L 3 U 10/13

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 23 U 6/11
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 10/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 21. November 2012 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 18. August 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2010 abgewiesen. Die Beigeladene zu 2 wird verurteilt, das Ereignis vom 8. Januar 2007 als Arbeitsunfall nach § 2 Abs. 1 Ziffer 13 a SGB VII festzustellen und zu entschädigen.

II. Die Berufungen des Klägers und der Beigeladenen zu 2 werden zurückgewiesen.

III. Der Kläger trägt die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens. Die Kosten des zweitinstanzlichen Verfahrens tragen der Kläger und die Beigeladene zu 2 je zur Hälfte. Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Streitwert wird für beide Instanzen auf 9.470,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Ereignisses vom 8. Oktober 2007 als Arbeitsunfall.

Der Kläger betreibt eine Nebenerwerbslandwirtschaft auf einem etwa eineinhalb Kilometer außerhalb der Ortslage von A-Stadt – Ortsteil AB. liegenden Hof, auf dem er etwa 28 ha bearbeitet und neben Hühnern 22 Schweine sowie 38 Kühe und Rinder hält. Am Vormittag des 8. Oktober 2007 hatte sich eine Kuh mit ihrer Kette im Stall in dem Ring verhakt, der vor dem Futtertrog im Boden eingelassen war, und drohte zu ersticken. Da der Kläger selbst zu diesem Zeitpunkt außer Haus auf der Arbeitsstelle war, rief seine Ehefrau den in der Ortslage AB. wohnhaften, 1950 geborenen Bruder des Klägers, den Beigeladenen zu 1, telefonisch zur Hilfe. Der Beigeladene zu 1 fuhr mit seinem PKW auf den Hof und versuchte die Kuh von der Kette zu befreien. Dabei trat die daneben stehende Kuh ihn so schwer, dass er einen körperfernen Schienbeinbruch rechts erlitt, Prellungen im Lendenbereich und Schürfwunden am linken Unterarm, wie sich aus dem Durchgangsarztbericht der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Frankfurt am Main vom 9. Januar 2007 und deren weiterem Bericht vom 24. Januar 2007 ergibt. Während seines stationären Aufenthalts in der Klinik bis zum 24. Januar 2007 wurde der Bruch operativ versorgt; die Metallentfernung war am 11. August 2008 möglich.

Die Kuh wurde am Unfalltag schließlich vom Kläger selbst befreit, nachdem die Ehefrau ihn auf der Arbeitsstelle informiert und zurück nach Hause gerufen hatte. Den Wert der betroffenen mehrere Jahre alten Mutterkuh hat der Kläger im Senatstermin auf 1.500 bis 2.000 EUR geschätzt. Nachdem der Beigeladene zu 1 der Beklagten gegenüber am 24. Januar 2007 erklärt hatte, Rentner zu sein und als weisungsgebundener mitarbeitender Familienangehöriger ohne Arbeitsvertrag und ohne Entgelt tätig geworden zu sein, trug die Beklagte seine Behandlungskosten.

Der Beigeladene zu 1 hatte den Kläger vor dem Landgericht Hanau auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld verklagt (Az.: 7 O 337/08). Nachdem der Kläger sich auf das Haftungsprivileg als landwirtschaftlicher Unternehmer berufen hatte, setzte das Landgericht Hanau das Verfahren mit Beschluss vom 4. August 2008 aus und gab dem Kläger auf zu klären, ob das Ereignis vom 8. Januar 2007 als Arbeitsunfall anerkannt werde. Daraufhin beantragte der Kläger bei der Beklagten das Ereignis vom 8. Januar 2007 als Arbeitsunfall festzustellen unter Hinweis auf das laufende zivilrechtliche Streitverfahren. Auf Anfrage der Beklagten teilte der Kläger am 20. Mai 2009 mit, der Beigeladene zu 1 habe vor dem fraglichen Ereignis auf dem Hof nicht mitgeholfen und die Hilfeleistung am Unfalltage sei nur ausnahmsweise erfolgt. Der Versuch, die Kuh vor dem Erstickungstod zu retten, sei die einzige Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 gewesen und diese habe bis zum Eintritt des Unfalls etwa 10 Minuten gedauert. Es habe sich um eine "Familienhilfe" durch den Bruder gehandelt. Der ebenfalls befragte Beigeladene zu 1 gab am 15. Juni 2009 an, dass er nur ausnahmsweise geholfen habe und vorher im landwirtschaftlichen Unternehmen seines Bruders nicht tätig gewesen sei. Es habe sich um eine "notfallmäßige Familienhilfe" für den Bruder gehandelt, wobei er die Kuh vor dem Erstickungstode habe retten wollen. Mit Bescheid vom 18. August 2009 lehnte die Beklagte daraufhin gegenüber dem Beigeladenen zu 1 die Anerkennung des Ereignisses vom 8. Januar 2007 als Arbeitsunfall ab, da dieser nicht arbeitnehmerähnlich gehandelt habe, als es zum Unfall gekommen sei. Sein Eingreifen zur Rettung der Kuh stelle eine aus verwandtschaftlichen Beweggründen verrichtete unversicherte Gefälligkeitsleistung dar.

