L 9 U 4801/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 8 U 2384/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 4801/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 9. Oktober 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Verletztenrente streitig.

Die 1953 geborene Klägerin war zum Unfallzeitpunkt bei der Stadt T. als Reinigungskraft versicherungspflichtig beschäftigt.

Nach der Unfallanzeige der Arbeitgeberin vom 07.12.2000 verlor die Klägerin am 04.12.2000 beim Reinigen einer Duschkabine im Donaustadion das Gleichgewicht und stürzte. Beim Abstützen habe sie sich den Daumen der rechten Hand geprellt.

Im Durchgangsarztbericht des Dr. M. vom 07.12.2000 wird eine deutliche Schwellung des rechten Daumengelenkes beschrieben. Es bestehe weder radial noch ulnar Instabilität. Der Daumen könne schlecht in die Hohlhand eingeschlagen werden. Durchblutung und Sensibilität seien ohne Befund. Röntgenologisch zeige sich im rechten Daumen keine Fraktur und kein knöcherner Bandausriss. Er diagnostizierte eine Distorsion des rechten Daumens.

In einem Nachschaubericht vom 12.09.2011 teilten die Ärzte der Praxis Dres. L. und S. mit, dass die Klägerin über zunehmende Beschwerden am rechten Daumengrundgelenk berichte. Es finde sich eine Vergröberung der Kontur mit schmerzhafter Bewegungseinschränkung. Bereits im Juni 2011 sei eine Tendovaginitis stenosans D 1 rechts operiert worden. Man habe zur weiteren Abklärung ein MRT veranlasst. Über das im Anschluss am 05.10.2011 durchgeführte MRT des rechten Handgelenkes berichtete der Facharzt für Radiologie und Neuroradiologie Dr. D., dass weit die Altersnorm überschreitende Signalalterationen im Bereich der proximalen Handwurzelreihe sowie geringgradig auch im OS pisiforme gegeben seien. Diese seien mit kleinzystischen Veränderungen im Sinne einer rheumatoiden Arthritis vereinbar. Die am stärksten ausgeprägten Veränderungen in den zentralen Abschnitten des OS scaphoideum seien mit einem Zustand nach alter Kahnbeinfraktur vereinbar.

Dr. L. führte auf Nachfrage der Beklagten daraufhin aus, dass er keinen kausalen Zusammenhang mit dem Unfallereignis vom 04.12.2000 sehe. Man habe sich allerdings, nachdem die Klägerin die jetzigen Beschwerden auf das damalige Unfallereignis zurückführe, veranlasst gesehen, einen Nachschaubericht zu erstellen.

Die Beklagte zog daraufhin von der Krankenkasse ein Vorerkrankungsverzeichnis und bei den behandelnden Ärzten folgende Behandlungs- und Befundberichte bei: Dr. F. berichtete unter dem 08.06.2011, bei der Klägerin sei eine Tendovaginitis stenosans D I rechts diagnostiziert worden, und in der Operation am 03.06.2011 sei eine A 1-Ringbandspaltung durchgeführt worden. Über ein von Dr. F. veranlasstes CT des rechten Handgelenkes berichtete die Fachärztin für Neurologie P. am 24.10.2011, dass sich bei der Klägerin zahlreiche Geröllzystenbildungen im Scaphoid und vermehrte Sklerosen im proximalen Scaphoiddrittel ohne Pseudoarthrosenbildung fänden. Dr. W., Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, berichtete, dass die Klägerin bislang nicht aufgrund eines Unfalles am 04.12.2000 bei ihm in Behandlung gewesen sei. Er habe bislang auch keine Kenntnis von diesem Unfall gehabt. Ergänzend teilte er in einem Bericht vom 04.01.2012 mit, dass die Klägerin bei einer Behandlung am 21.10.2009 angegeben habe, dass sie seit zwei Jahren belastungsunabhängige Armschmerzen rechts habe. Die damalige Untersuchung habe mit hoher Wahrscheinlichkeit eine vertebragene Verursachung der Beschwerden ergeben. Zusätzlich habe die Klägerin als Putzfrau eine körperlich schwere Arbeit verrichtet. Am 20.10.2010 habe die Klägerin über Schmerzen und Taubheit in der linken Hand berichtet. Diese seien nach Angaben der Klägerin gleich wie damals rechts gewesen. Am 27.05.2011 habe die Klägerin über ein Schnappen am rechten Daumen und Taubheit und Schmerzen an der linken Hand geklagt. Weiter wurde ein Bericht des Neurologen und Psychiaters Dr. B. vom 06.07.2005 beigezogen, der darin ausführte, dass er im Jahr 2001 ein Karpaltunnelsyndrom rechts diagnostiziert und eine OP-Indikation gestellt habe. Dies sei dann bei Dr. T. behandelt worden. Erst protrahiert sei es zu einer Verbesserung gekommen. Die Klägerin stelle sich nun erneut auf Veranlassung des Handchirurgen vor zur Abklärung einer möglichen Nervenkompression. Die Beschwerden der Klägerin seien jedoch nicht durch eine solche Nervenkompression verursacht.

