S 30 AS 2355/12

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
30
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 30 AS 2355/12
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Grundsicherung für Arbeitssuchende: Kosten der Unterkunft und Heizung; Anforderungen an ein schlüssiges Konzept zur Bestimmung der Angemessenheit von Unterkunftskosten im Landkreis Wittenberg
Der Aufhebungsbescheid vom 6. März 2013 wird aufgehoben und der Beklagte wird unter Abänderung des Bewilligungsbescheids des Beklagten vom 7. Juni 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. August 2012 verurteilt, dem Kläger weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 89,50 Euro für den Zeitraum Juni 2012 bis August 2012, in Höhe von 167,48 Euro für den Monat September 2012, in Höhe von 181,55 Euro für den Monat Oktober 2012 sowie 167,24 Euro für den Monat November 2012 zu gewähren.
Der Beklagte erstattet die Kosten des Klägers.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung höherer Kosten der Unterkunft nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) für den Zeitraum vom 1. Juni 2012 bis 30. November 2012 unter Berücksichtigung der nach der Wohngeldtabelle zuzüglich eines Sicherheitszuschlags angemessenen Werte.

Der am ... 1988 geborene Kläger steht seit 1. März 2011 im Leistungsbezug bei dem Beklagten. Er bewohnte eine 60 m² große Zweiraumwohnung in der ...straße in der Lutherstadt Wittenberg. Die Wohnung wird mit Gas beheizt, die Aufbereitung des warmen Wassers erfolgt über einen Elektroboiler. Die laut Mietvertrag zu entrichtende Nettokaltmiete betrug 325,00 Euro sowie 15,00 Euro für die Anmietung eines PKW-Stellplatzes zuzüglich einer Vorauszahlung für die Betriebskosten in Höhe von 60,00 Euro sowie für die Heizkosten ebenfalls in Höhe von 60,00 Euro. Mit Betriebskostenabrechnung vom 26. Juni 2012 wurde eine Nachzahlung in Höhe von 33,19 Euro gefordert. In dem Bescheid vom 26. Mai 2011 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass die tatsächlichen Aufwendungen des Klägers für Unterkunft und Heizung nach der Handlungsempfehlung des Beklagten unangemessen hoch seien. Er forderte den Kläger auf, die derzeitigen Kosten der Unterkunft unverzüglich, spätestens jedoch bis 30. November 2011 auf ein angemessenes Maß zu senken. Für einen Ein-Personen-Haushalt seien lediglich 273,50 Euro als angemessene Kosten der Unterkunft (Grundmiete und kalte Betriebskosten) anzusehen. Die Angemessenheit der Heizkosten ergäbe sich aus dem im aktuellen bundesdeutschen Heizspiegel angegebenen Wert für einen Ein-Personen-Haushalt mit einer angemessenen Wohnfläche von 50 m². Eine Kürzung der Kosten der Unterkunft und Heizung bei dem Kläger erfolgte ab 1. Dezember 2011.

Am 5. Juni 2012 beantragte der Kläger die Weiterbewilligung von Leistungen ab 1. Juni 2012 bei dem Beklagten. Mit Bescheid vom 7. Juni 2012 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Monate Juni bis November 2012 in Höhe von 716,10 Euro. Hierbei legte er Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 333,50 Euro sowie einen Mehrbedarfs für die Warmwasseraufbereitung von 8,60 Euro zugrunde.

Hiergegen legte der Kläger am 20. Juni 2012 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, dass die Absenkung der Kosten für Grundmiete und kalte Betriebskosten aufgrund der Richtlinie des Beklagten rechtswidrig sei. Die erhobenen Daten seien nicht ausreichend und berief sich auf den Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 7. März 2012 – S 11 AS 2428/11 ER. Es seien die Werte der Wohngeldtabelle zugrunde zu legen.

Der Kläger nahm ab 30. Juli 2012 eine Tätigkeit bei der Firma P. als Produktionsarbeiter auf. Mit Schreiben vom 31. Juli 2012 teilte der Beklagte mit, dass die Leistung vorläufig ab September 2012 eingestellt werde.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23. August 2012 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Kosten der Unterkunft und Heizung seien nur in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu erbringen, soweit diese angemessen sind. Grundlage für die Gewährung der Kaltmiete bilde die Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg zur Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung. Grundlage zur Ermittlung der angemessenen Heizkosten bilde der bundesdeutsche Heizkostenspiegel. Die Kaltmiete sei unangemessen hoch, hierauf sei der Kläger mit Bescheid vom 26. Mai 2011 hingewiesen worden. Angemessen sei lediglich eine Kaltmiete in Höhe von 273,50 Euro sowie einmonatlicher Heizkostenverbrauch von 64,16 Euro. Die tatsächlichen Heizkosten betragen 60 Euro, diese seien angemessen und werden in voller Höhe übernommen.

Hiergegen richtet sich die am 24. September 2012 vor dem Sozialgericht Dessau-Roßlau erhobene Klage, mit der der Kläger die Berücksichtigung höherer Kosten der Unterkunft begehrt. Die Kosten der Unterkunft seien bis zur Grenze der Werte der Wohngeldtabelle und einem Sicherheitszuschlag von 10 % zu übernehmen. Die Absenkung der Kosten für die Grundmiete sei rechtswidrig. Die Richtlinie beruhe nicht auf einem schlüssigen Konzept, wie vom Bundessozialgericht in seiner ständigen Rechtsprechung gefordert werde. Die erhobenen Daten in dem "Endbericht für Mietwerterhebung zur Ermittlung der KdU-Kosten im Landkreis Wittenberg" seien nicht ausreichend. Die Richtlinie sei daher rechtswidrig und nicht anzuwenden. Der Kläger berufe sich auf das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 17. August 2012 – S 11 AS 2430/11.