Gegen den Bescheid vom 18. August 2009, der ihm am 21. August 2009 zugegangen war, legte der Kläger am 21. September 2009 Widerspruch ein mit der Begründung, der Beigeladene zu 1 sei wie ein Beschäftigter arbeitnehmerähnlich tätig geworden, als es am 8. Oktober 2007 zum Unfall gekommen sei. Die Mithilfe des Bruders habe seinem landwirtschaftlichen Unternehmen gedient und sei für dieses auch von wirtschaftlichem Wert gewesen, da der Beigeladene zu 1 eine Kuh vor dem Erstickungstode habe retten wollen. Auch unter engen Verwandten könne eine solche Hilfstätigkeit nicht als selbstverständlicher und ohne Weiteres zu erwartender Hilfsdienst angesehen werden, denn das Ganze sei mit einem hohen Verletzungsrisiko verbunden gewesen. Es schade nicht, dass es sich um ein einmaliges Ereignis gehandelt habe.

Auch der Beigeladene zu 1 nahm Stellung und führte am 12. Mai 2010 aus, seine Hilfeleistung sei nur ausnahmsweise erfolgt und stelle sich als einmalige Gefälligkeit dar, die unter Verwandten selbstverständlich sei. In dem seiner Stellungnahme beigefügten Schreiben an die Haftpflichtversicherung des Klägers, die E. E-Stadt, vom 3. Juli 2007 hat er sich im Detail zum Unfallhergang geäußert sowie zum Verhältnis der beiden Familien A. Diese wohnten nur zwei Kilometer auseinander, seien eng miteinander verwandt und auch durch ausgeprägte persönliche Beziehungen eng verbunden, woraus eine wechselseitige Hilfsbereitschaft und Unterstützung erwachse. Das sei auch der Grund dafür gewesen, warum er sich auf Bitten seiner Schwägerin entschlossen habe, in den zwei Kilometer entfernten Betrieb des Bruders zu fahren, um dort die Kuh zu befreien. Wegen seiner Angaben zum Unfallhergang im Einzelnen wird auf das Schreiben verwiesen. Mit Widerspruchsbescheid vom 8. Dezember 2010 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Der Beigeladene zu 1 sei nicht arbeitnehmerähnlich tätig geworden sondern im Rahmen einer selbstverständlichen Hilfeleistung unter Familienmitgliedern verunfallt.

Dagegen hatte der Kläger am 10. Januar 2011 vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main (Sozialgericht) Klage erhoben mit der er die Feststellung des Ereignisses vom 8. Januar 2007 als Arbeitsunfall weiterverfolgte mit der bereits im Widerspruchsverfahren vorgetragenen Begründung. Er hatte die Klageschrift aus dem Zivilprozess vor dem Landgericht Hanau vom 27. März 2008 übersandt und auf den Notfallhelferstatus des Beigeladenen zu 1 hingewiesen.

Die Beklagte hatte daran festgehalten, dass das Ereignis nicht als landwirtschaftlicher Arbeitsunfall anerkannt werden könne, da der Beigeladene zu 1 nicht arbeitnehmerähnlich sondern im Wege einer verwandtschaftlichen Gefälligkeit mitgewirkt habe. Man könne sich schwerlich eine engere familiäre Beziehung vorstellen als zwischen zwei Brüdern, die im selben Orte wohnten. Daher sei auch der Frau des Klägers der Beigeladene zu 1 zuerst in den Sinn gekommen, als es darum gegangen sei, die Kuh zu befreien.

Mit Beschluss vom 11. Juli 2011 hatte das Sozialgericht daraufhin den Bruder des Klägers zum Verfahren beigeladen, der daraufhin erklärt hatte, dass er von der Ehefrau des Klägers in diesem einmaligen Fall um Hilfe gebeten worden sei und er davon ausgegangen sei eine Gefälligkeitsleistung zu erbringen.

Mit Urteil vom 21. November 2012 hat das Sozialgericht die Klage als begründet angesehen und die Beklagte unter Aufhebung der streitigen Bescheide verurteilt, das Ereignis vom 8. Januar 2007 als Arbeitsunfall anzuerkennen. Der Kläger sei als Unternehmer klagebefugt gewesen, da er gehalten gewesen sei, das für ihn als landwirtschaftlichen Unternehmer geltende Haftungsprivileg im Rahmen des Zivilrechtstreits zu klären (§§ 108, 109 Satz 1 i.V.m. §§ 104 bis 107 Sozialgesetzbuch 7. Buch – SGB VII). Der Beigeladene zu 1 habe unstreitig nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Kläger gestanden und es habe auch keine Wie-Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB VII bestanden, wozu das Sozialgericht folgende Ausführungen gemacht hat:

