S 8 AS 603/16

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Augsburg (FSB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
8
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 AS 603/16
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Abweichung vom Kopfteilprinzip bei der Aufteilung einer Nebenkostennachforderung.
1. Der Beklagte wird unter Abänderung seines Bescheids vom 11. Mai 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Mai 2016 verpflichtet, der Klägerin für April 2016 weitere 289,60 EUR zu bewilligen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin im April 2016 Anspruch auf höhere Leistungen des Beklagten in Form der weiteren Übernahme der Betriebs- und Heizkostennachzahlung für 2015 in Höhe von 306,89 EUR hat.

Die 1958 geborene Klägerin bezieht seit Längerem (ergänzend) laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom Beklagten. Im Jahr 2015 wohnte sie zunächst zusammen mit ihren 1998 und 1999 geborenen Töchtern. Am 19. Oktober 2015 zog auch ihre 1990 geborene Tochter B. in die Wohnung mit ein. Letztere bezog seitdem keine Leistungen vom beklagten oder einem anderen Jobcenter.

Anfang April 2016 beantragte die Klägerin beim Beklagten die Übernahme der Betriebs- und Heizkostenabrechnung für 2015 vom 30. März 2016 (zahlbar in den nächsten Tagen) über 1.558,37 EUR.

Der Beklagte bewilligte der Klägerin daraufhin mit Bescheid vom 11. Mai 2016 für April 2016 vorläufige Leistungen von 2.043,12 EUR. Die Nachzahlung von 1.558,37 EUR könne in vollem Umfang berücksichtigt werden. Hiervon würden anteilig 1.168,77 EUR ausbezahlt, da die Tochter B. mit der Klägerin in Haushaltsgemeinschaft lebe.

Im Widerspruch bemängelte die Klägerin, ihre Tochter B. wohne erst seit 19. Oktober 2015 bei ihr, die Nachzahlung sei jedoch für das ganze Jahr 2015 angefallen. Deshalb stünden ihr weitere 306,89 EUR zu.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23. Mai 2016 zurück. Es seien drei Viertel der Nebenkostenabrechnung 2015 berücksichtigt worden. Aufgrund der Haushaltsgemeinschaft mit der Tochter B. könne die Rechnung nicht komplett übernommen werden. Der Bedarf bezüglich der Unterkunftskosten habe sich im April 2016 erhöht und nicht im Jahr 2015. Zum Fälligkeitszeitpunkt der Abrechnung habe die Klägerin mit ihrer Tochter B. eine Bedarfsgemeinschaft gebildet. Der auf diese Tochter entfallende Teil sei von der Klägerin von ihrer Tochter einzufordern.

Dagegen hat die Klägerin am 31. Mai 2016 Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben. Nur vom 19. Oktober bis zum 31. Dezember 2016 habe eine Haushaltsgemeinschaft mit ihrer Tochter B. bestanden.

Der Beklagte hat seine Entscheidung verteidigt.

Für die Klägerin wird beantragt:

Der Beklagte wird unter Abänderung seines Bescheids vom 11. Mai 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Mai 2016 verpflichtet, der Klägerin für April 2016 weitere 306,89 EUR zu bewilligen.

Für den Beklagten wird beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten sowie die Niederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässigerweise auf Leistungen für Kosten für Unterkunft und Heizung beschränkte Klage (vgl. zur Beschränkung BSG, Urteil vom 17. Februar 2016, B 4 AS 12/15 R) ist zulässig und hat in der Sache zum größten Teil Erfolg.

Die Klägerin hat Anspruch auf weitere Leistungen des Beklagten für April 2016 in Höhe von 289,60 EUR. Soweit der Bescheid des Beklagten vom 11. Mai 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Mai 2016 dem entgegensteht, ist er rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

Als Rechtsgrundlage für die Bewilligung höheren Arbeitslosengeldes II in Form der Übernahme weiterer Kosten aus der Betriebs- und Heizkostennachforderung vom 30. März 2016 kommt § 40 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) i.V.m. § 48 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuches - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) in Betracht. Eine Änderung in diesem Sinn ist in Höhe von 289,60 EUR eingetreten.

In Bezug auf die hier allein infrage kommenden Kosten für Unterkunft und Heizung sieht § 22 Abs. 1 SGB II vor, dass nicht nur laufend anfallende Kosten zu übernehmen sind - und zwar in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen, soweit diese angemessen sind. Erfasst sind auch Leistungen für einmalige Kosten für Unterkunft und Heizung. Soweit eine Nachforderung von Unterkunfts- und/oder Heizkosten in einer Summe fällig wird, gehört sie im Fälligkeitsmonat zum tatsächlichen, aktuellen Bedarf, wenn im Fälligkeitsmonat noch Bedürftigkeit besteht (vgl. BSG, Urteil vom 25. Juni 2015, B 14 AS 40/14 R).

Von den eingeforderten 306,89 EUR sind 289,60 EUR ein zusätzlich zu berücksichtigender Bedarf der Klägerin. Zwar ist dem Beklagten zuzugeben, dass in der Regel eine kopfteilige Übernahme im Fälligkeitsmonat erfolgt (vgl. BSG, a.a.O.) und dass im hier maßgeblichen Monat der Fälligkeit, dem April 2016, auch die Tochter B. neben der Klägerin und den beiden weiteren, damals minderjährigen Töchtern I. und R. im Haushalt lebte. Hintergrund des Kopfteilprinzips ist aber eine generalisierende und typisierende Annahme dieses Aufteilungsmodus aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität. Eine gesetzliche Festschreibung existiert nicht und es ist anerkannt, dass Abweichungen vom Kopfteilprinzip aus bedarfsbezogenen Gründen möglich sind (vgl. BSG, Urteil vom 17. Februar 2016, B 4 AS 2/15 R; Urteil vom 23. Mai 2013, B 4 AS 67/12 R).

Eine solche Abweisung hält das Gericht vorliegend für gerechtfertigt. Denn zu berücksichtigen ist auch, dass der im April 2016 aufgetretene einmalige Bedarf aus dem Jahr 2015 resultiert und in diesem Jahr die Tochter B. erst seit 19. Oktober 2015 bei der Klägerin wohnte. Für das Gericht liegt es bei dieser Gestaltung auf der Hand, dass Frau B. erst ab diesem Zeitpunkt am Verbrauch, welcher der streitigen Betriebs- und Heizkostenabrechnung zugrunde liegt, beteiligt war. Dem muss billigerweise dadurch Rechnung getragen werden, dass sie bei der Abrechnung im Fälligkeitsmonat nicht nur rein kopfanteilig, sondern auch zeitanteilig berücksichtigt wird.

Unter Abzug der Zahlung von 100 EUR, welche die Klägerin von ihrer Tochter B. für die Nebenkosten aus dem Jahr 2015 erhalten hat und der sogar mehr als den Anteil für die Zeitspanne 19. Oktober bis 31. Dezember 2015 ausmacht, ergibt sich damit bei einem noch offenen Rechnungsbetrag von 389,60 EUR ein weiterer Leistungsanspruch der Klägerin gegenüber dem Beklagten von 289,60 EUR.

Deswegen ist der Klage in dieser Höhe stattzugeben und sie im Übrigen abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG. Eine (teilweise) Kostenerstattung ist mangels relevanter Aufwendungen nicht angezeigt.

Gründe für die Zulassung der Berufung gemäß § 144 Abs. 2 SGG bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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