Prof. Dr. S., Direktor der Klinik für Hand-, Plastische, Rekonstruktive und Verbrennungschirurgie an der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Tübingen, teilte am 08.05.2012 mit, dass die Klägerin sich am 02.05.2012 bei ihm vorgestellt habe. Die Klägerin Berichte über Schmerzen im Bereich der rechten Hand und des rechten Handgelenkes, aktuell mit Zunahme der Beschwerden. Nach Durchsicht der vorliegenden Röntgen-, MRT- und CT-Bilder zeige sich kein Hinweis auf eine frische oder alte Fraktur im Bereich des Scaphoid oder des Radius, auch habe sich keine Kahnbeinpseudoarthrose, jedoch eine Gangliozyste mit Scaphoid und eine beginnende Radiocarpalarthrose gezeigt. Die Klägerin wurde daraufhin im Auftrag der Beklagten am 21.11.2012 von Prof. Dr. B., Direktor der Klinik für Plastische, Hand- und Ästhetische Chirurgie, untersucht, der im Gutachten vom 04.01.2013 folgende Diagnosen stellte: Tendovaginitis stenosans de Quarvain D I rechts, V. a. inkomplette Spaltung A1-Ringband D I rechts, CRPS rechts, Z. n. konsolidierter Kaphoidfraktur ohne wesentliche Dislokation, beginnende Radiokarpalarthrose rechts. Prof. Dr. B. führte in seinem Gutachten weiter aus, dass die Röntgenbilder vom 04.12.2000 trotz intensiver Bemühungen nicht hätten besorgt werden können. Ggf. seien solche mangels entsprechender Beschwerden auch nicht vom Kahnbein erstellt worden. Es habe sich zwar im weiteren Verlauf computertomographisch im Oktober 2011 eine Geröllzystenbildung am Kahnbein des rechten Handgelenkes gezeigt. Ein Beweis für die stattgehabte Fraktur sei dies allerdings nicht. Es könne eine Kahnbeinfraktur zum Zeitpunkt des Unfalles nicht ausgeschlossen werden. Diese Möglichkeit bestehe, sie sei jedoch auch nicht gesichert. Selbst unter Annahme einer solchen Fraktur sei zu beachten, dass diese ausweislich der gemachten Röntgenaufnahmen ohne wesentliche Fehlstellung und Verkürzung verheilt sei. Es bestünden bei der Klägerin unfallunabhängig nachgewiesene degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule mit einer cervicalen Spinalkanalstenose und einem Bandscheibenvorfall HWK 4/5. Zusätzlich sei auch ein Karpaltunnelsyndrom auf der linken Seite festgestellt worden. Unfallunabhängig sei auch die Tendovaginitis stenosans am rechten Daumen zu werten, die 2011 versorgt worden sei. Die bei der Klägerin anhaltenden Beschwerden an der rechten Hand seien hauptsächlich auf eine Tendovaginitis stenosans am Daumen zurückzuführen. Diese eher diffusen Beschwerden seien nicht eindeutig auf das Unfallereignis zurückzuführen, zumal das Kahnbein am Karpus regelgerecht liege und die Höhe und Form des Kahnbeins selbst der Norm entspreche. Als einzig mögliche Unfallfolge zeige sich eine zystische Veränderung im Kahnbein, die durchaus aber auch unfallunabhängig auftreten könne. Aufgrund dieser genannten Umstände bestehe keine Minderung der Erwerbsfähigkeit bezogen auf das Unfallereignis vom 04.12.2000.

Mit Bescheid vom 18.06.2013 erkannte die Beklagte daraufhin zwar den Unfall vom 04.12.2000 als Versicherungsfall (Arbeitsunfall) an. Ein Anspruch auf eine Rente bestehe jedoch nicht. Die Erwerbsfähigkeit der Klägerin sei nicht in messbarem Grade über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall (04.06.2001) hinaus gemindert. Als Unfallfolge bestehe lediglich eine folgenlos ausgeheilte Distorsion des rechten Daumens mit einer Behandlungsbedürftigkeit bzw. Arbeitsunfähigkeit von ca. zwei Wochen.

Hiergegen erhob die Klägerin mit der Begründung Widerspruch, dass sie durch den Arbeitsunfall nicht nur eine folgenlos ausgeheilte Distorsion des rechten Daumens erlitten habe, sondern auch eine Fraktur, die zu jahrelangen weiteren Komplikationen geführt habe. Sie habe sich wegen dieser Beschwerden in stetiger ärztlicher Behandlung befunden und sich verschiedensten Behandlungsmethoden unterzogen. Auch der Gutachter habe eine Kahnbeinfraktur zum Unfallzeitpunkt jedenfalls nicht ausgeschlossen.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28.08.2013 als unbegründet zurück. Zur Begründung stützte sie sich im Wesentlichen auf das von ihr im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten von Prof. Dr. B ... Die Kahnbeinfrakutur als Unfallursache sei abgelehnt worden, weil die Fraktur nicht im Sinne des Vollbeweises habe nachgewiesen werden können. Und selbst bei Unterstellung einer solchen Fraktur könne diese nicht Ursache der bestehenden Beschwerden sein, da diese nach dem radiologischen Befund ohne wesentliche Fehlstellung oder Verkürzung verheilt sei.

Hiergegen hat die Klägerin am 09.09.2013 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben, mit der sie die Gewährung von Verletztenrente geltend gemacht und zur Begründung ausgeführt hat, dass das von der Beklagten eingeholte Gutachten lediglich offen gelassen habe, ob die Beschwerden an der rechten Hand auf das Unfallereignis zurückzuführen seien. Dies müsse weiter aufgeklärt werden. Es sei zudem gerade nicht so, dass die Klägerin nach dem Unfall bis ins Jahr 2011 beschwerdefrei gewesen sei. Die Symptome an der rechten Hand hätten sich vielmehr ständig verschlimmert. Hier sei die Klägerin deshalb regelmäßig bei ihrer Hausärztin Klein in Behandlung gewesen. Davor habe sie keine Beschwerden an der rechten Hand gehabt. Die Klägerin hat zudem eine ärztliche Bescheinigung ihrer behandelnden Hausärztin, der Fachärztin für Innere Medizin Klein, vom 22.10.2013 vorgelegt. Darin hat diese u.a. ausgeführt, dass die Klägerin bereits seit 15 Jahren in ihrer Praxis in Behandlung sei. Eine im Dezember 2000 erlittene Verletzung sei ihr zunächst nicht bekannt gewesen. Die Klägerin sei immer wieder wegen Schmerzen im Bereich der Hand und der Schulter/HWS behandelt worden. Es hätten folgende Termine stattgefunden: 02.11.2001, 12.11.2001, 24.02.2003, 08.01.2004, 05.04.2005, 03.06.2005, 10.10.2006, 06.01.2007, 25.01.2007, 20.02.2007, 12.03.2007, 05.02.2009, 12.03.2009, 02.07.2009, 05.12.2009, 23.05.2011, 27.05.2011 und 07.07.2011. Erstmals beim letzten Termin habe man den Verdacht eines Zusammenhangs der Beschwerden mit dem Unfall in Betracht gezogen. Davor habe man die Beschwerden auf degenerative HWS-Veränderungen und ein Karpaltunnelsyndrom zurückgeführt. Die Klägerin hat zudem Behandlungsberichte des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. Kern vorgelegt, der darin u.a. ein posttraumatisches Schmerzsyndrom der rechten Hand im Sinne eines chronischen Sudeck-Syndroms diagnostiziert hatte. Es handle sich um die protrahierte Krankengeschichte mit einem auslösenden Unfall am 04.12.2000. Eine Skaphoidfraktur habe erst 10,5 Jahre nach dem Ereignis mittels MRT wahrscheinlich gemacht werden können. Es habe sich über die lange Zeit eine fortschreitende Arthrose und letztlich auch eine Sudeck-Erkrankung als Spätfolge entwickelt. Es sei therapeutisch wichtig, dass die Berufsgenossenschaft das Sudeck-Syndrom anerkenne.

