L 9 AS 643/16 B ER

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 21 AS 700/16 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AS 643/16 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Erwerbsfähige Unionsbürger, die nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sind, haben grundsätzlich auch keinen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII (§ 21 Satz 1, § 23 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 SGB XII). Ein Anspruch kann sich daher allenfalls aus der entsprechenden Anwendung des § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII ergeben (vom Senat offen gelassen).

2. Selbst bei Anwendung des § 23 Abs.1 Satz 3 SGB XII haben Unionsbürger auch nach Ablauf eines sechsmonatigen Aufenthalts im Bundesgebiet lediglich einen Anspruch auf eine Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls.
Von einer regelhaften Ermessensreduzierung auf Null ist nicht auszugehen (entgegen BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015 - B 4 AS 44/15 R -, Urteil vom 16. Dezember 2015 - B 14 AS 15/14 R -, Urteil vom 20. Januar 2016 - B 14 AS 15/15 R -, Urteil vom 17. Februar 2016 - B 4 AS 24/14 R -, Urteil vom 17. März 2016 - B 4 AS 32/15 R -).
Auf die Beschwerde der Beigeladenen wird der Beschluss des Sozialgerichts Darmstadt vom 9. August 2016 aufgehoben, soweit die Beigeladene im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet wurde, dem Antragsteller vorläufig Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII vom 2. Juli 2016 bis zur rechts- oder bestandskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, längstens aber bis zum 30. September 2016, zu gewähren. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird auch insoweit abgelehnt.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Gründe:

Die am 16. August 2016 beim Sozialgericht Darmstadt eingegangene Beschwerde der Beigeladenen mit dem sinngemäßen Antrag,

den Beschluss des Sozialgerichts Darmstadt vom 9. August 2016 aufzuheben, soweit die Beigeladene im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet wurde, dem Antragsteller vorläufig Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII vom 2. Juli 2016 bis zur rechts- oder bestandskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, längstens aber bis zum 30. September 2016, zu gewähren und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auch insoweit abzulehnen,

ist begründet.

Streitgegenstand des Beschwerdeverfahrens sind nur Ansprüche des Antragstellers auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) gegen die Beigeladene, da nur diese Beschwerde gegen die erstinstanzliche Entscheidung des Sozialgerichts eingelegt hat. Dagegen hat der Antragsteller Beschwerde gegen den Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) ablehnenden Beschluss des Sozialgerichts nicht erhoben.

Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Beigeladene liegen nicht vor.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis getroffen werden, wenn dies zur Abwehr wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dies setzt voraus, dass das Bestehen eines zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) und die besondere Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) glaubhaft gemacht werden (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -).

Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII nicht glaubhaft gemacht.

Die Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs scheitert nicht bereits an einer Leistungsberechtigung des Antragstellers nach dem SGB II; denn dessen Leistungsvoraussetzungen liegen nicht vor.

Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben (Nr. 1), erwerbsfähig sind (Nr. 2), hilfebedürftig sind (Nr. 3) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 SGB II liegen bei dem Antragsteller vor. Offen bleiben kann, ob der Antragsteller auch über einen gewöhnlichen Aufenthalt (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II i. V. m. § 30 Abs. 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - SGB I -) in der Bundesrepublik Deutschland verfügt und ob er in dem streitgegenständlichen Zeitraum vom 2. Juli 2016 bis zum 30. September 2016 hilfebedürftig im Sinne der §§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 9 Abs. 1 SGB II ist bzw. gewesen ist.