"Vorliegend war der Beigeladene weder vor dem streitigen Ereignis noch danach im Betrieb des Klägers tätig. Er war lediglich zur Rettung des Tieres auf den Hof gekommen, eine einmalige und nur eine kurze Zeitspanne umfassende Tätigkeit. Diese konkrete Tätigkeit hat der Beigeladene demnach nicht unter solchen Umständen geleistet, dass sie einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnlich ist. Die Einmaligkeit, kurze Zeitdauer sowie auch das fehlende Entgelt sprechen gegen eine solche Annahme, ebenso wie das enge Verwandtschaftsverhältnis zwischen Kläger und Bruder und die konkreten Umstände des Einzelfalls, nämlich die sofort benötigte Hilfe für die Kuh. Insgesamt ist das Gericht deshalb davon überzeugt, dass eine arbeitnehmerähnliche und damit nach § 2 Abs. 2 SGB VII versicherte Beschäftigung des Beigeladenen im konkreten Fall nicht vorgelegen hat."

Allerdings sei der Beigeladene zu 1 nach § 2 Abs. 1 Nr. 13a SGB VII kraft Gesetzes unfallversichert gewesen, als er beim Versuch der Kuh zu helfen von der Nachbarkuh getreten worden sei. Er habe in einem Unglücksfall Hilfe geleistet, da es sich um ein plötzlich auftretendes Ereignis gehandelt habe, verbunden mit einer Gefahr für Menschen oder Sachen. Auch Tiere seien nach dieser Vorschrift geschützt ohne Rücksicht auf deren Wert, da im Vordergrund der Hilfeleistung der Beweggrund stehe, dem Tier Leiden zu ersparen. Der Kuh, der der Beigeladene zu 1 in einer lebensbedrohlichen Lage zu helfen versucht habe, habe der Erstickungstod gedroht. Die Beklagte bleibe als erstangegangener Träger nach § 139 SGB VII weiter zuständig, solange eine Abgabe an einen anderen Unfallversicherungsträger nicht erfolgt sei – beispielsweise nach § 128 Abs. 1 Nr. 7 SGB VII. Die Kostenentscheidung beruhe auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Der Kläger sei nicht nach § 183 SGG kostenprivilegiert, weil er nicht selbst als Versicherter oder Leistungsempfänger beteiligt gewesen sei. Er habe vielmehr die Haftungsbeschränkung nach den § 104 ff. SGB VII geltend gemacht, die keine Sozialleistung an einen Unternehmer als Leistungsempfänger darstelle.

Gegen das ihm am 29. November 2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28. Dezember 2012 Berufung eingelegt mit dem Ziel, das Ereignis nicht nur nach § 2 Abs. 1 Ziffer 13a SGB VII sondern auch nach § 2 Abs. 2 SGB VII als Arbeitsunfall festzustellen. Seine Beschwer liege darin, dass eine Haftungsprivilegierung nur bei Feststellung eines Versicherungsfalles nach § 2 Abs. 2 SGB VII in Betracht komme, aber bei gesetzlichem Unfallversicherungsschutz aus § 2 Abs. 1 Ziffer 13a SGB VII ausscheide. Im Ergebnis seien die Voraussetzungen einer arbeitnehmerähnlichen Tätigkeit für das Eingreifen des Beigeladenen zu 1 zu bejahen, wobei der geringe zeitliche Umfang nicht dagegen spreche. Die Hilfeleistung sei ungewöhnlich und mit hohem Gefährdungspotenzial verbunden gewesen, sodass man eine Gefälligkeitshandlung nicht annehmen könne. Im Übrigen habe das Sozialgericht die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Ziffer 13a SGB VII zutreffend bejaht und auch die Zuständigkeit der Beklagten insoweit nach § 135 SGB VII.

Die Beklagte hält die erstinstanzliche Entscheidung insoweit für zutreffend, als der Beigeladene zu 1 nicht arbeitnehmerähnlich sondern im Rahmen einer familienhaften Mitarbeit dem Kläger gegenüber tätig geworden sei. Da die Feststellung gesetzlichen Unfallversicherungsschutzes gemäß § 2 Abs. 1 Ziffer 13a SGB VII in Betracht komme, solle die Unfallkasse Hessen als dafür zuständiger Unfallversicherungsträger beigeladen werden.