Mit Aufhebungsbescheid vom 6. März 2013 hat der Beklagte die Bewilligung von Leistungen für den Zeitraum vom 1. September 2012 bis 30. November 2012 ganz wegen der Erzielung von Einkommen aufgehoben. Hilfebedürftigkeit liege nicht vor, ein Anspruch auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bestehe nicht mehr.

Der Kläger hat im Klageverfahren die Einkommensnachweisen für die Beschäftigung des Klägers ab 30. Juli 2012 bei der Firma P. übersandt. Daraus ergaben sich mit Zufluss jeweils im Folgemonat für den Monat Juli 2012 ein Bruttoeinkommen von 112,51 Euro = 78,94 Euro netto, für den Monat August 2012 ein Bruttoeinkommen von 1.244,35 Euro = 938,12 Euro netto, für September 2012 ein Bruttoeinkommen von 1.221,86 Euro = 924,05 Euro netto, für Oktober 2012 ein Bruttoeinkommen von 1.244,74 = 938,36 Euro netto.

Der Kläger beantragt nunmehr sinngemäß,

den Bewilligungsbescheid vom 7. Juni 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. August 2012 in der Fassung des Aufhebungsbescheids vom 6. März 2013 aufzuheben und

den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 89,50 Euro für den Zeitraum Juni 2012 bis August 2012, in Höhe von 167,48 Euro für den Monat September 2012, in Höhe von 181,55 Euro für den Monat Oktober 2012 sowie in Höhe von 167,24 Euro für den Monat November 2012 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte verweist zur Begründung auf seine Ausführungen im Widerspruchsbescheid.

Der Beklagte hat der Kammer folgende Unterlagen übersandt:

- Verwaltungsvorschriften des Landkreises Wittenberg zur Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites und Zwölftes Buch (II und XII) – Stand 18.02.2014, 3. Juni 2013, 9. Oktober 2012 und 15. März 2011,

- Endbericht Mietwerterhebungen zur Ermittlung der KdU-Kosten im Landkreis Wittenberg & Konzepte,

- Endbericht KdU-Richtwerte 2013 - Indexfortschreibung des schlüssigen Konzepts 2010 vom 14.11.2013 der Firma A.,

- Stellungnahmen der Firma A. vom 26. Juni 2015, 18. März 2015, 13. Februar 2015, 22. Dezember 2014 und 4. Juni 2013,

- E-Mail-Mitteilung des Trägers/Stellungnahme der Firma A. vom 13. Oktober 2015,

- E-Mail-Mitteilung des Trägers/Stellungnahme der Firma A. vom 15. Oktober 2015,

- Ausgangsdaten der Mietwerterhebung der Firma A. Teil I-III (3 Ordner Blätter 1 -775)

Die Kammer hat diese Unterlagen zur Generalakte der 30. Kammer "Landkreis WB, Richtlinie KdU, Rohdaten" genommen und in das Verfahren einbezogen.

Die Beteiligten haben schriftsätzlich ihr Einverständnis zu einer Entscheidung der Kammer ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Generalakte der 30. Kammer "Landkreis WB, Richtlinie KdU, Rohdaten" haben vorgelegen und waren Gegenstand der Entscheidungsfindung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Beiakten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Klage hat in der Sache Erfolg.

1. Die Kammer konnte aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.

2. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 4 SGG zulässig. Der Kläger begehrt die Gewährung höherer Kosten der Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 1. Juni 2012 bis 30. November 2012. Streitgegenständlich ist der Bescheid vom 7. Juni 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. August 2012 in der Fassung des Aufhebungsbescheides vom 6. März 2013. Der Bescheid vom 6. März 2013 hat dabei die ursprüngliche Leistungsbewilligung während des Klageverfahrens abgeändert und ist damit im Sinne von § 96 Abs. 1 SGG, der eine Entscheidung über das gesamte Streitverhältnis in einem Verfahren bei Vermeidung divergierender Entscheidungen bezweckt, Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Der Klageantrag war insoweit sinngemäß zu formulieren. Der Kläger hat mit seiner Begründung und seinem Klageantrag sein Klagebegehren zulässig auf die Leistungen für die Unterkunft und Heizung begrenzt (vgl. zur Zulässigkeit der Begrenzung: Bundessozialgericht vom 4. Juni 2014 – B 14 AS 42/13 R und vom 28. Oktober 2014 – B 14 AS 65/13 R, Rn. 8 – jeweils zitiert nach juris). Nicht (mehr) streitig ist die Übernahme der Kosten für die Anmietung des PKW-Stellplatzes, da der Klageantrag betragsmäßig begrenzt wurde. Nicht (mehr) streitig ist die Übernahme der Kosten für die Anmietung des PKW-Stellplatzes, da der Klageantrag betragsmäßig begrenzt wurde.

