L 4 R 194/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 3244/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 194/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 15. Dezember 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Bescheidung eines Statusfeststellungsantrags.

Der am 1947 geborene Kläger beantragte am 2. Januar 2013 Regelaltersrente. Er machte gegenüber der Beklagten unter anderem geltend, vom 1. Januar 1999 bis 14. April 2008 im Unternehmen seiner geschiedenen Ehefrau, Firma R. S. (im Folgenden RS), in Vollzeit abhängig beschäftigt gewesen zu sein. Mit Bescheid vom 17. April 2013 bewilligte die Beklagte dem Kläger Regelaltersrente ab 1. Februar 2013. Sie lehnte es unter anderem ab, die Zeit vom 4. August 1998 bis 14. April 2008 als Beitragszeit anzuerkennen, weil weder in den vorhandenen Versicherungsunterlagen Beiträge bescheinigt seien noch die Beitragseinzahlung glaubhaft erscheine und Beiträge auch nicht als gezahlt gälten. Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies den Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 10. März 2014). Die hiergegen vom Kläger erhobene Klage (S 4 R 1785/14, nach Abtrennung S 4 R 2679/14) wies das Sozialgericht Freiburg (SG) mit Gerichtsbescheid vom 1. Dezember 2014 ab. Die vom Kläger hiergegen eingelegte Berufung (L 4 R 19/15) hat der Senat am selben Tag mündlich verhandelt.

Den Vortrag des Klägers im Klageverfahren S 4 R 2679/14, von 1999 bis 2008 bei seiner geschiedenen Ehefrau in Vollzeit abhängig beschäftigt gewesen zu sein und die Beklagte habe die Firma seiner geschiedenen Ehefrau hinsichtlich der Scheinselbstständigkeit zu überprüfen, wertete das SG als weitere Klage des Klägers (S 4 R 5505/14). Der Kläger beantragte am 28. Januar 2015 in der mündlichen Verhandlung vor dem SG im Verfahren S 4 R 5505/14 bei der Beklagten "die Statusfeststellung für die Tätigkeit bei der Firma [RS] in den Jahren 1997 bis 2010" und erklärte das Klageverfahren S 4 R 5505/14 für erledigt. Der Antrag ging am 9. März 2015 bei der zuständigen Clearingstelle der Beklagten ein.

Am 20. Juli 2015 erhob er Klage beim SG "wegen mangelhafter Bearbeitung, bzw. Untätigkeit" der Beklagten "bei der Statusfeststellung [seiner] Tätigkeit bei der [RS] in den Jahren 1970 bis 2010" mit den Anträgen, die Beklagte zu verurteilen, "qualifizierte Bearbeitung vorzunehmen" sowie Betriebsprüfungsberichte und Unterlagen der Betriebsprüfung vorzulegen.

Mit an den Kläger und die RS gerichteten Bescheiden vom 20. August 2015 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers vom 9. März 2015 auf Feststellung seines sozialversicherungsrechtlichen Status ab. Für die Zeit von 1997 bis 2010 lägen lediglich handgeschriebene Reisekostenabrechnungen vor. Aus diesen ergäben sich jedoch keine Hinweise auf die Tätigkeit für die RS. Es lägen keine Nachweise vor, die geeignet seien, ein Vertragsverhältnis zu belegen. Hiergegen legte der Kläger nach Mitteilung der Beklagten am 21. September 2015 Widerspruch ein.

Auf den richterlichen Hinweis, dass die Untätigkeitsklage durch den Bescheid vom 20. August 2015 erledigt sein dürfte, erklärte der Kläger, mit einer Rücknahme der Klage sei er nicht einverstanden. Die Beklagte verlange von ihm immer wieder neue Unterlagen, obwohl sie die alten, von ihm vorgelegten und mehr als 200 Seiten umfassenden Unterlagen noch nicht bearbeitet habe. Die Statusfeststellung habe entscheidende Auswirkungen auf seine weiteren Klagen und seine Rentenbezüge.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Eine rechtswidrige Unterlassung eines Verwaltungsaktes liege ebenso wenig vor wie eine unzureichende oder fehlerhafte Zwischennachricht.

Mit Gerichtsbescheid vom 15. Dezember 2015 wies das SG die Klage ab. Zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung sei die Untätigkeitsklage mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, da die Beklagte unter dem 20. August 2015 den begehrten Bescheid erlassen habe. Inhaltliche Einwendungen gegen den Bescheid wären im Rahmen des Widerspruchsverfahrens und nicht im Wege der Untätigkeitsklage geltend zu machen.