Mit Beschluss vom 13. November 2013 hat der Senat die Unfallkasse Hessen dem Verfahren notwendig beigeladen (§ 75 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG), da sie als leistungspflichtiger Versicherungsträger in Betracht kommt. Diese hat als Beigeladene zu 2 vorgetragen, die Voraussetzungen gesetzlichen Unfallversicherungsschutzes nach § 2 Abs. 2 SGB VII erfülle der Beigeladene zu 1 nach der überzeugenden Begründung der Klägerin, daher sei die Beklagte nach § 135 Abs. 6 SGB VII zuständiger Unfallversicherungsträger. Das Gefahrenpotenzial der Kuhhaltung, das sich konkret realisiert habe, sei für einen landwirtschaftlichen Betrieb typisch und allein diesem zuzurechnen. Demgegenüber seien die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Ziffer 13a SGB VII zu verneinen, was sich schon aus dem Normzweck ergebe. Denn dort werde Unfallversicherungsschutz für Hilfeleistungen im öffentlichen Interesse gewährt. Diese besondere Gestaltungsform öffentlicher Fürsorge greife nur subsidiär ein, soweit der Unfallversicherungsschutz nicht aus einem anderen Grunde bestehe, der hier durch den Bezug zum landwirtschaftlichen Unternehmen des Klägers aufgezeigt sei. Im Übrigen sei die Ziffer 13a bei Bagatellschäden – beispielsweise bei Rettung eines Tieres – nicht einschlägig.

Der Beigeladene zu 1 hat vorgetragen, die Berufung des Klägers sei bereits mangels Beschwer unzulässig, da seinem Klageantrag mit Feststellung des Ereignisses vom 8. Januar 2007 als Arbeitsunfall durch die erstinstanzliche Entscheidung voll entsprochen worden sei. Soweit der Kläger mit seinem Berufungsbegehren darüber hinausgehe, sei die Berufung unzulässig, im Übrigen aber unbegründet im Hinblick auf § 2 Abs. 2 SGB VII wie bereits erstinstanzlich vorgetragen.

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 21. November 2012 abzuändern und unter Aufhebung des Bescheides vom 18. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2010 festzustellen, dass die Beklagte das Ereignis vom 8. Januar 2007 als Arbeitsunfall nach § 1 Abs. 1 Nr. 13a SGB VII sowie nach § 2 Abs. 2 SGB VII anzuerkennen hat.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 21. November 2012 aufzuheben, soweit es einen von der Beklagten zu entschädigenden Arbeitsunfall festgestellt hat, die Klage gegen den Bescheid vom 18. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2010 abzuweisen und festzustellen, dass das Ereignis vom 8. Januar 2007 vom Beigeladenen zu 2 als Arbeitsunfall zu entschädigen ist.

Der Beigeladene zu 1 beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Die Beigeladene zu 2 beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 21. November 2012 aufzuheben, soweit es Unfallversicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Ziffer 13a SGB VII festgestellt hat.

Im Senatstermin vom 27. November 2014 haben Kläger und Beigeladener zu 1 über ihre landwirtschaftlichen Kenntnisse und Erfahrungen berichtet sowie über das Verhältnis der beiden Familien A. zueinander. Die Frage des Streitwertes ist mit den Beteiligten erörtert worden. Die Beteiligten haben sich damit einverstanden erklärt, dass der Rechtsstreit durch den Berichterstatter als Einzelrichter entschieden werden solle, was sodann im Verkündungstermin vom 2. Dezember 2014 geschehen ist.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakte Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht erhobene, zulässige Berufung des Klägers (§§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG), mit der er die Feststellung des Ereignisses vom 8. Oktober 2007 als landwirtschaftlichen Arbeitsunfall des Beigeladenen zu 1 erstrebt, ist nicht begründet. Denn der erkennende Senat tritt dem Sozialgericht in seiner rechtlichen Würdigung bei, dass der Einsatz des Beigeladenen zu 1 am 8. Oktober 2007 im Stall seines Bruders, des Klägers, zur Rettung der sich in einer lebensbedrohlichen Situation befindlichen Kuh kein arbeitnehmerähnliches Tätigwerden (§ 2 Abs. 2 Sozialgesetzbuch 7. Buch – SGB VII), sondern eine Hilfeleistung bei einem Unglücksfall (§ 2 Abs. 1 Ziffer 13a SGB VII) darstellte. Dies hat nach der vom Sozialgericht unterlassenen, im Berufungsverfahren gebotenen und vollzogenen notwendigen Beiladung der Unfallkasse Hessen als zuständigem Unfallversicherungsträger zur Folge, dass die Beigeladene zur Anerkennung und Entschädigung des Ereignisses vom 8. Oktober 2007 als Arbeitsunfall zu verurteilen war (§ 75 Abs. 5 SGG).

Der Kläger war als Unternehmer des landwirtschaftlichen Betriebes, in dem sich der Unfall seines Bruders am 8. Oktober 2007 ereignet hatte, befugt, die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§ 54 Abs. 1 Satz 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) zu erheben, wie das Sozialgericht zu Recht festgestellt hat. Denn nach §§108, 109 Satz 1 SGB VII können Personen, deren Haftung nach dem § 104 ff. SGB VII beschränkt ist und gegen die Versicherte Schadensersatzforderungen erheben, statt der Berechtigten die Feststellung beantragen, ob ein Versicherungsfall vorliegt oder das entsprechende Verfahren nach dem SGG führen. Der Beigeladene zu 1 führt das zivilprozessuale Verfahren gegen den Kläger unter dem Az.: 7 O 337/08 vor dem Landgericht Hanau mit dem Ziel der Erstattung sämtlicher aus dem Unfall resultierender materieller und immaterieller Schäden, wofür letztlich die Tierhalterhaftpflichtversicherung des Klägers einzustehen hätte, wenn das Ereignis kein landwirtschaftlicher Arbeitsunfall wäre und der Kläger als landwirtschaftlicher Unternehmer sich nicht auf die Haftungsbeschränkung der §§ 104 ff. SGB VII berufen könnte.