Denn der Antragsteller, der sich nach seinen Angaben seit März 2015 in der Bundesrepublik Deutschland aufhält, ist nach - der hier allein in Betracht kommenden - Ausschlussregelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgenommen. Nach dieser Vorschrift sind Ausländer und ihre Familienangehörigen von der Leistungsberechtigung nach dem SGB II ausgenommen, wenn sich ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt. Diese Voraussetzungen des Leistungsausschlusses sind vorliegend erfüllt. Es ist zwar davon auszugehen, dass der Antragsteller zur Arbeitsuche in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist. Denn er hat nach seinen Angaben nach der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland im März 2015 vom 18. Mai 2015 bis zum 24. Juli 2015 eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit in Nürnberg ausgeübt. Anschließend hat er vom 28. Juli 2015 bis zum 24. Januar 2016 Krankengeld von der AOK Bayern bezogen. Für den hier streitigen Zeitraum ergibt sich daraus jedoch kein materielles Aufenthaltsrecht mehr. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 1a des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) sind unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt Unionsbürger, die sich zur Arbeitsuche aufhalten, für bis zu sechs Monate und darüber hinaus nur, solange sie nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden. Der Antragsteller hat nicht nachgewiesen, weiterhin Arbeit zu suchen und begründete Aussicht auf eine Anstellung zu haben. Er hat nur pauschal vorgetragen, sich um eine Arbeitsstelle zu bemühen. Die Voraussetzungen für ein anderes Aufenthaltsrecht nach dem FreizügG/EU oder ggf. dem begrenzt subsidiär anwendbaren Aufenthaltsgesetz (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 30. Januar 2013 - B 4 AS 54/12 R -) liegen bei ihm nicht vor. Der Antragsteller ist während der Zeit seines Aufenthalts in der Bundesrepublik nicht für mehr als ein Jahr erwerbstätig gewesen, so dass die unbefristete Fortwirkung eines Aufenthaltsrechts als Arbeitnehmer nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU ausscheidet. Da sich der Antragsteller nicht bereits seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat er auch kein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a Abs. 1 FreizügG/EU. Auch die Voraussetzungen eines abgeleiteten Aufenthaltsrechts als Familienangehöriger nach § 3 FreizügG/EU liegen nicht vor. Ein fortgeltendes Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmer wegen unfreiwilliger Arbeitslosigkeit besteht nach § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU nur für sechs Monate ab dem Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fort, hier also nach Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 24. Juli 2015 bis zum 24. Januar 2016. Schließlich sind die Voraussetzungen für ein fortgeltendes Aufenthaltsrecht bei vorübergehender Erwerbsminderung infolge Krankheit oder Unfall nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FreizügG/EU nicht gegeben. Nach dem Vortrag des Antragstellers und dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsvorgänge bestand bei dem Antragsteller lediglich Arbeitsunfähigkeit bis zum 24. Januar 2016. Ob sich die Dauer eines fortgeltenden Aufenthaltsrechts als Arbeitnehmer nach § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU durch Zeiten der Arbeitsunfähigkeit verlängert, ist im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht zu entscheiden, da der Antragsteller Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts nicht erhoben hat. Geht man davon aus, dass ein fortgeltendes Aufenthaltsrecht über den 24. Januar 2016 hinaus nicht bestanden hat, verfügt der Antragsteller weder über ein Aufenthaltsrecht zum Zweck der Arbeitsuche noch über ein anderes materielles Aufenthaltsrecht, so dass er nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) dem Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II unterfällt (BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015 - B 4 AS 44/15 R - ZfSH/SGB 2016, 126; BSG, Urteil vom 16. Dezember 2015 - B 14 AS 15/14 R -; BSG, Urteil vom 20. Januar 2016 - B 14 AS 15/15 R -; BSG, Urteil vom 17. Februar 2016 - B 4 AS 24/14 R -; BSG, Urteil vom 17. März 2016 - B 4 AS 32/15 R -), anderenfalls würde die Leistungsausschlussregelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II maximal für die Zeit bis zum 24. Juli 2016 nicht eingreifen.

Die Leistungsausschlussregelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ist auch anwendbar. Auf das Gleichbehandlungsgebot des Art. 1 Europäisches Fürsorgeabkommen (EFA) kann sich der Antragsteller nicht berufen, da der von der Bundesregierung bezogen auf SGB II-Leistungen erklärte Vorbehalt zum EFA eine wirksame Einschränkung der Inländergleichbehandlung bewirkt hat (vgl. BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015 - B 4 AS 43/15 R - SozR 4-4200 § 7 Nr. 46).

