Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 19 SB 4655/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 1114/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 3. Dezember 2015 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte berechtigt war, nach Eintritt der Heilungsbewährung eines Krebsleidens den dem Kläger zuerkannten Grad der Behinderung (GdB) von 60 auf 40 herabzusetzen.
Der im Jahr 1956 geborene Kläger ist gelernter Stahlformenbauer. Zuletzt war er als CNC-F. beschäftigt. Er litt an einem Nierenzellkarzinom links, Stadium pT1b G2 T0. Im November 2006 erfolgte die operative Tumornephrektomie links.
Das Landratsamt Ortenaukreis (im Folgenden: Landratsamt) stellte auf den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 14. März 2007 einen GdB von 60 seit dem 29. Januar 2007 fest. Im Bescheid wies es darauf hin, dass Gesundheitsstörungen im Stadium der Heilungsbewährung berücksichtigt worden seien. Eine Nachprüfung sei vorgesehen. Dem Bescheid lag die versorgungsmedizinische Einschätzung vom Dr. T.-T. vom 6. März 2007 zugrunde, wonach die Nierenerkrankung (in Heilungsbewährung) und die Nierenfunktionseinschränkung mit einem GdB von 60 zu bewerten seien.
Im November 2011 leitete das Landratsamt eine Überprüfung des GdB ein. Der Kläger teilte dabei mit, dass seine Funktionsstörungen weiterhin alleine aus der Entfernung der Niere resultierten. Der vom Landratsamt ferner befragte Hausarzt des Klägers, Dr. F., gab am 21. Juni 2012 an, dass sich keine Hinweise auf ein Rezidiv gefunden hätten. Die Niereninsuffizienz sei kompensiert. Weiter bestehe eine benigne Prostatahyperplasie. In den vorgelegten Berichten des Urologischen Praxiszentrums Offenburg vom 12. Dezember 2011 und 18. Juni 2012 wurde angeführt, dass beim Kläger anamnestisch keine Beschwerden bestünden, die Miktion normal sei und keine Hinweise auf ein Rezidiv vorlägen.
Nach Anhörung hob das Landratsamt mit Bescheid vom 25. April 2013, abgeschickt am 26. April 2013, den Bescheid vom 14. März 2007 auf und setzte den GdB ab 29. April 2013 neu auf 40 fest. Zur Begründung führte es an, dass der Zeitraum der Heilungsbewährung zwischenzeitlich abgelaufen sei. Der GdB sei nun nach den verbliebenen tatsächlichen Funktionsbeeinträchtigungen neu festzustellen. Es legte dabei die versorgungsmedizinische Einschätzung von Dr. K. vom April 2013 zugrunde, wonach die Herunterstufung bei rezidivfreiem Verlauf gerechtfertigt sei. Ein GdB von 30 für den Verlust der linken Niere und zusätzlich ein GdB von 20 für die eingeschränkte Nierenfunktion rechts ergäben zusammen einen GdB von 40.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, dass die Herabsetzung des GdB seiner besonderen Situation nicht gerecht werde. Er sei durch die Erkrankung psychisch erheblich beeinträchtigt. Auch hätte das Risiko eines Rezidivs Berücksichtigung finden müssen.
Nachdem der Versorgungsmediziner Dr. M. in seiner Stellungnahme vom 24. Juli 2013 ausgeführt hatte, dass das Risiko der Wiedererkrankung keinen GdB bedinge und eine wesentliche psychische Belastungssituation in keinem der vorliegenden Befunde beschrieben worden sei, wies das Regierungspräsidium Stuttgart – Landesversorgungsamt – den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18. September 2013 zurück.
Am 17. Oktober 2014 hat der Kläger beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben und sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt. Als behandelnde Ärzte benannte der Kläger ausschließlich Dr. F. und Herrn H. vom Urologischen Praxiszentrum Offenburg.
Der vom SG befragte Urologe H. hat am 16. Mai 2014 angegeben, dass sich die Funktionsausfälle auf den Verlust der linken Niere und der damit einhergehenden Niereninsuffizienz, die im Alltag bislang bei gesunder Restniere keine wesentlichen Einschränkungen zur Folge gehabt hätten, beschränken würden. Andere Gesundheitsstörungen habe er keine festgestellt. Psychische Beeinträchtigungen infolge der Tumorerkrankung seien ihm weder bekannt noch ersichtlich. Der GdB für den Verlust der linken Niere mit einer leichtgradigen Nierenfunktionsstörung betrage insgesamt 40. Dr. F. hat am 9. Mai 2014 mitgeteilt, dass vom Beklagten ein diätisch einstellbarer Diabetes, Polyposis coli und ein Zustand nach Meniskus-Operation rechts nicht berücksichtigt worden seien. Allerdings bestünden hierdurch keine nachweisbaren Behinderungen im täglichen Leben.
Nach mündlicher Verhandlung hat das SG mit Urteil vom 3. Dezember 2015, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 29. Februar 2016, die Klage abgewiesen. Der Beklagte habe die nach Ablauf der Heilungsbewährung zum Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung bestehenden Gesundheitsstörungen zutreffend mit einem GdB von 40 bewertet. Die nach Ablauf der Heilungsbewährung gemessenen Serumkreatininwerte lägen alle deutlich unter dem Grenzwert. Die Funktionseinschränkung der verbliebenen rechten Niere sei im unteren Grenzbereich einer Einschränkung leichten Grades anzusiedeln. Krankheiten auf dem psychiatrischen Fachgebiet seien nicht nachgewiesen.
Am 22. März 2016 hat der Kläger beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung erhoben. Er führt an, dass permanente Rezidivangst sein Leben erheblich beeinträchtige. Weiter handele es sich bei ihm keinesfalls um eine im unteren Grenzbereich liegende Funktionsbeeinträchtigung der rechten Niere. Wegen seines Diabetes mellitus sei er gezwungen, diätisch zu leben. Weitere ärztliche Belege als die vorliegenden bestünden jedoch nicht.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 3. Dezember 2015 und den Bescheid des Beklagten vom 25. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. September 2013 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Er gibt an, dass Gesundheitsstörungen, die in der Zukunft zu erwarten seien oder auftreten könnten, beim GdB nicht zu berücksichtigen seien. Eine wesentliche psychische Belastungsreaktion sei in keinem Bericht beschrieben worden.