Der Kläger ist durch die erstinstanzliche Entscheidung "beschwert" und das Rechtsschutzbedürfnis zur Durchführung des Berufungsverfahrens ist ihm nicht abzusprechen, obwohl das Sozialgericht formal seinem Antrag entsprochen und den Unfall des Beigeladenen zu 1 vom 8. Oktober 2007 als Arbeitsunfall festgestellt hat. Im Allgemeinen ist eine "formelle Beschwer" als prozessuale Voraussetzung zur Durchführung eines Berufungsverfahrens zu fordern (Leitherer in: Meyer-Ladewig, Keller, Leitherer, SGG, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 11. Auflage, Anm. 6 vor § 143), an der es im Allgemeinen auch dann fehlt, wenn der Klage – wenn auch aus anderen Gründen als vom Kläger vorgetragen – stattgegeben wird (BSGE 43, 1, 3; Leitherer, a.a.O.). Nach der zivilgerichtlichen Rechtsprechung (zuletzt Urteil des BGH vom 24. Januar 2006, Az.: VI ZR 290/04 – juris), der die sozialrechtliche Literatur zustimmt (beispielsweise Schwerdtfeger in: Lauterbach, Unfallversicherung, SGB VII, Anm. 449 zu § 2) führt der Unfallversicherungsschutz für Hilfeleistungen gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 13a SGB VII grundsätzlich nicht zu einem Haftungsausschluss nach § 104 SGB VII. Selbst wenn beide Alternativen tatbestandlich erfüllt wären, wäre § 2 Abs. 1 Ziffer 13a SGB VII subsidiär gegenüber §§ 2 Abs. 1 Ziffer 1 bzw. 2 Abs. 2 SGB VII. Denn der Versicherungsschutz des Nothelfers für die Leistung der Nothilfe folgt unmittelbar aus § 2 Abs. 1 Nr. 13a SGB VII und wird nicht durch die Beziehung des Hilfeleistenden zu einem Unternehmen begründet, auch wenn die Hilfeleistung einem Unternehmen unmittelbar zu Gute kommen sollte. Die Hilfeleistung ist letztlich versichert, weil der Helfer Nothilfe im Interesse der Allgemeinheit leistet. Allein dies entspricht Sinn und Zweck des § 104 SGB VII. Denn das Haftungsprivileg bezweckt die Haftung des Unternehmers abzulösen als Ausgleich für die allein von ihm getragene Beitragslast und will den Betriebsfrieden im Unternehmen gewährleisten. Haftungsausschluss und Beitragszahlung sollen parallel laufen. Der Versicherungsschutz für Hilfeleistende passt nicht zu dieser Struktur, wird von der Allgemeinheit finanziert und gilt nicht für in einem Unternehmen Beschäftigte. Es handelt sich eigentlich nicht um eine Unfallversicherung, sondern um einen Fall der öffentlichen Unfallfürsorge, die darauf gerichtet ist, die Schäden des Hilfeleistenden zu kompensieren, nicht aber einen zivilrechtlich Verantwortlichen von seiner Haftung zu befreien. Die Bindungswirkung der Zivilgerichte an die Feststellung des Unfallversicherungsträgers oder der Sozialgerichte zur Frage des Vorliegens eines Arbeitsunfalles nach § 108 Abs. 1 SGB VII erstreckt sich nach der zivilgerichtlichen Rechtsprechung (BGH a.a.O.) auch auf die Entscheidung darüber, ob der Geschädigte den Unfall als Versicherter aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses oder als Nothelfer erlitten hat. Danach führt das "formale Obsiegen" des Klägers vor dem Sozialgericht, wonach das streitige Ereignis von der Beklagten als Arbeitsunfall nach § 2 Abs. 1 Ziffer 13a SGB VII zu entschädigen sein soll, nicht zum eigentlich erstrebten Prozesserfolg des Klägers, der Abwehr von Schadensersatzansprüchen des Beigeladenen zu 1 im zivilgerichtlichen Verfahren. Damit hat er sein eigentliches Prozessziel nicht erreicht und bleibt "beschwert".

