unter Geltung des BWahlG stattgefundenen Wahlen zum Deutschen Bundestag ungültig gewesen und alle von diesem beschlossenen Gesetze nichtig seien (vgl. nur Art. 41 GG, § 48 Bundesverfassungsgerichtsgesetz).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

5. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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