Der Leistungsausschluss ist auch europarechtskonform. Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat sowohl in der Rechtssache Dano (Urteil vom 11. November 2014 - C-333/13 - NZS 2015, 20) als auch in der Rechtssache Alimanovic (Urteil vom 15. September 2015 - C-67/14 - SGb 2015, 638) in den hier gegebenen Fallkonstellationen die Zulässigkeit der Verknüpfung des Ausschlusses von Unionsbürgern anderer Mitgliedstaaten von existenzsichernden Leistungen mit dem Bestehen eines Aufenthaltsrechts im Sinne der RL 2004/38/EG ausdrücklich anerkannt. Danach sind Art. 24 Abs. 1 der RL 2004/38/EG i. V. m. Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und Art. 4 VO 883/2004/EG dahin auszulegen, dass sie der Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegenstehen, nach der Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten vom Bezug bestimmter "besonderer beitragsunabhängiger Geldleistungen" im Sinne des Art. 70 Abs. 2 VO 883/2004/EG ausgeschlossen werden, während Staatsangehörige des Aufnahmemitgliedstaats, die sich in der gleichen Situation befinden, diese Leistungen erhalten, sofern den betreffenden Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten im Aufnahmemitgliedstaat kein Aufenthaltsrecht nach der RL 2004/38/EG zusteht (EuGH, Urteil vom 11. November 2014 - C-333/13 - Rechtssache Dano s. o.). In der Rechtssache Alimanovic hat der EuGH insoweit betont, dass Unionsbürger anderer EU-Staaten, die nach Deutschland eingereist sind, um Arbeit zu suchen, vom deutschen Gesetzgeber vom Bezug von Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld ausgeschlossen werden können, selbst wenn diese Leistungen als besondere beitragsunabhängige Geldleistungen im Sinne des Art. 70 VO 883/2004/EG eingeordnet werden (EuGH, Urteil vom 15. September 2015 - C-67/14 -). Beim Arbeitslosengeld II und Sozialgeld handelt es sich um Leistungen der "Sozialhilfe" im Sinne des Art. 24 Abs. 2 der RL 2004/38/EG. Danach haben die Aufnahmestaaten jedoch keine Verpflichtung zur Gleichbehandlung ihrer Staatsangehörigen und solcher anderer EU-Mitgliedstaaten im Hinblick auf einen Anspruch auf Sozialhilfe, wenn letztere nicht Arbeitnehmer bzw. Selbstständige sind oder ihnen dieser Status erhalten geblieben ist bzw. Familienangehörige von diesen sind (BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015 - B 4 AS 44/15 R -).

Liegen damit die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Leistungen nach dem SGB II nicht vor, fehlt es auch an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach §§ 19 Abs. 1, 27 Abs. 1 SGB XII. Danach ist Personen Hilfe zum Lebensunterhalt zu leisten, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können.

Einer Anwendung der Vorschriften des Dritten Kapitels des SGB XII, die die Hilfe zum Lebensunterhalt regeln, steht jedenfalls der Wortlaut des § 21 Satz 1 SGB XII entgegen. Nach dieser Vorschrift erhalten Personen, die nach dem SGB II als Erwerbsfähige oder als Angehörige dem Grunde nach leistungsberechtigt sind, keine Leistungen für den Lebensunterhalt.

Wie die Formulierung "dem Grunde nach" zu verstehen ist, wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beantwortet. Entscheidend ist dabei die Frage, ob Personen, bei denen die allgemeinen Leistungsvoraussetzungen (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 4 SGB II) vorliegen, die aber infolge eines Ausschlusstatbestandes (vorliegend § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II) keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erhalten, dem Grunde nach anspruchsberechtigt sind. Es spricht vieles dafür, dass dem Grunde nach leistungsberechtigt im Sinne des § 21 Satz 1 SGB XII bereits derjenige ist, der die allgemeinen Leistungsvoraussetzungen erfüllt (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 22. Februar 2016 - L 9 AS 1335/15 B ER - NdsRpfl 2016, 168).

SGB II und SGB XII stehen nämlich hinsichtlich ihrer Leistungen zur Existenzsicherung nicht in einem Vorrang-Nachrang-Verhältnis, sondern gleichrangig und selbstständig nebeneinander in einem Ausschließlichkeitsverhältnis (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013 - B 14 AS 90/12 R - SozR 4-4200 § 12 Nr. 22 m. w. N.). Beide Sicherungssysteme sind daher voneinander abzugrenzen. Zentrales Abgrenzungskriterium ist der Begriff der Erwerbsfähigkeit in § 21 SGB XII (vgl. auch § 5 Abs. 2 Satz 1 SGB II). In den Materialien (BT-Drucks. 15/1514 S. 57) zu der Vorschrift heißt es:

"Die Regelung setzt nicht voraus, dass jemand tatsächlich Leistungen des anderen Sozialleistungsträgers erhält oder voll erhält, sondern knüpft an die Eigenschaft als Erwerbsfähige oder deren im Zweiten Buch näher bezeichneten Angehörigen an. Die definierten Ausnahmen von dieser eindeutigen Abgrenzung beziehen sich auf Leistungen, die wegen der erforderlichen Ortsnähe oder des Zusammenhangs mit anderen kommunalen Aufgaben und Leistungen sachgerecht vom Träger der Sozialhilfe erbracht werden können."

