L 25 AS 1938/16 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
25
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 8 AS 6301/16 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 25 AS 1938/16 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 30. Juni 2016 geändert. Der Beigeladene wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin für den Zeitraum vom 26. September 2016 bis 31. Dezember 2016 vorläufig Hilfe zum Lebensunterhalt, längstens jedoch bis zur bestandskräftigen Entscheidung über den Antrag der Antragstellerin vom 12. August 2016, in Höhe von 204,00 Euro monatlich (zeitlich anteilig für September 2016) zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Der Beigeladene hat der Antragstellerin die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Der Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung ihrer Verfahrensbevollmächtigten wird abgelehnt.

Gründe:

Die Beschwerde ist statthaft und zulässig erhoben. Sie ist hinsichtlich einer Verpflichtung des Beigeladenen zur Gewährung von Sozialhilfeleistungen im tenorierten Umfang auch begründet. Insoweit hat das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Unrecht abgelehnt.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 und 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaft und zulässig gestellt. Danach kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des § 86 b Abs. 1 SGG nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen. Das Verfahren nach § 86 b Abs. 1 SGG ist vorliegend nicht einschlägig, weil die Antragstellerin ihr Rechtsschutzziel nicht durch die Beendigung der Wirkungen eines Verwaltungsaktes erreichen kann, sondern gerade noch nicht durch Verwaltungsakt bewilligte Leistungen begehrt. Der Zulässigkeit des Antrags steht ungeachtet dessen, dass hier ohnehin der Beigeladene zu verpflichten ist, auch keine bestandskräftige Entscheidung des Antragsgegners entgegen. Die Antragstellerin hat gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 9. Mai 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juli 2016 Klage erhoben. Sie hat zudem vorgetragen, gegen den weiteren Ablehnungsbescheid des Antragsgegners vom 30. August 2016 Widerspruch einzulegen. Gegenwärtig ist der Bescheid jedenfalls (noch) nicht bestandskräftig, weil die Widerspruchsfrist nicht abgelaufen ist. Der Antrag der Antragstellerin bei dem Beigeladenen vom 12. August 2016 ist noch gar nicht beschieden.

Der Antrag ist nicht begründet, soweit er sich gegen den Antragsgegner richtet.

Ein Anspruch auf Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis ist nur gegeben, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dazu muss der Antragsteller gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft machen. Vom Bestehen eines Anordnungsanspruchs ist auszugehen, wenn nach (summarischer) Prüfung die Hauptsache Erfolgsaussicht hat. Ein Anordnungsgrund liegt vor, wenn dem Antragsteller unter Abwägung seiner sowie der Interessen Dritter und des öffentlichen Interesses nicht zumutbar ist, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten. Eine einstweilige Anordnung ist jedoch auch dann zu treffen, wenn der Anordnungsanspruch nach Auffassung des Gerichts nicht glaubhaft gemacht ist, die Erfolgsaussichten in der Hauptsache vielmehr als offen zu bewerten sind. Zur Vermeidung des Eintritts unwiederbringlicher Rechtsnachteile bedarf es in diesen Fällen einer Abwägung, ob dem Antragsteller trotz nicht feststehender Erfolgsaussichten vorläufig Leistungen zu gewähren sind, um den effektiven Schutz der Grundrechte sicherzustellen. Eine solche Abwägung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG; Aktenzeichen 1 BvR 569/05, Beschluss vom 12. Mai 2005) und des Senats im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes insbesondere dann durchzuführen, wenn der entscheidungserhebliche Sachverhalt sich im Eilverfahren nicht vollständig aufklären lässt.

In Anwendung dieses Maßstabs sind der Antragstellerin Leistungen im Wege der Folgenabwägung allein durch den Beigeladenen zuzusprechen, weil der Senat den zu Grunde liegenden Sachverhalt im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht vollständig aufzuklären vermag und jedenfalls die Möglichkeit besteht, dass sich im Hauptsacheverfahren ein entsprechender Leistungsanspruch der Antragstellerin ergibt.

Für die Feststellung, ob der Antragstellerin ein Anspruch gegen den Antragsgegner oder den Beigeladenen zusteht, legt der Senat im Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes die zwischenzeitlich gefestigte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) trotz bestehender Zweifel zu Grunde (sogleich 1). Hiernach liegen die Voraussetzungen eines Leistungsanspruchs nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) gegen den Antragsgegner nicht vor (sogleich 2), es besteht jedoch die erhebliche Möglichkeit eines Leistungsanspruchs gegen den Beigeladenen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII), was die Zuerkennung von Leistungen im Wege der Folgenabwägung trägt (sogleich 3).