Im Rahmen der Beweisaufnahme hat das SG auf Antrag der Klägerin ein Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bei dem Neurologen und Psychiater Dr. M. sowie ein nervenärztliches Gutachten von Amts wegen bei der Neurologin und Psychiaterin Dr. M. eingeholt sowie die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen gehört.

Dr. M. hat die Klägerin am 08.04.2014 untersucht und in seinem Gutachten vom 10.04.2014 ausgeführt, dass die durch den Unfall vor 14 Jahren erlittene Distorsion im rechten Daumengrundgelenk lege artis versorgt worden sei. Später hätten sich degenerative Veränderungen in Form von Zystenbildungen im Bereich der Handwurzel dargestellt. Eine Tendovaginitis stenosans im Bereich der Daumenstreckersehnen habe operativ saniert werden müssen. Die Klägerin sei in den Jahren nach dem Unfall bei einer Vielzahl von Neurologen, Orthopäden und Handchirurgen in Behandlung gewesen. Keiner der Ärzte habe den Verdacht eines Morbus Sudeck geäußert. Sein Kollege Dr. K. stehe hier mit seiner Meinung völlig isoliert da. Die zystischen Veränderungen seien eher ein Spezifikum für einen degenerativen Prozess als für einen abgelaufenen Morbus Sudeck. Zudem sei zu beachten, dass dieser in aller Regel auch relativ direkt (innerhalb von Wochen bis Monaten) nach dem Trauma folge. Es komme zu regionalen Schmerzen, Temperaturerhöhungen und Entmineralisierung der Knochen. Auch lokale Schwellungen der Haut gehörten in der Regel dazu, die speziell von Fachärzten nicht zu übersehen seien. Eine damalige Sudeck’sche Erkrankung könne somit weder bewiesen noch ausgeschlossen werden. Sie erscheine insgesamt jedoch äußerst unwahrscheinlich. Er sehe daher keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Entstehung der multiplen Arthrosen und Überbelastungsreaktionen und dem Unfall bzw. der Verschlimmerung der chronischen Erkrankung. Die heute vorliegenden massiven Probleme der Klägerin mit ihrer Hand seien mit überwiegender Wahrscheinlichkeit degenerativ verursacht. Die Klägerin sei nach ihrem Unfall nach etwa vier bis sechs Wochen wieder arbeitsfähig gewesen. Die Klägerin hat hierauf mitgeteilt, dass sie mit dem vorliegenden Gutachten nicht einverstanden sei und hat hierbei auf eine Stellungnahme ihres behandelnden Neurologen und Psychiaters Dr. K. sowie einen Befundbericht von Prof. Dr. L., Facharzt für Strahlentherapie, verwiesen. Prof. Dr. L. hat in diesem Bericht vom 04.09.2014 u.a. ausgeführt, dass Anlass für die Beratung ein bekannter Morbus Sudeck der Hand bzw. des Unterarmes rechts bei Zustand nach Trauma bereits im Jahr 2000 gewesen sei. Dr. K. hat in seinem Schreiben vom 28.07.2014, gerichtet an den Bevollmächtigten der Klägerin, ausgeführt, dass das Krankheitsbild des Morbus Sudeck häufig unerkannt bleibe. Dr. M. hat in seinen ergänzenden Stellungnahmen vom 30.09.2014 erklärt, dass er auch unter Berücksichtigung der Angaben von Dr. K. und Prof. Dr. L. bei seiner Einschätzung im Gutachten vom 10.04.2012 bleibe. Das Gericht hat daraufhin die schriftliche Vernehmung von Prof. Dr. L. als sachverständigem Zeugen angeordnet. Dieser hat in seiner Aussage vom 20.11.2014 erklärt, dass die typischen Befunde eines Morbus Sudeck mit teigiger Schwellung und schmerzbedingter Einschränkung der Beweglichkeit im Bereich der Hand vorlägen. Die Ursachenerklärung entziehe sich seiner Kenntnis. Die Klägerin hat sodann einen weiteren Bericht des Dr. K. vom 16.12.2014 vorgelegt, in dem dieser, neben umfangreichen allgemeinen Ausführungen zum Krankheitsbild eines Morbus Sudeck, angegeben hat, dass die Beschwerden trotz umfangreicher Behandlungen seit dem Unfall nicht nachgelassen hätten, vielmehr sei es in der Folge dazu gekommen, dass das Grundgelenk und auch der Verlauf des 1. Strahls geschwollen geblieben seien, sich verfärbt hätten und die Haut ein anderes Aussehen genommen habe, so dass die Klägerin wochenlang im Krankenstand habe verbleiben müssen. Die Auswirkungen des CRPS seien bis zum heutigen Tag nachweisbar und hätten zu einem Funktionsverlust der rechten Hand geführt.

