Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 2 AS 1801/15 WA
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 14 AS 745/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 27/17 R
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Der Umstand, dass ein Rechtsuchender ein Verfahren mit einer zulassungsbedürftigen Berufung vor den Sozialgerichten nicht betreibt, kann ihn verfahrensrechtlich nicht besser stellen als denjenigen, der ein solches Verfahren betreibt.
Bei Verfahren, die auf die Fortsetzung eines infolge einer Klagerücknahmefiktion (§ 102 Abs 2 S 1 SGG) beendeten Verfahrens gerichtet sind, bestimmt sich der Gegenstandswert nach dem Streitgegenstand des beendeten Verfahrens.
Bei Verfahren, die auf die Fortsetzung eines infolge einer Klagerücknahmefiktion (§ 102 Abs 2 S 1 SGG) beendeten Verfahrens gerichtet sind, bestimmt sich der Gegenstandswert nach dem Streitgegenstand des beendeten Verfahrens.
Bemerkung
BSG: Nichtzulassungsbeschwerde
Die Berufung der Klägerinnen gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 3. Februar 2016 wird als unzulässig verworfen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Streitig ist, ob das Verfahren auf Grund einer fiktiven Klagerücknahme erledigt ist.
Im Verfahren S 2 AS 3335/14 haben die Klägerinnen am 8. Juli 2014 bei dem Sozialgericht (SG) Cottbus Klage erhoben gegen den Änderungsbescheid des Beklagten vom 20. März 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juni 2014 (W 1327/14), der Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Monat Februar 2014 betraf, und haben Grundsicherungsleistungen in gesetzlicher Höhe im Wesentlichen mit der Begründung geltend gemacht, dass die Art und Weise der Ermittlung der Höhe der Regelbedarfe nicht mit dem Grundgesetz zu vereinbaren sei. Während aus Anlass des Widerspruchs noch höhere Regelleistungen von 5 Euro geltend gemacht worden waren, sind mit der Klage unter Bezugnahme auf den Vorlagebeschluss des Sozialgerichts Berlin vom 25. April 2012 (S 55 AS 9238/12) für einen alleinstehenden Leistungsberechtigten um mindestens 35,27 EUR (für 2012 angepasst 36,07 EUR) höhere Regelleistungen geltend gemacht. Im Übrigen sei auch ein Mehraufwand erhöhter Stromkosten geltend zu machen.
Mit Richterbrief vom 3. November 2014 hat der Kammervorsitzende die Klägerinnen aufgefordert, binnen vier Wochen eine Klagebegründung zu übersenden. Er hat zugleich darauf hingewiesen, dass die Ermittlung der Regelbedarfe der Verfassung entspräche (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Juli 2014) und insoweit keine Beschwer der Klägerseite mehr bestünde. Es sei auch nicht ersichtlich, dass hier Unterhalt als Einkommen berücksichtigt worden sei, obwohl keine Zahlungen erfolgt seien. Stromkosten seien im Regelbedarf berücksichtigt worden. Es dürfte insofern kein Anspruch auf Berücksichtigung eines Mehrbedarfs bestehen. Soweit Zahlen genannt worden seien, seien diese überholt und wohl im vorliegenden Fall nicht zutreffend.
Am 14. Januar 2015 hat der Kammervorsitzende ein weiteres Schreiben an den Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen verfügt. Daran hatte er ihn nach § 102 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) aufgefordert, das Verfahren zu betreiben und Tatsachen anzugehen, ob und wenn ja, aufgrund welcher Tatsachen noch eine Beschwer der Klägerinnen gegeben sei. Das Verfahren möge betrieben werden. Das SGG enthalte zwar für die Begründung der Klage und der Berufung, insbesondere für die Angabe von Beweismitteln und von Tatsachen, durch deren Nichtberücksichtigung die Klägerinnen sich beschwert fühlten, keine zwingenden Vorschriften. Das Gericht habe die Beteiligten aber gemäß § 103 S. 1 Halbsatz 2 SGG heranzuziehen. Bei fehlender Mitwirkung sei das Gericht nicht verpflichtet, von sich aus in jede nur mögliche Richtung ("ins Blaue hinein") zu ermitteln und Beweis zu erheben. Vorsorglich werde darauf hingewiesen, dass es nicht verpflichtet sei, erst im Rahmen eines Erörterungstermins oder gar Termin zur mündlichen Verhandlung zu erfahren, was Gegenstand der Klage sein solle. Es werde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Klage als zurückgenommen gelte, wenn die Klägerseite das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibe. Diese Fiktion der Klagerücknahme erledige den Rechtsstreit in der Hauptsache. Die Verfügung ist eigenständig mit vollen Namen des Richters unterschrieben worden. Aufgrund der Verfügung ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen ein Schreiben vom 14. Januar 2015 erstellt worden. Dieses ist ihm per Postzustellungsurkunde am 16. Januar 2015 zugestellt worden.
