L 2 AS 3148/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 12 AS 277/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 AS 3148/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Frage, in welcher Höhe der Grundfreibetrag nach § 11b Abs. 2 Satz 1 SGB II (i.H.v. 100 €) in einem Monat zu berücksichtigen ist, wenn ein Teil des Arbeitsentgeltes schon im Vormonat als Vorschuss gezahlt worden war.
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 19. Juli 2016 aufgehoben und der Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 26. November 2013 in der Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 19. Dezember 2014, diese in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Dezember 2014 verurteilt, den Klägern Arbeitslosengeld II unter Berücksichtigung des bereinigten Einkommens des Klägers Ziff. 2 im Monat Dezember 2012 in Höhe von 113,01 EUR anstelle von 135,36 EUR zu gewähren.

Der Beklagte hat den Klägern die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger begehren höhere Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) im Monat Dezember 2012 unter Berücksichtigung eines vollen Grundfreibetrages nach § 11 b Abs. 2 Satz 1 SGB II in Höhe von 100 EUR.

Die Klägerin Ziff. 1 und ihr 1994 geborener Sohn, der Kläger Ziff. 2, beziehen als Bedarfsgemeinschaft zusammen laufend Grundsicherungsleistungen vom Beklagten. Seit dem 1. Juli 2012 befand sich der Kläger Ziff. 2 in einem Ausbildungsverhältnis zum Fahrzeuglackierer, im Rahmen dessen er eine laufende Ausbildungsvergütung in Höhe von 450 EUR brutto erhielt.

Mit Bescheid vom 23. November 2012 (Bl. 515 Verwaltungsakte – VA –) bewilligte der Beklagte den Klägern für den Zeitraum Dezember 2012 bis Mai 2013 vorläufig Leistungen in Höhe von 720,59 EUR. Er rechnete hierbei eine Ausbildungsvergütung des Klägers Ziff. 2 vorläufig in Höhe von monatlich 350 EUR netto (ausgehend von 450 EUR brutto) abzüglich eines Freibetrags in Höhe von 170 EUR (Grundfreibetrag in Höhe von 100 EUR nach § 11b Abs. 2 Satz 1 SGB II und weiterer Freibetrag nach § 11b Abs. 3 SGB II in Höhe von 70 EUR) an.

Mit Änderungsbescheid vom 26. November 2013 (Bl. 621 VA) errechnete der Beklagte die Leistungen unter anderem für Dezember 2012 endgültig in Höhe von zusammen 742,73 EUR (statt zuvor 720,59 EUR). Hiervon entfielen 374 EUR auf die Regeleistung für die Klägerin Ziff. 1, 205,79 EUR auf die Kosten der Unterkunft für die Klägerin Ziff. 1 und 162,94 EUR auf die Kosten der Unterkunft für den Kläger Ziff. 2. Zur Begründung gab der Beklagte insoweit an, dass der Kläger Ziff. 2 im Dezember weniger verdient habe als bisher berücksichtigt.

Tatsächlich war dem Kläger Ziff. 2 nämlich bereits im November 2012 ein Vorschuss in Höhe von 100 EUR auf seine Ausbildungsvergütung für Dezember 2012 ausbezahlt worden, so dass im Dezember 2012 nur noch das Resteinkommen (in Höhe von netto 257,86 EUR) zur Auszahlung gelangte.

Gegen den Bescheid vom 26. November 2013 erhoben die Kläger Widerspruch.

Mit Teilabhilfebescheid vom 19. Dezember 2014 (Bl. 725 VA) bewilligte der Beklagte dem Kläger Ziff. 2 für Dezember 2012 unter bedarfsmindernder Anrechnung seines Dezembereinkommens in Höhe von nur 135,36 EUR (statt bisher 187,86 EUR) sowie unter einfacher statt doppelter Anrechnung der 30 EUR-Pauschale höhere Leistungen in Höhe weiterer 22,50 EUR für Kosten der Unterkunft (zusammen insgesamt 765,23 EUR).

Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Dezember 2014 (Bl. 731 VA) wies der Beklagte im Übrigen den Widerspruch zurück und übernahm hierbei Kosten in Höhe von 20 % der notwendigen Aufwendungen der Kläger. Zur Begründung führte er unter anderem hinsichtlich des hier streitigen Punktes noch aus:

"Im Zeitraum 1.12.2012 bis 31.12.2012 belief sich das Einkommen des Widerspruchsführers zu (2.) laut Lohnabrechnung auf einen Betrag in Höhe von 450 EUR brutto sowie 357,86 EUR netto. Vom Nettobetrag war dem Widerspruchsführer zu (2.) im Monat November 2012 bereits ein Vorschuss in Höhe von 100 EUR ausbezahlt worden, so dass noch ein Betrag in Höhe von 257,86 EUR im Dezember 2012 ausgezahlt wurde. ( ...) Ausgehend von einem Betrag in Höhe von 450 EUR brutto errechnet sich ein gesetzlicher Freibetrag in Höhe von 170 EUR. Bei einem Nettobetrag in Höhe von 357,86 EUR ergibt sich damit grundsätzlich ein anrechenbares Einkommen in Höhe von 187,86 EUR. Bei der Berücksichtigung des Vorschusses im November 2012 war dabei folgende Berechnung anzustellen: Der Vorschuss in Höhe von 100 EUR beläuft sich anteilig auf 27,94 % des Gesamtnettobetrages in Höhe von 357,86 EUR. Somit war von diesem auch ein Anteil in Höhe von 27,94 % des Freibetrages in Höhe von 170 EUR abzusetzen. Dies ergibt einen anteiligen Freibetrag in Höhe von 47,50 EUR. Somit war im November 2012 ein anteiliger Betrag in Höhe von 52,50 EUR beim Widerspruchsführer zu (2.) anzurechnen (100 EUR Auszahlungsbetrag minus anteiliger Freibetrag in Höhe von 47,50 EUR). Somit verbleibt für den im Monat Dezember 2012 anzurechnenden Anteil von 257,86 EUR ein Restfreibetrag in Höhe von 122,50 EUR. Es verbleibt ein anrechenbarer Betrag in Höhe von 135,36 EUR."

Am 20. Januar 2015 haben die Kläger Klage beim Sozialgericht (SG) Freiburg erhoben. Zur Begründung haben sie geltend gemacht, dass gemäß dem Wortlaut von § 11b Abs. 2 Satz 1 SGB II ein Betrag von insgesamt 100 EUR monatlich abzusetzen sei. Laufende Einnahmen seien in dem Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen würden. Es gelte das Monats- und das Zuflussprinzip, so dass es entscheidend darauf ankomme, wann Einkommen zufließe und nicht, wann es erarbeitet worden sei. Vorliegend seien im November 2012 100 EUR und im Dezember 2012 257,86 EUR zugeflossen. Hiervon seien monatlich die Freibeträge abzusetzen.

Der Beklagte ist dem entgegengetreten und hat sich unter anderem auf das Urteil des BSG vom 17. Juli 2014 - B 14 AS 25/13 R berufen. Danach sei für jeden Erarbeitungsmonat ein Erwerbstätigenfreibetrag einzuräumen. Der hier für einen Erwerbsmonat insgesamt nur zustehende einmalige Freibetrag sei deshalb zu Recht auf mehrere Monate aufgeteilt und im Dezember 2012 nur noch anteilig berücksichtigt worden.

Ein weiteres Klageverfahren über den Teilzeitraum Januar bis Mai 2013 (S 12 AS 276/15) wurde durch ein angenommenes Anerkenntnis erledigt.