Die von Amts wegen mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragte Neurologin und Psychiaterin Dr. M. hat die Klägerin am 31.12.2014 untersucht und in ihrem Gutachten vom 18.01.2015 folgendes ausgeführt: Die Klägerin habe am 04.12.2000 bei einem Sturz in der Duschkabine ein Stauchungs- und Quetschungstrauma der rechten Hand erlitten. Ob auch eine Fraktur zusätzlich entstanden sei, lasse sich nicht mehr rekonstruieren. In den folgenden Jahren hätten anhaltende Beschwerden in der rechten Hand bestanden und es seien zwei Operationen an der rechten Hand jedoch ohne anhaltenden Erfolg durchgeführt worden. Auch durch weitere Behandlungen wie verschiedene Schienen, Akupunktur, Ergotherapie, Physiotherapie, Schmerzmedikamente sei keine Besserung eingetreten. Der derzeitige behandelnde Nervenarzt Dr. K. habe erstmals 2012 aufgrund des Verlaufs und des Befundes die Verdachtsdiagnose eines CRPS gestellt. Im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung habe sich nun die typische Symptomatik eines CRPS im Bereich der rechten oberen Extremität gezeigt. Es bestehe eine Störung der Sensorik, eine Störung der Vasomotorik, ein Ödem, eine Störung der Beweglichkeit und es ließen sich eine Allodynie, eine Verminderung der Hauttemperatur der rechten Hand, eine Schwellung der rechten Hand und eine deutliche Reduktion der Beweglichkeit der rechten Hand mit Streckdefizit nachweisen. Sie stelle daher die Diagnose CRPS Typ I rechte obere Extremität nach Trauma am 04.12.2000. Eine andere Diagnose, die die Beschwerden der Klägerin erklären könnte, habe sie nicht feststellen können. Insbesondere seien keine Hinweise auf eine Radikulopathie, keine Radialisläsion und kein CTS erkennbar. Nach der medizinischen Fachliteratur stehe das Ausmaß der mit einem CRPS verbundenen Beschwerden und Funktionsstörungen häufig in einem ausgeprägten Missverhältnis zum Schweregrad des zugrundeliegenden Traumas. Es könne sich durchaus auch aus einem Bagatelltrauma entwickeln. Es sei daher unerheblich, ob die Klägerin tatsächlich zusätzlich bei ihrem Unfall eine Fraktur erlitten habe. Die alleinige Hyperextension des Daumens genüge hier, um ein CRPS auszulösen. Es sei ebenfalls in der medizinischen Fachliteratur dargestellt worden, dass sich die Lokation des Schmerzsyndroms weder an die ursprüngliche Schädigungslokation noch an den Versorgungsbereich von Nerven oder Nervenwurzeln halte, sondern eine Ausbreitung im Bereich der Extremität erfahre. Das als Arbeitsunfall anerkannte Ereignis sei durchaus geeignet, ein CRPS auszulösen. Andere, austauschbare Ereignisse seien nicht dokumentiert. Die MdE schätze sie nach Ablauf der 26. Woche bezüglich des vorliegenden CRPS (Kraftminderung, anhaltendes Schmerzsyndrom, Sensibilitätsstörungen, Bewegungseinschränkung der rechten Gebrauchshand) auf 20 v. H ... Es bestehe nach den Behandlungsberichten eine in etwa gleichbleibende neurologische Situation seit Februar 2012. Durchgängig seit dem Unfallereignis sei bei der Klägerin trotz des persistierenden Schmerzsyndroms und des typischen Verlaufs eines CRPS durch die Behandler die Diagnose nicht gestellt worden. Die Behandler hätten überwiegend auf knöcherne Veränderungen abgehoben. Auch nachdem die Klägerin zwei Mal operiert worden sei und noch keine Besserung der Symptomatik eingetreten sei, sei immer noch nicht die Diagnose eines CRPS gestellt worden.

