S 13 AS 1257/14

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 13 AS 1257/14
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Anforderungen an ein schlüssiges Konzept zur Bestimmung der Angemessenheit von Unterkunftskosten im Landkreis Wittenberg
Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 29.05.2013 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 15.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.04.2014 (W ...) verurteilt, der Klägerin für die Monate Juni bis November 2013 weiteres Arbeitslosengeld II für die Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 53,33 EUR zu gewähren.
Der Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt höheres Arbeitslosengeld II für die Kosten der Unterkunft und Heizung für den Zeitraum Juni bis November 2013.

Die am ... 1955 geborene Klägerin ist alleinstehend und steht seit 2005 beim Beklagten im laufenden Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Sie übte im streitgegenständlichen Zeitraum eine Nebenbeschäftigung mit einem monatlichen Brutto- und Nettoeinkommen von 100,00 EUR aus. Bis zum 31.03.2011 wohnte die Klägerin zusammen mit ihrem Sohn D. L. in einer 62 m² großen Wohnung in S. in B., für die eine Gesamtmiete von 423,34 EUR (Bruttokaltmiete 316,00 EUR; Vorauszahlung für Heiz- und Warmwasseraufbereitungskosten 107,34 EUR) zu zahlen war. Am 09.01.2011 stellte sie einen Antrag auf Wohnungswechsel nach G. Sie wollte dort eine 45 m² große Wohnung beziehen. Zur Begründung führte sie an, sie wolle ihre in G. lebende Mutter pflegen. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 07.03.2011 ab mit der Begründung, der Umzug sei nicht erforderlich. Die Klägerin zog gleichwohl zum 01.04.2011 in eine 45 m² große Wohnung in M. mit einer Gesamtmiete von 279,50 EUR (Bruttokaltmiete 232,50 EUR, Heizkosten 45,00 EUR). Sie bezog im April und Mai 2011 vom Jobcenter Landkreis G. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes, wobei Unterkunfts- und Heizkosten in Höhe von 279,50 EUR berücksichtigt wurden.

Am 17.05.2011 stellte die Klägerin beim Beklagten einen neuen Leistungsantrag. Sie gab an, dass sie ab dem 01.06.2011 in einer 60 m² großen Wohnung in der K. Straße in B. wohne. Für die Wohnung war nach der eingereichten Mietbescheinigung eine Gesamtmiete von monatlich 380,00 EUR (Grundmiete 260,00 EUR, Vorauszahlung kalte Betriebskosten 44,00 EUR, Vorauszahlung Heiz- und Warmwasseraufbereitungskosten 76,00 EUR) zu entrichten. Die Beheizung der Wohnung erfolgt über Erdgas. Das Haus, in dem sich die Wohnung befindet, hat eine Gebäudefläche von insgesamt 340 m². Die Warmwasseraufbereitung erfolgt über die Heizungsanlage. Der Beklagte bewilligte der Klägerin ab Juni 2011 zunächst nur Unterkunfts- und Heizkosten in Höhe der zuvor vom Jobcenter Landkreis G. übernommenen Kosten von 279,50 EUR.

Die Klägerin beantragte am 24.04.2013 die Weiterbewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit ab 01.06.2013. Der Beklagte bewilligte ihr darauf hin mit Bescheid vom 29.05.2013 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für Juni bis November 2013 in Höhe von monatlich 703,67 EUR. Dabei berücksichtigte er nunmehr Unterkunfts- und Heizkosten in der von ihm als angemessen erachteten Höhe von monatlich 321,67 EUR (Grundmiete und kalte Betriebskosten 255,00 EUR, Heizkosten 66,67 EUR). Bei der Kürzung der kalten Unterkunftskosten stützte sich der Beklagte auf die Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg zur Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites und Zwölftes Buch (II und XII). In dieser Verwaltungsvorschrift wird der Landkreis Wittenberg in drei Wohnungsmarkttypen unterteilt. Im Wohnungsmarkttyp III, der aus den Städten Annaburg, Bad Schmiedeberg, Jessen, Kemberg und Zahna-Elster besteht, wird für den streitigen Zeitraum für einen 1-Personen-Haushalt eine Bruttokaltmiete von maximal 255,00 EUR als angemessen angesehen. Hinsichtlich der Heizkosten wandte der Beklagte den Bundesweiten Heizspiegel 2012 an und multiplizierte ausgehend von einer Beheizung mit Erdgas und einer Gebäudefläche von 251 bis 500 m² den Wert der rechten Spalte mit der nach der Verwaltungsvorschrift für einen 1-Personen-Haushalt angemessenen Wohnungsgröße von 50 m², um das Ergebnis anschließend auf 12 Monate aufzuteilen.

Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin legte am 17.06.2013 Widerspruch gegen den Bescheid vom 29.05.2013 ein (W ...). Zur Begründung führte sie an, die Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg zur Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung beruhe nicht auf einem schlüssigen Konzept im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), sodass der Klägerin in Anlehnung an die Werte der Wohngeldtabelle weitere Leistungen zu gewähren seien.

Der Beklagte bewilligte der Klägerin mit Änderungsbescheid vom 15.04.2014 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für Juni bis November 2013 in Höhe von monatlich 708,67 EUR. Dabei ging er von angemessenen Unterkunfts- und Heizkosten in Höhe von insgesamt 326,67 EUR aus, wobei er nunmehr in Anwendung des Bundesweiten Heizspiegels 2013 Heizkosten in Höhe von 71,67 EUR berücksichtigte. Mit Widerspruchsbescheid vom 22.04.2014 wies der Beklagte den Widerspruch als im Übrigen unbegründet zurück.