Dieser Beschwer hat auch der erkennende Senat nicht abgeholfen, da das Sozialgericht zu Recht die Voraussetzungen eines landwirtschaftlichen Arbeitsunfalles im Hinblick auf das Ereignis vom 8. Oktober 2007 verneint hat. Denn der Kläger war – was zwischen den Beteiligten unstreitig ist – nicht Arbeitnehmer seines Bruders und damit nicht nach § 2 Abs. 1 Ziffer 1 SGB VII versichert. Er hat seine einmalige Hilfeleistung am 8. Oktober 2007 auch nicht arbeitnehmerähnlich nach § 2 Abs. 2 SGB VII geleistet. Insoweit hat das Sozialgericht die tatbestandlichen Voraussetzungen unter detaillierter Diskussion der in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung und Literatur sowie auch in der ständigen Rechtsprechung des Senats (beispielsweise Urteil vom 15. März 2011, L 3 U 90/09) vertretenen Entscheidungskriterien im Einzelfall verneint. Das zur Rettung des Tieres erfolgte Tätigwerden des Beigeladene zu 1 stellte nur ein einmaliges und eine kurze Zeitspanne umfassendes Handeln dar, das nicht unter solchen Umständen geleistet wurde, dass es einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnlich war. Auch das fehlende Entgelt sowie das enge Verwandtschaftsverhältnis zwischen den Brüdern und die konkreten Umstände des Einzelfalles – die sofort benötigte Hilfe für die Kuh – lassen den Einsatz des Beigeladenen zu 1 als verwandtschaftliche Gefälligkeitsleistung erscheinen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die überzeugenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung Bezug genommen (§153 Abs. 2 SGG).

Die ergänzenden Ermittlungen im Berufungsverfahren – insbesondere durch Anhörung des Klägers und des Beigeladenen zu 1 im Senatstermin – haben die Einschätzung des Sozialgerichts in dieser Frage bestätigt. Danach ist das Verhältnis der Familien C. und A. A. – wie vor dem Unfall – weiterhin unverändert gut und eng. Man ist sich wegen des Unglückes nicht uneinig geworden, trifft sich mehrmals in der Woche und begeht die anfallenden Familienfeiern gemeinsam im Rahmen eines engen und ganz normalen Familienlebens. Die derzeitige Konstellation unterscheidet sich danach nicht von der vor dem Unfall vorliegenden. Der einzige von Seiten des Klägers gegen die Annahme eines verwandtschaftlichen Gefälligkeitshandelns geltend gemachte Einwand, dass die Hilfeleistung ungewöhnlich und mit einem hohen Gefährdungspotential verbunden gewesen sei, ist zwar im Allgemeinen zu beachten. Sie kann dazu führen, dass eine ansonsten als verwandtschaftliche Gefälligkeit zu qualifizierende Hilfemaßnahme zu einem arbeitnehmerähnlichen Tätigwerden führt (BSG in SozR 2200 § 539 Nr. 134; Bieresborn in: juris Praxiskommentar, SGB VII, Gesetzliche Unfallversicherung, Anm. 416 zu § 2). Im konkreten Einzelfall rechtfertigt dieser Einwand keine andere Beurteilung. Denn der Beigeladene zu 1 war in der Landwirtschaft groß geworden und wusste genau um die in einem mit Kühen bestandenen Stall lauernden Gefahren. Die Ehefrau des Klägers konnte daher davon ausgehen, dass sie von ihrem Schwager, mit dem sie ein enges Familienleben pflegte, nichts Unzumutbares forderte, als sie ihn bei beruflich bedingter Abwesenheit ihres Ehemannes und eigener Anwesenheit des Beigeladenen zu 1 als Rentner um die kurzfristige konkrete Mithilfe bat, die der Beigeladene zu 1 auch ohne Weiteres leistete. Beide Brüder waren sich – wie ihren übereinstimmenden Einlassungen im Senatstermin zu entnehmen ist – darüber einig, dass derselbe Unfall auch dem Kläger im eigenen Stall hätte passieren können. Für die in der Landwirtschaft groß gewordenen Brüder war die Hilfeleistung des Beigeladenen zu 1 im landwirtschaftlichen Unternehmen des Klägers danach auch zur Überzeugung des erkennenden Senats als Gefälligkeitshandlung zu qualifizieren, die ihr gesamtes Gepräge nach Art, Umfang und Zeitdauer von den familiären Bindungen zwischen den Angehörigen erhielt. Dies stimmt im Übrigen mit der übereinstimmenden Einschätzung beider Brüder überein, wonach die Hilfeleistung für den Beigeladenen zu 1 nicht weniger riskant und "beherrschbar" als für den Kläger war, wobei beide Brüder im Rahmen des seit 2009 laufenden konkreten Ermittlungsverfahrens der Beklagten zum Unfallgeschehen anlässlich ihrer Befragungen schon am 20. Mai 2009 (der Kläger) bzw. 15. Juni 2009 (der Beigeladenen zu 1) den Einsatz als "notfallmäßige Familienhilfe" und nicht als arbeitnehmerähnliches Tätigwerden eingeschätzt hatten. Der Senat tritt dieser Einschätzung – ebenso wie das Sozialgericht – bei.