Auf Nachfrage durch die Beklagte hat Dr. M. in einer ergänzenden Stellungnahme vom 07.04.2015 ausgeführt, dass bei der Klägerin folgende Symptome vorlägen, die ausschließlich auf den Morbus Sudeck zurückzuführen seien und weder durch ein CTS noch durch eine Radikulopathie zu erklären seien: Störung der Vasomotorik, Ödem und zunehmende Störung der Beweglichkeit, diffus im Bereich der gesamten Hand verbunden mit einer Allodynie. Der Beginn der Symptomatik liege in der Verletzung im Rahmen eines Arbeitsunfalles. Auf weitere Nachfrage hat die Gutachterin mit Schreiben vom 14.09.2015 angegeben, dass die Klägerin bei ihrer Hausärztin laufend in Behandlung bezüglich der rechten Extremität gewesen sei. Die Hausärztin habe regelmäßige Untersuchungen und Therapien aufgelistet. Die Symptomatik sei daher bezüglich des zeitlichen Zusammenhangs ausreichend dokumentiert und habe nicht erst nach der Operation der Tendovaginitis stenosans begonnen.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 09.10.2015 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf eine Verletztenrente, da keine fortbestehenden Funktionsbeeinträchtigungen auf dieses Ereignis zurückzuführen seien. Bei der Klägerin lägen keine Folgen des Arbeitsunfalls vom 04.12.2000 mehr vor, welche eine MdE von mindestens 20 v. H. begründeten. Das SG hat hierzu unter näherer Darlegung der für eine solche Rente notwendigen Voraussetzungen ausgeführt, dass die nun bestehenden Beschwerden nicht hinreichend wahrscheinlich auf den Versicherungsfall zurückgeführt werden könnten. Bei der Klägerin liege nach dem Gutachten von Dr. M. sowie den Berichten von Dr. K. und Prof. Dr. B. ein CRPS (früher Morbus Sudeck) vor. Ein Zusammenhang zwischen dem CRPS und dem Unfallereignis erscheine zwar möglich, jedoch nicht hinreichend wahrscheinlich. Man gehe zwar mit der Gutachterin Dr. M. davon aus, dass eine wie von der Klägerin erlittene Daumendistorsion als ein geeignetes Trauma für eine CRPS in Betracht komme und auch ein langer zeitlicher Verzug bis zum Auftreten eines CRPS den Zusammenhang mit einem Trauma nicht zwingend ausschließt. Es sei zwar richtig, dass die Klägerin seit dem Jahr 2000 immer wieder wegen Beschwerden in der rechten Hand und dem rechten Arm in Behandlung gewesen sei. Eine besonders hohe Behandlungsfrequenz, welche auf einen erheblichen Leidensdruck hindeuten würde, lasse sich aber aus den Angaben der Hausärztin und den beigezogenen weiteren ärztlichen Unterlagen gerade nicht ableiten. Ein Teil der genannten Behandlungen sei zudem eindeutig nicht auf die Beschwerden in der rechten Hand, sondern auf Auswirkungen der dokumentierten degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule zurückzuführen. Auch könnten Befunde, die im Einklang mit einem CRPS stünden, durchaus mit anderen Beeinträchtigungen erklärt werden, zumal auch die behandelnden Ärzte bis 2012 andere Ursachen für die Beschwerden der Klägerin angegeben hätten. Die Annahme, dass bereits nach dem damaligen Unfall ein CRPS aufgetreten sei, sei zwar nicht ausgeschlossen, aber bestenfalls spekulativ und daher keinesfalls hinreichend wahrscheinlich. Zu beachten sei ferner, dass die Klägerin 2010 die Beschwerden in der linken, nicht verunfallten Hand als vergleichbar mit denen in der rechten Hand vor der CTS-Operation beschrieben habe. Auch dies lasse sich nicht mit einem CRPS in Einklang bringen, sondern eher mit einem anlagebedingten CTS. Zu beachten sei ferner, dass nach der medizinischen Fachliteratur ein CRPS durchaus auch nach CTS-Operationen oder auch im Zusammenhang mit - wie bei der Klägerin im Jahr 2011- vorgenommenen Ringbandspaltungen auftreten. Ferner sei auch ein nicht traumatisch bedingtes, sondern spontan auftretendes CRPS in der Forschung bekannt. Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für eine Unfallkausalität der CRPS-Entstehung könne daher nicht gesehen werden.

Gegen das am 04.11.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 18.11.2015 Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, dass das SG die gutachterliche Einschätzung von Dr. M. falsch gewürdigt habe und trotz übereinstimmender ärztlicher Einschätzungen zu dem Ergebnis gekommen sei, dass die Kausalität nicht nachgewiesen sei. Außer dem streitgegenständlichen Arbeitsunfall sei keinerlei traumatisches Ereignis bekannt, das zu dem CRPS habe führen können.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 9. Oktober 2015 und den Bescheid der Beklagten vom 18. Juni 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Verletztenrente aufgrund des Arbeitsunfalls vom 4. Dezember 2000 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie beruft sich zur Begründung zunächst auf die angefochtene Entscheidung und führt ergänzend aus, dass sowohl der Gutachter Dr. M. als auch Prof. Dr. B. keinen Zusammenhang zwischen dem CRPS und dem Unfall vom 04.12.2000 gesehen hätten. Auch die Würdigung des Gutachtens von Dr. M. führe dazu, dass keine fortbestehenden Funktionseinschränkungen auf das Unfallereignis zurückzuführen seien. Es sei vielmehr - wie im erstinstanzlichen Urteil ausgeführt - ein Zusammenhang mit einem anlagebedingten CTS zu sehen. Hierbei sei auch zu beachten, dass die Klägerin im Rahmen der Behandlung an der linken Hand im Jahr 2010 von Beschwerden berichtet habe, die den Beschwerden an der rechten Hand nach der CTS-Operation glichen. Dies spreche entscheidend dafür, dass die Klägerin unter einer beidseitig anlagebedingten CTS leide. Es sei zudem zu beachten, dass ein gehäuftes Auftreten von CRPS-Erkrankungen nach CTS-Operationen der einschlägigen medizinischen, durch Forschung belegten Lehrmeinungen entspreche.

Der Senat hat die behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen befragt.

Dr. A., Facharzt für Orthopädie und Chirurgie, hat am 15.06.2016 angegeben, dass er die Klägerin lediglich einmal am 22.12.2011 behandelt habe. Er habe sich damals auf die Angaben der Klägerin verlassen, da ihm die gesamten Vorbefunde noch nicht vorgelegen hätten. Er habe daher die Behandlung zunächst als unfallbedingt und zu Lasten der Unfallversicherung abgerechnet.

Die Internistin K. hat in ihrer Aussage vom 17.07.2016 berichtet, dass sie die Klägerin seit 26.10.2001 behandle. Die Klägerin habe sich nach der Karpaltunnel-OP der rechten Hand im Oktober 2001 vorgestellt. Im Anschluss daran habe sie über einen außergewöhnlich langen Zeitraum über Schmerzen in der rechten Hand geklagt. Da die Klägerin sich erst nach der OP 2001 vorgestellt habe, könne sie zu den Zeiten davor keine Angaben machen. Die Klägerin sei immer wieder bis heute wegen Beschwerden in der rechten Hand bei ihr in Behandlung gewesen. Es seien vielfältige Behandlungen wie Massagen mit Fango, Krankengymnastik, Lymphdrainage und Ergotherapien erfolgt. Zudem habe sie der Klägerin entzündungshemmende Analgetika verordnet. Aus der beigefügten Patientenkarte lassen sich eine Vielzahl von Behandlungsterminen entnehmen. Hiernach wurde die Klägerin am 26.10.2001, 29.10.2001, 2.11.2001, 05.11.2001, 12.11.2001, 19.11.2001, 26.11.2001, 08.01.2004, 06.02.2007, 12.03.2007, 23.05.2011, 27.05.2011, 14.06.2011, 07.07.2011, 18.07.2011, 05.10.2011, 20.10.2011, 23.12.2011, 23.01.2013,13.05.2012, 14.03.2012, 23.04.2012, 06.07.2012, 24.08.2012, 18.09.2012, 23.04.2013, 14.10.2013, 08.07.2015 und 18.08.2015 wegen Beschwerden in der rechten Hand behandelt. Neben vielen weiteren Terminen aufgrund von Erkrankungen auf dem Gebiet der Inneren Medizin, Atemwegserkrankungen und psychischen Beschwerden sind weitere Termine bezüglich Beschwerden im Bereich der Schulter/HWS vermerkt: 24.09.2003, 09.10.2003, 05.04.2005, 16.10.2006, 27.12.2006, 25.01.2007, 05.02.2009, 03.06.2009 und 23.12.2011. Die Klägerin habe erstmals am 07.07.2011 davon berichtet, dass ein Zusammenhang der Beschwerden mit dem Unfall im Jahr 2000 bestehen könne. Da sie dies als Internistin nicht abklären könne, habe sie weitere Untersuchungen durch Fachärzte angeregt.