Die Klägerin hat dagegen am 23.05.2014 Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt sie ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 29.05.2013 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 15.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.04.2014 (W ...) zu verurteilen, ihr für den Zeitraum Juni bis November 2013 weiteres Arbeitslosengeld II für die Kosten der Unterkunft und Heizung zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält seine Entscheidung für rechtmäßig.

Der Beklagte hat der Kammer folgende Unterlagen übersandt:

- Verwaltungsvorschriften des Landkreises Wittenberg zur Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites und Zwölftes Buch (II und XII) – Stand 18.02.2014, 03.06.2013, 09.10.2012 und 15.03.2011,

- Endbericht Mietwerterhebungen zur Ermittlung der KdU-Kosten im Landkreis Wittenberg & Konzepte,

- Endbericht KdU-Richtwerte 2013 - Indexfortschreibung des schlüssigen Konzepts 2010 vom 14.11.2013 der Firma A.,

- Stellungnahmen der Firma A. vom 26.06.2015, 18.03.2015, 13.02.2015, 22.12.2014 und 04.06.2013,

- E-Mail-Mitteilung des Trägers/Stellungnahme der Firma A. vom 13.10.2015,

- E-Mail-Mitteilung des Trägers/Stellungnahme der Firma A. vom 15.10.2015,

- Ausgangsdaten der Mietwerterhebung der Firma A. Teil I-III (3 Ordner).

Die Kammer hat diese insgesamt vier Ordner umfassenden Unterlagen als Generalakte der 13. Kammer mit dem Titel "Landkreis Wittenberg, KdU- Richtlinie, Mietwerterhebung – Ausgangsdaten, Endberichte, Stellungnahmen" geführt und in das vorliegende Verfahren einbezogen.

Die Gerichtsakte, die Verwaltungsakte des Beklagten und die Generalakte "Landkreis Wittenberg, KdU- Richtlinie, Mietwerterhebung – Ausgangsdaten, Endberichte, Stellungnahmen" haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Kammer konnte gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten sich mit Schriftsätzen vom 08.06.2016 (Beklagter) und vom 13.06.2016 (Prozessbevollmächtigte der Klägerin) hiermit einverstanden erklärt haben.

II.

Die Klage ist zulässig und in vollem Umfang begründet.

Gegenstand des Klageverfahrens ist der den Zeitraum Juni bis November 2013 betreffende Bescheid des Beklagten vom 29.05.2013 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 15.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.04.2014 (W ...). Gegen diesen wendet die Klägerin sich mit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1, Abs. 4 SGG. Die im Klageantrag vorgenommene Beschränkung des Streitgegenstandes auf die Kosten für Unterkunft und Heizung ist zulässig (vgl. BSG, Urteil vom 04.06.2014, Az. B 14 AS 42/13 R; Urteil vom 06.08.2014, Az. B 4 AS 55/13 R).

Der Bescheid des Beklagten vom 29.05.2013 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 15.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.04.2014 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat für den Zeitraum Juni bis November 2013 einen Anspruch auf Übernahme ihrer tatsächlichen Unterkunfts- und Heizkosten.

Die Klägerin ist dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II. Nach § 19 Abs. 1 SGB II (in der ab dem 01.01.2011 geltenden Fassung) erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte Arbeitslosengeld II. Die Leistungen umfassen den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung. Leistungsberechtigt sind nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze des § 7a SGB II noch nicht erreicht haben (Nr. 1), erwerbsfähig sind (Nr. 2), hilfebedürftig sind (Nr. 3) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Erwerbsfähig ist nach § 8 Abs. 1 SGB II, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 9 Abs. 1 SGB II (in der ab dem 01.01.2011 geltenden Fassung) ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

Die Klägerin war im streitgegenständlichen Zeitraum im passenden Alter, erwerbsfähig und hatte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Sie war hilfebedürftig, weil sie ihren Bedarf mit Einkommen nicht decken konnte. Verwertbares Vermögen war nicht vorhanden.

Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Die Prüfung der Angemessenheit hat für Unterkunftskosten (siehe unter 1.) und für Heizkosten (siehe unter 2.) getrennt zu erfolgen (BSG, Urteil vom 02.07.2009, Az. B 14 AS 36/08 R). Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt (§ 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II). Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie gemäß § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem allein stehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.

Eine Begrenzung der Unterkunfts- und Heizkosten der Klägerin auf den Bedarf vor dem Umzug von M. nach B. im Juni 2011 nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II kommt von vornherein nicht in Betracht. Dabei kann offen bleiben, ob der Umzug erforderlich war. Denn der Anwendungsbereich des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II ist auf einen Wohnungswechsel innerhalb des kommunalen Vergleichsraums beschränkt (BSG, Urteil vom 01.06.2010, Az. B 4 AS 60/09 R). Der Umzug der Klägerin im Juni 2011 erstreckte sich über die Grenzen des kommunalen Vergleichsraumes hinaus, denn ihre zuvor bewohnte Unterkunft befand sich in M. im Landkreis G.