Der Berichterstatter hat am 28. September 2016 einen Erörterungstermin mit den Beteiligten durchgeführt und angekündigt, durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu entscheiden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von dem Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet über die Berufung nach § 153 Abs. 4 SGG ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss, weil die Berufsrichter des Senats die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halten. Den Beteiligten ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu dieser Verfahrensweise gegeben worden. Ein Einverständnis der Beteiligten mit dieser Vorgehensweise ist nicht erforderlich.
Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden sowie im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§§ 143, 144 SGG), aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Die gegen die Herabsetzung des GdB von 60 auf 40 im angegriffenen Bescheid vom 25. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. September 2013 erhobene (isolierte) Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 SGG ist zulässig. Dabei ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, also nach § 95 SGG der Widerspruchsentscheidung (vgl. BSG, Urteil vom 12. November 1996 – 9 RVs 5/95 –, juris, Rz. 14 und Senatsurteile vom 17. Dezember 2015 – L 6 SB 3978/14 –, juris, Rz. 31 und vom 29. April 2014 – L 6 SB 3891/13 –, juris, Rz. 31).
Die Klage ist jedoch unbegründet. Der angegriffene Bescheid vom 25. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. September 2013 ist rechtmäßig.
In formeller Hinsicht ist insbesondere die nach § 24 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB X) erforderliche Anhörung zu der beabsichtigten Herabsetzung des Grades der Behinderung für die Zukunft mit Schreiben vom 25. April 2012 und 4. September 2012 erfolgt.
Seine materielle Ermächtigungsgrundlage findet der von dem Kläger angefochtene Bescheid in § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, wenn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Als wesentliche Änderung des Gesundheitszustandes gilt – sowohl hinsichtlich der Besserung als auch der Verschlechterung – jedenfalls eine Veränderung, die es erforderlich macht, den Gesamtgrad der Behinderung um mindestens 10 anzuheben oder abzusenken.
Auf der Grundlage von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X hat der Beklagte zu Recht den Bescheid vom 14. März 2007 aufgehoben und den Behinderungsgrad neu festgestellt. Es ist eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen durch den Ablauf der Heilungsbewährung nach der Tumornephrektomie links aufgrund eines Nierenzellkarzinoms eingetreten, die nicht mehr den mit Bescheid vom 14. März 2007 festgestellten GdB von 60, sondern nur noch eine Bewertung mit 40 rechtfertigt.
Eine Neubewertung des GdB war vorliegend bereits aufgrund des Ablaufs der Heilungsbewährung zulässig (vgl. Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" – VG - zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV, Teil A, Nr. 7b). Der Beklagte hatte mit Bescheid vom 14. März 2007 den GdB mit 60 wegen der Nierenerkrankung festgestellt und zur Begründung darauf hingewiesen, dass bei der Bewertung des GdB eine Gesundheitsstörung im Stadium der Heilungsbewährung berücksichtigt wurde der GdB also höher eingeschätzt worden ist, als es dem tatsächlichen Zustand entsprach. Nach VG, Teil B, Nr. 1c beträgt der Zeitraum des Abwartens einer Heilungsbewährung in der Regel fünf Jahre; kürzere Zeiträume werden in der Tabelle vermerkt. Nach VG, Teil B, Nr. 12.1.4 ist nach Entfernung eines Nierenzellkarzinoms (Hypernephrom) im Stadium (T1 [Grading ab G2], T2) N0 M0 - wie bei dem Kläger durch Operation im November 2006 geschehen - in den ersten fünf Jahren eine Heilungsbewährung abzuwarten.
Die Behandlung wegen des Nierenzellkarzinoms und die in diesem Zusammenhang vorgenommene Nephrektomie waren im Zeitpunkt des Erlasses des angegriffenen Aufhebungsbescheides bereits seit über sechs Jahren abgeschlossen. Aus den Arztbriefen des Urologischen Praxiszentrums Offenburg vom 12. Dezember 2011, 18. Juni 2012, 18. Juli 2013 und 21. Januar 2014 ergeben sich keine Hinweise auf ein Tumorrezidiv. Dieser positive Ablauf der Heilungsbewährung stellt eine tatsächliche Veränderung im Sinne von § 48 Abs. 1 SGB X dar. Die Zeitdauer der Heilungsbewährung bei malignen Erkrankungen basiert auf Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft über die Gefahr des Auftretens einer Rezidiverkrankung in den ersten fünf Jahren nach der Erstbehandlung sowie der regelmäßig vorhandenen subjektiven Befürchtung vor einem Rezidiv. Die Heilungsbewährung erfasst darüber hinaus auch die vielfältigen Auswirkungen, die mit der Feststellung, der Beseitigung und der Nachbehandlung eines Tumors in allen Lebensbereichen verbunden sind. Dies rechtfertigt es nach der sozialmedizinischen Erfahrung, bei Krebserkrankungen zunächst nicht nur den Organverlust zu bewerten und für einen gewissen Zeitraum unterschiedslos den Schwerbehindertenstatus zu gewähren. Die pauschale, umfassende Berücksichtigung körperlicher und seelischer Auswirkungen der Erkrankung kann jedoch nicht auf Dauer Bestand haben. Da nach der medizinischen Erfahrung nach rückfallfreiem Ablauf von fünf Jahren mit hoher Wahrscheinlichkeit die Krebserkrankung überwunden ist und außerdem neben der unmittelbaren Lebensbedrohung auch die vielfältigen Auswirkungen der Krankheit auf die gesamte Lebensführung entfallen sind, ist der GdB dann nur noch anhand der noch verbliebenen Funktionseinschränkungen zu bewerten (BSG, Urteil vom 9. August 1995 - 9 RVs 14/94 -, juris, Rz. 13).
