L 7 AS 1605/16 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 30 AS 1945/16
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 1605/16 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 27.07.2016 wird als unzulässig verworfen.

Gründe:

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe für eine Fortsetzungsfeststellungsklage gegen drei Meldeaufforderungen.

Die Beschwerde ist gem. § 172 Abs. 3 Nr. 2 b SGG unzulässig. In der Hauptsache würde eine Berufung der Zulassung bedürfen.

Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG ist eine Berufung bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes den Betrag von 750,00 EUR übersteigt. Der Beschwerdewert bestimmt sich danach, was das Sozialgericht einem Rechtmittelführer versagt hat und was von diesem mit seinen Berufungsanträgen weiterverfolgt wird. Bei einem Feststellungsantrag muss das Gericht den Wert ermitteln (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 144 Rn. 14 und 15b m.W.N.).

Bei den angegriffenen Aufforderungen vom 24.03.2015, 10.06.2015 und 23.02.2016 handelt es sich um auf eine Geldleistung gerichtete Verwaltungsakte iSd § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG.

Die Aufforderungen stellen jeweils einen Verwaltungsakt dar. Nach § 59 SGB II sind die Vorschriften über die allgemeine Meldepflicht nach § 309 SGB III im SGB II entsprechend anwendbar. Danach haben sich erwerbsfähige Hilfebedürftige während der Zeit, für die sie einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II erheben, bei der in der Meldeaufforderung bezeichneten Stelle des zuständigen Leistungsträgers persönlich zu melden oder zu einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen, wenn der Leistungsträger dazu auffordert. Die Aufforderung zur Meldung kann zum Zwecke der Berufsberatung (1.), Vermittlung in Ausbildung oder Arbeit (2.), Vorbereitung aktiver Arbeitsförderungsleistungen (3.), Vorbereitung von Entscheidungen im Leistungsverfahren (4.) und Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für den Leistungsanspruch (5.) erfolgen (§ 59 SGB II iVm § 309 Abs. 1 und 2 SGB III). Gemäß § 39 Nr. 4 SGB II haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, mit dem nach § 59 SGB II iVm § 309 SGB III zur persönlichen Meldung bei der Agentur für Arbeit aufgefordert wird, keine aufschiebende Wirkung. Eine derartige Regelung setzt voraus, dass die Meldeaufforderung als Verwaltungsakt zu qualifizieren ist (vgl. hierzu Hessisches LSG, Urteil vom 20.06.2011 - L 7 AS 255/10).

Die Verwaltungsakte sind jeweils auf eine Geldleistung gerichtet (ständige Rechtsprechung des Senats, vergl. Urteil vom 29.01.2015 - L 7 AS 1306/14). Der Wortlaut der Berufungsbeschränkung des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG enthält zwei Alternativen. Die Vorschrift betrifft einerseits Klagen, die unmittelbar eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung betreffen (z.B. die Anfechtung von Ablehnungsbescheiden über Ansprüche auf Arbeitslosengeld II oder Klagen auf höhere Leistungen) und andererseits Klagen, die einen auf eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung gerichteten Verwaltungsakt betreffen. Mit der zweiten Alternative sind Bescheide gemeint, deren Regelungswirkung die Geld-, Sach- oder Dienstleistung nicht unmittelbar betrifft, sondern die eine Vorfrage regeln, die ausschließlich für die Bewilligung einer Geld-, Sach- oder Dienstleistung relevant ist (für die Untätigkeitsklage BSG, Urteil vom 06.10.2011 - B 9 SB 45/11 B; für die Feststellung der Notwendigkeit einer Hinzuziehung eines Bevollmächtigten gemäß § 63 Abs. 2 SGB X LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 07.10.2013 - L 19 AS 1101/13 NZB). Diese sich aus dem Wortlaut ergebende Auslegung wird vom Sinn und Zweck der durch das Gesetz zur Entlastung der Rechtspflege vom 11.11.1993 (BGBl. I, 50) eingeführten Regelung gestützt. Danach sollen die Berufungsgerichte von vermögensrechtlichen Streitsachen von geringem wirtschaftlichem Wert entlastet werden (BT-Drucks. 12/1217 S. 52, 715; BT-Drucks. 16/7716, S. 21). Entscheidend ist, dass die Berufung einen Rechtsstreit von geringem wirtschaftlichem Wert betrifft (BSG, Urteil vom 06.10.2011 - B 9 SB 45 11 B). Dies ist vorliegend der Fall.