Einem Anspruch auf Übernahme der tatsächlichen Unterkunfts- und Heizkosten steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin vor dem Einzug in die K. Straße in B. keine Zusicherung des Beklagten eingeholt hat. Denn das Vorliegen einer Zusicherung nach § 22 Abs. 4 SGB II stellt keine Anspruchsvoraussetzung für die Übernahme der Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 SGB II dar (BSG, Urteil vom 07.11.2006, Az. B 7b AS 10/06 R; Urteil vom 22.11.2011, Az. B 4 AS 219/10 R). Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Regelung, die nur davon spricht, dass der Hilfebedürftige eine entsprechende Zusicherung einholen "soll". § 22 Abs. 4 SGB II normiert lediglich eine Obliegenheit, deren Verletzung zur Folge hat, dass der Leistungsberechtigte das Risiko trägt, im Falle der Unangemessenheit der neuen Wohnung oder der Nichterforderlichkeit des Umzugs nicht den gesamten neuen Wohnkostenbedarf berücksichtigt zu bekommen. Infolgedessen kommt eine Kostenübernahme auch in Betracht, wenn der Leistungsberechtigte nicht zuvor die Zusicherung des kommunalen Trägers einholt. Die Angemessenheit der tatsächlichen Unterkunfts- und Heizkosten ist auch beim Fehlen einer vorherigen Zusicherung anhand der Grundregeln des § 22 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB II zu prüfen, wobei es keinen befristeten Bestandsschutz nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II gibt (vgl. Luik in: Eicher/Spellbrink, Kommentar zum SGB II, 3. Auflage 2013, § 22 Rn. 152 – 154).

1. Die tatsächlichen kalten Unterkunftskosten der Klägerin belaufen sich im streitigen Zeitraum auf monatlich insgesamt 304,00 EUR, bestehend aus der Grundmiete von 260,00 EUR und der Betriebskostenvorauszahlung von 44,00 EUR. Diese Kosten sind auch angemessen im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II.

Die Angemessenheit der tatsächlichen Aufwendungen für eine Wohnung ist nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. nur BSG, Urteile vom 20.08.2009, Az. B 14 AS 41/08 R sowie B 14 AS 65/08 R; Urteil vom 22.03.2012, Az. B 4 AS 16/11 R) in mehreren Schritten zu prüfen:

Nach der in einem ersten Schritt vorzunehmenden Bestimmung der abstrakt angemessenen Wohnungsgröße und des Wohnungsstandards (siehe dazu unter a.) ist in einem zweiten Schritt festzustellen, welcher räumliche Vergleichsmaßstab für die Beurteilung der Angemessenheit maßgebend ist (siehe dazu unter b.). Sodann ist in einem dritten Schritt nach Maßgabe der sog. Produkttheorie zu ermitteln, wie viel für eine abstrakt angemessene Wohnung auf dem für den Hilfebedürftigen maßgeblichen Wohnungsmarkt im streitgegenständlichen Zeitraum aufzuwenden gewesen ist (Ermittlung der Angemessenheitsgrenze auf Grund eines schlüssigen Konzepts des Grundsicherungsträgers – siehe dazu unter c.). Kann kein abstrakt angemessener Bedarf für die Unterkunft ermittelt werden, sind die tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen, gedeckelt im Sinne einer Angemessenheitsgrenze nach oben durch die Tabellenwerte der rechten Spalte zu § 12 Wohngeldgesetz (WoGG) plus einem Sicherheitszuschlag von 10 % (siehe dazu unter d.).

a. Die Angemessenheit der Wohnungsgröße richtet sich in Ermangelung anderweitiger Erkenntnisquellen grundsätzlich nach den Werten, die die Länder auf Grund des in § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung (WoFG) vom 13.09.2001 bzw. ehedem auf Grund des § 5 Abs. 2 Wohnraumbindungsgesetz in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung des Gesetzes zur Förderung des sozialen Wohnungsbaus (Wohnungsbauförderungsgesetz) vom 06.06.1994 festgelegt haben (BSG, Urteil vom 20.08.2009, Az. B 14 AS 65/08 R). Im Land Sachsen-Anhalt ist zur Bestimmung der angemessenen Wohnungsgröße auf die Wohnungsbauförderungsbestimmungen (RdErl. des Ministeriums für Raumordnung, Städtebau und Wohnungswesen (MRS) vom 23.02.1993, MBl. LSA Nr. 27/1993, S. 1281) und die dazu erlassenen Richtlinien aus den Jahren 1993 und 1995 (Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung des Mietwohnungsneubaus in Sachsen-Anhalt, RdErl. des MRS vom 23.02.1993, MBl. LSA Nr. 27/1993, S. 1285, RdErl. des Ministeriums für Wohnungswesen, Städtebau und Verkehr (MWV) vom 10.03.1995, MBl. LSA Nr. 31/1995, S. 1133) zurückzugreifen (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 03.03.2011, Az. L 5 AS 74/08). Danach beträgt die angemessene Wohnungsgröße für einen Ein-Personen-Haushalt bis zu 50 m². Die Größe des 60 m² umfassenden Wohnraums der Klägerin ist demnach nicht mehr angemessen.

Dies führt jedoch allein noch nicht zur Unangemessenheit der Unterkunftskosten der Klägerin. Denn die Höhe des Mietzinses kann gleichwohl angemessen sein, wenn etwa durch einen sehr einfachen Standard oder günstige Umstände ein ungewöhnlich niedriger Mietzins anfällt und die Überschreitung der Wohnungsgröße damit ausgeglichen wird (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 03.03.2011, a. a. O.). Dazu ist es jedoch erforderlich, die Referenzmiete oder die Angemessenheitsobergrenze im Vergleichsraum zu bestimmen.

b. Der räumliche Vergleichsmaßstab ist nach der Rechtsprechung des BSG so zu wählen, dass Hilfesuchende im Regelfall ihr soziales Umfeld beizubehalten vermögen. Deshalb ist für den räumlichen Vergleichsmaßstab in erster Linie der Wohnort des Hilfesuchenden maßgebend. Nur bei besonders kleinen Gemeinden, die über keinen repräsentativen Wohnungsmarkt verfügen, kommen größere und bei besonders großen Städten kleinere Gebietseinheiten in Betracht. Daher sind ausgehend vom Wohnort des Hilfeempfängers Vergleichsmaßstab diejenigen ausreichend großen Räume (nicht bloße Orts- oder Stadtteile) der Wohnbebauung, die auf Grund ihrer räumlichen Nähe zueinander, ihrer Infrastruktur und insbesondere ihrer verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden (BSG, Urteil vom 19.02.2009, Az. B 4 AS 30/08 R).