1.

a)

Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 3. Dezember 2015 – Az.: B 4 AS 44/15 R; Urteil vom 16. Dezember 2015 – Az.: B 14 AS 15/14 R; Urteile vom 20. Januar 2016 – Az.: B 14 AS 35/15 R und B 14 AS 15/15 R; Urteil vom 17. Februar 2016 – Az.: B 4 AS 24/14 R; Urteil vom 17. März 2016 – Az.: B 4 AS 32/15 R) sind nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II dem Grunde nach leistungsberechtigte Unionsbürger mit einem Aufenthaltsrecht allein zum Zwecke der Arbeitsuche als auch solche ohne materielles Aufenthaltsrecht gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Auf solche Personen sind nach dieser Rechtsprechung die Regelungen des SGB XII zu Leistungen für den Lebensunterhalt anwendbar, obwohl nach § 21 Satz 1 SGB XII Personen, die nach dem SGB II als Erwerbsfähige oder als Angehörige dem Grunde nach leistungsberechtigt sind, keine Leistungen für den Lebensunterhalt erhalten. Auch den in § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII vorgesehenen Leistungsausschluss legt das BSG dahingehend aus, dass er auch Ausländer ohne materielles Aufenthaltsrecht erfasst. Davon nicht erfasst sieht das BSG die Regelung des § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII an, wonach im Übrigen Sozialhilfe geleistet werden kann, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt ist. Zu diesen Leistungen "im Übrigen" rechnet das BSG im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) auch Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Schließlich geht es bei Personen mit verfestigtem Aufenthalt von einer regelmäßigen Reduzierung des in § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII vorgesehenen Ermessens auf Null aus, wobei es maßgeblich auf eine Aufenthaltsdauer von mehr als sechs Monaten abstellt.

b)

Diese Rechtsprechung hat in Schrifttum und Rechtsprechung mit beachtlichen Argumenten Kritik erfahren (exemplarisch Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 11. August 2016 – Az.: L 3 AS 376/16 B ER; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 7. Juli 2016 – L 9 SO 12/16 B ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. Januar 2016 – Az.: L 29 AS 20/16 B; Bernsdorff in NVwZ 2016, Seite 633). Die regelmäßig mit einer – hier bereits gefestigten – höchstrichterlichen Rechtsprechung einhergehende Befriedung und Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung ist jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt nicht erreicht worden.

Der Senat ist der Kritik an der Rechtsprechung des BSG im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bisher nicht gefolgt und hat den Leistungsträger nach dem SGB XII aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes verpflichtet (Beschluss vom 21. Dezember 2015 – Az.: L 25 AS 3035/15 B ER), dies allerdings zu einem Zeitpunkt, zu dem allein die Terminsmitteilungen der ersten genannten Entscheidungen des BSG vorlagen.

Auch nach erneuter Prüfung hält der Senat daran fest, dass die Rechtsprechung des BSG der Entscheidung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu Grunde zu legen ist.

Dabei verkennt der Senat nicht, dass durchaus Zweifel an der Rechtsprechung des BSG bestehen. Soweit das BSG den Leistungsausschluss in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II dahingehend auslegt, dass sowohl Unionsbürger mit einem Aufenthaltsrecht zum Zwecke der Arbeitsuche als auch solche ohne materielles Aufenthaltsrecht von einem Leistungsausschluss ausgeschlossen sind, sprechen zwar historische und systematische Erwägungen für diesen angenommenen Erst-Recht-Schluss. Insoweit erscheint es jedoch zweifelhaft, die durch die extensive Auslegung von § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II (für Personen ohne materielles Aufenthaltsrecht) erst geschaffene Problematik einer möglichen Grundrechtsverletzung durch die methodologisch jedenfalls hinterfragenswerte Auslegung des § 23 Abs. 3 Satz 1 im Verhältnis zu § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII zu beseitigen (so aber die verfassungsrechtliche Rechtfertigung bei BSG, Urteil vom 17. Februar 2016 – Az.: B 4 AS 24/14 R; Urteil vom 17. März 2016 – Az.: B 4 AS 32/15 R). Soweit die Kritik am BSG sich gegen die Absolutheit des Abgrenzungskriteriums der Erwerbsfähigkeit im Rahmen des § 21 Satz 1 SGB XII wendet, vermag der Senat hier zwar keine durchgreifenden Argumente zu sehen. Zweifel werden jedoch auch hinsichtlich der vom BSG angenommenen Anwendbarkeit des § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII trotz des in § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII geregelten Ausschlusses mit beachtlichen Argumenten vorgebracht.