Der Gesetzgeber ging also davon aus, dass maßgebliches Abgrenzungskriterium in § 21 Satz 1 SGB XII die Erwerbsfähigkeit ist und dass er damit eine eindeutige allgemeine Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II und der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII geschaffen hat (die allerdings nicht abschließend ist, auch Erwerbsfähige können von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgenommen sein). Auch nachdem § 7 Abs. 1 SGB II durch Art. 1 Nr. 2 Buchst. a des Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 24. März 2006 (BGBl. I 558) zum 1. April 2006 geändert worden ist, ging der Gesetzgeber unverändert davon aus, dass erwerbsfähige Ausländer bei Vorliegen der allgemeinen Leistungsvoraussetzungen - ungeachtet des neuen Leistungsausschlusses in Satz 2 - dem Grunde nach leistungsberechtigt sind und bekräftigte die Absicht des Ausschlusses von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII für diesen Personenkreis (BT-Drucks. 16/688 S. 13):

"Der neu gefasste Satz 2 normiert einen Leistungsausschluss für bestimmte Gruppen von Ausländern. Auch wenn bei Ausländern die allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen vorliegen, d. h. sie zwischen 15 und unter 65 Jahre alt, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben, können dennoch die Leistungen nach diesem Buch durch den neugefassten Satz 2 ausgeschlossen sein. Darüber hinaus kommen dann für diese Personengruppe auch Leistungen des SGB XII wegen § 21 Satz 1 SGB XII nicht in Betracht, da sie dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II ist."

Der Wortlaut der Vorschrift und die Regelungsabsicht des Gesetzgebers sprechen daher dafür, dass anspruchsberechtigt dem Grunde nach im Sinne des § 21 Satz 1 SGB XII bereits derjenige sein soll, der die allgemeinen Leistungsvoraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 4 SGB II erfüllt oder dessen Angehöriger ist (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 29. Juni 2015 - L 1 AS 2338/15 ER-B -; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 22. Februar 2016 s. o., m. w. N.; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. Januar 2016 - L 29 AS 20/16 B ER, L 29 AS 21/16 B ER PKH -).

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) soll die "Systemabgrenzung" zwischen SGB II und SGB XII dagegen nicht auf das schlichte Kriterium der Erwerbsfähigkeit reduziert werden, sondern sei differenzierter; im Grundsatz gelte für die Systemzuweisung aufgrund der Erwerbszentriertheit des SGB II, dass derjenige, der von dem auf die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ausgerichteten Leistungssystem des SGB II ausgeschlossen werden soll, dem System des SGB XII zugewiesen werde (BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015 - B 4 AS 44/15 R -; BSG, Urteil vom 16. Dezember 2015 B 14 AS 15/14 R - SozR 4-4200 § 7 Nr. 48 jeweils m. w. N.). Das BSG hat insoweit auf die Rechtsprechung der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate sowohl für den Leistungsausschluss wegen einer den Regelbedarf unterschreitenden ausländischen Rentenleistung als auch den Leistungsausschluss eines Erwerbsfähigen wegen der Unterbringung in einer stationären Einrichtung oder in einem Krankenhaus nach § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II verwiesen (BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015 - B 4 AS 44/15 R - m. w.N.).

