L 7 AL 35/15

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 19 AL 494/08
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AL 35/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Keine Sperrzeit für Sozialarbeiter/innen im Anerkennungsjahr wegen nicht ausreichend frühzeitiger Arbeitsuchendmeldung
I. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 29. Juli 2014 sowie der Bescheid der Beklagten vom 18. August 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. September 2008 aufgehoben.

II. Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten in beiden Instanzen einschließlich des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens (L 7 AL 109/14 NZB) - zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Feststellung einer einwöchigen Sperrzeit wegen verspäteter Arbeitsuchendmeldung.

Die 1963 geborene Klägerin absolvierte nach Abschluss ihres Fachhochschulstudiums der Sozialpädagogik vom 1. August 2007 bis zum 31. Juli 2008 das hieran anschließende einjährige Anerkennungspraktikum im Bereich des Staatlichen Schulamts für den Landkreis C. und den Main-Taunus-Kreis. Hierzu wurde ein Praktikantenvertrag mit dem Staatlichen Schulamt am 16. Mai 2007 geschlossen, der in seinem § 3 auf die Regelung des Berufsbildungsgesetzes Bezug nimmt (vgl. Blatt 24 u. 25 der Gerichtsakte).

Am 7. August 2008 meldete sich die Klägerin bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld, ohne sich zuvor arbeitsuchend gemeldet zu haben. Im Rahmen der Anhörung zum Eintritt einer Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung erklärte die Klägerin, diese Verpflichtung habe für sie nicht gegolten, weil ihr Berufspraktikumsverhältnis ein "betriebliches Arbeitsverhältnis" gewesen sei und nach § 3 des Ausbildungsvertrages das Berufsbildungsgesetz (BBiG) gelte.

Mit Bescheid vom 18. August 2008 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit vom 1. August 2008 bis zum 7. August 2008 fest, weil die Klägerin ihrer Verpflichtung nach § 37b Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III), sich drei Monate vor Beendigung des Arbeits- beziehungsweise Ausbildungsverhältnisses persönlich oder telefonisch bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden, mit der persönlichen Meldung vom 7. August 2008 nicht nachgekommen sei. Gleichzeitig mindere sich damit der Anspruch auf Arbeitslosengeld um sieben Tage. Mit Bewilligungsbescheid vom 18. August 2008 wurde der Klägerin Arbeitslosengeld in Höhe von 17,47 Euro täglich für den Zeitraum vom 8. August 2008 bis 29. Januar 2009 bewilligt, wobei als Anspruchsbeginn der 7. August 2008 festgestellt war.

Gegen den Sperrzeitbescheid legte die Klägerin am 1. September 2008 Widerspruch ein, in dem sie vortrug, dass nach § 37b Satz 5 SGB III die Pflicht zur frühzeitigen Arbeitsuchendmeldung für betriebliche Ausbildungsverhältnisse entfalle und als solches auch das Berufspraktikumsverhältnis gelte. Auch in ihrem Vertrag mit dem Land Hessen sei ausdrücklich das BBiG für anwendbar erklärt worden. Außerdem verwies sie auf ein Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 27. Januar 1999 (17 Ca 8284/98, Blatt 26 ff. Leistungsakte), in dem u. a. ausgeführt worden war, dass auf ein vergleichbares Praktikantenverhältnis gemäß § 19 BBiG das BBiG Anwendung finde.