c)

Trotz dieser Zweifel an der Rechtsprechung des BSG ist diese der Entscheidung im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG zu Grunde zu legen (ebenso wohl Bayerisches LSG Beschluss vom 16. Juni 2016 – Az.: L 11 AS 348/16 B ER; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 12. Mai 2016 – Az.: L 7 SO 1150/16 ER-B; im Sinne einer Begründung von Erfolgsaussicht bei der Prüfung im einstweiligen Rechtsschutz LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. Mai 2016 – Az.: L 9 AS 2582/15 B ER). Bei Vorhandensein einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung ist es nach Ansicht des Senats regelmäßig geboten, für die Beurteilung der einen Anordnungsanspruch begründenden Erfolgsaussicht in der Hauptsache insoweit jedenfalls nicht allein auf die voraussichtliche Entscheidung des zuständigen Spruchkörpers abzustellen, sondern zu berücksichtigen, wie das Hauptsacheverfahren voraussichtlich letztinstanzlich entschieden wird (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 25. April 2016 – Az.: L 16 AS 221/16 B ER, wonach es nicht darauf ankommen soll, ob das Gericht die Auffassung der höchstrichterlichen Rechtsprechung teilt). Es bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten, die komplexe Sach- und Rechtslage abschließend zu prüfen.

2.

Ausgehend von diesem Maßstab hat die Antragstellerin keinen Anspruch gegen den Antragsgegner auf Arbeitslosengeld II. Sie ist von Leistungen nach dem SGB II gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ausgeschlossen, weil sie nach dem Kenntnisstand des Senats im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht über ein materielles Aufenthaltsrecht verfügt.

Die Antragstellerin hat kein Freizügigkeitsrecht nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU (FreizügG/EU) als niedergelassene selbstständige Erwerbstätige. Der gemeinschaftsrechtliche Niederlassungsbegriff erfasst die tatsächliche Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mittels einer festen Einrichtung in einem anderen Mitgliedstaat auf unbestimmte Zeit (EuGH, Urteil vom 25. Juli 1991 – Az.: C-221/89 - Rechtssache Factortame). Der Verkauf von Obdachlosenzeitungen stellt nach eigener Kenntnis des Senats keine Teilnahme am wirtschaftlichen Warenaustausch dar. Vielmehr hat das Angebot von Obdachlosenzeitungen eher die Wirkung, die Hemmschwelle für Spenden zu senken. Es steht nicht der Erwerb der Zeitung im Vordergrund (vgl. BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015 – B 4 AS 44/15 R). Auch das Sammeln von Pfandflaschen stellt keine Teilnahme am wirtschaftlichen Warenaustausch dar.

Die Antragstellerin ist auch nicht Arbeitnehmerin i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU. Für ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche nach § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU fehlt es nach dem mehr als sechsmonatigen Aufenthalt jedenfalls an der begründeten Aussicht, eingestellt zu werden.

Einem Aufenthaltsrecht nach § 4 FreizügG/EU für nichterwerbstätige Freizügigkeitsberechtigte steht das Fehlen ausreichender Existenzmittel und von Krankenversicherungsschutz entgegen.

Ein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU ist trotz der behaupteten Einreise 2010 nicht glaubhaft gemacht, weil erhebliche Zweifel an einem durchgehenden und rechtmäßigen Aufenthalt bestehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Juli 2015 – 1 C 22/14). Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass ein Aufenthaltsrecht zum Zweck der Arbeitsuche für fünf Jahre bestand. Dem steht bereits entgegen, dass die Antragstellerin als rumänische Staatsangehörige erst seit dem 1. Januar 2014 unbeschränkte Arbeitnehmerfreizügigkeit genießt. Die Erteilung einer Arbeitsgenehmigung-EU ist nicht ersichtlich.

Da auch ein anderes Aufenthaltsrecht nicht ersichtlich ist, hat die Antragstellerin unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des BSG keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II.