3. Die Klage ist begründet. Die streitgegenständlichen Bescheide sind rechtswidrig und beschweren den Kläger im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG. Der Kläger hat im Zeitraum Juni 2012 bis November 2012 Anspruch auf die Gewährung weiterer Unterkunftskosten in Höhe von monatlich 89,50 Euro für den Zeitraum Juni 2012 bis August 2012, in Höhe von 167,48 Euro für den Monat September 2012, in Höhe von 181,55 Euro für den Monat Oktober 2012 sowie in Höhe von 167,24 Euro für den Monat November 2012.

a) Nach § 19 Satz 1 SGB II (in der ab 1. Januar 2011 geltenden Fassung) erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Leistungsberechtigt sind nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II (in der Fassung vom 13. Mai 2011) Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze des § 7a SGB II noch nicht erreicht haben (Nr. 1), erwerbsfähig sind (Nr. 2), hilfebedürftig sind (Nr. 3) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Erwerbsfähig ist nach § 8 Abs. 1 SGB II (in der Fassung vom 13. Mai 2011), wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 9 Abs. 1 SGB II (in der Fassung vom 13. Mai 2011) ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit (Nr. 1), aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen (Nr. 2) sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.

Der im streitgegenständlichen Zeitraum 24-jährige Kläger ist im streitgegenständlichen Zeitraum erwerbsfähig gewesen und hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Er war hilfebedürftig, weil er seinen Bedarf mit Einkommen nicht decken konnte. Verwertbares Vermögen war nicht vorhanden.

b) Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II betrug die monatliche Regelleistung für Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind oder deren Partner minderjährig ist, 374,00 Euro.

c) Als Bedarf für Unterkunft und Heizung sind für den Kläger Aufwendungen in Höhe von 423,00 EUR sowie Kosten für die Erwärmung von Warmwasser in Höhe von 8,60 Euro zu berücksichtigen.

Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Die Kosten der Unterkunft und Heizung gehören dabei nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zum aktuellen Bedarf (vergleiche Bundessozialgericht vom 22. August 2012 - B 14 AS 1/12 R – zitiert nach juris).

Aus dem Mietvertrag entstanden dem Kläger monatliche Aufwendungen für die Grundmiete von 325,00 Euro sowie 15,00 Euro für die Anmietung eines PKW-Stellplatzes zuzüglich einer Vorauszahlung für die Betriebskosten von 60,00 Euro sowie für die Heizkosten von 60,00 Euro.

Entgegen der Auffassung des Beklagten war die Bruttokaltmiete nicht auf 273,50 Euro, zu begrenzen, sondern in Höhe der Werte der Wohngeldtabelle zuzüglich eines Sicherheitszuschlags von 10% bei der Berechnung zu berücksichtigen. Nach Auffassung der Kammer bestehen keine Bedenken bezüglich der Kostensenkungsaufforderung vom 30. November 2011. Es liegen auch keine subjektiven Gründe für einen (längeren) Verbleib in der Wohnung vor.

Die von dem Beklagten herangezogene Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg zur Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II und SGB XII ist für eine Begrenzung von Wohnkosten auf den in der Mietwerterhebung ermittelten Betrag von 273,50 Euro nicht tauglich. Die Mietwerterhebung entspricht nach Auffassung der Kammer nicht den Mindestanforderungen des Bundessozialgerichts an ein schlüssiges Konzept zur Bestimmung von Angemessenheitsgrenzwerten.

Zur Konkretisierung der Angemessenheitsgrenze im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II ist in einer zweistufigen Prüfung zunächst eine abstrakte und sodann eine konkret-individuelle Prüfung vorzunehmen. Im Rahmen der Prüfung abstrakter Angemessenheit werden nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zunächst die abstrakt angemessene Wohnungsgröße und der Wohnungsstandard bestimmt (dazu aa) sowie anschließend festgelegt, auf welchen räumlichen Vergleichsmaßstab für die weiteren Prüfungsschritte abzustellen ist (dazu bb). Alsdann ist zu ermitteln, wie viel auf diesem Wohnungsmarkt für eine einfache Wohnung aufzuwenden ist (abstrakt angemessener Quadratmeterpreis) (Bundessozialgericht vom 10. September 2013 – B 4 AS 77/12 R – zitiert nach juris) (dazu cc).

aa) Die Größe der Wohnung des Klägers ist als unangemessen zu betrachten. Der Beklagte geht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt (Urteile vom 3. März 2011, L 5 AS 181/07 und vom 9. Mai 2012 - L 5 AS 2/09 – jeweils zitiert nach juris) zunächst zutreffend davon aus, dass für einen Ein-Personen-Haushalt eine Wohnfläche von 50 m² angemessen ist. Zur Bestimmung der angemessenen Wohnungsgröße ist im Land Sachsen-Anhalt auf die Wohnungsbauförderungsbestimmungen und die dazu erlassenen Richtlinien aus den Jahren 1993 und 1995 (Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung des Mietwohnungsneubaus in Sachsen-Anhalt) zurückzugreifen. Die Wohnung des Klägers überschreitet diese Größe um 10m². Diese Überschreitung der angemessenen Wohnungsgröße wäre nach den oben dargestellten Grundsätzen allerdings grundsicherungsrechtlich unbeachtlich, wenn das Produkt aus den Unterkunftskosten je m² und der tatsächlichen Wohnfläche gleichwohl angemessen im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II wäre. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Es sind jedoch zumindest die für eine angemessene Wohnung – hier von 50m² – zu gewährenden Kosten zu übernehmen, so dass die Höhe der angemessenen Kosten festzustellen ist.