Mit Urteil vom 19. Juli 2016 hat das SG die Klage abgewiesen und die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Das SG hat hierbei die Auffassung vertreten, dass der Beklagte zutreffend den Grundfreibetrag nach § 11b Abs. 2 Satz 1 SGB II ungeachtet der möglichen Auszahlung in mehreren Kalendermonaten insgesamt nur einmal von einem Monatsgehalt abgesetzt habe. Ggfs. sei der Freibetrag anteilig auf die Zuflussmonate entsprechend dem Anteil des jeweiligen Geldzuflusses am Monatsgehalt zu verteilen. Der Wortlaut des § 11b Abs. 2 Satz 1 SGB II ("monatlich abzusetzen") sei insoweit offen und auslegbar, als dass es dort nicht "kalendermonatlich" heiße. Aus dem Urteil des BSG vom 17. Juli 2014 (B 14 AS 25/13 R) seien für das vorliegende Verfahren weder im Sinne der Kläger noch im Sinne des Beklagten Rückschlüsse zu ziehen. Jene Entscheidung befasse sich nur mit dem gegenteiligen Sachverhalt, dass mehrere Monatsgehälter durch eine einzige Überweisung und damit in einem einzigen Kalendermonat ausbezahlt würden. Die Zuerkennung zweier Grundfreibetrage für einen solchen einmaligen Zufluss solle vermeiden, dass bei Anrechnung nur eines statt zweier Freibeträge Erwerbstätigkeit aus Gründen an Attraktivität verlöre, auf die der erwerbstätige Arbeitslosengeld II-Empfänger überhaupt keinen Einfluss nehmen könne (verspätete Gehaltszahlung). Ihn bei einer solchen ohnehin nachteilhaften Zahlungsweise seines Arbeitgebers zusätzlich mit nur einem statt zwei Freibeträgen von Seiten des Jobcenters zu belasten, wäre schlicht unbillig. Der vorliegende Sachverhalt sei völlig anders gelagert. Ein ungekürzter Freibetrag auch im Dezember 2012 und damit im Ergebnis die Berücksichtigung zweier Grundfreibeträge für ein einziges Monatsgehalt, würde zu einer durch nichts gebotenen Übervorteilung bei zeitlich gestreckter Gehaltszahlung führen. Darüber hinaus würde die Möglichkeit mehrerer Grundfreibeträge für einen Erwerbsmonat besonders bei kurz befristeten Arbeitsverträgen sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitslosengeld II-beziehende Arbeitnehmer ("Aufstocker") den falschen Anreiz setzen, unter kollusivem Zusammenwirken das Nettogehalt auf Kosten steuerfinanzierter Arbeitslosengeld II-Leistungen allein durch eine auf zwei oder mehrere Kalendermonate gestreckte Auszahlungsweise eines Monatsgehaltes jeweils um den Grundfreibetrag zu erhöhen. Damit unterläge die Höhe des Arbeitslosengeld II-Anspruchs faktisch auch jenseits der bedarfsmindernden Wirkung von (frei verhandelbaren) Erwerbseinkommen der Gestaltungsfreiheit Dritter, ohne dass dafür eine rechtliche Grundlage oder sachliche Notwendigkeit bestünde. Anhaltspunkte für ein solchermaßen motiviertes Vorgehen bestünden vorliegend zwar nicht, allerdings dürfte die auf November 2012 vorgezogene Auszahlung des Vorschusses von 100 EUR vom Dezembergehalt auf einen entsprechenden Wunsch des Klägers Ziff. 2 zurückzuführen und damit von ihm selbst herbeigeführt worden sein.