Am 21. April 2015 hat der Vorsitzende der zweiten Kammer des SG die Erledigung des Rechtsstreits wegen "Rücknahme" (§ 102 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG) verfügt.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerinnen hat mit Schriftsatz vom 26. April 2015 erwidert, dass ihr Rechtsschutzinteresse nicht entfallen sei. Das Verfahren werde im Rahmen der Möglichkeiten des Prozessbevollmächtigten gefördert. Die Einstellung weiteren Personals sei unter Berücksichtigung "der schwachsinnigen Kosten"rechtsprechung" des Sozialgerichtes Cottbus nicht möglich." Vor dem Hintergrund offener PKH-Vergütungen aus den Jahren 2010 bis 2013 dürfe sich das SG gern wieder mit einer Betreibensaufforderung an den Prozessbevollmächtigten wenden, wenn die Forderungen ausgeglichen worden seien. Bis dann würden die Verfahren nach deren Alter und Dringlichkeit abgearbeitet werden. Soweit das Gericht das Verfahren bereits als erledigt angesehen habe, werde die Fortführung ausdrücklich beantragt. Hieraufhin ist das Verfahren beim Sozialgericht Cottbus zum Az. S 2 AS 1801/15 WA neu registriert worden.
Die Klägerinnen haben vorgetragen, dass das Verfahren nicht durch Rücknahmefiktion beendet worden sei, da die Betreibensaufforderung nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprochen habe. Es fehle an einer Unterschrift des Kammervorsitzenden. Die Betreibensaufforderung sei förmlich zuzustellen. Eine solche Zustellung sei vorliegend aber nicht erfolgt, was hiermit ausdrücklich gerügt werde. Im Übrigen sei die Betreibensaufforderung auch deswegen nicht rechtmäßig, weil sie ermessensfehlerhaft gewesen sei. Dem Gericht sei nämlich die Arbeitsüberlastung des Prozessbevollmächtigten sehr wohl bekannt. In der Sache habe der Beklagte die Versicherungspauschale nicht vom Einkommen der Klägerin zu 2. in Abzug gebracht. Sie verfüge über eine eigene Unfallversicherung. In anderen Monaten sei die Pauschale von dem Beklagten berücksichtigt worden.
Das Sozialgericht hat durch Urteil vom 3. Februar 2016 festgestellt, dass die Klage als zurückgenommen gelte. Mit dem Schreiben vom 26. April 2015 sei nicht substantiiert dargelegt worden, dass und warum das Rechtsschutzbedürfnis nicht entfallen sei. Die Berufung ist vom Sozialgericht nicht zugelassen worden.
Gegen das dem Prozessbevollmächtigten am 16. Februar 2016 zugestellte Urteil hat er am 11. März 2016 für die Klägerinnen die zum Aktenzeichen L 14 AS 659/16 NZB registrierte Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, mit dem Begehren die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts zuzulassen. Das Urteil des SG beruhe auf einem Verfahrensfehler. Das Rechtsschutzbedürfnis sei nicht entfallen. Das Einkommen des Kindes aus Kindergeld sei nicht um die Versicherungspauschale bereinigt worden, obwohl bei dem Kind besondere Umstände vorlägen, die den Abschluss einer Unfallversicherung nahe legten.
Am 11. März 2016 hat der Prozessbevollmächtigte für beide Klägerinnen die zum Aktenzeichen L 14 AS 745/16 registrierte Berufung vor dem hiesigen Gericht eingelegt.
Die Klägerinnen beantragen (sinngemäß),
das Urteil des SG Cottbus vom 3. Februar 2016 aufzuheben sowie den Änderungsbescheid des Beklagten vom 20. März 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juni 2013 (W 1327/13) zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, "Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe und die Erstattung der Kosten des Vorverfahrens" zu gewähren,
hilfsweise das Urteil des SG Cottbus vom 3. Februar 2016 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das SG zurückzuverweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Vorbringen der Beteiligten wegen des Verfahrens wird auf die beigezogene Gerichtsakte Bezug genommen. Die Akte hat vorgelegen und ist Gegenstand der Beratung gewesen.