Mit Widerspruchsbescheid vom 9. September 2008, zu dessen vollständigem Inhalt auf Blatt 38 ff. der Leistungsakte Bezug genommen wird, wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung wurde u. a. unter Darlegung der gesetzlichen Regelungen der §§ 144 und 37b SGB Ill ausgeführt, der Überlegung des Gesetzgebers, die Meldepflicht nach § 37b SGB Ill nicht auf betriebliche Ausbildungsverhältnisse anzuwenden, liege die Annahme zugrunde, dass bei einem betrieblichen Ausbildungsverhältnis in der Regel (bei bestandener Abschlussprüfung) eine Übernahme im Ausbildungsbetrieb erfolge. Bei der Ausbildung zur Sozialpädagogin handele es sich jedoch nicht um ein betriebliches Ausbildungsverhältnis. Das so genannte Anerkennungsjahr werde auch nicht zum Zwecke der Übernahme danach eingegangen, sondern sei lediglich zur Vervollständigung der Ausbildung notwendig. Die Klägerin habe daher zu dem Personenkreis gehört, der unter die Meldepflicht des § 37b SGB III falle. Da das Praktikantenverhältnis am 31. Juli 2008 durch Ablauf des auf ein Jahr befristeten Vertrages geendet habe, hätte sie sich spätestens drei Monate vor dessen Beendigung, also am 30. April 2008, bei der Beklagten arbeitsuchend melden müssen.

Hiergegen hat die Klägerin am 17. September 2008 vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main Klage erhoben und zur Begründung ihren Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft sowie Unterlagen über die ihrer Ausbildung zugrunde liegenden rechtlichen Vorschriften vorgelegt. Hierzu wird auf Blatt 12 bis 41 der Gerichtsakte Bezug genommen. Die Klägerin weist darauf hin, dass der Gesetzgeber nirgends das "betriebliche Ausbildungsverhältnis" definiert habe. Selbst wenn er damit die so genannte duale Ausbildung gemeint haben sollte, sei auch das von der Klägerin absolvierte "zweiphasige" Berufspraktikum eine solche duale Ausbildung. Hierunter verstehe man die parallele Ausbildung in Betrieb und Berufsschule. Hier trete an die Stelle der Berufsschule der Studientag in der Fachhochschule. Auch Berufspraktikantinnen könnten von der Ausbildungsstelle übernommen werden. Die Übernahmequote in ihrem Bereich liege sogar bei 60-70 Prozent und damit sogar noch höher als der Durchschnitt bei den sonstigen betrieblichen Ausbildungsverhältnissen. Mit der in der gesetzlichen Regelung des § 37b Satz 5 SGB Ill vorgesehenen Formulierung "bei einem betrieblichen Ausbildungsverhältnis" liege erkennbar keine Einschränkung auf bestimmte betriebliche Ausbildungsverhältnisse vor. Auch unter Berücksichtigung der Motive des Gesetzgebers ergebe sich kein Grund, das Anerkennungsjahr anders und damit schlechter zu behandeln als andere betriebliche Ausbildungsverhältnisse.

Dem ist die Beklagte unter Verweisung auf ihre Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid entgegen getreten. Danach habe die Klägerin nicht in einem betrieblichen Ausbildungsverhältnis mit Berufsausbildungsvertrag oder nach der Ausbildungsordnung gestanden, sondern sei nach absolviertem Studium im Anerkennungsjahr gewesen. Das Anerkennungsjahr sei zwar Bestandteil der Ausbildung, gehöre aber bereits zur Berufspraxis und beginne nach bestandener Diplomabschlussprüfung. Dass mit Satz 5 des § 37b SGB III betriebliche Ausbildungsverhältnisse im Sinne der dualen Ausbildung gemeint seien, ergebe sich auch aus der Gesetzesbegründung (BT-Ds. 15/25, Seite 27). Die Klägerin sei nach erlangtem Diplomabschluss von vornherein befristet für das Anerkennungsjahr beschäftigt gewesen. Sie sei vom Staatlichen Schulamt weder zur Ausbildung beschäftigt gewesen noch habe sie dort eine Abschlussprüfung zu absolvieren gehabt, sondern lediglich von der so genannten Praxisstelle eine Beurteilung für die staatliche Anerkennung erhalten. Bereits die Überschrift des Praktikantenvertrages zeige, dass es sich nicht um einen Ausbildungsvertrag gehandelt habe.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main am 29. Juli 2014 hat sich die Beklagte durch ihren Terminsbevollmächtigten bereit erklärt, der Klägerin für den Fall der Klagestattgabe die hieraus folgenden Leistungen in gesetzlichem Umfang nachzuzahlen.