Dr. M., Facharzt für Chirurgie, hat angegeben, dass die Klägerin von Dr. M. (inzwischen verstorben) nach dem Unfall behandelt worden sei. Am 30.05.2001 sei eine Vorstellung aufgrund von Beschwerden im rechten Daumengelenk erfolgt. Röntgenbilder hierzu lägen ihm nicht vor. Eine erneute Vorstellung habe dann erst 2011 stattgefunden.

Die Klägerin hat mit Schreiben vom 16.11.2016 und die Beklagte hat mit Schreiben vom 24.11.2016 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 1 SGG), ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung ist aber nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Verletztenrente in Folge des am 04.12.2000 erlittenen Arbeitsunfalles. Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 18.06.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.08.2013 ist daher rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Das SG hat die hiergegen als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 SGG statthafte Klage zu Recht abgewiesen.

Der geltend gemachte Anspruch der Klägerin auf die Gewährung einer Verletztenrente richtet sich nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII). Danach haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalles über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus wenigstens um 20 v. H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Zwischen den Beteiligten ist - zu Recht - völlig unstreitig, dass die Klägerin am 04.12.2000 einen Arbeitsunfall (§ 8 Abs. 1 SGB VII) erlitten hat. Denn die Klägerin ist ohne Zweifel während ihrer versicherten Tätigkeit gestürzt und hat sich dabei (zumindest) eine Distorsion des rechten Daumens zugezogen (vgl. Bericht des Durchgangsarztes Dr. M. vom 07.12.2000).

Die Folgen dieses Arbeitsunfalles begründen aber nach Überzeugung des Senats keine MdE in rentenberechtigender Höhe.

Der Senat stellt zunächst fest, dass die als Gesundheitserstschaden feststehende Distorsion des rechten Daumens mit deutlicher Schwellung des rechten Daumengelenkes keine MdE von wenigstens 20 v. H. rechtfertigt, wie sich aus den Gutachten von Prof. Dr. B., Dr. M. und Dr. M. ergibt, denen der Senat folgt. Eine Gebrauchseinschränkung der rechten Hand über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus lässt sich den Akten nicht entnehmen und ist auch nicht ersichtlich, zumal die Klägerin selbst gegenüber dem Gutachter Dr. M. angegeben hat, nach vier bis sechs Wochen wieder arbeitsfähig gewesen zu sein.

Weitere Folgen des Arbeitsunfalls liegen nicht vor. Gesundheitserst- oder -folgeschäden eines Unfallereignisses sind nämlich nur solche Gesundheitsstörungen, die durch das Unfallereignis bzw. durch einen Gesundheitsschaden infolge eines Unfallereignisses wesentlich verursacht worden sind.

Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, müssen nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung (d.h. Gesundheitserst- und -folgeschäden) erwiesen sein. Dies bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden kann (BSG, Urteil vom 30.04.1985 - 2 RU 43/84 - Juris). Dagegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung, sogenannte haftungsbegründende Kausalität, sowie zwischen der Einwirkung und der Erkrankung, sog. haftungsausfüllende Kausalität, eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (BSG, Urteil vom 18.01.2011 - B 2 U 5/10 R - Juris). Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ist dann anzunehmen, wenn bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang spricht, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (BSG, Urteil vom 18.01.2011, a.a.O.). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte ableitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen somit zu Lasten des jeweiligen Klägers (BSG, Urteil vom 27.06.1991 - 2 RU 31/90 - Juris).

Für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung. Diese setzt zunächst die Verursachung der weiteren Schädigung durch den Gesundheitserstschaden im naturwissenschaftlich-naturphilosophischen Sinne voraus. Ob die Ursache-Wirkung-Beziehung besteht, beurteilt sich nach der Bedingungstheorie. Nach ihr ist eine Bedingung dann notwendige Ursache einer Wirkung, wenn sie aus dem konkret vorliegenden Geschehensablauf nach dem jeweiligen Stand der einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse (Erfahrungssätze) nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Auf dieser ersten Stufe sind alle derartigen notwendigen Bedingungen grundsätzlich rechtlich gleichwertig (äquivalent). Alle festgestellten anderen Bedingungen, die in diesem Sinn nicht notwendig sind, dürfen hingegen bei der nachfolgenden Zurechnungsprüfung nicht berücksichtigt werden (BSG, Urteil vom 05.07.2011 - B 2 U 17/10 R - Juris). Ist der Gesundheitserstschaden in diesem Sinne eine notwendige Bedingung des weiteren Gesundheitsschadens, wird dieser ihm aber nur dann zugerechnet, wenn er ihn wesentlich (ausreichend: mit-) verursacht hat. Wesentlich ist der Gesundheitserstschaden für den weiteren Gesundheitsschaden nach der in der Rechtsprechung gebräuchlichen Formel, wenn er eine besondere Beziehung zum Eintritt dieses Schadens hatte (vgl. BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - Juris).