II.
Die Berufung der Klägerinnen ist gemäß § 158 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht statthaft ist. Diese Entscheidung trifft der Senat durch Beschluss (§ 158 Satz 2 SGG), da er eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Die Berufung bedarf der Zulassung, weil der in § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG genannte Wert der Beschwer von 750 EUR nicht überschritten wird und die Klageforderung auch keine wiederkehrenden oder laufenden Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Der Wert des Streitgegenstands richtet sich danach, was das SG dem Rechtsmittelkläger versagt hat und was er davon mit seinem Berufungsantrag weiterverfolgt (statt aller: BSG, Beschluss vom 13. Juni 2013 – B 13 R 437/12 B, juris). Bei einer Geldleistung ist daher der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren nach dem Geldbetrag zu berechnen, um den unmittelbar gestritten wird. Hiervon ausgehend erreicht der Wert des Streitgegenstandes nicht mehr als 750 Euro. Bei verständiger Würdigung (§ 123 SGG) geht es der Klägerin zu 2. um die Berücksichtigung von 30 EUR Versicherungspauschale. Allein dieses Berechnungselement hätte nach Ansicht der Klägerinnen im Monat Februar 2014 Berücksichtigung finden und zu höheren Leistungen führen müssen. Ungeachtet dessen, dass sich hieraus nur eine Beschwer der Klägerin zu 2. aufzeigt, wäre, selbst wenn noch wie ursprünglich mit der Klage höhere Regelleistungen wegen einer behaupteten Verfassungswidrigkeit und ein Mehrbedarf für erhöhte Stromkosten Gegenstand der Klage bzw. Berufung sind, nicht zu erkennen, dass ein Gegenstandswert von über 750 EUR erreicht wird. Da letztlich "nur" ein Monat im Streit steht – insoweit liegt auch kein Fall von § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG vor –, müssten wegen der behaupteten Verfassungswidrigkeit der Regelleistung und wegen des Mehrbedarfs insgesamt mindestens 720,01 EUR im Streit stehen. Hierfür ist nichts ersichtlich.
Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass das SG über die Erledigung des Rechtsstreits nach § 102 Abs. 2 SGG entschieden hat, denn auch bei Verfahren, die zunächst auf die Fortsetzung eines infolge einer Klagerücknahmefiktion nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG beendeten Verfahrens gerichtet sind, bestimmt sich der Wert des Beschwerdegegenstandes im Sinne des § 144 Abs. 1 SGG nach dem Streitgegenstand des ursprünglichen Klageverfahrens (vgl. Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 1. Dezember 2010 – L 7 AS 524/09 –, Rn.22, juris). Soweit anderes vom Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (Urteil vom 30. August 2012 – L 2 AS 132/12 –) und Landessozialgericht Rheinland-Pfalz (Urteil vom 21. August 2012 – L 3 AS 133/12 – beide juris) entschieden worden ist, folgt dem der Senat nicht. Der Umstand, dass ein Rechtsuchender ein Verfahren mit einer zulassungsbedürftigen Berufung vor den Sozialgerichten nicht betreibt, kann ihn verfahrensrechtlich nicht besser stellen als denjenigen, der ein solches Verfahren betreibt. Beiden steht das Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde bei einem Misserfolg ihrer Klagen zur Verfügung, wovon hier die Klägerinnen – wenn auch ohne Erfolg; siehe hierzu den Beschluss vom heutigen Tage – Gebrauch gemacht haben. Auf diese Weise wird das Grundrecht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 des Grundgesetzes – GG) gleichermaßen gewährleistet. In der Regel dürfte bei Verkennung der Voraussetzungen für eine fiktive Klagerücknahme nach § 102 Abs. 2, 3 SGG regelmäßig ein Verfahrensfehler iSd § 144 Abs. 2 Nr. 3 vorliegen. Denn hierunter wird ein Verstoß gegen die sozialgerichtlichen Vorschriften verstanden (vgl. Leitherer, a.a.O., zu § 144 Rn. 32 m.w.N.). Die rechtsirrtümlich angenommene Erledigung eines Rechtsstreits aufgrund einer fiktiven Klagerücknahme dürfte daher auch ein Mangel im prozessualen Vorgehen sein. Hierauf kommt es indessen für das streitgegenständliche Berufungsverfahren entscheidend nicht an.