Die Bescheide sind jeweils auf eine Geldleistung gerichtet, weil die einzige Rechtsfolge bei Nichtbefolgung der Aufforderung eine Sanktion sein kann. Eine weitergehende Regelung, d h eine nicht nur auf eine Geldleistung gerichtete Rechtsfolge, enthalten die angefochtenen bzw. mit der Fortsetzungsfeststellungsklage angegriffenen Bescheide nicht. Insbesondere wird durch die Bescheide keine selbständige, von der Geldleistung unabhängige Erscheinenspflicht begründet. Denn bei dem von der Klägerin verlangten Erscheinen handelt es sich nicht um eine Rechtspflicht, sondern lediglich um eine (Mitwirkungs-)Obliegenheit. Zwar spricht der Wortlaut des § 309 SGB III von einer Pflicht zur Meldung. Die Verletzung dieser Pflicht zieht jedoch für sich genommen keine unmittelbaren Sanktionen nach sich. Eine Durchsetzung der Pflicht mit Zwangsmitteln ist nicht möglich. Eine Verletzung der Meldepflicht führt lediglich unter den Voraussetzungen des § 32 SGB II zu einer Minderung des Arbeitslosengeldes II oder Sozialgeldes. Anders als bei Rechtspflichten besteht kein unmittelbarer, primärer Erfüllungszwang und die Verletzung der Obliegenheit zieht auch keine sekundäre Schadensersatzpflicht nach sich. Es treten vielmehr nur Rechtsnachteile für den Leistungsberechtigten ein, wenn er die Obliegenheit verletzt (vgl. zu § 309 SGB III Scholz, in: NK-SGB III, 5. Aufl. 2013, § 309 Rn. 8 m.w.N.; zum Charakter der Pflicht zur Meldung als Obliegenheit BSG, Urteile vom 14.05.2014 - B 11 AL 8/13 R, vom 25.08.2011 - B 11 AL 30/10 R und vom 09.11.2010 - B 4 AS 27/10 R; Voelzke, in: Hauck/Noftz, SGB III, § 309 Rn. 3; zur Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe bereits BSG, Urteil vom 27.05.2003 - B 7 AL 4/02 R; Voelzke, Die Herbeiführung des Versicherungsfalls im Sozialversicherungsrecht, 2004, S. 98 f; ders., NZS 2005, 281).

Allein diese Auslegung führt im Übrigen zu dem stimmigen Ergebnis, den Rechtsschutz gegen eine Meldeaufforderung nicht intensiver auszugestalten, als den Rechtsschutz gegen eine Sanktion bei Verletzung der Meldeaufforderung. Hätte die Klägerin die Termine nicht wahrgenommen und der Beklagte eine Sanktion festgestellt, hätte eine Klage gegen einen Sanktionsbescheid als Klage, die eine Geldleistung i.S. der ersten Alternative des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG betrifft, unzweifelhaft der Berufungsbeschränkung unterlegen.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 750,00 EUR nicht. Die Höhe der Minderung des Arbeitslosengeldes II, die die Klägerin bei einer Nichtbefolgung der Einladung zum 12.02.2013 zu erwarten gehabt hätte, beträgt 10 Prozent ihres nach § 20 SGB II maßgebenden Regelbedarfs, § 32 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Die Dauer der Minderung hätte sich auf drei Monate belaufen, § 32 Abs. 2 Satz 2 iVm § 31 b Abs. 1 Satz 3 SGB II. Insgesamt hätte die Minderung des Arbeitslosengeldes II im Falle einer Nichtbeachtung der Einladungen einen Betrag in Höhe von maximal 325,20 EUR erreicht.

Der Umstand, dass die angefochtenen Bescheide sich iSd § 39 Abs. 2 SGB X durch Zeitablauf erledigt haben und die Klägerin im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides begehrt hat, ändert an dem Wert des Beschwerdegegenstandes nichts. Die beantragte Feststellung der Rechtswidrigkeit bezieht sich auf die konkret angefochtenen Verwaltungsakte. Eine evtl. Bejahung des Feststellungsinteresses aufgrund von Wiederholungsgefahr führt nicht zu einer Erhöhung des Beschwerdewertes.

Soweit die Klage sich gegen die Mitwirkungsaufforderung vom 20.03.2015 richtet, gelten die vorstehenden Ausführungen zur auf eine Geldleistung gerichteten Verwaltungsakt entsprechend. Der Wert des Beschwerdegegenstandes liegt bei 0 EUR, da eine Sanktion wegen der Verletzung der Mitwirkungsobliegenheit offenbar weder verhängt wurde noch beabsichtigt ist. Hierzu wäre - wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat - ein weiteres eigenständiges Verwaltungsverfahren erforderlich.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind gemäß §§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG, 127 Abs. 4 ZPO nicht zu erstatten.

Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).

Dr. Kühl Terstesse Dr. Knorr

Beglaubigt

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