Für die Feststellung des GdB aufgrund der nach der Überwindung der Krebserkrankung noch verbliebenen Funktionseinschränkungen zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (Widerspruchsbescheid vom 18. September 2013) ist das Neunte Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) maßgebend. Nach § 69 Abs. 1 und 3 SGB IX stellen auf Antrag des Menschen mit Behinderung die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Menschen sind nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Schwerbehindert sind gemäß § 2 Abs. 2 SGB IX Menschen, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG (bis 30. Juni 2011: § 30 Abs. 17 BVG) erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. Von dieser Ermächtigung hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales Gebrauch gemacht und die am 1. Januar 2009 in Kraft getretene Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl I S. 2412) erlassen, um unter anderem die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG zu regeln (vgl. § 1 VersMedV). Die zugleich in Kraft getretene, auf der Grundlage des aktuellen Standes der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin erstellte und fortentwickelte Anlage "VG" zu § 2 VersMedV ist an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2008 heranzuziehenden "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP) getreten. In den VG wird der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben (BSG, Urteil vom 1. September 1999 - B 9 V 25/98 R -, SozR 3-3100 § 30 Nr. 22). Hierdurch wird eine für den Menschen mit Behinderung nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.
Allgemein gilt, dass der GdB auf alle Gesundheitsstörungen, unabhängig ihrer Ursache, final bezogen ist. Der GdB ist ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. Ein GdB setzt stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus. Dies ist insbesondere bei Kindern und älteren Menschen zu beachten. Physiologische Veränderungen im Alter sind bei der Beurteilung des GdB nicht zu berücksichtigen. Als solche Veränderungen sind die körperlichen und psychischen Leistungseinschränkungen anzusehen, die sich im Alter regelhaft entwickeln, also für das Alter nach ihrer Art und ihrem Umfang typisch sind. Demgegenüber sind pathologische Veränderungen, also Gesundheitsstörungen, die nicht regelmäßig und nicht nur im Alter beobachtet werden können, bei der Beurteilung des GdB auch dann zu berücksichtigen, wenn sie erstmalig im höheren Alter auftreten oder als "Alterskrankheiten" (etwa "Altersdiabetes" oder "Altersstar") bezeichnet werden (VG, Teil A, Nr. 2c). Erfasst werden die Auswirkungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben. Da der GdB seiner Natur nach nur annähernd bestimmt werden kann, sind beim GdB nur Zehnerwerte anzugeben. Dabei sollen im Allgemeinen Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden (VG, Teil A, Nr. 2e). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird nach § 69 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Teil-GdB anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Teil-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander können unterschiedlich sein. Die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen können voneinander unabhängig sein und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen. Eine Funktionsbeeinträchtigung kann sich auf eine andere besonders nachteilig auswirken, vor allem dann, wenn Funktionsbeeinträchtigungen paarige Gliedmaßen oder Organe betreffen. Funktionsbeeinträchtigungen können sich überschneiden. Eine hinzutretende Gesundheitsstörung muss die Auswirkung einer Funktionsbeeinträchtigung aber nicht zwingend verstärken. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Dies gilt auch dann, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.
Nach diesen Maßstäben kann für die Funktionseinschränkungen des Klägers ein GdB von 40 festgestellt werden. Die bei ihm nach Ablauf der Heilungsbewährung von fünf Jahren vorliegenden Funktionseinschränkungen rechtfertigen nach den eingeholten Befundberichten nebst Anlagen unter Berücksichtigung der versorgungsärztlichen Stellungnahmen keinen höheren GdB.
Die ganz im Vordergrund stehenden Gesundheitsstörungen infolge der Nephrektomie sind dem Funktionssystem "Harnorgane" zuzuordnen und führen nach Überzeugung des Senats zu einem GdB von 40.
Für den Verlust, Ausfall oder Fehlen einer Niere mit Funktionseinschränkung der anderen Niere ist nach den VG, Teil B, Nr. 12.1.3 ein Bewertungsrahmen von 40 bis 50 eröffnet, wenn die Funktionseinschränkung leichten Grades ist. Bei allen Nierenschäden mit Funktionseinschränkungen sind Sekundärleiden (z.B. Hypertonie, ausgeprägte Anämie [Hb-Wert unter 8 g/dl], Polyneuropathie, Osteopathie) zusätzlich zu bewerten. Eine Nierenfunktionseinschränkung leichten Grades besteht nach VG, Teil B, 12.1.3, wenn die Serumkreatininwerte unter 2 mg/dl [Kreatininclearance ca. 35 – 50 ml/min] liegen, das Allgemeinbefinden nicht oder nicht wesentlich reduziert ist und keine Einschränkung der Leistungsfähigkeit besteht. Leichtgradig ist die Funktionseinschränkung danach auch noch, wenn die Serumkreatininwerte andauernd zwischen 2 und 4 mg/dl erhöht sind, das Allgemeinbefinden wenig reduziert ist und eine leichte Einschränkung der Leistungsfähigkeit vorliegt.
Nachdem sich beim Kläger die Funktionsausfälle auf den Verlust der linken Niere und die damit einhergehend Niereninsuffizienz beschränken, welche nach dem behandelnden Urologen H. (Stellungnahme vom 16. Mai 2014) im Alltag bei gesunder Restniere keine wesentlichen Einschränkungen zur Folge hat, weiter die nach Ablauf der Heilungsbewährung gemessenen Serumkreatininwerte allesamt deutlich unter 2 mg/dl liegen (Juni 2012: 1,65 mg/dl; Juli 2013: 1,46 mg/dl; Januar 2014: 1,35 mg/dl) und der Kläger auch sonst keine (urologischen) Beschwerden äußert (vgl. Berichte H. vom 12. Dezember 2011, 18. Juni 2012 und 18. Juli 2013), ist die Nierenunktionseinschränkung allenfalls beginnend leichtgradiger Natur. Eine höhere Bewertung als mit einem GdB von 40 kommt nach Überzeugung des Senats damit nicht in Betracht. Dies steht in Übereinstimmung mit der Einschätzung des Urologen H. (Stellungnahme vom 16. Mai 2014) und den versorgungsärztlichen Feststellungen (Dr. K. vom April 2013 und Dr. M. vom 24. Juli 2013).
Weitere GdB-erhöhende Gesundheitsstörungen sind für den hier streitbefangenen Zeitraum bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides am 18. September 2013 nicht nachgewiesen.