Die Kläger haben gegen das ihrem Bevollmächtigten mit Empfangsbekenntnis am 3. August 2016 zugestellte Urteil am 22. August 2016 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg erhoben. Zur Begründung macht der Klägerbevollmächtigte geltend, das Einkommen des Klägers Ziff. 2 sei im Monat Dezember um den Grundfreibetrag in Höhe von 100 EUR sowie den Freibetrag nach § 11b Abs. 3 SGB II in Höhe von weiteren 44,85 EUR zu bereinigen, so dass im Ergebnis ein bereinigtes Einkommen aus Erwerbstätigkeit im Dezember 2012 in Höhe von 113,01 EUR anstatt 135,36 EUR verbleibe. Nach § 11b Abs. 2 Satz 1 SGB II sei das Einkommen erwerbsfähiger Leistungsberechtigter, die erwerbstätig seien, zunächst in Höhe eines Betrages von insgesamt 100 EUR monatlich zu bereinigen. Bereits der Gesetzeswortlaut spreche eindeutig dafür, dass die Bereinigung monatlich zu erfolgen habe. Zum pauschalen Grundfreibetrag nach § 11b Abs. 2 Satz 2 SGB II habe auch das BSG in seinem Urteil vom 5. Juni 2014 (B 4 AS 49/13 R) unter anderem ausgeführt, dass bereits die Pauschalierung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II a.F. selbst gegen eine Übertragbarkeit des Restes auf eine andere Einkommensart als Erwerbseinkommen spreche. Eine Pauschale sei ein Geldbetrag, durch den eine Leistung, die sich aus verschiedenen Einzelposten zusammensetze, ohne Spezifizierung nach ihrem Durchschnittswert abgegolten werde. Bei einer Pauschale sei es demnach nicht möglich zu bestimmen, welcher Teil der Pauschale bereits durch das sie unterschreitende Einkommen verbraucht worden sei, also auch nicht, dass die pauschalierten Versicherungsbeträge noch nicht berücksichtigt worden seien. Sinn einer Pauschale sei es gerade, ohne Berechnung im Detail und konkreten Fall eine vereinfachende Berücksichtigung vornehmen zu können. Gerade die pauschale Berücksichtigung des Grundfreibetrages spreche nach Auffassung des Klägerbevollmächtigten dafür, dass die Absetzung von 100 EUR monatlich zu erfolgen habe. Diese Pauschalisierung könne daher sowohl zu Lasten des Leistungsempfängers gehen, wenn etwa das Erwerbseinkommen unter 100 EUR betrage und daher weitere Absetzungen von anderen Einkommensarten nicht möglich seien oder zugunsten, wenn etwa wie hier Erwerbseinkommen aus einem Erarbeitungsmonat verteilt auf mehrere Monate ausgezahlt werde. Soweit das SG eine rechtsmissbräuchliche Verteilung der Auszahlung von Einkommen befürchte, könne dem z.B. über § 34 SGB II begegnet werden. Davon abgesehen dürfte die Berücksichtigung des zusätzlichen Grundfreibetrags im Monat November 2012 rechtswidrig gewesen sein. Denn im Hinblick auf den pauschalen Charakter des Grundfreibetrags wäre nur eine pauschale Bereinigung des laufenden Arbeitsentgelts in Höhe von 100 EUR in Frage gekommen, anstatt den Vorschuss zusätzlich um weitere 42,50 EUR zu bereinigen. Richtig wäre es daher gewesen, im Monat November 100 EUR Grundfreibetrag zu berücksichtigen und zusätzlich den Erwerbstätigenfreibetrag nach § 11b Abs. 3 SGB II ausgehend von einem Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 575,75 EUR (450 brutto laufendes Einkommen + 125,75 EUR brutto Vorschuss) zu berücksichtigen. In diesem Monat wäre die pauschale Berücksichtigung des Grundfreibetrages daher zu Lasten des Klägers erfolgt, wäre der Grundfreibetrag entsprechend des Gesetzeswortlautes nur einmal abgezogen worden. Im Dezember 2012 sei nach alldem der Grundfreibetrag in Höhe von 100 EUR sowie der weitere Erwerbstätigenfreibetrag nach § 11b Abs. 3 SGB II ausgehend von 324,25 EUR brutto (450 EUR brutto minus 125,75 EUR brutto Vorschuss) vom Einkommen abzusetzen gewesen.

Die Kläger beantragen (sachdienlich gefasst),

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 19. Juli 2016 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 26. November 2013 in der Fassung des Teilabhilfebescheids vom 19. Dezember 2014 und in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Dezember 2014 zu verurteilen, den Klägern Alg II unter Berücksichtigung des bereinigten Einkommens des Klägers Ziff. 2 im Monat Dezember 2012 in Höhe von 113,01 EUR anstatt 135,36 EUR zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte hält die Entscheidung des SG für zutreffend.

Die Beteiligten haben mit Schreiben vom 21. November 2016 und 29. November 2016 jeweils ihre Zustimmung zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erteilt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten (3 Bände) sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Der Senat konnte aufgrund der Zustimmung der Beteiligten gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

Die nach den §§ 143, 144 Abs. 1, Abs. 3 SGG statthafte, unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 und Abs. 3 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig.

II.

