Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 7 KN 22/11
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 18 KN 62/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 16.5.2013 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
Streitig ist Altersrente.
Der Kläger ist der Witwer der 1954 geborenen und am 5.7.2016 verstorbenen Versicherten Gisela Schulz, mit der er im Zeitpunkt ihres Todes in einem gemeinsamen Haushalt lebte. Ein erster Antrag der Versicherten auf Altersrente vom Januar 2010 blieb erfolglos, weil sie das für eine Altersrente erforderliche Lebensalter noch nicht erreicht hatte (Bescheid vom 11.2.2010, Widerspruchsbescheid vom 6.5.2010; klageabweisendes Urteil des Sozialgerichts (SG) Detmold vom 23.3.2011, Aktenzeichen S 7 KN 52/10, zugestellt am 13.4.2010). Bereits am 30.3.2011 hat sich die Versicherte mit einem Schreiben vom 28.3.2011 erneut an das SG Detmold gewandt. Sie leite zwei Verfahren gegen die Beklagte ein wegen rechtswidriger Handlungen gegen das Grundgesetz. Sie verlange aus den von ihr geleisteten Beiträgen die Zahlung der Rente in Höhe von 1.229,47 EUR, zu zahlen an der Wohnungstür. Die ihr zustehenden, grundgesetzlich geschützten Rentenanwartschaften würden von der Beklagten "unterschlagen". Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat das Urteil vom 23.3.2010 weiter für maßgeblich gehalten. Das SG hat die Klage als unzulässig abgewiesen, weil das nach § 78 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erforderliche Vorverfahren nicht durchgeführt worden sei. Die unmittelbare Erhebung einer Leistungsklage sei unzulässig (nach mündlicher Verhandlung am 16.5.2013 verkündetes Urteil). Die Sitzungsniederschrift enthält die Formulierung "Der Vorsitzende verkündet das Urteil durch Verlesen der Urteilsformel [ ]", der Tenor des Urteils ist dort nicht vermerkt. Mit ihrer Berufung vom 10.6.2013 hat die Versicherte ihr Begehren weiter verfolgt. Nach ihrem Tod hat der Kläger erklärt, das Verfahren werde von ihm als Rechtsnachfolger fortgesetzt. Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der Senat hat die Beteiligten in Erörterungsterminen am 1.4.2014 und 26.7.2016 und erneut mit Verfügung vom 22.12.2016 zu der beabsichtigten Entscheidung im Beschlussverfahren angehört. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die beigezogene Gerichtsakte des SG Detmold zum Az S 7 KN 22/11 sowie die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese Akten haben bei der Entscheidungsfindung des Senats vorgelegen.
II. Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Es liegt ein anfechtbares Urteil vor, obwohl das SG den Tenor der Entscheidung nicht in die Sitzungsniederschrift aufgenommen hat. Es genügt, dass die Verkündung des Urteils protokolliert ist, weil diese das Vorliegen einer schriftlichen Urteilsformel beweist, deren Inhalt auch in anderer Weise festgestellt werden kann (BAGE 123, 307ff; BAG, Urt vom 31.7.2007, Az 3 AZR 372/06 in: BD 2008, 1505f; BGH, Urt v 16.10.1984, Az VI ZR 205/83 in: VersR 1985, 45ff). Ausweislich der Akten hat der Vorsitzende die von ihm verlesene schriftliche Urteilsformel auf die Innenseite des hinteren Aktendeckels geschrieben. Der Kläger ist als Sonderrechtsnachfolger der Versicherten berechtigt, das Verfahren in eigenem Namen fortzuführen (sog. aktive Prozessführungsbefugnis), weil er mit ihr im Zeitpunkt ihres Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat, § 56 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch. Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen. Wie das SG geht auch der Senat davon aus, dass es sich bei dem Schreiben vom 28.3.2011 weder um eine Berufung gegen das Urteil vom 23.3.2011 noch um einen an die Beklagte gerichteten erneuten Antrag auf Altersrente, sondern um ein an das angerufene SG Detmold gerichtetes Rechtsschutzbegehren handelt. Dafür spricht die eindeutige Formulierung, dass die Versicherte ein Verfahren vor dem SG Detmold gegen die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft Bahn-See einleite. Dafür spricht weiter, dass die Versicherte in der Folge das Verfahren konsequent als Klageverfahren vor dem SG Detmold fortgeführt hat. Gegen eine Berufung spricht zusätzlich, dass im Zeitpunkt des Eingangs (30.3.2011) das Urteil vom 23.3.2011 noch gar nicht zugestellt war. Inhaltlich geht der Senat wie das SG davon aus, dass es der Versicherten bzw. nunmehr dem Kläger um die Zahlung einer Altersente an die Versicherte aus den geleisteten Rentenbeiträgen geht. Anhaltspunkte dafür, dass sich an diesem Begehren im Verlauf des Berufungsverfahrens etwas geändert hat, sind nicht ersichtlich. Die Klage ist unzulässig, weil sie nicht statthaft ist. Entgegen der Auffassung des Klägers ist es prozessrechtlich nicht möglich, einen Anspruch auf Altersrente unmittelbar beim Sozialgericht einzuklagen. Das SGG stellt für ein solches Begehren keine statthafte Klageart zur Verfügung.
Das sozialgerichtliche Verfahrensrecht enthält einen Numerus clausus von Klagearten. In Verfahren, in denen ein Versicherter und eine Körperschaft des öffentlichen Rechts im Rahmen des allgemeinen Gewaltverhältnisses miteinander streiten und deshalb zunächst immer ein Verwaltungsakt ("Bescheid") zu ergehen hat, sind (nur) Anfechtungs-, Anfechtungs- und Verpflichtungs- und/oder Leistungsklage oder Anfechtungs- und Feststellungsklage statthaft. Begehrt also jemand – wie vorliegend der Kläger – Leistungen von einem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, muss er sich zunächst an diesen wenden und kann erst danach gegen dessen Entscheidungen (eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungs-) Klage erheben. Die Anfechtungs- und Verpflichtungs-/Leistungsklage ist eine spezifische Klageart, die in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten den Besonderheiten des Subordinationsverhältnisses Rechnung trägt. In diesem (allgemeinen oder besonderen) Gewaltverhältnis zwischen staatlichem Hoheitsträger und (seiner Gewalt unterworfenem) Staatsbürger ist jener befugt, das Rechtsverhältnis einseitig durch Verwaltungsakt (§ 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch) zu regeln. Der gerichtliche Rechtsschutz ist so ausgestaltet, dass erst nach Abschluss eines solchen Verwaltungsverfahrens eine Klage statthaft ist, die (auch) darauf gerichtet ist, den Verwaltungsakt zu ändern.
Da die Beklagte der Versicherten/dem Kläger nach der rechtskräftigen Ablehnung des in 2010 gestellten Antrags keinen weiteren Verwaltungsakt mehr erteilt hat, ist eine (kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungs-/Leistungs-) Klage iS von § 54 Abs 1, 2 oder 4 SGG nicht statthaft. Die allgemeine (=direkte) Leistungsklage iS von § 54 Abs 5 SGG ist nicht statthaft, weil sie nur für Gleichordnungsverhältnisse vorgesehen ist, in denen eine Entscheidung durch Verwaltungsakt gerade nicht vorgesehen ist. Eine Feststellungsklage ist nicht statthaft, weil ein Feststellunginteresse regelmäßig fehlt, wenn (sofort) auf Leistung geklagt werden kann. Andere Klagearten kommen ersichtlich von vorneherein nicht in Betracht. Der Senat hält die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich, § 153 Abs 4 SGG. Die Beteiligten sind zu der beabsichtigten Verfahrensweise gehört worden, § 153 Abs 4 Satz 2 SGG. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 Satz 1, 193 Abs 1 Satz 1 SGG. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor, § 160 Abs 2 SGG.