Gemessen an diesen Grundsätzen spricht vorliegend nach Ansicht der Kammer einiges dafür, dass nicht der gesamte Landkreis Wittenberg als maßgeblicher Vergleichsraum angesehen werden kann. Die Vorgehensweise, den gesamten Kreis als Vergleichsraum festzulegen, kann zwar bei Großstädten wie Berlin (vgl. BSG, Urteil vom 19.10.2010, Az. B 14 AS 50/10 R), München (vgl. BSG, Urteil vom 19.02.2009, Az. B 4 AS 30/08 R) oder Bremen (vgl. BSG, Urteil vom 18.02.2009, Az. B 14 AS 132/10 R) zutreffend sein, in denen das Verkehrsnetz und der öffentliche Nahverkehr auf die Erreichbarkeit des Stadtkerns von allen Stadtteilen her angelegt ist. Gleiches gilt für kleinere Landkreise mit einem Mittelzentrum. Im Landkreis Wittenberg stellt die Lutherstadt Wittenberg jedoch kein Mittelzentrum dar, auf das alle kreisangehörigen Gemeinden gleichermaßen ausgerichtet sind. Das ergibt sich bereits daraus, dass bestimmte Gemeinden wie z. B. Vockerode oder Oranienbaum (jetzige Verwaltungsgemeinschaft Wörlitzer Winkel) unabhängig von ihrer verwaltungstechnischen Zuordnung infrastrukturell eindeutig eher der Stadt Dessau-Roßlau als der Lutherstadt Wittenberg zuzuordnen sind (SG Dessau-Roßlau, Urteile vom 19.08.2015, Az. S 14 AS 2582/12 und S 14 AS 822/13). Bad Schmiedeberg und Annaburg sind wiederum infrastrukturell eher den Städten Torgau, Herzberg und Jessen als der Lutherstadt Wittenberg zugewandt. Gegen eine infrastrukturelle und verkehrstechnische Verbundenheit aller Gemeinden im Landkreis Wittenberg spricht zudem die Tatsache, dass das Kreisgebiet in Nord-Süd-Richtung durch die A 9 und in Ost-West-Richtung durch die Elbe geteilt wird, sodass einzelne Gemeinden nur über Brücken/Fähren miteinander verbunden sind. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass in der Lutherstadt Wittenberg mehr als 1/3 der gesamten Kreisbevölkerung lebt, während der Landkreis im Übrigen durch nur geringe Bebauung gekennzeichnet ist (SG Dessau-Roßlau, Urteil vom 22.11.2013, Az. S 11 AS 150/12). Dementsprechend liegt kein homogener Wohnbereich vor. Auch aus der geschichtlichen Entwicklung des Landkreises ergibt sich kein einheitlicher Lebensbereich (dazu ausführlich SG Dessau-Roßlau, Urteil vom 26.01.2016, Az. S 30 AS 2355/12). Ungeachtet dieser beachtlichen Argumente verkennt die Kammer andererseits aber auch nicht, dass im Landkreis Wittenberg außer der Lutherstadt Wittenberg allenfalls noch die Städte Gräfenhainichen und Jessen über einen eigenen, repräsentativen Wohnungsmarkt verfügen dürften. Die übrigen Städte und Gemeinden haben deutlich unter 10.000 Einwohner, sodass nicht davon auszugehen ist, dass es sich dabei um ausreichend große Räume der Wohnbebauung handelt, hinsichtlich derer eine eigene, respräsentative Datenerhebung möglich wäre. Da das Bundessozialgericht zwar ein völliges Dahingestelltlassen der Bestimmung eines örtlichen Vergleichsraumes für unzulässig erachtet, gleichzeitig aber eine Wahlfeststellung für möglich hält (BSG, Urteil vom 14.02.2013, Az. B 14 AS 61/12 R), sind nach Ansicht der Kammer als maßgeblicher Vergleichsraum vorliegend alternativ

- die politische Gemeinde (Stadt Bad Schmiedeberg mit allen dazugehörigen Ortsteilen und Ortschaften),

- der vom Beklagten gebildete Wohnungsmarkttyp III, der aus den infrastrukturell miteinander verbundenen Städten Annaburg, Bad Schmiedeberg, Jessen, Kemberg und Zahna-Elster besteht, oder

- der gesamte Landkreis Wittenberg

anzusehen.

c. Stehen die abstrakt angemessene Wohnungsgröße und der Vergleichsraum fest, ist nach der Rechtsprechung des BSG in einem dritten Schritt nach Maßgabe der Produkttheorie zu ermitteln, wie viel auf diesem Wohnungsmarkt für eine einfache Wohnung aufzuwenden ist. Dabei ist es Aufgabe des Grundsicherungsträgers, einen Quadratmeterpreis für Wohnungen einfachen Standards zu ermitteln, um diesen nach Maßgabe der Produkttheorie mit der dem Hilfeempfänger zugestandenen Quadratmeterzahl zu multiplizieren und so die angemessene Miete festlegen zu können (BSG, Urteil vom 22.09.2009, Az. B 4 AS 18/09 R). Hierfür ist es nicht erforderlich, auf einfache oder qualifizierte Mietspiegel i. S. der §§ 558c und 558d Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) abzustellen bzw. solche Mietspiegel erstellen zu lassen, soweit sie insbesondere im ländlichen Raum fehlen. Die vom Grundsicherungsträger gewählte Datengrundlage muss allerdings auf einem schlüssigen Konzept beruhen, das eine hinreichende Gewähr dafür bietet, dass es die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Wohnungsmarktes wiedergibt (BSG, Urteil vom 18.06.2008, Az. B 14/7b AS 44/06 R). Ein Konzept ist ein planmäßiges Vorgehen des Grundsicherungsträgers im Sinne einer systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenngleich orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Vergleichsraum und nicht nur punktuell im Einzelfall (BSG, Urteil vom 22.09.2009, Az. B 4 AS 18/09 R). Schlüssig ist das Konzept nach der Rechtsprechung des 4. Senats des BSG (Urteil vom 22.09.2009, a. a. O.), wenn es mindestens folgende Voraussetzungen erfüllt:

- Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen (keine Ghettobildung),

- es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, z. B. welche Art von Wohnungen – Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete (Vergleichbarkeit), Differenzierung nach Wohnungsgröße,

- Angaben über den Beobachtungszeitraum

- Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, z. B. Mietspiegel),

- Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten,

- Validität der Datenerhebung,

- Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und

- Angaben über die gezogenen Schlüsse (z. B. Spannoberwert und Kappungsgrenze).

Das Konzept des Beklagten wird diesen Anforderungen in mehreren Punkten nicht gerecht.

aa. Zunächst ergibt sich aus den vom Beklagten vorgelegten Unterlagen des Konzepterstellers A. nicht, dass vor Beginn der Erhebungen eine ordnungsgemäße Festlegung des Vergleichsraumes bzw. der Vergleichsräume stattgefunden hat. Die Bestimmung eines maßgeblichen örtlichen Vergleichsraumes ist aber logische Voraussetzung für die Entwicklung eines schlüssigen Konzepts, denn ein solches kann nur ausgehend von einem bestimmten örtlichen Vergleichsraum aufgestellt werden (BSG, Urteil vom 16.04.2013, Az. B 14 AS 28/12 R).

In dem Endbericht der Firma A. zur Mietwerterhebung aus Januar 2011 findet der Begriff des Vergleichsraums überhaupt keine Erwähnung. Dort wird allein von drei Wohnungsmarkttypen ausgegangen. Der Wohnungsmarkt des Landkreises wurde demnach in Raumeinheiten mit strukturell vergleichbaren Wohnungsmärkten unterteilt. Dies geschah mit Hilfe des statistischen Verfahrens der sog. Clusteranalyse, eines Analyseverfahrens, das es ermöglicht, Objekte innerhalb einer Grundgesamtheit zu identifizieren und zusammenzufassen, deren Eigenschaften oder Eigenschaftsausprägungen bestimmte Ähnlichkeiten aufweisen (vgl. hierzu Seiten 2 bis 7 des Endberichts). Diese Clusteranalyse kann aber nach Auffassung der Kammer nicht die Festlegung des Vergleichsraums ersetzen, da hier gerade nicht die Kriterien für die Festlegung eines Vergleichsraumes, nämlich das Vorliegen eines homogenen Lebens- und Wohnbereichs, räumliche Nähe und verkehrstechnische Verbundenheit, zugrunde gelegt wurden (SG Dessau-Roßlau, Urteil vom 17.08.2012, Az. S 11 AS 2430/11; Urteile vom 19.08.2015, Az. S 14 AS 2582/12 und S 14 AS 822/13; Urteil vom 16.04.2015, Az. S 2 AS 2443/11). Die Indikatoren, die die Firma A. zur Bildung der Wohnungsmarkttypen herangezogen hat, sind die Bevölkerungsdichte, die Bevölkerungsentwicklung, das Pro-Kopf-Einkommen im Jahr 2004, die Siedlungsstruktur, die Wohnfläche und die Wahlbeteiligung an der Kommunalwahl 2007. Dabei kann aus Sicht der Kammer teilweise bereits nicht nachvollzogen werden, welchen Einfluss diese Indikatoren auf die Mietpreisbildung haben, insbesondere was die Wahlbeteiligung an einer Kommunalwahl betrifft (so auch SG Dessau-Roßlau, Urteile vom 19.08.2015, Az. S 14 AS 2582/12 und S 14 AS 822/13). Umgekehrt erschließt sich der Kammer nicht, warum anders als in anderen Landkreisen im Gerichtsbezirk Dessau-Roßlau, in denen die Firma A. Mietwerterhebungen durchgeführt hat, wohnungsmarktspezifische Indikatoren wie Neubautätigkeit, Mietstufe, Bodenpreis und Zentralität nicht in die Bildung der Wohnungsmarkttypen eingeflossen sind (so auch SG Dessau-Roßlau, Urteil vom 16.04.2015, Az. S 2 AS 2443/11). Schließlich wird durch die zugrunde gelegten Kriterien in keiner Weise sichergestellt, dass die einem gemeinsamen Wohnungsmarkttyp zugeordneten Gemeinden auch eine räumliche Nähe aufweisen. Vielmehr wird durch den Konzeptersteller ausgeführt, dass die "Gemeinden eines Wohnungsmarkttyps [ ] dabei nicht zwingend nebeneinander liegen [müssten], sondern [ ] sich über das Untersuchungsgebiet (Kreisgebiet) verteilen [könnten]" (Endbericht S. 3). Die sich hieraus ergebende Verteilung der Wohnungsmarkttypen als zusammenhängende Gebiete ist zur Überzeugung der Kammer insoweit zufällig und gerade nicht dem Vorliegen von homogenen Wohn- und Lebensräumen geschuldet (so auch SG Dessau-Roßlau, Urteil vom 26.01.2016, Az. S 30 AS 2355/12).