Mit Urteil vom 29. Juli 2014 hat das Sozialgericht Frankfurt am Main die Klage abgewiesen und die Berufung ausdrücklich nicht zugelassen.

Die Klage sei als reine Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz SGG) zulässig. Eines auf die Zahlung von Arbeitslosengeld gerichteten Leistungsantrags habe es nicht bedurft, weil die Beklagte sich in der mündlichen Verhandlung für den Fall der Klagestattgabe ausdrücklich bereit erklärt habe, der Klägerin die hieraus folgenden Leistungen in gesetzlichem Umfang nachzuzahlen.

Die Klage sei jedoch nicht begründet. Der Bescheid vom 18. August 2008 sei auch in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid vom 9. September 2008 erhalten habe (§ 95 SGG), von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Die Beklagte habe zu Recht mit dem Bescheid vom 18. August 2008 den Eintritt einer Sperrzeit vom 1. August 2008 bis zum 7. August 2008 und eine Minderung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld für sieben Tage festgestellt. Die Klägerin habe sich entgegen ihrer Verpflichtung aus § 37b SGB III (hier in der Fassung, die die Regelung durch das Beschäftigungschancenverbesserungsgesetz vom 19. April 2007 (BGBI. I, Seite 538) mit Wirkung zum 1. Mai 2007 erhalten habe) nicht spätestens drei Monate vor Ende des Arbeits- oder Ausbildungsverhältnisses arbeitsuchend gemeldet. Bei dieser Entscheidung folge das Gericht der zutreffenden Begründung des Widerspruchsbescheides vom 9. September 2008, sodass von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe insoweit abgesehen werde (§ 136 Abs. 3 SGG).

Zu ergänzen sei, dass das befristete Praktikumsverhältnis der Klägerin auch unter Berücksichtigung ihres Vortrags und der von ihr vorgelegten Unterlagen nicht als betriebliches Ausbildungsverhältnis anzusehen sei und die Regelung des § 37b Satz 5 SGB III auf das Praktikumsverhältnis auch nicht entsprechend anzuwenden sei.

Soweit die Klägerin auf die Regelung des § 19 BBiG (jetzt § 26 BBiG) Bezug nehme, wonach dann, wenn kein Arbeitsverhältnis vereinbart sei und es sich nicht um eine Berufsausbildung im Sinne dieses Gesetzes handele, die §§ 3 bis 18 mit der Maßgabe gelten sollen, dass die gesetzliche Probezeit abgekürzt, auf die Vertragsniederschrift verzichtet und bei vorzeitiger Lösung des Vertragsverhältnisses nach Ablauf der Probezeit abweichend von § 16 Abs. 1 Satz 1 Schadensersatz nicht verlangt werden könne, so zeige bereits der Inhalt der §§ 3 bis 18 und der in § 19 genannten Ausnahmen, dass es sich hierbei um eine Regelung auf dem Gebiet des Arbeitsrechts handele. Anknüpfungspunkte dafür, dass diese Regelung zu einer entsprechenden Anwendung auf die sozialrechtliche Regelung des § 37b SGB Ill führen könnte, seien dem BBiG nicht zu entnehmen. Mit der Ausnahmeregelung des § 37b Satz 5 SGB Ill werde vielmehr den Besonderheiten im Falle einer betrieblichen Ausbildung Rechnung getragen, die insbesondere darin lägen, dass die Beendigung des Versicherungsverhältnisses davon abhänge, dass die oder der Auszubildende die Abschlussprüfung erfolgreich absolviere (Winkler in Gagel, SGB Ill, Stand April 2012, § 38 Rn. 47). Auch das Datum der Abschlussprüfung und damit das Ende des Versicherungspflichtverhältnisses bei Bestehen der Prüfung stünden nicht von vornherein fest. Demgegenüber sei das Praktikantenverhältnis der Klägerin von Anfang an eindeutig bis zum 31. Juli 2008 befristet gewesen und das Praktikum endete, ohne dass noch eine Prüfung absolviert werden musste. Auf die Ausführungen der Klägerin über die Übernahmequote nach Abschluss des Anerkennungsjahres komme es daher nicht an. Gleiches gelte für die Möglichkeit der Verkürzung des Anerkennungspraktikums, wie sie im Dritten Abschnitt der Verordnung vom 19. Juli 2005 (Blatt 14 ff. Gerichtsakte) über die Anrechnung sozialpraktischer Tätigkeiten geregelt sei. Hierbei handele es sich um die öffentlich-rechtlichen Regelungen über die Verkürzung des Berufspraktikums aufgrund einschlägiger Vortätigkeiten. Eine zuerkannte Verkürzung könne zu einem in der Laufzeit kürzeren Praktikumsvertrag oder zu dessen vertraglicher Anpassung auf eine kürzere Befristung führen, was aber nicht vergleichbar sei mit dem zunächst unbekannten Ende eines betrieblichen Ausbildungsverhältnisses.