bb) Bei der zunächst vorzunehmenden Prüfung des Vergleichsraums ist nach Auffassung der Kammer nicht der gesamte Landkreis Wittenberg als Vergleichsraum anzusehen, da die Städte und Gemeinden des Kreisgebietes insgesamt nicht nach Lage, Größe und Struktur vergleichbar sind.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sind bei der Bestimmung des Vergleichsraumes ausreichend große Räume der Wohnbebauung aufgrund räumlicher Nähe, mit zusammenhängender Infrastruktur und insbesondere verkehrstechnischer Verbundenheit festzulegen. Der Vergleichsraum muss insgesamt betrachtet einen homogenen Lebens- und Wohnbereich darstellen. Es kann also nicht schematisch auf das Gebiet des zuständigen kommunalen Trägers oder auf den kommunalverfassungsrechtlichen Gemeindebegriff abgestellt werden. Bei der Bildung des räumlichen Vergleichsmaßstabs kann es – insbesondere im ländlichen Raum – geboten sein, größere Gebiete als Vergleichsgebiete zusammenzufassen, während in größeren Städten andererseits eine Unterteilung in mehrere kleinere Vergleichsgebiete, die kommunalverfassungsrechtlich keine selbständigen Einheiten darstellen, geboten sein kann (vgl. Bundessozialgericht vom 16. Juni 2015 – B 14 As 44/14 R, Rn. 17; vom 7. November 2006 – B 7b AS 18/06 R, Rn. 21; vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R – jeweils zitiert nach juris).

Unzutreffend geht der Beklagte (vgl. dazu die Stellungnahme des Konzepterstellers A. vom 4. Juni 2013) von dem gesamten Kreisgebiet als Vergleichsraum aus. Die durch den Konzeptersteller eingerichteten Wohnungsmarkttypen bilden nach dessen ergänzender Stellungnahme nicht den homogenen Wohn- und Lebensbereich ab. Die Vorgehensweise, den gesamten Kreis als Vergleichsraum zu benennen, kann zwar bei Großstädten zutreffend sein (vgl. München, Berlin, Dresden) und dürfte auch bei kleineren Landkreisen mit einem Mittelzentrum als vertretbar angesehen werden können. Im Landkreis Wittenberg ist ein solches Mittelzentrum nach Auffassung der Kammer jedoch nicht in der Lutherstadt Wittenberg zu sehen. Dies ergibt sich zum einen schon daraus, dass bestimmte Gemeinden, wie Vockerode und Oranienbaum (jetzige Verwaltungsgemeinschaft Wörlitzer Winkel) unabhängig von ihrer verwaltungstechnischen Zuordnung infrastrukturell eindeutig eher der Stadt Dessau-Roßlau als der Lutherstadt Wittenberg oder gar anderen kreisangehörigen Gemeinden wie Jessen oder Bad Schmiedeberg zugewandt (so auch Sozialgericht Dessau-Roßlau vom 19. August 2015 - S 14 AS 2582/12 und S 14 AS 822/13). Eine weitere Differenzierung des Kreisgebietes ergibt sich zur Überzeugung der Kammer durch die Zweiteilung des Kreisgebietes durch die Elbe. Infrastrukturell führt dies dazu, dass einzelnen Gemeinden nur über Brücken/Fähren verbunden sind. Auch aus der geschichtlichen Entwicklung des Landkreises ergibt sich kein einheitlicher Lebensbereich. Während der DDR-Zeit war von 1952 bis 1990 nach Auflösung des Landes Sachsen-Anhalt sowie der Einführung von Bezirken der Kreis Wittenberg unterschiedlichen Bezirken zugeordnet: so z.B. zu den Bezirken Potsdam (einige Gemeinden im damaligen Kreises Jüterbog) und Cottbus (Kreis Jessen) sowie dem Bezirk Halle (Kreis Wittenberg, Kreis Gräfenhainichen) (vgl. dazu den Eintrag zum Landkreis Wittenberg unter: www.wikipedia.de). Erst mit der ersten Kreisgebietsreform nach dem Beschluss des Landtags Sachsen-Anhalt vom 3. Juni 1993 entstand 1994 der Landkreis Wittenberg aus dem bisherigen Kreis Wittenberg und dem Kreis Jessen. Mit der Zweiten Kreisgebietsreform am 1. Juli 2007 endete zunächst formal die Existenz des bisherigen Kreises und wurde als Rechtsnachfolger der (gleichnamige) Landkreis Wittenberg geschaffen, dem die zwei Verwaltungsgemeinschaften Coswig (Anhalt) und Wörlitzer Winkel mit ihren Gemeinden aus dem bisherigen Landkreis Anhalt-Zerbst zugeordnet wurden (www.wikipedia.de).