Unter Zugrundelegung dieser Voraussetzungen und der Gesamtwürdigung aller vorliegenden medizinischen Unterlagen, insbesondere auch der im Berufungsverfahren eingeholten sachverständigen Zeugenaussagen, ist der Senat zur Überzeugung gelangt, dass die bei der Klägerin nun bestehenden Beschwerden am rechten Handgelenk sich nicht hinreichend wahrscheinlich auf den Arbeitsunfall vom 04.12.2000 zurückführen lassen.

Ob sich die Klägerin am Unfalltag eine Fraktur im Bereich der rechten Hand zugezogen hat, lässt sich nicht mehr mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen. Im Durchgangsarztbericht vom 07.01.2000 wird dies verneint. Röntgenbilder aus der Zeit des Unfalls konnten trotz intensiver Bemühungen der Gutachter nicht beschafft werden und auch die nun bestehende Geröllzystenbildung am Kahnbein stellt, wie Prof. Dr. B. dargelegt hat, keinen Nachweis für eine Kahnbeinfraktur durch das Unfallereignis dar. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den von der Klägerin mit der Klagebegründung vorgelegten Befundberichten von Dr. K., der letztlich nur von einer gewissen Wahrscheinlichkeit einer solchen bei dem Unfall erlittenen Fraktur spricht.

Der Senat stellt weiter – wie auch das SG im angefochtenen Urteil - fest, dass bei der Klägerin nach Auswertung aller medizinischen Unterlagen nun ein CRPS - früher u.a. Morbus Sudeck genannt – an der rechten Hand als gesichert anzusehen ist. Bei der Klägerin bestehen – wie insbesondere auch die Gutachterin Dr. M. ausgeführt hat – im Bereich der rechten Hand die typischen Symptome eines CRPS, wie eine Störung der Sensorik, der Vasomotorik, der Beweglichkeit, das Vorliegen eines Ödems, einer Allodynie und eine Verminderung der Hauttemperatur. Eine andere Diagnose, welche die Beschwerden im gegebenen Umfang erklären könnte, ist nicht ersichtlich. Diese Diagnose wird vom behandelnden Neurologen Dr. K. und dem Chirurgen Prof. Dr. B. bestätigt.

Diese Gesundheitsstörung lässt sich jedoch nicht mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit auf den streitgegenständlichen Unfall zurückführen.

Das CRPS als Gesundheitserstschaden scheidet nach Überzeugung des Senates bereits schon deshalb aus, weil die erstmalige (Verdachts-)Diagnose eines CRPS an der rechten Hand mehr als zehn Jahre nach dem Unfallereignis, nämlich am 22.12.2012 durch Dr. K., gestellt wurde. Auch die oben aufgeführten typischen Symptome eines CRPS - nämlich Schwellung, livide Verfärbung und erhebliche Störung der Beweglichkeit - werden in diesem Umfang erstmals im Sommer 2011 beschrieben. Dass diese erheblichen Symptome speziell von den behandelnden Fachärzten über eine so lange Zeit übersehen worden sind, ist, wie der Gutachter Dr. M. für den Senat nachvollziehbar dargelegt hat, kaum vorstellbar.

Aber auch ein ursächlicher Zusammenhang der Beschwerden und dem Unfallereignis als sog. Gesundheitsfolgeschaden kann nach Überzeugung des Senates nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit im vorliegenden Fall nachgewiesen werden. Auch hiergegen spricht im Wesentlichen der zeitliche Verlauf. Hierbei ist zwar zunächst zu beachten, dass auch eine Verletzung wie die von der Klägerin aufgrund des Unfallereignisses vom 04.12.2000 erlittene Distorsion des rechten Daumens geeignet sein kann, ein CRPS an der rechten Hand zu verursachen. Auch ein zeitlich späterer Beginn der Erkrankung, d.h. nicht unmittelbar nach dem Unfallereignis, schließt einen ursächlichen Zusammenhang mit dem Unfall nicht gänzlich aus. In der arbeitsmedizinischen Fachliteratur (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 400) wird hierzu ausgeführt, dass bei einem komplexen regionalen Schmerzsyndrom (CRPS; Morbus Sudeck) hinsichtlich der Ursachen überwiegend äußere schädigende Einwirkungen (über 95 %) in Betracht kommen. Hierbei ist der Schweregrad unerheblich, so dass das CRPS sowohl nach einer schweren Knochen- oder Weichteilverletzung auftreten kann als auch nach einer Bagatelle, also einer kaum erinnerlichen äußeren Einwirkung. Genannt wird hier auch das häufige Vorkommen eines CRPS nach Operationen an den oberen Gliedmaßen. Darüber hinaus wird hier ausgeführt, dass CRPS-Symptome üblicherweise innerhalb von wenigen Tagen bis maximal zwei Wochen nach einer Verletzung auftreten. Ein späterer Erkrankungsbeginn sei nur erklärbar, wenn eine "Brückensymptomatik" vorliegt oder entsprechende therapeutische Maßnahmen erfolgten, die für das Entstehen der CRPS-Symptomatik als ursächlich anzusehen sind bzw. diese verschleierten (Gipsverband) (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 401). Der spätere Erkrankungsbeginn kann vorliegend aber nicht zur Überzeugung des Senates erklärt werden. Es war hierzu insbesondere zu beachten, dass die Klägerin entgegen ihrer Angaben und auch der Annahmen von Dr. M. gerade nicht seit dem Unfallereignis durchgehend in Behandlung wegen der genannten Beschwerden an der rechten Hand war. Eine hohe Behandlungsfrequenz wurde auch nicht im Berufungsverfahren dargelegt. Vielmehr belegen die Ermittlungen im Berufungsverfahren eher das Gegenteil. Dr. A. hat als sachverständiger Zeuge angegeben, dass die Klägerin einmalig im Jahr 2011 von ihm behandelt worden sei. Dr. M., inzwischen in der Praxis Schacher u.a. tätig, hat berichtet, dass die Klägerin nach ihrem Unfall am 07.12.2000 erstmals von seinem inzwischen verstorbenen Kollegen Miller untersucht worden sei. Eine erneute Behandlung habe dann am 30.05.2001 und dann erst wieder am 28.06.2011 und 12.09.2011 stattgefunden. Aus diesen Angaben lässt sich gerade keine regelmäßige Behandlung ableiten. Es fällt vielmehr eine über 10-jährige Pause zwischen den Behandlungen auf.