Der Diabetes des Klägers begründet keinen Einzel-GdB. Nach den VG, Teil B, Nr. 15.1 gilt für die GdB-Bewertung eines Diabetes mellitus, dass die daran erkrankten Menschen, deren Therapie regelhaft keine Hypoglykämie auslösen kann und die somit in der Lebensführung kaum beeinträchtigt sind, auch durch den Therapieaufwand keine Teilhabebeeinträchtigung erleiden, die die Feststellung eines GdB rechtfertigt. Der GdB beträgt in solchen Fällen 0. Dies ist vorliegend gegeben, da der Diabetes mellitus des Klägers nach den Ausführungen von Dr. F. (Stellungnahme vom 9. Mai 2014) diätisch einstellbar ist. Eine Therapie mit Medikamenten oder gar Insulin, die eine Hypoglykämie auslösen kann, findet nicht statt.
Die Darmstörung des Klägers, die von Dr. F. im Schreiben vom 9. Mai 2014 als Polyposis coli und im Koloskopiebericht des Ortenau Klinikums vom 16. April 2014 als Divertikulose bezeichnet wird, hat keine wesentlichen Beschwerden und Auswirkungen zur Folge. Dr. F. berichtet insoweit von keinen nachweisbaren Behinderungen im alltäglichen Leben des Klägers, so dass nach VG, Teil B, Nr. 10.2.2 kein Einzel-GdB-Wert zu vergeben ist.
Gleiches gilt für den von Dr. F. angeführten Zustand nach Meniskus-Operation. Mit "Zustand nach" bezeichnete Erkrankungen gelten als beendet. Von verbliebenen (Bewegungs-)Einschränkungen wird nicht berichtet. Solche sind auch nicht ersichtlich.
Schließlich führen auch die vom Kläger angeführten psychischen Probleme aufgrund der Krebserkrankung nach Überzeugung des Senats nicht zu einem eigenen Teil-GdB im Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche". Die in der GdB-Tabelle niedergelegten Sätze (hier im Funktionssystem "Harnorgane") berücksichtigen bereits die üblichen seelischen Begleiterscheinungen (VG, Teil A, Nr. 2 i). Erhebliche, unübliche psychische Begleiterscheinungen oder gar eine eigenständige psychische Erkrankung werden in keinem Arztbericht angeführt. Der Urologe H. gibt ausdrücklich an, dass ihm psychische Beeinträchtigungen des Klägers infolge der Tumorerkrankung nicht bekannt oder ersichtlich sind (vgl. Bericht vom 16. Mai 2014). Er befindet sich auch in keinerlei nervenärztlicher oder psychologischer Behandlung und hat zuletzt bestätigt, dass keine weiteren ärztlichen Belege vorliegen. Bei einem ausgeprägteren Leidensdruck wäre jedoch davon auszugehen, dass eine fachärztliche Behandlung in Anspruch genommen würde (ständige Rechtsprechung des Senats, so zuletzt Urteil vom 21. April 2016 - L 6 SB 461/15; vgl. hierzu auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Dezember 2010 - L 8 SB 1549/10, juris). Der Therapieaufwand korreliert mit der Ausprägung der psychischen Erkrankung, je höher der Leidensdruck, desto mehr ist eine therapeutische Intervention erforderlich. Ohne jegliche Behandlung kommt ein messbarer GdB nach VG, Teil B, 3.7 nicht in Betracht. Entgegen der Ansicht des Klägers kann sein Risiko, an einem Rezidiv zu erkranken, nicht dazu führen, die Heilungsbewährungszeit zu verlängern. Dies widerspricht der Grundwertung der VG, nur beim Auftreten eines konkreten Rezidivs zu einer Verlängerung der Heilungsbewährung zu gelangen. Solange sich ein Gesundheitsrisiko nicht konkret realisiert hat, kann es keine funktionalen Auswirkungen entfalten und ist damit für eine GdB-Bewertung ohne Bedeutung.
Nach alledem kommt ein höherer GdB als 40 damit nicht in Betracht.
Dahinstehen kann, ob der Beklagte den Bescheid vom 14. März 2007 mit dem angefochtenen vom 25. April 2013 zutreffend ab dem 29. April 2013 mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben hat. Der im Inland durch einen Postdienstleister übermittelte Bescheid vom 25. April 2013, der ausweislich eines Vermerkes des Beklagten am Folgetag zur Post gegeben worden war, gilt gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X am 29. April 2013 als bekannt gegeben, weshalb die Aufhebung möglicherweise erst für den Folgetag hätte erfolgen dürfen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 24. Februar 1987 - 11b RAr 53/86 -, BSGE 61, 189 (190); Schütze, in von Wulffen/Schütze, Kommentar zum SGB X, 8. Aufl. 2014, § 48 Rz. 18 m. w. N.; a. A. Steinwedel, in Kasseler Kommentar zum SGB X, Stand: August 2012, § 48 Rz. 34, wonach auf den Zeitpunkt ab Bekanntgabe abzustellen ist). Die Berufung ist auch insoweit unbegründet, da der Klage hierfür das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Vorliegend ist es nicht erforderlich, insoweit gerichtlichen Rechtsschutz zur Verfügung zu stellen (vgl. Keller, in M.-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Aufl. 2014, Vorbem. vor § 51 Rz. 16a). Die besonderen Regelungen für Menschen mit Schwerbehinderung werden zwar nicht angewendet nach dem Wegfall der Voraussetzungen nach § 2 Abs. 2 SGB IX (§ 116 Abs. 1 Halbsatz 1 SGB IX). Wenn sich der GdB auf weniger als 50 verringert gilt dies jedoch erst am Ende des dritten Kalendermonats nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des die Verringerung feststellenden Bescheides (§ 116 Abs. 1 Halbsatz 2 SGB IX). Wegen des erst jetzt abgeschlossenen Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 25. April 2013 bislang noch nicht unanfechtbar gewesen, weshalb der Kläger, bezogen auf den vormals festgestellten GdB von 60 nach wie vor im Genuss aller Rechte aus dem SGB IX und sonstiger Schutzbestimmungen geblieben ist (vgl. Pahlen, in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, Kommentar zum SGB IX, 12. Aufl. 2010, § 116 Rz. 3).