Eine Differenzierung des Landkreises in zwei unterschiedliche Vergleichsräume, wie dies durch die konzepterstellende Firma in ihrer Stellungnahme vom 4. Juni 2013 als möglich erachtet wird, mit der Lutherstadt Wittenberg als Mittelzentrum als eigenen Vergleichsraum und "den übrigen Gemeinden des Kreises" als zweiten Vergleichsraum, findet in dem Endbericht zur Mietwerterhebung aus Januar 2011 (im Folgenden Endbericht) keine Erwähnung. Dort wird allein von drei Wohnungsmarkttypen ausgegangen. Der Wohnungsmarkt des Landkreises werde demnach in Raumeinheiten mit strukturell vergleichbaren Wohnungsmärkten unterteilt und für diese Wohnungsmärkte seien Vergleichsmieten ermittelt worden. Dies geschah mit Hilfe des statistischen Verfahrens der sog. Clusteranalyse, eines Analyseverfahrens, das es ermöglicht, Objekte innerhalb einer Grundgesamtheit zu identifizieren und zusammenzufassen, deren Eigenschaften oder Eigenschaftsausprägungen bestimmte Ähnlichkeiten aufweisen (vgl. hierzu Seiten 2 bis 7 des Endberichts).

Die durch die Clusteranalyse ermittelten Wohnungsmarkttypen können nach der Auffassung der Kammer nicht die Festlegung eines Vergleichsraumes ersetzen. Hier wurden gerade nicht die Kriterien für die Festlegung eines Vergleichsraumes, das Vorliegen eines homogenen Lebens- und Wohnbereichs, räumliche Nähe und verkehrstechnische Verbundenheit, zugrunde gelegt (vgl. schon Sozialgericht Dessau-Roßlau vom 17. August 2012 - S 11 AS 2430/11, Rn. 19 – zitiert nach juris). Vielmehr waren Indikatoren für die Festlegung: die Bevölkerungsentwicklung, die Bevölkerungsdichte, Pro-Kopf-Einkommen, Siedlungsstruktur, Wohnfläche sowie die Wahlbeteiligung (Endbericht S. 4). Der Einfluss der Indikatoren auf die Mietpreisbildung, wie vom Konzeptersteller im Endbericht erläutert, kann die Kammer im Hinblick auf die Parameter wie Bevölkerungswachstum und entsprechende Nachfrageerhöhung nach Wohnraum oder das Pro-Kopf-Einkommen – sofern dies nicht auf veralteten Erhebungen beruht – nachvollziehen. Ein Einfluss der Wahlbeteiligung an einer Kommunalwahl (2007) im Landkreis Wittenberg auf den Wohnungsmarkt erschließt sich der Kammer jedoch nicht (so bereits Sozialgericht Dessau-Roßlau vom 19. August 2015 - S 14 AS 2582/12 und S 14 AS 822/13). Rückschlüsse aus der so vorgenommenen Clusteranalyse auf einen Vergleichsraum kann die Kammer nicht ziehen. Es wird sogar durch den Konzeptersteller ausgeführt, dass "Gemeinden eines Wohnungsmarkttyps [ ] dabei nicht zwingend räumlich nebeneinander liegen [müssten], sondern [ ] sich über das Untersuchungsgebiet (Kreisgebiet) verteilen [könnten]" (Endbericht S. 3). Die sich hieraus ergebende Verteilung der Wohnungsmarkttypen als zusammenhängende Gebiete ist zur Überzeugung der Kammer insoweit zufällig und gerade nicht dem Vorliegen von homogenen Wohn- und Lebensräumen geschuldet.

Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass ein Wohnungsmarkttyp tatsächlich mit dem Vergleichsraum übereinstimmen kann (vgl. zur Stadt B.: Sozialgericht Dessau-Roßlau vom 13. März 2015, S 3 AS 168/14, Rn. 33 – zitiert nach juris). Es kann hier jedoch dahinstehen, ob die Kammer den Wohnort des Klägers – die Lutherstadt Wittenberg (=Wohnungsmarkttyp 1) – als maßgeblichen Vergleichsraum ansieht, da eine Nutzung der durch den Konzeptersteller erhobenen Daten für die Lutherstadt Wittenberg zur Überzeugung der Kammer nicht möglich ist. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass sich aus den in Tabellenform vorgelegten Daten eine Konzentration der erhobenen Wohnungen auf bestimmte Stadtbezirke (sog. Ghettobildung) anhand der vorliegenden Datenausdrucke nicht auszuschließen ist. Es sind weder Straßennamen noch zumindest Ortsteile der größeren Gemeinden, insbesondere der Lutherstadt Wittenberg dargestellt. Eine Nachbesserung ist angesichts der "Löschung sämtlicher Erhebungsdaten nach Beendigung der Auswertungen" (Endbericht S. 2) nicht möglich.

cc) Im Übrigen entspricht die Festlegung der angemessenen Bruttokaltmiete durch den Beklagten (auch lediglich für die Lutherstadt Wittenberg) nicht den Anforderungen des Bundessozialgerichts. Zwar ist der Beklagte bei der Ermittlung der angemessenen Bruttokaltmiete, die sich als Produkt von Wohnfläche und Quadratmeterpreis ergibt, grundsätzlich bei der Wahl seiner Methode frei. Die Unterkunftsbedarfe müssen als Teil eines menschenwürdigen Existenzminimums aber folgerichtig in einem transparenten und sachgerechten Verfahren, also realitätsgerecht, berechnet werden (Bundessozialgericht vom 18. November 2014 - B 4 AS 9/14 R – zitiert nach juris). Die Kosten für Wohnraum können in den einzelnen Vergleichsräumen sehr unterschiedlich sein. Um trotzdem ein gleichmäßiges Verwaltungshandeln auch innerhalb eines Vergleichsraums zu gewährleisten, muss die Ermittlung der regionalen Angemessenheitsgrenze auf Grundlage eines überprüfbaren "schlüssigen Konzepts" erfolgen. Das schlüssige Konzept soll die hinreichende Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiedergegeben werden (Bundessozialgericht vom 18. Juni 2008 - B 14/7b AS 44/06 R – zitiert nach juris). Ein Konzept ist ein planmäßiges Vorgehen des Grundsicherungsträgers im Sinne der systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenngleich orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Vergleichsraum und nicht nur ein punktuelles Vorgehen von Fall zu Fall. Schlüssig ist das Konzept, wenn es mindestens die folgenden Voraussetzungen erfüllt (Bundessozialgericht vom 16. Juni 2015 – B 4 AS 44/14 sowie B 4 AS 45/14 – zitiert nach juris):