Auch aus der ergänzenden Stellungnahme der Firma A. vom 04.06.2013 geht nicht hervor, ob und – wenn ja – von welchen Vergleichsräumen vor Beginn der Erhebung ausgegangen wurde. Auf S. 2 der ergänzenden Stellungnahme wird zunächst ausgeführt, es sei in einem ersten vorläufigen Ansatz das gesamte Kreisgebiet als Vergleichsraum festgelegt worden. Sodann wird in Betracht gezogen, den Landkreis Wittenberg in zwei unterschiedliche Vergleichsräume zu differenzieren, nämlich die Lutherstadt Wittenberg als einen Vergleichsraum und "die übrigen Gemeinden des Kreises" als zweiten Vergleichsraum. Weiterhin wird ausführlich auf die Bildung der Wohnungsmarkttypen eingegangen, wobei stets betont wird, dass diese nicht mit dem Vergleichsraum identisch sind. Schließlich wird umfassend dargelegt, die Bestimmung des homogenen Wohn- und Lebensbereichs müsse für jede Bedarfsgemeinschaft im Einzelfall anhand der individuellen Gegebenheiten geprüft werden. Gerade aus letzteren Ausführungen geht hervor, dass der Konzeptersteller die Festlegung eines Vergleichsraumes offenbar erst im Rahmen der Prüfung der konkreten Angemessenheit für erforderlich erachtet hat und nicht davon ausgegangen ist, dass ein solcher bereits vor Beginn der Erhebung zu bestimmen ist.

bb. Das Konzept ist ferner fehlerhaft, weil der Konzeptersteller von einer unzureichenden Datengrundlage ausgeht und es demnach an einer Datenbasis fehlt, die eine hinreichende Gewähr dafür bietet, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes zutreffend wiedergegeben werden.

(1) Dabei lässt sich bereits nicht feststellen, ob die Firma A. ausschließlich Daten von Wohnungen erhoben hat, die dem zutreffenden Wohnungsstandard entsprechen. Die für die Leistungsberechtigten in Frage kommenden Wohnungen müssen nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen, ohne gehobenen Wohnstandard aufzuweisen. Wohnungen, die nicht den einfachen, sondern den untersten Standard abbilden, gehören von vornherein nicht zu dem Wohnungsbestand, der überhaupt für die Bestimmung der Vergleichsmiete abzubilden ist (BSG, Urteil vom 10.09.2013, Az. B 4 AS 77/12 R). Die Verwaltung hat zunächst festzulegen, wie das untere Marktsegment zu definieren ist, denn diese kann am ehesten anhand der regionalen Gegebenheiten entscheiden, welche Wohnungsmerkmale einen einfachen Wohnstandard ausmachen (BSG, Urteil vom 10.09.2013, a. a. O.). Die Firma A. führt in ihrem Endbericht zur Mietwerterhebung aus, dass im Rahmen der Erhebungen bzw. Auswertungen nur diejenigen Wohnungen berücksichtigt wurden, die zumindest über die Merkmale "Bad" und "Sammelheizung" verfügten. Substandardwohnungen, die diesem Niveau nicht genügten, seien unberücksichtigt geblieben. Diese Definition des zu berücksichtigenden unteren Marktsegments als einfacher Wohnstandard ist nachvollziehbar und nicht zu beanstanden. Allerdings ist aus Sicht der Kammer nicht nachvollziehbar, ob die Wohnungen im definierten untersten Standard im Rahmen der Erhebung tatsächlich nicht mit berücksichtigt wurden. Weder die vom Konzeptersteller auf Anforderung vorgelegten Mieterfragebögen noch die Vermieterfragebögen oder die hierzu erstellten Merkblätter beinhalten Fragen zum Standard der zu erhebenden Wohnungen. Soweit die Firma A. in ihren Stellungnahmen vom 13.02.2015 und vom 26.06.2015 mitteilt, die Vermieter nach dem Anschreiben telefonisch kontaktiert zu haben mit der Bitte, nur Daten für Wohnungen zu übermitteln, die mindestens über ein inne liegendes Bad/WC und eine "Sammelheizung" verfügen und nicht dem Luxussegment zuzurechnen sind, so genügt diese Vorgehensweise nicht den Anforderungen an ein transparentes Verfahren, zumal ein solcher persönlicher Kontakt bei der Erhebung im Mietersegment offensichtlich nicht erfolgt ist (SG Dessau-Roßlau, Urteile vom 19.08.2015, Az. S 14 AS 2582/12 und S 14 AS 822/13; Urteil vom 16.11.2015, Az. S 7 AS 1732/12). Auch mit der durchgeführten Extremwertkappung, auf welche die Firma A. in ihren Stellungnahmen vom 13.02.2015 und vom 26.06.2015 verweist, lässt sich die Erhebung von Substandardwohnungen nicht sicher ausschließen. Denn die Extremwertkappung basiert lediglich auf der Vermutung, dass Wohnungen unterhalb eines bestimmten Quadratmeterpreises dem untersten Marktsegment zuzuordnen sind. Damit werden aber letztlich Schlussfolgerungen vorweggenommen, die erst nach Auswertung der fehlerfrei erhobenen Daten gezogen werden können.