Der den Anwendungsausschluss des § 21 SGB XII bejahenden Auffassung wird entgegnet, dass zum einen weder in der Literatur noch in der Rechtsprechung Einigkeit darüber bestehe, dass allein der subjektive Wille des Gesetzgebers entscheidend sei. In der Rechtsprechung des BSG sei vielmehr wohl die objektiv-historische Auslegung vorherrschend (vgl. dazu: BSG, Urteil vom 30. September 2009 - B 9 V 1/08 R -), die nach dem im Gesetz objektivierten Willen des Gesetzgebers frage. Zum anderen halte sich das BSG im Rahmen der Auslegung (dem möglichen Wortsinn). Schließlich handele es sich um eine verfassungskonforme Auslegung, so dass auch deshalb nicht allein der Wille des historischen Gesetzgebers entscheidend sei. Die verfassungskonforme Auslegung habe grundsätzlich Vorrang vor der subjektiv-historischen. Sei nämlich eine verfassungskonforme Auslegung möglich, so sei nicht relevant, dass eine nicht mit der Verfassung vereinbare Auslegung eher dem subjektiven Willen des Gesetzgebers entsprochen hätte. Eine Auslegung, die dazu führe, dass EU-Bürger gar keine Leistungen erhalten, sei mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht vereinbar (Greiser in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, Anhang zu § 23 - Stand: 19. Juli 2016 - Rn. 97.3)

Selbst unter Zugrundelegung der Auffassung des BSG, dass § 21 Satz 1 SGB XII in einer derartigen Fallkonstellation nicht eingreife, fehlt es aber vorliegend an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs auf laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII.

Aus § 23 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 SGB XII ergibt sich im vorliegenden Fall ein weiterer Ausschlussgrund. Nach dieser Vorschrift besteht eine § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II entsprechende Ausschlussregelung. Danach haben Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, keinen Anspruch auf Sozialhilfe. Der Gesetzgeber ist dabei davon ausgegangen, dass bei einem Eingreifen der Ausschlussregelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II auch Sozialhilfeleistungen nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 SGB XII ausgeschlossen sein sollen. § 23 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 SGB XII ist durch Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 2. Dezember 2006 (BGBl. I 2670) mit Wirkung zum 7. Dezember 2006 in das SGB XII eingefügt worden. Die Materialien enthalten dazu folgende Begründung (BT-Drucks 16/2711 S. 10):

"Die Einfügung normiert einen der Regelung im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch entsprechenden Leistungsausschluss für Ausländer und stellt damit zugleich sicher, dass Ausländer, die nach § 7 Abs. 1 Satz 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch haben, auch aus dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch keine Ansprüche herleiten können."

Die Leistungsausschlussregelung des § 23 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 SGB XII ist auch anwendbar. Zwar kann sich der Antragsteller auf das Gleichbehandlungsgebot des Art. 1 EFA berufen, da die Bundesregierung bezogen auf die Vorschriften der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII keinen Vorbehalt erklärt hat; allerdings sind dessen Voraussetzungen nicht erfüllt. Nach Art. 1 des Abkommens, das unter anderem die Bundesrepublik Deutschland und Spanien unterzeichnet haben, ist jeder der Vertragsschließenden verpflichtet, den Staatsangehörigen der anderen Vertragsstaaten, die sich in irgendeinem Teil seines Gebietes, auf das dieses Abkommen Anwendung findet, erlaubt aufhalten und nicht über ausreichende Mittel verfügen, in gleicher Weise wie seinen eigenen Staatsangehörigen und unter den gleichen Bedingungen die Leistungen der sozialen und Gesundheitsfürsorge zu gewähren, die in der in diesem Teil seines Gebietes geltenden Gesetzgebung vorgesehen sind. Erlaubt im Sinne des Art. 1 EFA ist eine (weiterhin bestehende) materielle Freizügigkeitsberechtigung (BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015 - B 4 AS 59/13 R -). Vorliegend fehlt es jedoch an einem erlaubten Aufenthalt, da der Antragsteller - wie ausgeführt - über kein materielles Aufenthaltsrecht verfügt.

Der Antragsteller hat damit nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 SGB XII keinen Rechtsanspruch auf Sozialhilfeleistungen.

Ein Anspruch des Antragstellers auf Hilfe zum Lebensunterhalt ergibt sich auch nicht aus der Ermessensnorm des § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII.