Gegen den ihm am 18. Dezember 2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 15. Januar 2016 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt und auf richterlichen Hinweis zur Unzulässigkeit der Untätigkeitsklage erklärt, die Berufung nicht zurückzunehmen. Die Beklagte verringere seit Jahren generell die Rentenzahlungen bei gleicher Historie der Anträge der Antragsteller, so auch bei ihm. Zudem habe die Beklagte das von ihm beantragte Statusfeststellungsverfahren aus seiner Sicht fahrlässig, vielleicht sogar rechtswidrig zu seinem Nachteil durchgeführt, da eine qualifizierte Überprüfung der von ihm eingereichten Unterlagen durch die Beklagte seit Jahren nicht erfolge. Er hat Reisekostenabrechnungen und weitere Unterlagen für die Zeit ab 1997 eingereicht.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 15. Dezember 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, seinen Antrag vom 28. Januar 2015 auf Statusfeststellung für die Jahre 1970 bis 2010 zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Der Senat hat dem Kläger Einsicht in die Verfahrensakten des SG der Verfahren S 4 R 2669/14, S 4 R 5346/14, S 4 R 5505/14 und S 4 R 3244/15 sowie in die Verwaltungsakte der Beklagten gewährt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akten des SG sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere statthaft. Sie bedurfte nicht der Zulassung nach § 144 Abs. 1 SGG. Denn der begehrte Verwaltungsakt betrifft keine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 SGG). Auch Untätigkeitsklagen unterliegen der Berufungsbeschränkung des § 144 Abs. 1 SGG (Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 6. Oktober 2011 – B 9 SB 45/11 B – juris, Rn. 10).

2. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist das Begehren des Klägers auf Bescheidung des Antrags auf Statusfeststellung vom 28. Januar 2015. Diesen bei Klageerhebung am 20. Juli 2015 gestellten Antrag hat er nicht aufgegeben. Eine Umstellung der Klage ist insoweit zu keinem Zeitpunkt erfolgt, auch nicht auf richterliche Hinweise auf den Bescheid vom 28. August 2015. An dem in der Klageschrift noch geäußerten Begehren auf Verurteilung der Beklagten auf Vorlage von Betriebsprüfungsberichten und Unterlagen der Betriebsprüfung bzgl. RS hat er hingegen ersichtlich (§ 123 SGG) bereits im Klageverfahren nicht mehr festgehalten. So hat er auf den richterlichen Hinweis im erstinstanzlichen Verfahren, die Klage sei nach Erlass des Bescheides vom 20. August 2015 erledigt, nicht geltend gemacht, sein Begehren auf Vorlage von Unterlagen sei noch offen. Das SG hat im angefochtenen Gerichtsbescheid nur über das Bescheidungsbegehren entschieden, ohne dass der Kläger geltend gemacht hätte, sein Begehren sei nicht vollständig erfasst worden. Ohnehin wäre eine auf Vorlage der genannten Unterlagen gerichtete Klage unzulässig. Denn nach § 56a Satz 1 SGG können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen – hier auf Vorlage der Unterlagen – nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Dies gilt nach Satz 2 nur dann nicht, wenn behördliche Verfahrenshandlungen vollstreckt werden können oder gegen einen Nichtbeteiligten ergehen, was vorliegend nicht der Fall wäre.

3. Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen.

a) Soweit der Kläger die Bescheidung eines Statusfeststellungsantrags bzgl. seiner Tätigkeit für RS in den Jahren 1970 bis 1996 begehrt, ist die Klage mangels entsprechenden Antrags bei der Beklagten unzulässig.

Nach § 88 Abs. 1 SGG ist, wenn ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden ist, die Klage nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts zulässig. Für die Jahre 1970 bis 1996 liegt ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts des Klägers nicht vor. Der in der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 28. Januar 2015 gestellte Antrag bezog sich ausdrücklich (nur) auf die Jahre 1997 bis 2010. Die Stellung eines Antrags bei der Behörde ist Zulässigkeitsvoraussetzung einer Untätigkeitsklage (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 88 Rn. 3).

b) Für den Zeitraum 1997 bis 2010 ist die Untätigkeitsklage durch den Erlass des Bescheides vom 20. August 2015 in der Sache erledigt. Die Untätigkeitsklage nach § 88 SGG ist auf Verurteilung der Behörde (allein) zur Bescheidung gerichtet, nicht auf Erlass eines Verwaltungsaktes mit bestimmtem Inhalt und auch nicht auf die Prüfung der materiellen Voraussetzungen eines Anspruchs oder die Bewilligung einer Leistung. Daher ist die Untätigkeitsklage in der Hauptsache auch dann erledigt, wenn die Behörde den Antrag auf Vornahme des Verwaltungsaktes ablehnt. Die mit der Untätigkeitsklage allein begehrte Bescheidung ist auch dann erfolgt (zum Ganzen Leitherer, a.a.O., Rn. 2, 9 und 12 m.w.N.; BSG, Beschluss vom 16. Oktober 2014 – B 13 R 282/14 B – juris, Rn. 6). Für eine aufrechterhaltene Untätigkeitsklage besteht kein Rechtsschutzbedürfnis mehr. Der Kläger hat die Untätigkeitsklage weder für erledigt erklärt noch umgestellt.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG. Da der Kläger trotz Erledigung in der Sache an der Untätigkeitsklage festgehalten hat, wäre es – unabhängig von der Frage der Veranlassung der Klage – nicht sachgerecht, der Beklagten die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch nur teilweise aufzuerlegen.

5. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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