Gründe:
Streitig ist Altersrente.
Der Kläger ist der Witwer der 1954 geborenen und am 5.7.2016 verstorbenen Versicherten Gisela Schulz, mit der er im Zeitpunkt ihres Todes in einem gemeinsamen Haushalt lebte. Ein erster Antrag der Versicherten auf Altersrente vom Januar 2010 blieb erfolglos, weil sie das für eine Altersrente erforderliche Lebensalter noch nicht erreicht hatte (Bescheid vom 11.2.2010, Widerspruchsbescheid vom 6.5.2010; klageabweisendes Urteil des Sozialgerichts (SG) Detmold vom 23.3.2011, Aktenzeichen S 7 KN 52/10, zugestellt am 13.4.2010). Bereits am 30.3.2011 hat sich die Versicherte mit einem Schreiben vom 28.3.2011 erneut an das SG Detmold gewandt. Sie leite zwei Verfahren gegen die Beklagte ein wegen rechtswidriger Handlungen gegen das Grundgesetz. Sie verlange aus den von ihr geleisteten Beiträgen die Zahlung der Rente in Höhe von 1.229,47 EUR, zu zahlen an der Wohnungstür. Die ihr zustehenden, grundgesetzlich geschützten Rentenanwartschaften würden von der Beklagten "unterschlagen". Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat das Urteil vom 23.3.2010 weiter für maßgeblich gehalten. Das SG hat die Klage als unzulässig abgewiesen, weil das nach § 78 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erforderliche Vorverfahren nicht durchgeführt worden sei. Die unmittelbare Erhebung einer Leistungsklage sei unzulässig (nach mündlicher Verhandlung am 16.5.2013 verkündetes Urteil). Die Sitzungsniederschrift enthält die Formulierung "Der Vorsitzende verkündet das Urteil durch Verlesen der Urteilsformel [ ]", der Tenor des Urteils ist dort nicht vermerkt. Mit ihrer Berufung vom 10.6.2013 hat die Versicherte ihr Begehren weiter verfolgt. Nach ihrem Tod hat der Kläger erklärt, das Verfahren werde von ihm als Rechtsnachfolger fortgesetzt. Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der Senat hat die Beteiligten in Erörterungsterminen am 1.4.2014 und 26.7.2016 und erneut mit Verfügung vom 22.12.2016 zu der beabsichtigten Entscheidung im Beschlussverfahren angehört. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die beigezogene Gerichtsakte des SG Detmold zum Az S 7 KN 22/11 sowie die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese Akten haben bei der Entscheidungsfindung des Senats vorgelegen.
II. Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Es liegt ein anfechtbares Urteil vor, obwohl das SG den Tenor der Entscheidung nicht in die Sitzungsniederschrift aufgenommen hat. Es genügt, dass die Verkündung des Urteils protokolliert ist, weil diese das Vorliegen einer schriftlichen Urteilsformel beweist, deren Inhalt auch in anderer Weise festgestellt werden kann (BAGE 123, 307ff; BAG, Urt vom 31.7.2007, Az 3 AZR 372/06 in: BD 2008, 1505f; BGH, Urt v 16.10.1984, Az VI ZR 205/83 in: VersR 1985, 45ff). Ausweislich der Akten hat der Vorsitzende die von ihm verlesene schriftliche Urteilsformel auf die Innenseite des hinteren Aktendeckels geschrieben. Der Kläger ist als Sonderrechtsnachfolger der Versicherten berechtigt, das Verfahren in eigenem Namen fortzuführen (sog. aktive Prozessführungsbefugnis), weil er mit ihr im Zeitpunkt ihres Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat, § 56 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch. Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen. Wie das SG geht auch der Senat davon aus, dass es sich bei dem Schreiben vom 28.3.2011 weder um eine Berufung gegen das Urteil vom 23.3.2011 noch um einen an die Beklagte gerichteten erneuten Antrag auf Altersrente, sondern um ein an das angerufene SG Detmold gerichtetes Rechtsschutzbegehren handelt. Dafür spricht die eindeutige Formulierung, dass die Versicherte ein Verfahren vor dem SG Detmold gegen die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft Bahn-See einleite. Dafür spricht weiter, dass die Versicherte in der Folge das Verfahren konsequent als Klageverfahren vor dem SG Detmold fortgeführt hat. Gegen eine Berufung spricht zusätzlich, dass im Zeitpunkt des Eingangs (30.3.2011) das Urteil vom 23.3.2011 noch gar nicht zugestellt war. Inhaltlich geht der Senat wie das SG davon aus, dass es der Versicherten bzw. nunmehr dem Kläger um die Zahlung einer Altersente an die Versicherte aus den geleisteten Rentenbeiträgen geht. Anhaltspunkte dafür, dass sich an diesem Begehren im Verlauf des Berufungsverfahrens etwas geändert hat, sind nicht ersichtlich. Die Klage ist unzulässig, weil sie nicht statthaft ist. Entgegen der Auffassung des Klägers ist es prozessrechtlich nicht möglich, einen Anspruch auf Altersrente unmittelbar beim Sozialgericht einzuklagen. Das SGG stellt für ein solches Begehren keine statthafte Klageart zur Verfügung.
Das sozialgerichtliche Verfahrensrecht enthält einen Numerus clausus von Klagearten. In Verfahren, in denen ein Versicherter und eine Körperschaft des öffentlichen Rechts im Rahmen des allgemeinen Gewaltverhältnisses miteinander streiten und deshalb zunächst immer ein Verwaltungsakt ("Bescheid") zu ergehen hat, sind (nur) Anfechtungs-, Anfechtungs- und Verpflichtungs- und/oder Leistungsklage oder Anfechtungs- und Feststellungsklage statthaft. Begehrt also jemand – wie vorliegend der Kläger – Leistungen von einem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, muss er sich zunächst an diesen wenden und kann erst danach gegen dessen Entscheidungen (eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungs-) Klage erheben. Die Anfechtungs- und Verpflichtungs-/Leistungsklage ist eine spezifische Klageart, die in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten den Besonderheiten des Subordinationsverhältnisses Rechnung trägt. In diesem (allgemeinen oder besonderen) Gewaltverhältnis zwischen staatlichem Hoheitsträger und (seiner Gewalt unterworfenem) Staatsbürger ist jener befugt, das Rechtsverhältnis einseitig durch Verwaltungsakt (§ 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch) zu regeln. Der gerichtliche Rechtsschutz ist so ausgestaltet, dass erst nach Abschluss eines solchen Verwaltungsverfahrens eine Klage statthaft ist, die (auch) darauf gerichtet ist, den Verwaltungsakt zu ändern.
Da die Beklagte der Versicherten/dem Kläger nach der rechtskräftigen Ablehnung des in 2010 gestellten Antrags keinen weiteren Verwaltungsakt mehr erteilt hat, ist eine (kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungs-/Leistungs-) Klage iS von § 54 Abs 1, 2 oder 4 SGG nicht statthaft. Die allgemeine (=direkte) Leistungsklage iS von § 54 Abs 5 SGG ist nicht statthaft, weil sie nur für Gleichordnungsverhältnisse vorgesehen ist, in denen eine Entscheidung durch Verwaltungsakt gerade nicht vorgesehen ist. Eine Feststellungsklage ist nicht statthaft, weil ein Feststellunginteresse regelmäßig fehlt, wenn (sofort) auf Leistung geklagt werden kann. Andere Klagearten kommen ersichtlich von vorneherein nicht in Betracht. Der Senat hält die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich, § 153 Abs 4 SGG. Die Beteiligten sind zu der beabsichtigten Verfahrensweise gehört worden, § 153 Abs 4 Satz 2 SGG. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 Satz 1, 193 Abs 1 Satz 1 SGG. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor, § 160 Abs 2 SGG.
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