Es bestehen schon Zweifel, ob diese Bestimmung in der vorliegenden Fallkonstellation überhaupt anwendbar ist. Überwiegend wird unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zu der Vorgängerregelung des § 120 Abs. 1 Bundessozialhilfegesetz - BSHG - (Urteil vom 10. Dezember 1987 - 5 C 32.85 - BVerwGE 78, 314, 316 ff.) die Auffassung vertreten, dass sich der Ausschluss in § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII lediglich auf den Rechtsanspruch auf Leistungen (§ 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XII), nicht hingegen auf den Anspruch auf Ermessensausübung nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII bezieht (Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, § 23 SGB XII - Stand August 2015 - Rn 77; Hohm in: Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 19. Aufl. 2015, § 23 Rn. 29.6; Wahrendorf in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl. 2014, § 23 SGB XII Rn. 42; auch Schlette in: Hauck/Noftz, SGB XII, K § 23 - Stand August 2016 - Rn. 50 [mit Blick auf laufende Leistungen hält er § 1a AsylbLG für analog anwendbar]; a. A. Herbst, in: Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, § 23 SGB XII - Stand August 2013 - Rn. 16). Dem ist auch das BSG gefolgt (Urteil vom 3. Dezember 2015 B 4 AS 44/15 R -). Die Gesetzessystematik unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte der Vorschrift spricht allerdings eher dafür, dass § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII als Spezialregelung zu § 23 Abs. 1 SGB XII zu verstehen ist, mit der Folge, dass Ausländer (auch) keinen Anspruch auf Ermessensausübung haben. Anders als bei der für das BVerwG maßgeblichen, bis zum 31. Oktober 1993 geltenden, Fassung des § 120 BSHG steht der Leistungsausschluss in § 23 Abs. 3 SGB XII - wie bei den ab 1. November 1993 geltenden Fassungen des § 120 BSHG - nämlich nicht in einem unmittelbaren textlichen Zusammenhang mit der Anspruchsgewährung und vor der Möglichkeit, Leistungen im Ermessenswege zu gewähren, sondern in einem gesonderten Absatz nach der Normierung der Ansprüche auf Leistungen bzw. Ermessensausübung. Konnte das BVerwG die Einleitung des zweiten Satzes mit "im Übrigen" (auch) auf den Leistungsausschluss im vorangegangenen zweiten Halbsatz beziehen, ist das heute aufgrund eines abweichenden sprachlichen Kontextes nicht mehr möglich (im Einzelnen vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 22. Februar 2016 s. o.).

Auch bezieht sich die Ermessensvorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII nicht auf die Hilfe zum Lebensunterhalt. § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII, wonach im Übrigen Sozialhilfe geleistet werden kann, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt ist, ist im Kontext mit Satz 1 und 2 dieser Vorschrift zu sehen. § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XII bestimmt, dass Ausländern, die sich im Inland tatsächlich aufhalten, Hilfe zum Lebensunterhalt (§ 8 Nr. 1 i. V. m. §§ 27 bis 40 SGB XII), Hilfe bei Krankheit (§ 8 Nr. 3 i. V. m. § 48 SGB XII), Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft (§ 8 Nr. 3 i. V. m. § 50 SGB XII) sowie Hilfe zur Pflege (§ 8 Nr. 5 i. V. m. §§ 61 bis 66 SGB XII) zu leisten ist. Über § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB XII werden die Vorschriften des Vierten Kapitels (Leistungen im Sinne des § 8 Nr. 2 i. V. m. §§ 41 bis 46b SGB XII [Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung]) für anwendbar erklärt. Da in § 23 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB XII nur bestimmte Leistungen aus dem Katalog des § 8 SGB XII erwähnt worden sind, können sich die Wörter "im Übrigen" nur auf die sonstigen, noch nicht erwähnten Leistungen beziehen (vgl. Schlette in: Hauck/Noftz, SGB XII, K § 23 Rn. 35; Coseriu in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 23 - Stand 17. August 2016 - Rn. 24). Das sind bestimmte Leistungen der Hilfen zur Gesundheit (§ 8 Nr. 3 i. V. m. §§ 47, 49 und 51 SGB XII), die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen (§ 8 Nr. 4 i. V. m. §§ 53 bis 60 SGB XII), die Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten (§ 8 Nr. 6 i. V. m. §§ 67 bis 69 SGB XII) und die Hilfe in anderen Lebenslagen (§ 8 Nr. 7 i. V. m. §§ 70 bis 74 SGB XII), nicht dagegen die Hilfe zum Lebensunterhalt (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 22. Februar 2016 s. o.).