(2) Als fehlerhaft stellt sich aus Sicht der Kammer auch die Herausnahme von Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern aus der Datenerhebung dar (so schon SG Dessau-Roßlau, Urteil vom 16.04.2015, Az. S 2 AS 2443/11; Urteil vom 16.11.2015, Az. S 7 AS 1732/12; Urteil vom 26.01.2016, Az. S 30 AS 2355/12; Urteile vom 19.08.2015, S 14 AS 2582/12 sowie S 14 AS 822/13). Nach den von der Firma A. zugrunde gelegten Angaben des Statistischen Landesamtes Sachsen-Anhalt gibt es im Landkreis Wittenberg insgesamt 40.167 Wohngebäude, die sich aus 4.784 Gebäuden mit Geschosswohnungsbau, 28.167 Einfamilienhäusern und 7.216 Zweifamilienhäusern zusammensetzen. Von den 72.219 Wohnungen befinden sich 28.167 in Einfamilienhäusern, 14.432 in Zweifamilienhäusern und 29.620 im Geschosswohnungsbau mit mindestens drei Wohnungen. Ausweislich seiner Angaben auf S. 8 des Endberichtes sieht der Konzeptersteller nur letztere als relevanten Wohnungsmarkt an. Daten von Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern wurden von vornherein von der Erhebung ausgeschlossen. Nach den Fragestellungen in den Fragebögen sollten die befragten Mieter bei Bejahung der Frage: "Wohnen Sie in einem Gebäude mit weniger als drei Wohnungen (Mietparteien)?" diese Fragebögen nicht weiter ausfüllen, da die Miete für die Mietwerterhebung nicht relevant sei. Die Fragestellung schließt im Übrigen auch die Rücksendung des Fragebogens aus, wenn eine von drei Wohnparteien selbstnutzender Eigentümer des Hauses ist. Daraus ergibt sich für die Kammer, dass der Umfang der erhobenen und in das Verfahren eingeführten Daten nicht dazu geeignet ist, den Mietwohnungsmarkt im Landkreis zuverlässig abzubilden. Zwar muss die Datenerhebung nicht für alle im Vergleichsraum befindlichen Wohnungen erfolgen, insoweit genügt die Erhebung einer ausreichenden Anzahl von Stichproben. Jedoch soll die Struktur so beschaffen sein, dass darin in hinreichendem Umfang, Wohnungen aus dem gesamten Gebiet sowie von allen Eigentümergruppen vertreten sind (vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Arbeitshilfe zur Bestimmung der angemessenen Aufwendungen der Unterkunft im Rahmen kommunaler Satzungen, Stand Januar 2013, Seite 39). Nach der ergänzenden Stellungnahme der Firma A. sind im gesamten Landkreis Wittenberg rund 8,3 Prozent der Einfamilienhäuser (entspricht 2.338) und 31,6 Prozent der Wohnungen in Zweifamilienhäusern (entspricht 4.560) zu Wohnzwecken vermietet. In der Lutherstadt Wittenberg sind sogar rund 10,6 % der Einfamilienhäuser und rund 33,1 % der Wohnungen in Zweifamilienhäusern vermietet. Danach hat der Konzeptersteller von den insgesamt rund 36.500 Mietwohnungen im Landkreis Wittenberg von vornherein fast 6.900 Wohnungen von der Erhebung ausgenommen; dies entspricht ca. 19 Prozent des Wohnungsbestandes. Angesichts dieser hohen Fallzahlen hat der Beklagte mit der Herausnahme der Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern nicht die Mieten des gesamten Wohnungsmarktes untersucht (SG Dessau-Roßlau, Urteil vom 16.11.2015, Az. S 7 AS 1732/12; Urteil vom 26.01.2016, Az. S 30 AS 2355/12). Insbesondere ist nicht per se davon auszugehen, dass gerade im ländlich geprägten Raum die Anmietung solcher Wohnungen dem Luxussegment zuzuordnen ist. Wenn bei der Datenerhebung nur auf den Geschossbau abgestellt wird, verzerrt es im ländlich geprägten Gebiet den abzubildenden gesamten Mietwohnungsmarkt (SG Dessau-Roßlau, Urteile vom 19.08.2015, S 14 AS 2582/12 sowie S 14 AS 822/13). Soweit der Konzeptersteller anmerkt, dass die Anmietung von Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern ja nicht ausgeschlossen sei, so handelt es sich um einen Zirkelschluss (SG Dessau-Roßlau, Urteil vom 16.11.2015, Az. S 7 AS 1732/12).

d. Soweit das Konzept des Grundsicherungsträgers nicht schlüssig ist, geht die Ermittlungspflicht hinsichtlich des Mietmarktes nicht ohne Weiteres auf die Sozialgerichte über (BSG, Urteil vom 22.09.2009, Az. B 4 AS 18/09 R). Vorliegend fehlt es bereits aus den unter c. bb. genannten Gründen an einer brauchbaren Datengrundlage, welche die Kammer in die Lage versetzen würde, im Hinblick auf den von der Kammer festgelegten Vergleichsraum (siehe unter b.) eine Angemessenheitsgrenze selbst zu bestimmen. Andere bereite Quellen, wie beispielsweise Mietspiegel, sind für den Landkreis Wittenberg nicht verfügbar. Kann kein abstrakt angemessener Bedarf für die Unterkunft ermittelt werden und liegt Erkenntnisausfall vor, so ist für die Begrenzung der Unterkunftskosten auf einen angemessenen Wert auf die maßvoll erhöhten Tabellenwerte zu § 12 Wohngeldgesetz (WoGG) zurückzugreifen (z. B. BSG, Urteil vom 17.12.2009, Az. B 4 AS 50/09 R; Urteil vom 22.03.2012, Az. B 4 AS 16/11 R; Urteil vom 12.12.2013, Az. B 4 AS 87/12 R). Der Wohnort der Klägerin gehört zur Mietstufe I. Für einen Einpersonenhaushalt ergibt sich aus der Tabelle zu § 12 WoGG ein Höchstwert für die Grundmiete und die kalten Betriebskosten in Höhe von monatlich 292,00 EUR, aus dem sich erhöht um einen Sicherheitszuschlag von 10 Prozent ein maximal angemessener Kaltmietbetrag von 321,10 EUR ergibt. Die kalten Unterkunftskosten der Klägerin in Höhe von 304,00 EUR liegen unterhalb dieses Betrages und sind damit in voller Höhe zu übernehmen.