Die Berufung war nach alledem zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG beruht.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte berechtigt war, nach Eintritt der Heilungsbewährung eines Krebsleidens den dem Kläger zuerkannten Grad der Behinderung (GdB) von 60 auf 40 herabzusetzen.
Der im Jahr 1956 geborene Kläger ist gelernter Stahlformenbauer. Zuletzt war er als CNC-F. beschäftigt. Er litt an einem Nierenzellkarzinom links, Stadium pT1b G2 T0. Im November 2006 erfolgte die operative Tumornephrektomie links.
Das Landratsamt Ortenaukreis (im Folgenden: Landratsamt) stellte auf den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 14. März 2007 einen GdB von 60 seit dem 29. Januar 2007 fest. Im Bescheid wies es darauf hin, dass Gesundheitsstörungen im Stadium der Heilungsbewährung berücksichtigt worden seien. Eine Nachprüfung sei vorgesehen. Dem Bescheid lag die versorgungsmedizinische Einschätzung vom Dr. T.-T. vom 6. März 2007 zugrunde, wonach die Nierenerkrankung (in Heilungsbewährung) und die Nierenfunktionseinschränkung mit einem GdB von 60 zu bewerten seien.
Im November 2011 leitete das Landratsamt eine Überprüfung des GdB ein. Der Kläger teilte dabei mit, dass seine Funktionsstörungen weiterhin alleine aus der Entfernung der Niere resultierten. Der vom Landratsamt ferner befragte Hausarzt des Klägers, Dr. F., gab am 21. Juni 2012 an, dass sich keine Hinweise auf ein Rezidiv gefunden hätten. Die Niereninsuffizienz sei kompensiert. Weiter bestehe eine benigne Prostatahyperplasie. In den vorgelegten Berichten des Urologischen Praxiszentrums Offenburg vom 12. Dezember 2011 und 18. Juni 2012 wurde angeführt, dass beim Kläger anamnestisch keine Beschwerden bestünden, die Miktion normal sei und keine Hinweise auf ein Rezidiv vorlägen.
Nach Anhörung hob das Landratsamt mit Bescheid vom 25. April 2013, abgeschickt am 26. April 2013, den Bescheid vom 14. März 2007 auf und setzte den GdB ab 29. April 2013 neu auf 40 fest. Zur Begründung führte es an, dass der Zeitraum der Heilungsbewährung zwischenzeitlich abgelaufen sei. Der GdB sei nun nach den verbliebenen tatsächlichen Funktionsbeeinträchtigungen neu festzustellen. Es legte dabei die versorgungsmedizinische Einschätzung von Dr. K. vom April 2013 zugrunde, wonach die Herunterstufung bei rezidivfreiem Verlauf gerechtfertigt sei. Ein GdB von 30 für den Verlust der linken Niere und zusätzlich ein GdB von 20 für die eingeschränkte Nierenfunktion rechts ergäben zusammen einen GdB von 40.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, dass die Herabsetzung des GdB seiner besonderen Situation nicht gerecht werde. Er sei durch die Erkrankung psychisch erheblich beeinträchtigt. Auch hätte das Risiko eines Rezidivs Berücksichtigung finden müssen.
Nachdem der Versorgungsmediziner Dr. M. in seiner Stellungnahme vom 24. Juli 2013 ausgeführt hatte, dass das Risiko der Wiedererkrankung keinen GdB bedinge und eine wesentliche psychische Belastungssituation in keinem der vorliegenden Befunde beschrieben worden sei, wies das Regierungspräsidium Stuttgart – Landesversorgungsamt – den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18. September 2013 zurück.
Am 17. Oktober 2014 hat der Kläger beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben und sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt. Als behandelnde Ärzte benannte der Kläger ausschließlich Dr. F. und Herrn H. vom Urologischen Praxiszentrum Offenburg.
Der vom SG befragte Urologe H. hat am 16. Mai 2014 angegeben, dass sich die Funktionsausfälle auf den Verlust der linken Niere und der damit einhergehenden Niereninsuffizienz, die im Alltag bislang bei gesunder Restniere keine wesentlichen Einschränkungen zur Folge gehabt hätten, beschränken würden. Andere Gesundheitsstörungen habe er keine festgestellt. Psychische Beeinträchtigungen infolge der Tumorerkrankung seien ihm weder bekannt noch ersichtlich. Der GdB für den Verlust der linken Niere mit einer leichtgradigen Nierenfunktionsstörung betrage insgesamt 40. Dr. F. hat am 9. Mai 2014 mitgeteilt, dass vom Beklagten ein diätisch einstellbarer Diabetes, Polyposis coli und ein Zustand nach Meniskus-Operation rechts nicht berücksichtigt worden seien. Allerdings bestünden hierdurch keine nachweisbaren Behinderungen im täglichen Leben.
Nach mündlicher Verhandlung hat das SG mit Urteil vom 3. Dezember 2015, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 29. Februar 2016, die Klage abgewiesen. Der Beklagte habe die nach Ablauf der Heilungsbewährung zum Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung bestehenden Gesundheitsstörungen zutreffend mit einem GdB von 40 bewertet. Die nach Ablauf der Heilungsbewährung gemessenen Serumkreatininwerte lägen alle deutlich unter dem Grenzwert. Die Funktionseinschränkung der verbliebenen rechten Niere sei im unteren Grenzbereich einer Einschränkung leichten Grades anzusiedeln. Krankheiten auf dem psychiatrischen Fachgebiet seien nicht nachgewiesen.
Am 22. März 2016 hat der Kläger beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung erhoben. Er führt an, dass permanente Rezidivangst sein Leben erheblich beeinträchtige. Weiter handele es sich bei ihm keinesfalls um eine im unteren Grenzbereich liegende Funktionsbeeinträchtigung der rechten Niere. Wegen seines Diabetes mellitus sei er gezwungen, diätisch zu leben. Weitere ärztliche Belege als die vorliegenden bestünden jedoch nicht.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 3. Dezember 2015 und den Bescheid des Beklagten vom 25. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. September 2013 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Er gibt an, dass Gesundheitsstörungen, die in der Zukunft zu erwarten seien oder auftreten könnten, beim GdB nicht zu berücksichtigen seien. Eine wesentliche psychische Belastungsreaktion sei in keinem Bericht beschrieben worden.