Die Berufung der Kläger ist auch begründet. Entgegen der Auffassung des SG ist das im Dezember 2012 erzielte Einkommen des Klägers Ziff. 2 (nach Abzug des bereits im November gezahlten Vorschusses) um den Grundfreibetrag nach § 11b Abs. 2 Satz 1 sowie den erweiterten Absetzbetrag nach § 11b Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 zu bereinigen und bei der Bedarfsprüfung nur noch der danach verbleibende anzurechnende Betrag zu berücksichtigen.

Gegenstand des Verfahrens ist allein der Änderungsbescheid vom 26. November 2013 mit dem der Beklagte endgültig die Leistungen für den Monat Dezember 2012 berechnete, in der Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 19. Dezember 2014 und des Widerspruchsbescheides vom 19. Dezember 2014, betreffend allein die Höhe der Leistungen für den Monat Dezember 2012.

Statthafte Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG).

Gem. § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhält Leistungen nach dem SGB II wer (Ziff. 1) das fünfzehnte Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht hat, (Ziff. 2) erwerbsfähig ist, (Ziff. 3) hilfebedürftig ist und (Ziff. 4) seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat. Die Kläger erfüllen diese Voraussetzungen, sie sind beide älter als 15 Jahre und haben die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht. Beide sind erwerbsfähig und auch hilfebedürftig.

Hiervon ausgehend ist festzustellen, dass der Beklagte zutreffend den Bedarf (§§ 19, 20, 22 SGB II) der Kläger dem Grunde nach für Dezember 2012 berechnet hat, nämlich: Regelbedarf für die Klägerin Ziff. 1: 374 EUR Regelbedarf für den Kläger Ziff. 2: 299 EUR Kosten der Unterkunft anteilig für Klägerin Ziff. 1: 205,79 EUR Kosten der Unterkunft anteilig für Kläger Ziff. 2: 205,80 EUR Gesamtbedarf: 1.084,59 EUR.

Im Weiteren hat der Beklagte beim Kläger Ziff. 2 zutreffend zunächst als Einkommen das Kindergeld in Höhe von 184 EUR (die Versicherungspauschale in Höhe von 30 EUR gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-V i.V.m. § 11b Abs. 1 Nr. 3 SGB II war hier nicht abzuziehen, da sie in der im Zusammenhang mit dem Erwerbseinkommen zu berücksichtigenden Pauschale nach § 11b Abs. 2 Satz 1 SGB II mitumfasst ist) abgesetzt.

Soweit allerdings der Beklagte darüber hinaus beim Kläger Ziff. 2 weiteres Einkommen in Höhe von 135,36 EUR aus der Ausbildungsvergütung für Dezember 2012 berücksichtigt hat, war dies nicht zutreffend. Gem. § 11 SGB II sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüglich der nach § 11b abzusetzenden Beträgen mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen (Satz 1). Nach § 11b Abs. 1 SGB II (in der 2012 maßgeblichen Fassung) sind vom Einkommen abzusetzen: 1. auf das Einkommen entrichtete Steuern, 2. Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Beiträge zur Arbeitsförderung, 3. Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind; hierzu gehören Beträge a) zur Vorsorge für den Fall der Krankheit und der Pflegebedürftigkeit für Personen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht versicherungspflichtig sind, b) zur Altersvorsorge von Personen, die von der Rentenversicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit sind, soweit die Beiträge nicht nach § 26 bezuschusst werden, 4. geförderte Altersvorsorgebeiträge nach § 82 des Einkommenssteuergesetzes, soweit sie den Mindesteigenbeitrag nach § 86 des Einkommensteuergesetzes nicht überschreiten, 5. die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben, 6. für Erwerbstätige ferner ein Betrag nach Abs. 3 7. Aufwendungen zur Erfüllung gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen, 8. bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigungen, deren Einkommen nach dem 4. Abschnitt des Bundesausbildungsförderungsgesetz oder nach § 67 oder § 126 des Dritten Buches bei der Berechnung der Leistungen der Ausbildungsförderung für mindestens 1 Kind berücksichtigt werden, der nach den Vorschriften der Ausbildungsförderung berücksichtigte Betrag.