Die Entscheidung über die Erstattung von Kosten beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen gewesen, weil die Voraussetzungen von § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorgelegen haben.
Gegen diesen Beschluss steht nach § 158 Abs.1 Satz 3 SGG den Beteiligten das Rechtsmittel zu, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte.
Gründe:
I.
Streitig ist, ob das Verfahren auf Grund einer fiktiven Klagerücknahme erledigt ist.
Im Verfahren S 2 AS 3335/14 haben die Klägerinnen am 8. Juli 2014 bei dem Sozialgericht (SG) Cottbus Klage erhoben gegen den Änderungsbescheid des Beklagten vom 20. März 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juni 2014 (W 1327/14), der Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Monat Februar 2014 betraf, und haben Grundsicherungsleistungen in gesetzlicher Höhe im Wesentlichen mit der Begründung geltend gemacht, dass die Art und Weise der Ermittlung der Höhe der Regelbedarfe nicht mit dem Grundgesetz zu vereinbaren sei. Während aus Anlass des Widerspruchs noch höhere Regelleistungen von 5 Euro geltend gemacht worden waren, sind mit der Klage unter Bezugnahme auf den Vorlagebeschluss des Sozialgerichts Berlin vom 25. April 2012 (S 55 AS 9238/12) für einen alleinstehenden Leistungsberechtigten um mindestens 35,27 EUR (für 2012 angepasst 36,07 EUR) höhere Regelleistungen geltend gemacht. Im Übrigen sei auch ein Mehraufwand erhöhter Stromkosten geltend zu machen.
Mit Richterbrief vom 3. November 2014 hat der Kammervorsitzende die Klägerinnen aufgefordert, binnen vier Wochen eine Klagebegründung zu übersenden. Er hat zugleich darauf hingewiesen, dass die Ermittlung der Regelbedarfe der Verfassung entspräche (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Juli 2014) und insoweit keine Beschwer der Klägerseite mehr bestünde. Es sei auch nicht ersichtlich, dass hier Unterhalt als Einkommen berücksichtigt worden sei, obwohl keine Zahlungen erfolgt seien. Stromkosten seien im Regelbedarf berücksichtigt worden. Es dürfte insofern kein Anspruch auf Berücksichtigung eines Mehrbedarfs bestehen. Soweit Zahlen genannt worden seien, seien diese überholt und wohl im vorliegenden Fall nicht zutreffend.
Am 14. Januar 2015 hat der Kammervorsitzende ein weiteres Schreiben an den Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen verfügt. Daran hatte er ihn nach § 102 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) aufgefordert, das Verfahren zu betreiben und Tatsachen anzugehen, ob und wenn ja, aufgrund welcher Tatsachen noch eine Beschwer der Klägerinnen gegeben sei. Das Verfahren möge betrieben werden. Das SGG enthalte zwar für die Begründung der Klage und der Berufung, insbesondere für die Angabe von Beweismitteln und von Tatsachen, durch deren Nichtberücksichtigung die Klägerinnen sich beschwert fühlten, keine zwingenden Vorschriften. Das Gericht habe die Beteiligten aber gemäß § 103 S. 1 Halbsatz 2 SGG heranzuziehen. Bei fehlender Mitwirkung sei das Gericht nicht verpflichtet, von sich aus in jede nur mögliche Richtung ("ins Blaue hinein") zu ermitteln und Beweis zu erheben. Vorsorglich werde darauf hingewiesen, dass es nicht verpflichtet sei, erst im Rahmen eines Erörterungstermins oder gar Termin zur mündlichen Verhandlung zu erfahren, was Gegenstand der Klage sein solle. Es werde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Klage als zurückgenommen gelte, wenn die Klägerseite das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibe. Diese Fiktion der Klagerücknahme erledige den Rechtsstreit in der Hauptsache. Die Verfügung ist eigenständig mit vollen Namen des Richters unterschrieben worden. Aufgrund der Verfügung ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen ein Schreiben vom 14. Januar 2015 erstellt worden. Dieses ist ihm per Postzustellungsurkunde am 16. Januar 2015 zugestellt worden.