3.

Der Antragstellerin sind jedoch im Wege der Folgenabwägung Leistungen nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII zuzuerkennen. Bei der Folgenabwägung hat die Erwägung, wie die Entscheidung in der Hauptsache ausfallen wird, regelmäßig außer Betracht zu bleiben und sind stattdessen die Folgen abzuwägen, die eintreten würden, wenn die begehrte vorläufige Regelung nicht erginge, der Rechtsschutzsuchende im Hauptsacheverfahren aber obsiegen würde, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die vorläufige Regelung erlassen würde, der Rechtsschutzsuchende im Hauptsacheverfahren indes keinen Erfolg hätte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05). Diese Folgenabwägung fällt hier zugunsten der Antragstellerin aus, soweit es um die ihr nunmehr zuerkannten Leistungen geht. Denn insoweit hat die Antragstellerin glaubhaft gemacht, dass ihr bei einer Ablehnung ihres Antrags existenzielle Nachteile drohten, die sie aus eigener Kraft nicht imstande ist, von sich abzuwenden. Diesen Nachteilen, die die Sache insoweit zugleich als eilbedürftig erscheinen lassen, stehen auf der Seite des Beigeladenen lediglich finanzielle Interessen gegenüber, die hinter den der Antragstellerin drohenden Nachteilen zurückzutreten haben. Im Einzelnen gilt hiernach Folgendes:

Nach der dargestellten und insoweit überzeugenden Rechtsprechung des BSG steht § 21 SGB XII einem Anspruch nicht entgegen. Inwieweit die weiteren Anspruchsvoraussetzungen vorliegen, vermag der Senat im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht abschließend zu klären.

Es besteht die überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass die Antragstellerin tatsächlich ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten kann (vgl. § 19 Abs. 1, § 27 Abs. 1 SGB XII). Die Antragstellerin hat insoweit angegeben, jedenfalls ab September wieder 200,00 Euro monatlich durch Verkauf von Obdachlosenzeitungen zu verdienen. Zwar hat die Antragstellerin im Verfahren eingeräumt, dass in ihren beiden eidesstattlichen Versicherungen ein Aufenthalt 2012 in Rumänien nicht angegeben worden ist, weil sie die "Erinnerung verdrängt" habe. Die Notwendigkeit einer Einweisung nach dem ASOG und die gegenwärtig wieder eingetretene Obdachlosigkeit sprechen jedenfalls dagegen, dass die Antragstellerin über weitergehendes Einkommen und Vermögen verfügt. Die eingeräumte Fehlangabe und der erhebliche Zeitraum ohne Bezug von Leistungen zusätzlich zu dem geringen Einkommen wecken zwar Zweifel an den Angaben der Antragstellerin. Diese Indizien lassen jedoch auch nicht den sicheren Rückschluss darauf zu, dass die Antragstellerin über weiteres Einkommen oder Vermögen verfügt.

Der Senat vermag sich zwar nicht abschließend zu überzeugen, dass die Antragstellerin über einen verfestigten Aufenthalt verfügt. Es besteht jedoch die Möglichkeit, dass sich bei umfassender Aufklärung ein solcher ergibt. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts kommt es nach der Rechtsprechung des BSG dabei allein auf den Zeitraum des Aufenthalts im Inland an sowie die entsprechende Prognose des künftigen Aufenthalts. Auch wenn Zweifel an einem durchgehenden Aufenthalt seit 2010 bestehen, spricht viel dafür, dass die Antragstellerin jedenfalls länger als sechs Monate im Inland lebt. Der Leistungsbezug bis Januar 2015 und der Ablauf des Verwaltungsverfahrens seit Februar 2016 (Antragstellung bei dem Beigeladenen) sind insoweit neben den eidesstattlichen Versicherungen der Antragstellerin erhebliche Anhaltspunkte. Auf eine Verbindung zum Arbeitsmarkt stellt das BSG nicht ab. Nach dem Inhalt der Erklärungen der Antragstellerin ist auch nicht ersichtlich, dass der Aufenthalt im Inland nur noch auf kurze Zeit angelegt ist. Ebenso fehlt es an Anzeichen dafür, dass seitens der Ausländerbehörde aufenthaltsbeendende Maßnahmen eingeleitet worden wären. Angesichts des behaupteten langen Zeitraums der Obdachlosigkeit dürfte diese alleine der Annahme eines verfestigten Aufenthalts nicht entgegenstehen. Indes könnte eine weitere Ermittlung und Überprüfung der tatsächlichen Umstände im Einzelfall auch Anhaltspunkte ergeben, die selbst nach der Rechtsprechung des BSG eine abweichende Ermessensausübung im Einzelfall rechtfertigen könnten.