Es kommt daher allenfalls eine entsprechende Anwendung des § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII im Wege verfassungskonformer Auslegung der Vorschrift in Betracht. Die eine entsprechende Anwendung des § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII bejahende Auffassung sieht einen völligen Ausschluss von Leistungen als mit Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 GG nicht vereinbar an. Zwar stehe es im sozialpolitischen Ermessen des Gesetzgebers, für Ausländer besondere Regelungen zur Sicherung ihres Lebensbedarfs zu entwickeln, nicht aber, Leistungen, die zur Deckung des Lebensunterhaltes dienen, gänzlich zu versagen. Es bestehe nämlich die Verpflichtung des Staates, die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein zu garantieren und dem mittellosen Bürger diese Mindestvoraussetzungen erforderlichenfalls durch Sozialleistungen zu sichern (BVerfG, Urteil vom 29. Mai 1990 - 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86 - BVerfGE 82, 60). Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG garantiere insoweit einen Anspruch auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums als Menschenrecht, das deutschen und ausländischen Staatsangehörigen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, gleichermaßen zustehe (BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - BVerfGE 132, 134). Ein genereller Leistungsausschluss führe auch dazu, dass Ausländer, die eingereist sind, um Sozialhilfe zu erlangen, schlechter gestellt werden als Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG), die sich in das Bundesgebiet begeben haben, um Leistungen nach dem AsylbLG zu erlangen, weil dieser Personenkreis, zu denen sogar vollziehbar Ausreisepflichtige gehören, nach § 1a AsylbLG (immerhin) die nach den Umständen unabweisbar gebotenen Leistungen erhalte (Coseriu in: jurisPK-SGB XII, § 23 Rn. 73). Dagegen wird eingewandt, dass auch beim Fehlen eines (einfachgesetzlichen) Anspruchs auf laufende Leistungen zur Existenzsicherung das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht verletzt sei. Der Gesetzgeber stehe nicht in der Pflicht, insoweit über die im SGB II, SGB XII und im AsylbLG getroffenen Ansprüche hinaus weitere Ansprüche zu normieren. Aus der Menschwürde könne nämlich nicht abgeleitet werden, dass ein Gemeinwesen ausnahmslos jeden Aufenthalt durch laufende Leistungen zu alimentieren habe. Eine Vergleichbarkeit mit der Situation von Asylbewerbern bestehe gerade nicht. Unionsbürgern sei es zuzumuten, in ihr Heimatland zurückzukehren und sich damit selbst zu helfen (LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 7. Juli 2016 - L 9 SO 12/16 B ER, L 9 SO 13/16 B PKH - unter Bezugnahme auf BVerwG, Beschluss vom 8. Juli 1988 - 5 B 136/87 u. a. - Buchholz 436.0 § 120 BSHG Nr. 9; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 22. Februar 2016 s. o.; LSG Hamburg, Beschluss vom 14. April 2016 - L 4 AS 76/16 B ER -; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 17. März 2016 - L 9 AS 1580/15 B ER -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 7. März 2016 L 12 SO 79/16 B ER -; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 11. Februar 2016 L 3 AS 668/15 B ER -). In diesem Sinne lässt auch der Referentenentwurf der Bundesregierung zu einem Gesetz zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Bearbeitungsstand: 28. April 2016) als Reaktion auf die genannten Entscheidungen des BSG vom 3. und 16. Dezember 2015 sowie vom 20. Januar 2016 (s. o.) erkennen, dass Ausländerinnen und Ausländer, denen kein Aufenthaltsrecht zusteht oder deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, sowohl nach dem SGB II als auch nach dem SGB XII von jeglichen Hilfeleistungen ausgeschlossen sein sollen. Eine Ausnahmeregelung ist nur für Überbrückungsleistungen vorgesehen. Danach werden vom Leistungsausschluss erfassten Ausländern einmalig innerhalb von zwei Jahren bis zur Ausreise, längstens für einen Zeitraum von vier Wochen, nur eingeschränkte Hilfen gewährt, um den Zeitraum bis zur Ausreise zu überbrücken (§ 23 Abs. 3 Satz 3 des Entwurfs).

Es kann im vorliegenden Beschwerdeverfahren offen bleiben, ob § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII entsprechend anwendbar ist. Denn auch bei Bejahung dieser Frage fehlt es an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs auf Gewährung von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt.