Die Hausärztin K. hat in ihrer Aussage vom 17.07.2016 unter Vorlage von Ausdrucken aus der Patientenkartei zwar eine häufige und regelmäßige Konsultation durch die Klägerin dargestellt. Bei näherer Betrachtung lässt sich jedoch erkennen, dass eine Vielzahl der genannten Termine nicht aufgrund der Beschwerden an der rechten Hand, sondern aufgrund von Atem- wegserkrankungen, sowie verschiedener internistischer und psychischer Beschwerden erfolgte. Weiter fällt auf, dass einige Termine, die noch in der Klagebegründung als Behandlungen wegen Schmerzen im Bereich der Hand und der Schulter/HWS angegeben waren, nicht eindeutig auf die Beschwerden an der rechten Hand zurückzuführen sind, da hier in der Patientenkartei lediglich Auswirkungen der dokumentierten degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule und Schulterbeschwerden genannt sind. Es verbleiben daher folgende Termine, in denen ausdrücklich Beschwerden an der rechten Hand in der Patientenkartei vermerkt sind: 26.10.2001, 29.10.2001, 02.11.2001, 05.11.2001, 12.11.2001, 19.11.2001, 26.11.2001, 08.01.2004, 06.02.2007, 12.03.2007, 23.05.2011, 27.05.2011, 14.06.2011, 07.07.2011, 18.07.2011, 05.10.2011, 20.10.2011, 23.12.2011, 23.01.2013, 13.05.2012, 14.03.2012, 23.04.2012, 06.07.2012, 24.08.2012, 18.09.2012, 23.04.2013, 14.10.2013, 08.07.2015 und 18.08.2015. Hier ist auffällig, dass (bis auf insgesamt drei Termine in den Jahren 2004 und 2007) alle weiteren Termine im Oktober/November 2001 (wohl im Anschluss an die im Oktober 2001 durchgeführte Karpaltunnel-Operation an der rechten Hand) und dann erst wieder ab Mai 2011, also kurz vor bzw. nach der zweiten Operation an der rechten Hand, stattgefunden haben. Eine hohe Behandlungsfrequenz in den zehn Jahren dazwischen lässt sich hieraus gerade nicht ableiten. Auch aus den im Verwaltungsverfahren und im Klageverfahren beigezogenen Unterlagen lässt sich eine solche hohe Behandlungsfrequenz nicht erkennen, wie das SG zutreffend und ausführlich dargestellt hat. Diese dokumentierte Behandlungsgeschichte der Klägerin für die Jahre 2001 bis 2011 spricht damit nicht für eine schleichende Entwicklung der Symptome als Folge der erlittenen Distorsion beim Arbeitsunfall. Vielmehr lässt sich daraus eine Zunahme der Beschwerden erst kurz vor bzw. nach der Operation im Jahr 2011 erkennen, so dass eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für den Eintritt eines Gesundheitsfolgeschadens nicht gesehen werden kann.

Zu beachten ist ferner, dass sich aus den ärztlichen Unterlagen durchaus andere mögliche Ursachen für die Beschwerden an der rechten Hand entnehmen lassen. So ist auffällig, dass die Klägerin auch an der linken Hand Beschwerden hat und an dieser Hand bereits operiert wurde. Sie selbst hat gegenüber Dr. W. im Jahr 2010 angegeben, dass die Schmerzen und das Taubheitsgefühl in der linken Hand wie die damals rechts seien. Dies spricht eher für die Möglichkeit anlagebedingter Ursachen des CRPS. Diese degenerativen Veränderungen sehen insbesondere die Gutachter Dr. M. und Prof. Dr. B. als wahrscheinlichere Ursachen für die Beschwerden der Klägerin an der rechten Hand. Auch die an dieser Hand durchgeführten Operationen im Jahr 2001 und 2011 scheiden als mögliche Ursache für ein CRPS nicht aus, zumal gerade nach der Operation 2011 erstmals die Diagnose eines CRPS gestellt wurde und eine livide Verfärbung, die Schwellung der rechten Hand, eine Bewegungseinschränkung und die Angabe eines brennenden Schmerzes als typische Merkmale eines CRPS erstmals dokumentiert sind, so dass zwischen dieser Operation und den nun geltend gemachten Beschwerden auch ein zeitlicher Zusammenhang erkennbar ist. Dies beschreibt insbesondere Prof. B., der die anhaltenden Beschwerden hauptsächlich auf die Tendovaginitis am Daumen zurückführt. Nicht zu folgen vermag der Senat hier der Gutachterin Dr. M., die angegeben hat, die Beschwerden hätten sich nicht erst nach der Operation im Jahr 2011 entwickelt. Hierbei ging die Gutachterin jedoch davon aus, dass die Klägerin durchgehend seit dem Unfallereignis im Jahr 2000 wegen Beschwerden an der rechten Hand bei ihrer Hausärztin in Behandlung war. Diese Annahme ist jedoch, wie oben dargelegt, nicht zutreffend.

Bezüglich der weiter bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen (CTS beidseits, Tendovaginitis, etc.) sind Anhaltspunkte für eine unfallbedingte Verursachung oder Verschlimmerung weder vorgetragen noch erkennbar.

Da nach alledem die von der Klägerin geltend gemachten Beschwerden im Bereich der rechten Hand nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Unfall zurückgeführt werden können, kann keine unfallbedingte MdE - zumal im rentenberechtigenden Bereich - festgestellt werden.

Die Berufung der Klägerin ist daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und berücksichtigt, dass auch die Berufung ohne Erfolg geblieben ist.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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