Am 21. April 2015 hat der Vorsitzende der zweiten Kammer des SG die Erledigung des Rechtsstreits wegen "Rücknahme" (§ 102 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG) verfügt.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerinnen hat mit Schriftsatz vom 26. April 2015 erwidert, dass ihr Rechtsschutzinteresse nicht entfallen sei. Das Verfahren werde im Rahmen der Möglichkeiten des Prozessbevollmächtigten gefördert. Die Einstellung weiteren Personals sei unter Berücksichtigung "der schwachsinnigen Kosten"rechtsprechung" des Sozialgerichtes Cottbus nicht möglich." Vor dem Hintergrund offener PKH-Vergütungen aus den Jahren 2010 bis 2013 dürfe sich das SG gern wieder mit einer Betreibensaufforderung an den Prozessbevollmächtigten wenden, wenn die Forderungen ausgeglichen worden seien. Bis dann würden die Verfahren nach deren Alter und Dringlichkeit abgearbeitet werden. Soweit das Gericht das Verfahren bereits als erledigt angesehen habe, werde die Fortführung ausdrücklich beantragt. Hieraufhin ist das Verfahren beim Sozialgericht Cottbus zum Az. S 2 AS 1801/15 WA neu registriert worden.
Die Klägerinnen haben vorgetragen, dass das Verfahren nicht durch Rücknahmefiktion beendet worden sei, da die Betreibensaufforderung nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprochen habe. Es fehle an einer Unterschrift des Kammervorsitzenden. Die Betreibensaufforderung sei förmlich zuzustellen. Eine solche Zustellung sei vorliegend aber nicht erfolgt, was hiermit ausdrücklich gerügt werde. Im Übrigen sei die Betreibensaufforderung auch deswegen nicht rechtmäßig, weil sie ermessensfehlerhaft gewesen sei. Dem Gericht sei nämlich die Arbeitsüberlastung des Prozessbevollmächtigten sehr wohl bekannt. In der Sache habe der Beklagte die Versicherungspauschale nicht vom Einkommen der Klägerin zu 2. in Abzug gebracht. Sie verfüge über eine eigene Unfallversicherung. In anderen Monaten sei die Pauschale von dem Beklagten berücksichtigt worden.
Das Sozialgericht hat durch Urteil vom 3. Februar 2016 festgestellt, dass die Klage als zurückgenommen gelte. Mit dem Schreiben vom 26. April 2015 sei nicht substantiiert dargelegt worden, dass und warum das Rechtsschutzbedürfnis nicht entfallen sei. Die Berufung ist vom Sozialgericht nicht zugelassen worden.
Gegen das dem Prozessbevollmächtigten am 16. Februar 2016 zugestellte Urteil hat er am 11. März 2016 für die Klägerinnen die zum Aktenzeichen L 14 AS 659/16 NZB registrierte Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, mit dem Begehren die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts zuzulassen. Das Urteil des SG beruhe auf einem Verfahrensfehler. Das Rechtsschutzbedürfnis sei nicht entfallen. Das Einkommen des Kindes aus Kindergeld sei nicht um die Versicherungspauschale bereinigt worden, obwohl bei dem Kind besondere Umstände vorlägen, die den Abschluss einer Unfallversicherung nahe legten.
Am 11. März 2016 hat der Prozessbevollmächtigte für beide Klägerinnen die zum Aktenzeichen L 14 AS 745/16 registrierte Berufung vor dem hiesigen Gericht eingelegt.
Die Klägerinnen beantragen (sinngemäß),
das Urteil des SG Cottbus vom 3. Februar 2016 aufzuheben sowie den Änderungsbescheid des Beklagten vom 20. März 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Juni 2013 (W 1327/13) zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, "Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe und die Erstattung der Kosten des Vorverfahrens" zu gewähren,
hilfsweise das Urteil des SG Cottbus vom 3. Februar 2016 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das SG zurückzuverweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Vorbringen der Beteiligten wegen des Verfahrens wird auf die beigezogene Gerichtsakte Bezug genommen. Die Akte hat vorgelegen und ist Gegenstand der Beratung gewesen.
II.