Der Berichterstatter hat am 28. September 2016 einen Erörterungstermin mit den Beteiligten durchgeführt und angekündigt, durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu entscheiden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von dem Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet über die Berufung nach § 153 Abs. 4 SGG ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss, weil die Berufsrichter des Senats die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halten. Den Beteiligten ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu dieser Verfahrensweise gegeben worden. Ein Einverständnis der Beteiligten mit dieser Vorgehensweise ist nicht erforderlich.
Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden sowie im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§§ 143, 144 SGG), aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Die gegen die Herabsetzung des GdB von 60 auf 40 im angegriffenen Bescheid vom 25. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. September 2013 erhobene (isolierte) Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 SGG ist zulässig. Dabei ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, also nach § 95 SGG der Widerspruchsentscheidung (vgl. BSG, Urteil vom 12. November 1996 – 9 RVs 5/95 –, juris, Rz. 14 und Senatsurteile vom 17. Dezember 2015 – L 6 SB 3978/14 –, juris, Rz. 31 und vom 29. April 2014 – L 6 SB 3891/13 –, juris, Rz. 31).
Die Klage ist jedoch unbegründet. Der angegriffene Bescheid vom 25. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. September 2013 ist rechtmäßig.
In formeller Hinsicht ist insbesondere die nach § 24 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB X) erforderliche Anhörung zu der beabsichtigten Herabsetzung des Grades der Behinderung für die Zukunft mit Schreiben vom 25. April 2012 und 4. September 2012 erfolgt.
Seine materielle Ermächtigungsgrundlage findet der von dem Kläger angefochtene Bescheid in § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, wenn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Als wesentliche Änderung des Gesundheitszustandes gilt – sowohl hinsichtlich der Besserung als auch der Verschlechterung – jedenfalls eine Veränderung, die es erforderlich macht, den Gesamtgrad der Behinderung um mindestens 10 anzuheben oder abzusenken.
Auf der Grundlage von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X hat der Beklagte zu Recht den Bescheid vom 14. März 2007 aufgehoben und den Behinderungsgrad neu festgestellt. Es ist eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen durch den Ablauf der Heilungsbewährung nach der Tumornephrektomie links aufgrund eines Nierenzellkarzinoms eingetreten, die nicht mehr den mit Bescheid vom 14. März 2007 festgestellten GdB von 60, sondern nur noch eine Bewertung mit 40 rechtfertigt.
Eine Neubewertung des GdB war vorliegend bereits aufgrund des Ablaufs der Heilungsbewährung zulässig (vgl. Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" – VG - zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV, Teil A, Nr. 7b). Der Beklagte hatte mit Bescheid vom 14. März 2007 den GdB mit 60 wegen der Nierenerkrankung festgestellt und zur Begründung darauf hingewiesen, dass bei der Bewertung des GdB eine Gesundheitsstörung im Stadium der Heilungsbewährung berücksichtigt wurde der GdB also höher eingeschätzt worden ist, als es dem tatsächlichen Zustand entsprach. Nach VG, Teil B, Nr. 1c beträgt der Zeitraum des Abwartens einer Heilungsbewährung in der Regel fünf Jahre; kürzere Zeiträume werden in der Tabelle vermerkt. Nach VG, Teil B, Nr. 12.1.4 ist nach Entfernung eines Nierenzellkarzinoms (Hypernephrom) im Stadium (T1 [Grading ab G2], T2) N0 M0 - wie bei dem Kläger durch Operation im November 2006 geschehen - in den ersten fünf Jahren eine Heilungsbewährung abzuwarten.
Die Behandlung wegen des Nierenzellkarzinoms und die in diesem Zusammenhang vorgenommene Nephrektomie waren im Zeitpunkt des Erlasses des angegriffenen Aufhebungsbescheides bereits seit über sechs Jahren abgeschlossen. Aus den Arztbriefen des Urologischen Praxiszentrums Offenburg vom 12. Dezember 2011, 18. Juni 2012, 18. Juli 2013 und 21. Januar 2014 ergeben sich keine Hinweise auf ein Tumorrezidiv. Dieser positive Ablauf der Heilungsbewährung stellt eine tatsächliche Veränderung im Sinne von § 48 Abs. 1 SGB X dar. Die Zeitdauer der Heilungsbewährung bei malignen Erkrankungen basiert auf Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft über die Gefahr des Auftretens einer Rezidiverkrankung in den ersten fünf Jahren nach der Erstbehandlung sowie der regelmäßig vorhandenen subjektiven Befürchtung vor einem Rezidiv. Die Heilungsbewährung erfasst darüber hinaus auch die vielfältigen Auswirkungen, die mit der Feststellung, der Beseitigung und der Nachbehandlung eines Tumors in allen Lebensbereichen verbunden sind. Dies rechtfertigt es nach der sozialmedizinischen Erfahrung, bei Krebserkrankungen zunächst nicht nur den Organverlust zu bewerten und für einen gewissen Zeitraum unterschiedslos den Schwerbehindertenstatus zu gewähren. Die pauschale, umfassende Berücksichtigung körperlicher und seelischer Auswirkungen der Erkrankung kann jedoch nicht auf Dauer Bestand haben. Da nach der medizinischen Erfahrung nach rückfallfreiem Ablauf von fünf Jahren mit hoher Wahrscheinlichkeit die Krebserkrankung überwunden ist und außerdem neben der unmittelbaren Lebensbedrohung auch die vielfältigen Auswirkungen der Krankheit auf die gesamte Lebensführung entfallen sind, ist der GdB dann nur noch anhand der noch verbliebenen Funktionseinschränkungen zu bewerten (BSG, Urteil vom 9. August 1995 - 9 RVs 14/94 -, juris, Rz. 13).