Das Urteil ist dem Bevollmächtigten der Klägerin am 22. August 2014 zugestellt worden. Am 22. September 2014 hat dieser für die Klägerin beim Hessischen Landessozialgericht Nichtzulassungsbeschwerde erhoben.

Mit Beschluss vom 25. März 2015 hat der Senat die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 29. Juli 2014 aufgehoben und die Berufung gegen das Urteil wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen.

Die Klägerin vertritt weiterhin die Auffassung, dass die Beschäftigung der Sozialarbeiterinnen oder Sozialarbeiter im Anerkennungsjahr als eine Tätigkeit in einem betrieblichen Ausbildungsverhältnis gemäß den gesetzlichen Bestimmungen des § 37b Satz 5 SGB III in der seinerzeit gültigen Fassung (jetzt § 38 Abs. 1 Satz 5 SGB III) zu bewerten sei. Auch nach Auffassung des Bundessozialgerichts (BSG) sei der Begriff des Ausbildungsverhältnisses in einem ähnlichen Kontext weit zu verstehen. So sei nach Auffassung des BSG auch der juristische Vorbereitungsdienst als Teil der Berufsausbildung anzusehen (Verweis auf BSG vom 3. Februar 1994 – 12 RK 6/91). Die vom Gesetzgeber vorgesehene Schutzfunktion des betrieblichen Ausbildungsverhältnisses sei auch für die rechtliche Stellung der Berufspraktikantinnen und Berufspraktikanten im Anerkennungsjahr notwendig und sachgerecht. Schließlich sei auch auf eine Entscheidung des Bayerischen Landessozialgerichts vom 27. Januar 2015 (L 10 AL 382/13) hinzuweisen; auch im Falle der Klägerin ergäben sich hinsichtlich der konkreten Kenntnis des Beendigungszeitpunktes, die bei einer Verpflichtung zur Arbeitssuchendmeldung vorauszusetzen wäre, vergleichbare Unwägbarkeiten. So werde das Berufspraktikum mit einer Praktikumsabschlussarbeit und einem Kolloquium abgeschlossen. Neben den Umständen, in denen es zu einer Veränderung des Beendigungszeitpunktes durch Verlegen des Prüfungstermins oder Nichtbestehen der Prüfung komme, würden in § 11 der Verordnung über die Staatliche Anerkennung von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern in der seinerzeit maßgeblichen Fassung Tatbestände benannt, bei denen das Berufspraktikum zu verlängern sei. Somit sei festzustellen, dass die Klägerin keine hinreichende Kenntnis von einem konkreten Beendigungszeitpunkt gehabt habe.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 29. Juli 2014 und den Bescheid der Beklagten vom 18. August 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. September 2008 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält an ihrer bisherigen Bewertung fest, wonach es sich bei dem Ausbildungsverhältnis, welches die Klägerin mit dem Land Hessen geschlossen hatte, nicht um ein betriebliches Ausbildungsverhältnis im Sinne des § 38 Abs. 1 S. 5 SGB III handele. Dass die Quote der Anschlussbeschäftigung bei 70 % liege, ergebe sich allein aus der seit einigen Jahren und auch gegenwärtig noch guten Arbeitsmarktlage für Sozialarbeiter. Das ändere jedoch nichts daran, dass hier eine Weiterbeschäftigung wie bei typischen Ausbildungsverhältnissen von vornherein nicht vorgesehen sei. Stelle man zudem, wie wohl das Bayerische LSG in seiner Entscheidung vom 27. Januar 2015, auf die konkrete Kenntnis der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses wie das Bestehen der Abschlussprüfung ab, so greife jedenfalls § 38 Abs. 1 S. 2 SGB III, wonach die Meldung innerhalb von 3 Tagen nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes zu erfolgen habe. Auch diese Frist sei nicht eingehalten worden.