- die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen,

- es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, zum Beispiel welche Art von Wohnungen, gegebenenfalls Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- oder Netto-Kaltmiete, Differenzierung nach Wohnungsgröße,

- Angaben über den Beobachtungszeitraum,

- Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, zum Beispiel Mietspiegel),

- Repräsentativität des Umfangs der einbezogenen Daten,

- Validität der Datenerhebung,

- Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und

- Angaben über die gezogenen Schlüsse (zum Beispiel Spannoberwert oder Kappungsgrenze).

Die für die Leistungsberechtigten in Frage kommenden Wohnungen müssen nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen, ohne gehobenen Wohnstandard aufzuweisen. Wohnungen, die nicht den einfachen, sondern den untersten Stand abbilden, gehören von vornherein nicht zu dem Wohnungsbestand, der überhaupt für die Bestimmung einer Vergleichsmiete abzubilden ist (Bundessozialgericht vom 10. September 2013 - B 4 AS 77/12 R). Hierbei hat durch die Verwaltung zunächst eine Festlegung zu erfolgen, wie das untere Marktsegments zu definieren ist. Diese kann am ehesten anhand der regionalen Gegebenheiten entscheiden, welche Wohnungsmerkmale einen einfachen Wohnstandard ausmachen (Bundessozialgericht vom 10. September 2013 - B 4 AS 77/12 R, Rn. 21 – zitiert nach juris).

Der Konzeptersteller hat eine solche Bestimmung lediglich für Wohnungen des Substandards – als Wohnungen ohne "Bad" und "Sammelheizung" – vorgenommen (Endbericht, Seite 7). Substandardwohnungen sollten insoweit nach den Ausführungen im Endbericht unberücksichtigt bleiben. Hierbei hält die Kammer diese Definition für nachvollziehbar und nicht zu beanstanden. Es erschließt sich jedoch für die Kammer nicht, ob bei der Bestimmung der Vergleichsmiete solche Wohnungen tatsächlich mit erhoben und damit mit einbezogen wurden. Der Beklagte konnte weder durch die Vorlage der angeforderten Mieterfragebögen noch der Vermieterfragebögen nachweisen, dass eine Erhebung von Substandardwohnungen nicht erfolgte. Weder in den Fragebögen noch in den hierzu erstellten Merkblättern sind Fragen zum Standard der zu erhebenden Wohnungen enthalten. Dass der Ausschluss von Substandardwohnungen durch persönlichen (telefonischen) Kontakt mit den Vermietern erfolgt sein soll (Stellungnahme vom 13. Februar 2015 sowie vom 25. Juni 2015) entspricht nicht den Anforderungen an ein transparentes Verfahren (so auch Sozialgericht Dessau-Roßlau vom 19. August 2015, S 14 AS 2582/12 sowie S 14 AS 822/13 und vom 16. November 2015 – S 7 AS 1732/12 – zitiert jeweils nach juris). Ein solcher Kontakt ist im Mietersegment zudem nicht erfolgt. Hierzu widersprüchlich teilt in der Stellungnahme vom 26. Juni 2015 ein Vertreter des Konzepterstellers mit, dass möglicherweise geringe Anteile von Substandardwohnungen im Auswertungsdatensatz enthalten sein könnten, diese aber statistisch durch die Extremwertkappung zu vernachlässigen seien. Aus der weiteren Stellungnahme vom 26. Juni 2015 ergibt sich jedoch, dass in der amtlichen Statistik das Merkmal der Substandardwohnungen letztmalig mit der Gebäude- und Wohnungszählung aufgenommen und seitdem nicht mehr aktualisiert worden ist und hierfür entsprechend keine konkreten Angaben für den Landkreis Wittenberg gemacht werden können. Ein belastbarer, nachvollziehbarer Ausschluss der Erhebung von Wohnungen im definierten untersten Standard ist nicht ersichtlich. Dieses Vorgehen erfüllt nicht die Anforderungen an die Transparenz des Verfahrens unter Anwendung einer planvollen Methodik. Denn eine Auswertung der Daten nach anerkannten statistischen Grundsätzen erscheint fernliegend, wenn die Zahl möglicher mit erhobenen Substandardwohnungen schon gar nicht bekannt ist.