Der Auffassung des BSG (Urteil vom 3. Dezember 2015 - B 4 AS 44/15 R -; Urteil vom 16. Dezember 2015 s. o.; BSG, Urteil vom 20. Januar 2016 s. o.; BSG, Urteil vom 17. Februar 2016 s. o.; BSG, Urteil vom 17. März 2016 s. o.), dass der zuständige Sozialhilfeträger bedürftigen EU-Bürgern, die nach Ablauf eines sechsmonatigen Aufenthalts nicht über eine materielle Freizügigkeitsberechtigung verfügen, aufgrund einer Reduzierung des ihm nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII eingeräumten Ermessens auf Null im Regelfall dem Grunde und der Höhe nach ungekürzte Hilfe zum Lebensunterhalt nach Maßgabe des Dritten Kapitels des SGB XII zu gewähren hat, vermag der Senat nicht zu folgen. Zum einen begründet § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII gerade keinen Anspruch auf Leistungen der Sozialhilfe, sondern eröffnet lediglich eine auf Ausnahmefälle beschränkte Ermessensentscheidung des zuständigen Sozialhilfeträgers (vgl. Coseriu in: jurisPK-SGB XII, § 23 Rn. 75). Die Ausübung von Ermessen ist dabei nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII nur eröffnet, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt ist (vgl. Coseriu in: jurisPK-SGB XII, § 23 Rn. 26). Das schließt zur Überzeugung des Senats ein Verständnis der Vorschrift dahingehend, dass über einen im Einzelfall bestehenden Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung hinaus ein genereller Rechtsanspruch auf laufende Hilfe zum Lebensunterhalt aller EU-Bürger nach einem Aufenthalt von sechs Monaten besteht, aus (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 7. März 2016 - L 15 AS 185/15 B ER -). Auch vermag der Senat der Auffassung des BSG, dass im Regelfall eine "Verfestigung" des Aufenthaltsrechts nach Ablauf von sechs Monaten eintrete, nicht zu folgen. Zum einen kann bei einem nicht rechtmäßigen Aufenthalt durch einfachen Zeitablauf keine Verfestigung des Aufenthaltsrechts angenommen werden (vgl. LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 7. Juli 2016 s. o.). Zum anderen erschließt sich nicht, weshalb eine differenzierte Betrachtung zwischen den ersten sechs Monaten des Aufenthalts und dem danach liegenden Zeitraum erforderlich sein sollte. Allein die Tatsache, dass nach sechs Monaten die Freizügigkeitsberechtigung zum Zweck der Arbeitsuche endet und die Ausländerbehörde deren Verlust feststellen kann, genügt hierfür nach Auffassung des Senats nicht. Auch der Hinweis auf verfassungsrechtliche Erwägungen vermag eine solche Unterscheidung nicht zu rechtfertigen, da das vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) herausgestellte Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums, welches deutschen und ausländischen Staatsangehörigen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, gleichermaßen zusteht (BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 -), an keinen Mindestaufenthalt anknüpft. Das LSG Niedersachsen-Bremen (Beschluss vom 7. März 2016 s. o.) weist zudem zu Recht darauf hin, dass sich aus der Ermessensreduzierung auf Null ein Widerspruch zu dem Leistungsausschluss in § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII ergäbe.

Im Ergebnis kann damit eine regelhaft nach sechs Monaten Aufenthalt eintretende Ermessensreduzierung auf Null im Rahmen des § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII nicht angenommen werden. Aus dem zugrundeliegenden Sachverhalt ergeben sich keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass jede andere Entscheidung, als eine dem Grunde und der Höhe nach ungekürzte Bewilligung laufender Leistungen nach dem SGB XII gegenüber dem Antragsteller ermessensfehlerhaft wäre. Insbesondere der Umstand, dass der Antragsteller seit seiner Einreise und auch noch nach Stellung des Eilantrages beim Sozialgericht über keinen festen Wohnsitz verfügte und seine Ehefrau in Spanien lebte, spricht eher gegen eine Verfestigung seines Aufenthaltsrechts. Dem Antragsteller steht damit gegenüber dem Beigeladenen allenfalls ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über sein Begehren auf Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt zu. Die Beigeladene wird bei ihrer Entscheidung im Hauptsacheverfahren zum einen die tatsächlichen Lebensumstände des Antragstellers zu berücksichtigen haben, zum anderen wird die Frage der Hilfebedürftigkeit abschließend zu klären sein.

Fehlt es damit an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs auf Sozialhilfeleistungen, war die vom Sozialgericht ausgesprochene Verpflichtung der Beigeladenen zur Erbringung von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII aufzuheben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auch insoweit abzulehnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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