Mit Schriftsätzen vom 21. April 2016 (Klägerseite) und 6. Mai 2016 (Beklagte) haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Leistungsakte der Beklagten, die bei der Entscheidung jeweils vorgelegen haben, ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte eine Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung treffen, weil sich die Beteiligten damit übereinstimmend einverstanden erklärt haben (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

Die nach Zulassung durch Beschluss des Senats vom 25. März 2015 statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Der Bescheid der Beklagten vom 18. August 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. September 2008 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Voraussetzungen zur Feststellung eines Ruhens des Anspruchs auf Arbeitslosengeld für die Zeit vom 1. August 2008 bis 7. August 2008 wegen einer Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung gem. § 144 Abs. 1 Nr. 7 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in der – hier maßgeblichen – Fassung vom 22. Dezember 2005 (künftig: a.F.) lagen nicht vor. Das SG hat die zulässige und aufgrund der Zusage der Terminsbevollmächtigten der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 29. Juli 2014, wonach die Beklagte sich für den Fall der Klagestattgabe bereit erklärt, der Klägerin die hieraus folgenden Leistungen in gesetzlichem Umfang nachzuzahlen, auch ausreichende (reine) Anfechtungsklage somit zu Unrecht abgewiesen.

Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 7 i.V.m. Abs. 6 SGB III a.F. ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer einer Sperrzeit für eine Woche, wenn der Arbeitslose der Meldepflicht nach § 37b SGB III nicht nachgekommen ist, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Nach § 37b Satz 1 SGB III in der – hier maßgeblichen – Fassung vom 19. April 2007 (künftig: a.F. – zwischenzeitlich: § 38 SGB III) sind Personen, deren Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis endet, verpflichtet, sich spätestens drei Monate vor dessen Beendigung persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden. Liegen zwischen der Kenntnis des Beendigungszeitpunktes und der Beendigung des Arbeits- oder Ausbildungsverhältnisses weniger als drei Monate, hat die Meldung innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes zu erfolgen (Satz 2) ... Die Pflicht zur Meldung gilt nicht bei einem betrieblichen Ausbildungsverhältnis (Satz 5).

Vorliegend hat sich die Klägerin erst am 7. August 2008 und somit weder unter Einhaltung der Frist des § 37b Satz 1 noch der des § 37b Satz 2 SGB III a.F. bei der Beklagten gemeldet. Ein versicherungswidriges und folglich sperrzeitbegründendes Verhalten im Sinne des § 144 Abs. 1 S. 1 i.V.m. S. 2 Nr. 7 SGB III a.F. ist für die Klägerin daraus jedoch nicht abzuleiten, da in Anwendung der Regelung des § 37b Satz 5 SGB III a.F. für sie die Pflicht zur Meldung nicht galt. Denn insoweit stand das vorliegend von der Klägerin im Rahmen eines Praktikantenverhältnisses absolvierte Anerkennungsjahr einem "betrieblichen Ausbildungsverhältnis" im Sinne des § 37b Satz 5 SGB III a.F. gleich. Dies ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der Vorschrift – wobei der Begriff des betrieblichen Ausbildungsverhältnisses nicht ausdrücklich definiert wird – jedenfalls aber aus dem Sinn und Zweck der Regelung.