Gegenwärtig vermag der Senat auch nicht festzustellen, dass die Antragstellerin eingereist ist, um Sozialhilfe zu erlangen (vgl. § 23 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB XII). Dies bedarf – wie die weiteren nicht abschließend geklärten Anspruchsvoraussetzungen – der weiteren Ermittlung im Verwaltungs- bzw. Hauptsacheverfahren.

Im Rahmen der durchzuführenden Folgenabwägung treten – wie schon dargelegt - die rein fiskalischen Interessen des Beigeladenen gegenüber einer möglichen Grundrechtsbeeinträchtigung der Antragstellerin zurück. Auch soweit man die Möglichkeit einer Rückkehr in den Heimatstaat und die Inanspruchnahme dortiger Leistungen als ausreichende Möglichkeit zur Deckung des Existenzminimums ansehen wollte, ergäbe sich vorliegend nichts anderes. Insoweit wäre dennoch im Wege der Folgenabwägung zu entscheiden, weil die Antragstellerin gerade Gründe für die Unzumutbarkeit der Rückkehr nach Rumänien geltend macht (befürchtete Verfolgung durch den Ehemann und hieraus resultierende psychische Hindernisse). Inwieweit solche Gründe tatsächlich vorliegen, wäre – auch unter Berücksichtigung des inzwischen eingeräumten Besuchs in Rumänien 2012 – erst im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens aufzuklären. Im Rahmen der Folgenabwägung sind jedoch allein Leistungen für den Zeitpunkt ab der Entscheidung des Senats zuzuerkennen. Es sind keine Gesichtspunkte ersichtlich, die im Wege der Folgenabwägung die Zuerkennung von Leistungen für die Vergangenheit erforderlich erscheinen lassen. Eine Unterdeckung des Bedarfs in der Vergangenheit kann ebenso im Rahmen des Hauptsacheverfahrens durch die Zuerkennung einer Nachzahlung kompensiert werden. Der Senat hat den Regelbedarf von 404,00 Euro abzüglich des selbst angegebenen monatlichen Einkommens von 200,00 Euro berücksichtigt. Die ausweislich des Schriftsatzes vom 15. September 2016 ausdrücklich begehrten Kosten für Unterkunft und Heizung waren hingegen nicht zu berücksichtigen, weil der Antragstellerin solche gegenwärtig nach eigenem Vortrag nicht entstehen.

Hinsichtlich der Befristung der Leistungen hat der Senat zuzüglich zum laufenden Kalendermonat im Anschluss an den für das Sozialhilferecht zuständigen 15. Senat des LSG Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 13 April 2016 – Az.: L 15 SO 53/16 B ER) Leistungen für weitere drei Monate zuerkannt. Längstens waren die Leistungen jedoch auf den Zeitraum bis zur bestandskräftigen Entscheidung des Beigeladenen über den letzten Antrag der Antragstellerin vom 12. August 2016, für den auf Basis der Rechtsprechung des BSG die sachliche Zuständigkeit des Beigeladenen gegeben ist, zu befristen. Die Voraussetzungen für eine Weiterleitung an den Antragsgegner nach § 16 Abs. 2 Satz 1 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch dürften nicht vorgelegen haben.

Eines ausdrücklichen Antrags zur Verpflichtung des Beigeladenen nach § 75 Abs. 5 SGG bedurfte es nicht (vgl. Hintz/Lowe, SGG, 2012, Rn. 19 zu § 75).

Im Übrigen war die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung berücksichtigt das nur teilweise Obsiegen der Antragstellerin, die ausdrücklich auch Kosten für Unterkunft und Heizung begehrt hat.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war abzulehnen, weil die Antragstellerin trotz Aufforderung durch den Senat bereits in der Eingangsbestätigung vom 8. August 2016 die zwingend erforderliche (vgl. § 117 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 ZPO i.V.m. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG) Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht eingereicht hat.

Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht (§ 177 SGG) angefochten werden.
Rechtskraft
Aus
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