Die Kammer beanstandet darüber hinaus die Herausnahme von Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern bei der Datenerhebung. Bereits aus den im Endbericht zugrunde gelegten Ausgangsdaten ergibt sich, dass es im Landkreis Wittenberg 40.167 Wohngebäude gibt, wovon 28.167 Einfamilienhäuser und 7.216 Zweifamilienhäuser sind (Endbericht, S. 8, Tabelle 4). Von den insgesamt 72.219 Wohnungen befinden sich 45.599 Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern. Insgesamt seien nach der Stellungnahme vom 26. Juni 2015 ausgehend vom Zensus 2011 rund 8,3 % aller Einfamilienhäuser und 31,6% aller Wohnungen in Zweifamilienhäusern vermietet. In der Lutherstadt Wittenberg seien rund 10,6 % der Einfamilienhäuser sowie 33,1 % der Wohnungen in Zweifamilienhäusern zu Wohnzwecken vermietet. Insoweit ergibt sich für die Kammer, dass der Umfang der erhobenen und in das Verfahren eingeführten Daten nicht dazu geeignet ist, den Mietwohnungsmarkt im Landkreis zuverlässig abzubilden. Zwar muss die Datenerhebung nicht für alle im Vergleichsraum befindlichen Wohnungen erfolgen, insoweit genügt die Erhebung einer ausreichenden Anzahl von Stichproben. Jedoch soll die Struktur so beschaffen sein, dass darin in hinreichendem Umfang, Wohnungen aus dem gesamten Gebiet sowie von allen Eigentümergruppen vertreten sind (vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Arbeitshilfe zur Bestimmung der angemessenen Aufwendungen der Unterkunft im Rahmen kommunaler Satzungen, Stand Januar 2013, Seite 39) (Zweifel hieran auch: Sozialgericht Dessau-Roßlau vom 16. April 2015 - S 2 AS 2443/11). Ohne Angabe näherer Gründe hat der Konzeptersteller Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern aus dem Gegenstand der Beobachtung ausgeschlossen, so dass insbesondere aufgrund der hohen Fallzahlen nicht die Mieten des gesamten Wohnungsmarktes untersucht worden sind. Zwar wollte der Konzeptersteller nach seinen eigenen Ausführungen den gesamten Wohnungsmarkt des einfachen bis gehobenen Standards zugrunde legen und anschließend mittels Extremwertkappung und Perzentil-Bildungen einen Durchschnittspreis ermitteln (Endbericht S. 14), es ist jedoch nicht per se davon auszugehen, dass gerade im ländlich geprägten Raum die Anmietung solcher Wohnungen dem Luxussegment zuzuordnen ist (so auch Sozialgericht Dessau-Roßlau vom 19. August 2015, S 14 AS 2582/12 sowie S 14 AS 822/13 und vom 16. November 2015 – S 7 AS 1732/12 – zitiert jeweils nach juris). Die Datenerhebung nur in Geschossbauten verzerrt zur Überzeugung der Kammer den gesamten abzubildenden Mietwohnungsmarkt.

Weiterhin ausgenommen wurden nach der Fragestellung in den Fragebögen auch solche Wohnungen, die sich in einem Wohnhaus befinden, in denen der Eigentümer ebenfalls wohnt (als eine von drei Wohnparteien). Durch diese Einschränkung sowie die Einschränkung auf Häuser mit mindestens 3 Wohnungen in den Fragebögen werden von den insgesamt rund 36.500 Mietwohnungen von vornherein fast 6.900 Wohnungen im definierten Vergleichsraum von der Erhebung ausgenommen. Dies entspricht ca. 19 % des Wohnungsbestandes. Eine zur Überzeugung der Kammer nachvollziehbare Begründung konnte der Beklagte nicht geben. Im Endbericht selbst erfolgt keine Begründung dieses Vorgehens. Eine Abgabe der Fragenbögen sollte bei Vorliegen einer solchen Konstellation nicht erfolgen. Diesen Ausschluss kann die Kammer nicht als planvoll ansehen, da eine Begründung hierfür zunächst nicht erfolgte. Erst in einer Stellungnahme wird betont, dass diese Wohnungen aufgrund der Filterbedingungen nicht alle erhebungsrelevant gewesen wären. Dies ist eine unzulässige Vorwegnahme von Schlussfolgerungen, die erst aus der Auswertung zu ziehen sind.

dd) Soweit das Konzept des Grundsicherungsträgers nicht schlüssig ist, geht die Ermittlungspflicht hinsichtlich des Mietmarktes nicht ohne weiteres auf die Sozialgerichte über (Bundessozialgericht vom 22. September 2009 - B 4 AS 18/09 R – zitiert nach juris). Andere bereite Quellen, wie beispielsweise Mietspiegel, sind für den Landkreis Wittenberg nicht verfügbar. Kann kein abstrakt angemessener Bedarf für die Unterkunft ermittelt werden und liegt Erkenntnisausfall vor, so ist für die Begrenzung der Unterkunftskosten auf einen angemessenen Wert, auf die maßvoll erhöhten Tabellenwerte zu § 12 Wohngeldgesetz (WoGG) zurückzugreifen (z. B. Bundessozialgericht vom 7. Dezember 2009 - B 4 AS 50/09 R; Urteil vom 22. März 2012 - B 4 AS 16/11 R; Urteil vom 12. Dezember 2013 - B 4 AS 87/12 R – jeweils zitiert nach juris). Der Wohnort des Klägers gehört zur Mietstufe III. Für einen Ein-Personen-Haushalt ergibt sich aus der Tabelle zu § 12 WoGG ein Höchstwert für die Grundmiete und die kalten Betriebskosten in Höhe von monatlich 330,00 Euro, aus dem sich erhöht um einen Sicherheitszuschlag von 10 % ein maximal angemessener Kaltmietbetrag von 363,00 Euro ergibt. Die Kaltmiete des Klägers in Höhe von 385,00 Euro überschreitet diesen Betrag, so dass auf diesen Wert zu begrenzen war. An der Angemessenheit der Heizkosten in Höhe von 60,00 Euro bestehen keine Bedenken. Insoweit sind Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 423,00 Euro zu berücksichtigen. Keine Berücksichtigung kann die Betriebskostennachzahlung vom 26. Juni 2012 in Höhe von 33,19 Euro finden, da die Grenzen des Wohngeldgesetzes zuzüglich eines Sicherheitszuschlags bereits überschritten sind. Dies wurde auch nicht begehrt. Zu berücksichtigen waren die Kosten für die Warmwasseraufbereitung von 8,60 Euro monatlich.