Während die mit der Vorschrift des § 37b SGB III a.F. eingeführte Verpflichtung zur frühzeitigen Arbeitsuchendmeldung grundsätzlich dazu dient, die Eingliederung in Arbeit zu beschleunigen, also die Ausbildung- und Arbeitsvermittlung effektiver und effizienter zu machen, und damit Arbeitslosigkeit und Entgeltersatzleistungen der Versichertengemeinschaft möglichst zu vermeiden bzw. die Dauer der Arbeitslosigkeit zu verkürzen (vgl. hierzu: Coseriu/Jakob, in: Mutschler/Bartz/Schmidt-De Caluwe, SGB III Großkommentar, 3. Auflage 2008, § 37b Rn. 1), hat der Gesetzgeber dies nach Satz 5 bei einem "betrieblichen Ausbildungsverhältnis" nicht für erforderlich gehalten und in der Gesetzesbegründung (Bundestagsdrucksache 15/25 vom 5. November 2002 S. 27) hierzu (lediglich) ausgeführt: "Für Auszubildende in betrieblicher Ausbildung gilt die Verpflichtung zur Meldung nicht, weil sie überwiegend vom Ausbildungsbetrieb weiterbeschäftigt werden. Ob der Betrieb zur Übernahme bereit ist, entscheidet sich meist erst unmittelbar nach dem Bestehen der Abschlussprüfung." Hat der Gesetzgeber jedoch als Grund für die Ausnahme von der Meldepflicht allein die Tatsache der überwiegenden Weiterbeschäftigung von Auszubildenden durch den Ausbildungsbetrieb gesehen, weshalb in diesen Fällen eine frühzeitige Vermittlungstätigkeit offensichtlich entbehrlich erscheint, so besteht keinerlei Veranlassung, den Begriff des "betrieblichen Ausbildungsverhältnisses" nur in einem ganz engen Sinne zu verstehen und nicht auch die vorliegend in Rede stehenden Berufspraktikantinnen und Berufspraktikanten im Anerkennungsjahr hierunter zu subsumieren. Denn auch diese durchlaufen im Rahmen des Berufspraktikums eine der dualen Ausbildung vergleichbare Ausbildung in Betrieb und Berufsschule, wobei an die Stelle der Berufsschule der Studientag in der Fachhochschule tritt (vgl. § 8 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 der Verordnung über die staatliche Anerkennung von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern, Sozialpädagoginnen und –pädagogen sowie Heilpädagoginnen und pädagogen vom 19. Juli 2005), und werden mit einer Übernahmequote von derzeit 70 Prozent – was auch von der Beklagten nicht bestritten wird – später von der Ausbildungsstelle übernommen. Auch in diesen Fällen wird man folglich eine frühzeitige Vermittlungstätigkeit und somit auch eine Meldepflicht als entbehrlich ansehen müssen. Hinzu kommt, dass das Berufspraktikum erst mit dem bestandenen Kolloquium erfolgreich abgeschlossen ist (vgl. § 18 Abs. 7 der o.a. Verordnung), was in der Regel dazu führen wird, dass auch die Arbeitsverwaltung kaum etwas in Richtung einer beschleunigten Eingliederung unternehmen kann bzw. wird, bevor es keine Klarheit über den Erfolg bei dem Abschlusskolloquium gibt (in diese Richtung auch Winkler, in: Gagel SGB II/SGB III, Stand Dezember 2013, § 38 Rn. 48 sowie Böttiger in Eicher/Schlegel, SGB III n.F., § 38 Rz. 71, die daher auch für Auszubildende in überbetrieblicher Ausbildung eine Gleichstellung mit Personen in betrieblicher Ausbildung bejahen).

Liegen damit die Voraussetzungen für ein Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld wegen einer Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 7 SGB III a.F. nicht vor, kommt auch eine Minderung des Anspruchs um 7 Tage gem. § 128 Abs. 1 Nr. 3 SGB III a.F. nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf dem Ausgang des Rechtsstreits gemäß § 193 Abs. 1 S. 1 SGG.

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
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