2. Die tatsächlichen Heizkosten der Klägerin belaufen sich auf 76,00 EUR. Diese sind auch angemessen und daher vom Beklagten in voller Höhe zu übernehmen.

Heizkosten sind grundsätzlich in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erstattungsfähig. Die Festlegung eines als abstrakt angemessen anzusehenden Heizkostenpreises pro Quadratmeter ist unzulässig, da es an Datenmaterial fehlt, das eine allgemeingültige Aussage bezogen auf Heizkosten in dem in Betracht zu ziehenden Marktsegment der "einfachen" Wohnungen zulässt (BSG, Urteile vom 02.07.2009, Az. B 14 AS 36/08 R sowie B 14 AS 33/08 R). Die Heizkosten der Klägerin sind auch nicht in dem Verhältnis als angemessen anzusehen, in dem die abstrakt angemessene Wohnfläche zur tatsächlichen Wohnfläche steht (BSG, Urteil vom 02.07.2009, Az. B 14 AS 36/08 R). Als unangemessen sind Heizkosten nur anzusehen, wenn ein eklatant kostspieliges oder offensichtlich unwirtschaftliches Heizverhalten vorliegt. Anhaltspunkte dafür, dass die Heizkosten unangemessen hoch sind, können sich daraus ergeben, dass die tatsächlich anfallenden Kosten die durchschnittlich aufgewandten Kosten aller Verbraucher für eine Wohnung der den abstrakten Angemessenheitskriterien entsprechenden Größe signifikant überschreiten. Zur Bestimmung eines solchen Grenzwertes hält es das BSG für den Regelfall einer mit Öl, Erdgas oder Fernwärme beheizten Wohnung für möglich, die von der co2online gGmbH in Kooperation mit dem Deutschen Mieterbund erstellten und durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit geförderten "Kommunalen Heizspiegel" bzw. - soweit diese für das Gebiet des jeweiligen Trägers fehlen - den "Bundesweiten Heizspiegel" heranzuziehen. Der Grenzwert, bei dessen Überschreitung von einer Unangemessenheit der Heizkosten ausgegangen werden kann, ist das Produkt aus dem Wert, der auf "extrem hohe" Heizkosten bezogen auf den jeweiligen Energieträger und die Größe der Wohnanlage hindeutet (rechte Spalte), und dem Wert, der sich für den Haushalt des Hilfebedürftigen als abstrakt angemessene Wohnfläche nach den Ausführungsbestimmungen der Länder zu § 10 Abs. 1 Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) bzw. § 5 Abs. 2 Wohnraumbindungsgesetz a. F. (WoBindG) ergibt (BSG, Urteile vom 02.07.2009, Az. B 14 AS 36/08 R sowie B 14 AS 33/08 R). Dabei ist auf den jeweiligen Bundesweiten Heizspiegel abzustellen, der zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung veröffentlicht war (BSG, Urteil vom 12.06.2013, Az. B 14 AS 60/12 R).

Gemessen an diesen Grundsätzen sind die Heizkosten der Klägerin noch als angemessen einzustufen. Nach der Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung des Mietwohnungsneubaus in Sachsen-Anhalt beträgt die angemessene Wohnungsgröße für einen Ein-Personen-Haushalt bis zu 50 m². Das Haus, in dem sich die Wohnung der Klägerin befindet, hat eine Gebäudefläche von 340 m². Nach dem mangels Vorliegen eines kommunalen Heizspiegels anzuwendenden Bundesweiten Heizspiegel 2013 ist bei einer Beheizung mit Erdgas und einer Gebäudefläche von mehr als 251 bis 500 m² ein Verbrauch von mehr als 17,20 EUR pro Quadratmeter als zu hoch anzusehen. Da im Fall der Klägerin über die Heizungsanlage auch die Warmwasseraufbereitung durchgeführt wird, ist dieser Betrag entsprechend der Hinweise im Bundesweiten Heizspiegel 2013 noch um 2,50 EUR zu erhöhen. Bezogen auf eine angemessene Wohnfläche von 50 m² ist somit ein Verbrauch von maximal 985,00 EUR pro Jahr als angemessen anzusehen. Daraus errechnen sich monatliche Abschläge von maximal 82,08 EUR. Die Heizkosten der Klägerin in Höhe von 76,00 EUR liegen unterhalb dieses Wertes und sind mithin angemessen.

3. Der Klägerin sind damit für den streitgegenständlichen Zeitraum Juni bis November Unterkunfts- und Heizkosten in Höhe von monatlich insgesamt 380,00 EUR (kalte Unterkunftskosten 304,00 EUR, Heizkosten 76,00 EUR) zu gewähren; abzüglich der mit Änderungsbescheid vom 15.04.2014 bewilligten 326,67 EUR monatlich ergibt sich ein Anspruch auf weitere Unterkunfts- und Heizkosten in Höhe von monatlich 53,33 EUR.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.

IV.

Die Berufung ist nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 EUR nicht übersteigt. Es liegen nach Auffassung der Kammer aber Gründe für eine Zulassung der Berufung gemäß § 144 Abs. 2 SGG vor. Die Berufung ist gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Das ist vorliegend der Fall, da die Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg zur Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites und Zwölftes Buch (II und XII) auf eine Vielzahl von Fällen angewandt wird und hinsichtlich der Frage, ob diese auf einem schlüssigen Konzept beruht, zahlreiche Widerspruchs- und Klageverfahren anhängig sind.
Rechtskraft
Aus
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