Gem. § 11b Abs. 2 Satz 1 SGB II ist bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die erwerbstätig sind, anstelle der Beträge nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bis 5 ein Betrag von insgesamt 100 EUR monatlich abzusetzen. Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die erwerbstätig sind, ist von dem monatlichen Einkommen aus Erwerbstätigkeit ein weiterer Betrag gem. § 11b Abs. 3 Satz 1 SGB II abzusetzen. Dieser beläuft sich für den Teil des monatlichen Einkommens, das 100 EUR übersteigt und nicht mehr als 1.000 EUR beträgt, auf 20 % (§ 11b Abs. 3 Satz 1 Ziff. 1 SGB II).

Danach war folglich das Einkommen des Klägers Ziff. 2 (aus der Ausbildungsvergütung) als Einkommen auch grundsätzlich zu berücksichtigen. Entgegen der Auffassung der Beklagten war aber nicht der im November 2012 noch auf das Dezembergehalt ausgezahlte Vorschuss bei der Berechnung des Grundfreibetrages nach § 11b Abs. 2 Satz 1 SGB II und des erweiterten Freibetrages nach § 11b Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB II in einem ersten Schritt zu dem im Dezember ausgezahlten Restgehalt hinzuzurechnen und in einem zweiten Schritt dann anteilig auf den im November ausgezahlten Vorschuss einerseits und das im Dezember ausgezahlte Restgehalt andererseits zu verteilen. Vielmehr wären auf das dem Kläger Ziff. 2 im November insgesamt zugeflossene Einkommen in Höhe von 575,75 EUR (Ausbildungsvergütung für den Monat November in Höhe von 450 EUR brutto und Vorschuss für Dezember in Höhe von 125,75 EUR brutto) zunächst (einmalig) der Grundfreibetrag über 100 EUR zuzüglich des weiteren Freibetrages in Höhe von hier 95,15 EUR, also insgesamt 195,15 EUR abzusetzen gewesen. Hierbei ist allerdings nicht das ebenfalls noch im November 2012 zugeflossene Weihnachtsgeld in Höhe von 200 EUR vom Senat berücksichtigt. Dies kann hier allerdings auch insoweit offenbleiben, da Streitgegenstand alleine die Berechnung der Absetzbeträge für Dezember 2012 ist. Hinsichtlich des Monats Dezember 2012 ist damit aber nur noch Einkommen in Höhe von 324,25 EUR brutto/257,86 EUR netto, nämlich die Restzahlung des Dezembergehaltes zu berücksichtigen. Hiervon sind allerdings der Grundfreibetrag in Höhe von 100 EUR und der erweitere Freibetrag ausgehend von dem oben benannten Bruttogehalt in Höhe von 44,85 EUR, insgesamt 144,85 EUR abzusetzen, so dass anstelle des vom Beklagten berechneten und zu berücksichtigenden Nettoeinkommens in Höhe von 135,36 EUR lediglich 113,01 EUR (275,86 EUR minus 144,85 EUR Freibetrag) zu berücksichtigen waren.

Wie sich aus der gesetzlichen Regelung ergibt, ist der Grundfreibetrag monatlich (einmalig) vom im betreffenden Monat zugeflossenen Einkommen aus Erwerbstätigkeit abzusetzen. Dies ist auch dann der Fall, wenn Einnahmen aus mehreren Erwerbstätigkeiten in einem Monat zufließen (siehe Schmidt in Eicher SGB II, 3. Auflage 2013 Rdnr. 34). Damit aber besteht auch kein Grund, den Grundfreibetrag (und im Übrigen auch den erweiterten Freibetrag), sofern - wie hier - neben dem monatlichen Lohn noch ein Vorschuss auf den Lohn des Folgemonats zufließt, im Zuflussmonat ein zweites Mal zu berücksichtigen. Auf der anderen Seite ist damit entgegen der Auffassung des Beklagten aber auch nicht der Grundfreibetrag und der erweiterte Freibetrag bezüglich des Lohnes im Folgemonat anteilig hinsichtlich einerseits der Vorschusszahlung und andererseits der Zahlung des Restgehaltes zu splitten, sondern vielmehr von dem um den Vorschuss reduzierten Restbetrag im Folgemonat (erneut) im vollen Umfang abzusetzen.