Der erkennende Senat folgt der sozialgerichtlichen Entscheidung auch insoweit, als diese den Einsatz des Beigeladenen im Stall seines Bruders als nach § 2 Abs. 1 Ziffer 13a SGB VII gesetzlich unfallversicherte Hilfeleistung in einem Unglücksfall bewertet hat. Ein Unglücksfall in diesem Sinne ist eine plötzlich eintretende Situation mit der nahe liegenden Möglichkeit eines erheblichen Schadens für Personen oder Sachen. Danach kann auch ein nur zu einem Sachschaden führender Unglücksfall den Unfallversicherungsschutz eines Nothelfers begründen, wobei aber im Allgemeinen die Auffassung vertreten wird, dass ein drohender Bagatellschaden an Sachen den Versicherungsschutz nicht auslösen kann, um einen Wertungswiderspruch zu den weiteren Varianten des § 2 Abs. 1 Nr. 13a SGB VII zu vermeiden, die durchweg eine erhebliche Gefährdung voraussetzen (Urteile des BSG vom 29. Mai 1973, 2 RU 92/70 sowie vom 13. September 2005, B 2 U 6/05 R – jeweils juris; Urteil des Senats vom 21. November 2006, L 3 U 9/06; Schlegel in: Schulin, Handbuch des Sozialrechts, Bd. 2 Unfallversicherungsrecht, § 17 Rdnrn. 51 und 58; Bieresborn, a.a.O., Anm. 251 zu § 2; Hauck, Noftz, Riebel, SGB VII, Gesetzliche Unfallversicherung, Kommentar, Anm. 173 zu § 2). Nicht erforderlich ist, dass ein Unglücksfall bereits eingetreten ist. Für eine Hilfe zur Vermeidung eines unmittelbar drohenden Unglücksfalles besteht ebenfalls Versicherungsschutz (zum Begriff Richter in: Lehr- und Praxis-Kommentar (LPK-) SGB VII, Anm. 130 zu § 2; Schwerdtfeger in: Lauterbach, Unfallversicherung, SGB VII Band 1, Anm. 426, 427 zu § 2). Das Hilfeleisten ist eine Unterstützungshandlung, die darauf ausgerichtet ist, einen Unglücksfall zu beseitigen oder aus ihm erwachsene Störungen abzuwenden. Sie setzt ein aktives Handeln des Tätigwerdenden zu Gunsten eines Dritten voraus. Es muss sich um eine auf eine Hilfeleistung zweckbestimmt ausgerichtete Tätigkeit handeln. Auf die Art der Hilfeleistung kommt es nicht an, solang es sich um ein Handeln zu Gunsten eines Dritten handelt. Für den Versicherungsschutz ist es nicht erforderlich, dass die Hilfeleistung auch erfolgreich ist oder ob es nur beim Versuch der Hilfeleistung bleibt. Allerdings muss es sich um eine Tätigkeit handelt, die bei verständiger Würdigung der Gesamtumstände auf eine Hilfeleistung gerichtet ist und objektiv zum Erfolg der Hilfeleistung führen kann, so dass offensichtlich vollkommen untaugliche Handlungen ausscheiden. Der Begriff der Hilfeleistung erfordert nicht, dass der Handelnde seine Aktionen bewusst plant oder strukturiert, auch spontane Handlungen werden vom Versicherungsschutz umfasst (dazu Richter, a.a.O., Anm. 133, 134 zu § 2; Schwerdtfeger, a.a.O., Anm. 433 jeweils mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung). Verwandtschaftliche Beziehungen zwischen Hilfebedürftigem und Helfer stehen dem Versicherungsschutz als Unglückshelfer ebenso wenig entgegen wie der Umstand, dass eine Hilfeleistung mittelbar einem Unternehmen zugute kommt (BGH, a.a.O., Rd.-Ziffer 9; BSGE 5, 262, 265; 37, 38; 57, 134; Urteil des BSG vom 12. Dezember 2006, B 2 U 39/05 R – juris; Hauck u.a., a.a.O., Anm. 180a zu § 2).