Für die Feststellung des GdB aufgrund der nach der Überwindung der Krebserkrankung noch verbliebenen Funktionseinschränkungen zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (Widerspruchsbescheid vom 18. September 2013) ist das Neunte Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) maßgebend. Nach § 69 Abs. 1 und 3 SGB IX stellen auf Antrag des Menschen mit Behinderung die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Menschen sind nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Schwerbehindert sind gemäß § 2 Abs. 2 SGB IX Menschen, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG (bis 30. Juni 2011: § 30 Abs. 17 BVG) erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. Von dieser Ermächtigung hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales Gebrauch gemacht und die am 1. Januar 2009 in Kraft getretene Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl I S. 2412) erlassen, um unter anderem die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG zu regeln (vgl. § 1 VersMedV). Die zugleich in Kraft getretene, auf der Grundlage des aktuellen Standes der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin erstellte und fortentwickelte Anlage "VG" zu § 2 VersMedV ist an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2008 heranzuziehenden "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP) getreten. In den VG wird der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben (BSG, Urteil vom 1. September 1999 - B 9 V 25/98 R -, SozR 3-3100 § 30 Nr. 22). Hierdurch wird eine für den Menschen mit Behinderung nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.
Allgemein gilt, dass der GdB auf alle Gesundheitsstörungen, unabhängig ihrer Ursache, final bezogen ist. Der GdB ist ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. Ein GdB setzt stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus. Dies ist insbesondere bei Kindern und älteren Menschen zu beachten. Physiologische Veränderungen im Alter sind bei der Beurteilung des GdB nicht zu berücksichtigen. Als solche Veränderungen sind die körperlichen und psychischen Leistungseinschränkungen anzusehen, die sich im Alter regelhaft entwickeln, also für das Alter nach ihrer Art und ihrem Umfang typisch sind. Demgegenüber sind pathologische Veränderungen, also Gesundheitsstörungen, die nicht regelmäßig und nicht nur im Alter beobachtet werden können, bei der Beurteilung des GdB auch dann zu berücksichtigen, wenn sie erstmalig im höheren Alter auftreten oder als "Alterskrankheiten" (etwa "Altersdiabetes" oder "Altersstar") bezeichnet werden (VG, Teil A, Nr. 2c). Erfasst werden die Auswirkungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben. Da der GdB seiner Natur nach nur annähernd bestimmt werden kann, sind beim GdB nur Zehnerwerte anzugeben. Dabei sollen im Allgemeinen Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden (VG, Teil A, Nr. 2e). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird nach § 69 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Teil-GdB anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Teil-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander können unterschiedlich sein. Die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen können voneinander unabhängig sein und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen. Eine Funktionsbeeinträchtigung kann sich auf eine andere besonders nachteilig auswirken, vor allem dann, wenn Funktionsbeeinträchtigungen paarige Gliedmaßen oder Organe betreffen. Funktionsbeeinträchtigungen können sich überschneiden. Eine hinzutretende Gesundheitsstörung muss die Auswirkung einer Funktionsbeeinträchtigung aber nicht zwingend verstärken. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Dies gilt auch dann, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.
Nach diesen Maßstäben kann für die Funktionseinschränkungen des Klägers ein GdB von 40 festgestellt werden. Die bei ihm nach Ablauf der Heilungsbewährung von fünf Jahren vorliegenden Funktionseinschränkungen rechtfertigen nach den eingeholten Befundberichten nebst Anlagen unter Berücksichtigung der versorgungsärztlichen Stellungnahmen keinen höheren GdB.
Die ganz im Vordergrund stehenden Gesundheitsstörungen infolge der Nephrektomie sind dem Funktionssystem "Harnorgane" zuzuordnen und führen nach Überzeugung des Senats zu einem GdB von 40.
Für den Verlust, Ausfall oder Fehlen einer Niere mit Funktionseinschränkung der anderen Niere ist nach den VG, Teil B, Nr. 12.1.3 ein Bewertungsrahmen von 40 bis 50 eröffnet, wenn die Funktionseinschränkung leichten Grades ist. Bei allen Nierenschäden mit Funktionseinschränkungen sind Sekundärleiden (z.B. Hypertonie, ausgeprägte Anämie [Hb-Wert unter 8 g/dl], Polyneuropathie, Osteopathie) zusätzlich zu bewerten. Eine Nierenfunktionseinschränkung leichten Grades besteht nach VG, Teil B, 12.1.3, wenn die Serumkreatininwerte unter 2 mg/dl [Kreatininclearance ca. 35 – 50 ml/min] liegen, das Allgemeinbefinden nicht oder nicht wesentlich reduziert ist und keine Einschränkung der Leistungsfähigkeit besteht. Leichtgradig ist die Funktionseinschränkung danach auch noch, wenn die Serumkreatininwerte andauernd zwischen 2 und 4 mg/dl erhöht sind, das Allgemeinbefinden wenig reduziert ist und eine leichte Einschränkung der Leistungsfähigkeit vorliegt.
Nachdem sich beim Kläger die Funktionsausfälle auf den Verlust der linken Niere und die damit einhergehend Niereninsuffizienz beschränken, welche nach dem behandelnden Urologen H. (Stellungnahme vom 16. Mai 2014) im Alltag bei gesunder Restniere keine wesentlichen Einschränkungen zur Folge hat, weiter die nach Ablauf der Heilungsbewährung gemessenen Serumkreatininwerte allesamt deutlich unter 2 mg/dl liegen (Juni 2012: 1,65 mg/dl; Juli 2013: 1,46 mg/dl; Januar 2014: 1,35 mg/dl) und der Kläger auch sonst keine (urologischen) Beschwerden äußert (vgl. Berichte H. vom 12. Dezember 2011, 18. Juni 2012 und 18. Juli 2013), ist die Nierenunktionseinschränkung allenfalls beginnend leichtgradiger Natur. Eine höhere Bewertung als mit einem GdB von 40 kommt nach Überzeugung des Senats damit nicht in Betracht. Dies steht in Übereinstimmung mit der Einschätzung des Urologen H. (Stellungnahme vom 16. Mai 2014) und den versorgungsärztlichen Feststellungen (Dr. K. vom April 2013 und Dr. M. vom 24. Juli 2013).
Weitere GdB-erhöhende Gesundheitsstörungen sind für den hier streitbefangenen Zeitraum bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides am 18. September 2013 nicht nachgewiesen.