Die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 17. Juli 2014 (B 14 AS 25/13 R) ist auf den hier zu entscheidenden Fall nicht übertragbar. Dort hatte die Empfängerin von Arbeitslosengeld II-Leistungen eine Tätigkeit als Raumpflegerin mit monatlich maximal 400 EUR aufgenommen. Das Arbeitsentgelt wurde ihr immer erst zu Beginn des Folgemonats ausbezahlt. Der Arbeitgeber stellte dies im Januar 2011 um mit der Folge, dass in diesem Monat die betroffene Leistungsempfängerin Anfang Januar ihr Gehalt für Dezember 2010 und am 31. Januar ihr Gehalt für den Januar 2011 erhielt, ihr also in diesem Monat 2 mal Arbeitsentgelt zugeflossen ist, einmal das Arbeitsentgelt für Dezember 2010 und einmal das Arbeitsentgelt für Januar 2011. In diesem Fall hat das BSG entschieden, dass der Grundfreibetrag nach § 11b Abs. 2 Satz 1 SGB II zweimal, einmal bei der Berechnung des zu berücksichtigenden bereinigten Einkommens des Dezembergehaltes und ein zweites Mal bei der Berechnung des zu berücksichtigenden bereinigten Einkommens für Januar 2011 zur Anwendung kommt. Das BSG hat seine Entscheidung, in dem dort entschiedenen Fall, den Grundfreibetrag wie auch den erweiterten Erwerbstätigenfreibetrag zweimal zu berücksichtigen, unter anderem damit begründet, dass es gerade Sinn des Grundfreibetrages sei, einen Anreiz für eine Erwerbstätigkeit neben dem Bezug von Leistungen nach dem SGB II zu fördern. Dem würde es zuwider laufen, wenn in einem solchen Fall, der auch nicht im Einflussbereich des betroffenen Hilfeempfängers bzw. Arbeitnehmers liege, der Freibetrag nur einmalig berücksichtigt würde. Im Unterschied zu dem vom BSG entschiedenen Fall ist hier aber dem Kläger Ziff. 2 nicht innerhalb eines Monats in zwei Monaten erarbeitetes Arbeitsentgelt zugeflossen, sondern vielmehr ist hinsichtlich des erst im Dezember 2012 erarbeiteten Arbeitsentgelts ein Teil dem Kläger bereits im November 2012 vorab zugeflossen.

Das vom Beklagten und auch SG thematisierte Problem einer mehrfachen Inanspruchnahme des Grundfreibetrages und des erweiterten Freibetrags im Falle der Auszahlung eines Arbeitseinkommens auf mehrere Monate in Raten verteilt, stellt sich beim Regelfall einer Dauerbeschäftigung damit nicht. Eine Ausnahme könnte sich allenfalls dann ergeben, wenn ein Arbeitsverhältnis nur ein oder zwei Monate dauerte und der Lohn über mehrere Monate verteilt in Abschlägen gezahlt wurde. In einem solchen Fall bestünde aber die Möglichkeit, im Hinblick auf die bei dieser Konstellation letztlich zu viel berücksichtigten Freibeträge und damit zu viel geleisteten Leistungen nach SGB II diese nach § 34 SGB II wieder zurückzufordern bzw. schon im Vorfeld einzubehalten.

Aus diesen Gründen war das Urteil des SG aufzuheben, der Bescheid des Beklagten vom 26. November 2013 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 19. Dezember 2014, dieser in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Dezember 2014 dahingehend abzuändern, dass als bereinigtes Einkommen des Klägers Ziff. 2 im Monat Dezember 2012 lediglich 113,01 EUR anstelle von 135,36 EUR zu berücksichtigen sind.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung hinsichtlich der bislang vom BSG nicht entschiedenen Frage, wie hinsichtlich des Grundfreibetrages in Höhe von 100 EUR und des erweiterten Erwerbstätigenfreibetrages zu verfahren ist, wenn Einkommen bezüglich eines konkreten Monats über mehrere Monate verteilt zufließt, zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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