Die Berufung der Klägerinnen ist gemäß § 158 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht statthaft ist. Diese Entscheidung trifft der Senat durch Beschluss (§ 158 Satz 2 SGG), da er eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Die Berufung bedarf der Zulassung, weil der in § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG genannte Wert der Beschwer von 750 EUR nicht überschritten wird und die Klageforderung auch keine wiederkehrenden oder laufenden Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Der Wert des Streitgegenstands richtet sich danach, was das SG dem Rechtsmittelkläger versagt hat und was er davon mit seinem Berufungsantrag weiterverfolgt (statt aller: BSG, Beschluss vom 13. Juni 2013 – B 13 R 437/12 B, juris). Bei einer Geldleistung ist daher der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren nach dem Geldbetrag zu berechnen, um den unmittelbar gestritten wird. Hiervon ausgehend erreicht der Wert des Streitgegenstandes nicht mehr als 750 Euro. Bei verständiger Würdigung (§ 123 SGG) geht es der Klägerin zu 2. um die Berücksichtigung von 30 EUR Versicherungspauschale. Allein dieses Berechnungselement hätte nach Ansicht der Klägerinnen im Monat Februar 2014 Berücksichtigung finden und zu höheren Leistungen führen müssen. Ungeachtet dessen, dass sich hieraus nur eine Beschwer der Klägerin zu 2. aufzeigt, wäre, selbst wenn noch wie ursprünglich mit der Klage höhere Regelleistungen wegen einer behaupteten Verfassungswidrigkeit und ein Mehrbedarf für erhöhte Stromkosten Gegenstand der Klage bzw. Berufung sind, nicht zu erkennen, dass ein Gegenstandswert von über 750 EUR erreicht wird. Da letztlich "nur" ein Monat im Streit steht – insoweit liegt auch kein Fall von § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG vor –, müssten wegen der behaupteten Verfassungswidrigkeit der Regelleistung und wegen des Mehrbedarfs insgesamt mindestens 720,01 EUR im Streit stehen. Hierfür ist nichts ersichtlich.
Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass das SG über die Erledigung des Rechtsstreits nach § 102 Abs. 2 SGG entschieden hat, denn auch bei Verfahren, die zunächst auf die Fortsetzung eines infolge einer Klagerücknahmefiktion nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG beendeten Verfahrens gerichtet sind, bestimmt sich der Wert des Beschwerdegegenstandes im Sinne des § 144 Abs. 1 SGG nach dem Streitgegenstand des ursprünglichen Klageverfahrens (vgl. Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 1. Dezember 2010 – L 7 AS 524/09 –, Rn.22, juris). Soweit anderes vom Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (Urteil vom 30. August 2012 – L 2 AS 132/12 –) und Landessozialgericht Rheinland-Pfalz (Urteil vom 21. August 2012 – L 3 AS 133/12 – beide juris) entschieden worden ist, folgt dem der Senat nicht. Der Umstand, dass ein Rechtsuchender ein Verfahren mit einer zulassungsbedürftigen Berufung vor den Sozialgerichten nicht betreibt, kann ihn verfahrensrechtlich nicht besser stellen als denjenigen, der ein solches Verfahren betreibt. Beiden steht das Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde bei einem Misserfolg ihrer Klagen zur Verfügung, wovon hier die Klägerinnen – wenn auch ohne Erfolg; siehe hierzu den Beschluss vom heutigen Tage – Gebrauch gemacht haben. Auf diese Weise wird das Grundrecht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 des Grundgesetzes – GG) gleichermaßen gewährleistet. In der Regel dürfte bei Verkennung der Voraussetzungen für eine fiktive Klagerücknahme nach § 102 Abs. 2, 3 SGG regelmäßig ein Verfahrensfehler iSd § 144 Abs. 2 Nr. 3 vorliegen. Denn hierunter wird ein Verstoß gegen die sozialgerichtlichen Vorschriften verstanden (vgl. Leitherer, a.a.O., zu § 144 Rn. 32 m.w.N.). Die rechtsirrtümlich angenommene Erledigung eines Rechtsstreits aufgrund einer fiktiven Klagerücknahme dürfte daher auch ein Mangel im prozessualen Vorgehen sein. Hierauf kommt es indessen für das streitgegenständliche Berufungsverfahren entscheidend nicht an.
Die Entscheidung über die Erstattung von Kosten beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen gewesen, weil die Voraussetzungen von § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorgelegen haben.
Gegen diesen Beschluss steht nach § 158 Abs.1 Satz 3 SGG den Beteiligten das Rechtsmittel zu, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte.
Rechtskraft
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