d) Im Sinne des § 19 Satz 1 SGB II bestand damit im Zeitraum vom 1. Juni 2012 bis 30. November 2012 ein anzurechnender monatlicher Bedarf in Höhe von:

Regelbedarf 374,00 Euro

Mehrbedarf WW 8,60 Euro

KdU 363,00 Euro

Heizung 60,00 Euro

Gesamtbedarf 805,60 Euro

e) Auf diesen Gesamtbedarf ist gemäß § 9 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB II das Einkommen anzurechnen. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach diesem Buch, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen und der Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz, zu berücksichtigen.

Bei dem Kläger ist jeweils auf das Einkommen des Vormonats abzustellen, da der Zufluss im Folgemonat erfolgte. Er hatte folglich im Monat August 2012 ein Einkommen in Höhe von 112,51 Euro brutto = 79,94 Euro netto, im September 2012 in Höhe von 1244,35 Euro brutto = 938,12 Euro netto, im Oktober 2012 in Höhe von 1221,86 Euro brutto = 924,05 Euro netto und im November 2012 in Höhe von 1244,74 Euro brutto = 938,36 Euro netto. Hiervon ist nach § 11 b Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 bis 5 SGB II (in der Fassung vom 20. Dezember 2011) in Verbindung mit § 11 b Abs. 2 Satz 1 SGB II ein Pauschalbetrag von insgesamt 100,00 Euro monatlich für Versicherungen, geförderte Altersvorsorgebeiträge sowie die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben abzuziehen. Beträgt das monatliche Einkommen mehr als 400,00 Euro, gilt Satz 2 nicht, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige nachweist, dass die Summe der Beträge nach Satz 1 Nr. 3 bis 5 den Betrag von 100,00 Euro übersteigt (§ 11 Abs. 2 Satz 3 SGB II). Da der Kläger bei Berücksichtigung der Versicherungspauschale nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-V in Höhe von 30,00 Euro und der Werbungskostenpauschale in Höhe von monatlich 15,33 Euro gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3a Alg II-V keine, 100,00 Euro übersteigenden Ausgaben hat, können keine den Grundfreibetrag übersteigenden Absetzungen vorgenommen werden. Zusätzlich ist jedoch bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die erwerbstätig sind, ist nach § 11 b Abs. 3 Nr. 1 SGB II ein Betrag für den Teil des monatlichen Einkommens, das 100,00 EUR übersteigt und nicht mehr als 1000,00 Euro beträgt, in Höhe von 20 vom Hundert abzusetzen. Berechnungsgrundlage zur Ermittlung des Freibetrages ist das monatliche Bruttoeinkommen im Sinne des § 14 SGB IV.

Aus dem Vorbenannten ergibt sich folgendes anrechenbares Einkommen:

8/12 9/12 10/12 11/12

Bruttoeinkommen 112,51 EUR 1244,35 EUR 1221,86 EUR 1244,74 EUR

Nettoeinkommen 79,94 EUR 938,12 EUR 924,05 EUR 938,36 EUR

Grundfreibetrag (GFB) 100,00 EUR 100,00 EUR 100,00 EUR 100,00 EUR

1. Freibetrag (20 %) 2,50 EUR 180,00 EUR 180,00 EUR 180,00 EUR

2. Freibetrag (10 %) 0,00 EUR 20,00 EUR 20,00 EUR 20,00 EUR

Summe der Freibeträge 102,50 EUR 300,00 EUR 300,00 EUR 300,00 EUR

anrechenbares Einkommen 0,00 EUR 638,12 EUR 624,05 EUR 638,36 EUR

f) Abzüglich der bereits bewilligten Leistungen ergeben sich für den Kläger folgende zu gewährende Beträge:

6/12 7/12 8/12 9/12 10/12 11/12

Gesamtbedarf 805,60 EUR 805,60 EUR 805,60 EUR 805,60 EUR 805,60 EUR 805,60 EUR

Einkommen 0 0 0 -638,12 EUR -624,05 EUR -638,36 EUR

Anspruch 805,60 EUR 805,60 EUR 805,60 EUR 167,48 EUR 181,55 EUR 167,24 EUR

Bisher bewilligt 716,10 EUR 716,10 EUR 716,10 EUR 0 0 0

Zu gewähren 89,50 EUR 89,50 EUR 89,50 EUR 167,48 EUR 181,55 EUR 167,24 EUR

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt den Ausgang des Verfahrens.
Rechtskraft
Aus
Saved