Der Diabetes des Klägers begründet keinen Einzel-GdB. Nach den VG, Teil B, Nr. 15.1 gilt für die GdB-Bewertung eines Diabetes mellitus, dass die daran erkrankten Menschen, deren Therapie regelhaft keine Hypoglykämie auslösen kann und die somit in der Lebensführung kaum beeinträchtigt sind, auch durch den Therapieaufwand keine Teilhabebeeinträchtigung erleiden, die die Feststellung eines GdB rechtfertigt. Der GdB beträgt in solchen Fällen 0. Dies ist vorliegend gegeben, da der Diabetes mellitus des Klägers nach den Ausführungen von Dr. F. (Stellungnahme vom 9. Mai 2014) diätisch einstellbar ist. Eine Therapie mit Medikamenten oder gar Insulin, die eine Hypoglykämie auslösen kann, findet nicht statt.
Die Darmstörung des Klägers, die von Dr. F. im Schreiben vom 9. Mai 2014 als Polyposis coli und im Koloskopiebericht des Ortenau Klinikums vom 16. April 2014 als Divertikulose bezeichnet wird, hat keine wesentlichen Beschwerden und Auswirkungen zur Folge. Dr. F. berichtet insoweit von keinen nachweisbaren Behinderungen im alltäglichen Leben des Klägers, so dass nach VG, Teil B, Nr. 10.2.2 kein Einzel-GdB-Wert zu vergeben ist.
Gleiches gilt für den von Dr. F. angeführten Zustand nach Meniskus-Operation. Mit "Zustand nach" bezeichnete Erkrankungen gelten als beendet. Von verbliebenen (Bewegungs-)Einschränkungen wird nicht berichtet. Solche sind auch nicht ersichtlich.
Schließlich führen auch die vom Kläger angeführten psychischen Probleme aufgrund der Krebserkrankung nach Überzeugung des Senats nicht zu einem eigenen Teil-GdB im Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche". Die in der GdB-Tabelle niedergelegten Sätze (hier im Funktionssystem "Harnorgane") berücksichtigen bereits die üblichen seelischen Begleiterscheinungen (VG, Teil A, Nr. 2 i). Erhebliche, unübliche psychische Begleiterscheinungen oder gar eine eigenständige psychische Erkrankung werden in keinem Arztbericht angeführt. Der Urologe H. gibt ausdrücklich an, dass ihm psychische Beeinträchtigungen des Klägers infolge der Tumorerkrankung nicht bekannt oder ersichtlich sind (vgl. Bericht vom 16. Mai 2014). Er befindet sich auch in keinerlei nervenärztlicher oder psychologischer Behandlung und hat zuletzt bestätigt, dass keine weiteren ärztlichen Belege vorliegen. Bei einem ausgeprägteren Leidensdruck wäre jedoch davon auszugehen, dass eine fachärztliche Behandlung in Anspruch genommen würde (ständige Rechtsprechung des Senats, so zuletzt Urteil vom 21. April 2016 - L 6 SB 461/15; vgl. hierzu auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Dezember 2010 - L 8 SB 1549/10, juris). Der Therapieaufwand korreliert mit der Ausprägung der psychischen Erkrankung, je höher der Leidensdruck, desto mehr ist eine therapeutische Intervention erforderlich. Ohne jegliche Behandlung kommt ein messbarer GdB nach VG, Teil B, 3.7 nicht in Betracht. Entgegen der Ansicht des Klägers kann sein Risiko, an einem Rezidiv zu erkranken, nicht dazu führen, die Heilungsbewährungszeit zu verlängern. Dies widerspricht der Grundwertung der VG, nur beim Auftreten eines konkreten Rezidivs zu einer Verlängerung der Heilungsbewährung zu gelangen. Solange sich ein Gesundheitsrisiko nicht konkret realisiert hat, kann es keine funktionalen Auswirkungen entfalten und ist damit für eine GdB-Bewertung ohne Bedeutung.
Nach alledem kommt ein höherer GdB als 40 damit nicht in Betracht.
Dahinstehen kann, ob der Beklagte den Bescheid vom 14. März 2007 mit dem angefochtenen vom 25. April 2013 zutreffend ab dem 29. April 2013 mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben hat. Der im Inland durch einen Postdienstleister übermittelte Bescheid vom 25. April 2013, der ausweislich eines Vermerkes des Beklagten am Folgetag zur Post gegeben worden war, gilt gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X am 29. April 2013 als bekannt gegeben, weshalb die Aufhebung möglicherweise erst für den Folgetag hätte erfolgen dürfen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 24. Februar 1987 - 11b RAr 53/86 -, BSGE 61, 189 (190); Schütze, in von Wulffen/Schütze, Kommentar zum SGB X, 8. Aufl. 2014, § 48 Rz. 18 m. w. N.; a. A. Steinwedel, in Kasseler Kommentar zum SGB X, Stand: August 2012, § 48 Rz. 34, wonach auf den Zeitpunkt ab Bekanntgabe abzustellen ist). Die Berufung ist auch insoweit unbegründet, da der Klage hierfür das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Vorliegend ist es nicht erforderlich, insoweit gerichtlichen Rechtsschutz zur Verfügung zu stellen (vgl. Keller, in M.-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Aufl. 2014, Vorbem. vor § 51 Rz. 16a). Die besonderen Regelungen für Menschen mit Schwerbehinderung werden zwar nicht angewendet nach dem Wegfall der Voraussetzungen nach § 2 Abs. 2 SGB IX (§ 116 Abs. 1 Halbsatz 1 SGB IX). Wenn sich der GdB auf weniger als 50 verringert gilt dies jedoch erst am Ende des dritten Kalendermonats nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des die Verringerung feststellenden Bescheides (§ 116 Abs. 1 Halbsatz 2 SGB IX). Wegen des erst jetzt abgeschlossenen Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 25. April 2013 bislang noch nicht unanfechtbar gewesen, weshalb der Kläger, bezogen auf den vormals festgestellten GdB von 60 nach wie vor im Genuss aller Rechte aus dem SGB IX und sonstiger Schutzbestimmungen geblieben ist (vgl. Pahlen, in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, Kommentar zum SGB IX, 12. Aufl. 2010, § 116 Rz. 3).
Die Berufung war nach alledem zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG beruht.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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