Der Beigeladene zu 1 konnte von diesen Grundsätzen ausgehend als Nothelfer zugunsten seines Bruders in dessen landwirtschaftlichem Unternehmens tätig werden und half bei einem Unglücksfall mit, wobei der Kläger den Wert der letztlich von ihm selbst geretteten Kuh im Senatstermin auf EUR 1.500 bis 2.000 geschätzt hat. Die in Rechtsprechung und Literatur geforderte "Bagatellgrenze", die die Beigeladene zu 2 bei Hilfeleistungen für Tiere generell als nicht erreicht ansieht, dürfte für den im Wege der unfallversicherten Nothilfe zu rettenden Sachwert durch Rettung der Kuh erreicht sein, was der erkennende Senat – in Übereinstimmung mit der erstinstanzlichen Entscheidung – aber letztlich dahinstehen lassen konnte, da der Beigeladene zu 1 letztlich eingreifen musste und eingegriffen hatte, um das Leben der in der Kette verfangenen und vom Erstickungstod bedrohten Kuh zu retten. Der erkennende Senat folgt mit dieser Einschätzung der Auffassung von Leube (Tierschutzziel als Staatsziel – Gesetzlicher Unfallversicherungsschutz bei Rettung von Tieren im Straßenverkehr? NZV 2002, 545; ihm folgend Ricke, Zur rechtlichen Bedeutung von Tieren in der gesetzlichen Unfallversicherung, NZS 2013, 773; derselbe in: Kasseler Kommentar, Handbuch der Sozialversicherung, Bd. 2, Gesetzliche Unfallversicherung, Anm. 65 zu § 2; Schwerdtfeger, a.a.O., Anm. 153 zu § 2; Kruschinski in: Becker u.a., Gesetzliche Unfallversicherung, Kommentar, Anm. 645 zu § 2 sowie Bieresborn, a.a.O., Anm. 253 zu § 2 unter zustimmender Zitierung der erstinstanzlichen Entscheidung). Danach ist aus der ab 1. August 2002 in Kraft getretenen Aufnahme des Tierschutzes als Staatsziel in Artikel 20a des Grundgesetzes abzuleiten, dass Verwaltung und Rechtsprechung diesen Umstand bei Auslegung und Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe – wie dem der "Erheblichkeit" eines Unglücksfalles im Rahmen der Nothilfe – zu beachten haben mit der Folge, dass Unfälle bei Hilfeleistungen für Tiere nicht mehr ohne Weiteres als Bagatellfälle eingeordnet werden können. Im Vordergrund steht vielmehr, dem Tier ungeachtet seines Sachwertes Leiden zu ersparen oder seinen Tod zu verhindern. Wenn auch in Grenzfällen mit Hilfe von Sachverständigen die Tierarten festzustellen sein werden, bei denen rechtsethisch eine Mitverantwortung des Menschen für das Tier aufgrund von dessen Schmerz- und Leidensfähigkeit anzunehmen und eine Hilfeleistung wegen einer "erheblichen" Gefahr unfallversichert ist, stellt sich die Rechtslage im Falle der Hilfeleistung für die vom Erstickungstode bedrohte Kuh eindeutig so dar, dass es sich um ein Wirbeltier handelt, dessen Innervierung, Schmerzerregung, Schmerzleitung und Schmerzempfinden sich von dem des Menschen allenfalls graduell unterscheide (zu den Abgrenzungskriterien unter Beachtung der Vorgaben des Tierschutzgesetzes: Leube, a.a.O., Ziffer 4.5) und dessen nicht nur tierschutzrechtlich, sondern auch grundgesetzlich garantiertes Schutzbedürfnis die Annahme einer gesetzlich unfallversicherten Nothilfe gebietet.

Aus vorstehender rechtlicher Beurteilung ergibt sich die Tenorierung zu I. und II. nach der im Berufungsverfahren erfolgten notwendigen Beiladung der Unfallkasse Hessen (§ 75 Abs. 2 SGG). Denn die Beklagte hatte im Bescheid vom 18. August 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2010 die Feststellung des Ereignisses vom 8. Oktober 2007 als landwirtschaftlicher Arbeitsunfall zu Recht abgelehnt. Da das Sozialgericht in dem mit der Berufung angegriffenen Urteil vom 21. November 2012 Bescheid und Widerspruchsbescheid der Beklagten rechtsfehlerhaft aufgehoben hatte, konnte das Urteil nicht bestätigt werden und war auf die Berufung der Beklagten hin unter Klageabweisung aufzuheben. Soweit das Urteil festgestellt hat, dass die Hilfeleistung des Beigeladenen zu 1 als Arbeitsunfall im Sinne des § 2 Abs. 1 Ziffer 13a SGB VII festzustellen ist, ist es einerseits richtig als es die Voraussetzungen der vorgenannten Norm bejaht hat, darüber hinaus ist es aber falsch, da nicht die Beklagte sondern der für die gesetzliche Unfallversicherung der Nothelfer im Lande Hessen sachlich und örtlich zuständige Beigeladene zu 2 allein entscheidungsbefugt in dieser Sache war (§§ 128 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2, 114 Abs. 1 Ziffer 6, 130 Abs. 4 Satz 1 SGB VII). Die Unfallkasse Hessen war in dieser prozessualen Situation von Amts wegen notwendig beizuladen (Leitherer, a.a.O., Anm. 14 und 15 zu § 75), wobei die erstinstanzlich unterbliebene notwendige Beiladung im Berufungsverfahren nachzuholen war (Leitherer, a.a.O., Anm. 13e zu § 75). Das Sozialgericht durfte sich dieser aus § 75 Abs. 2 SGG resultierenden Verpflichtung nicht unter Hinweis auf § 139 Abs. 2 SGB VII entziehen. Zum einen war kein Fall vorläufiger Leistungen von der Beklagten zu bearbeiten, was § 139 Abs. 1 und 2 SGB VII voraussetzen (Schmidt, SGB VII, Gesetzliche Unfallversicherung, Kommentar, Anm. 7 zu § 139). Zum anderen war der Beklagten erst durch die erstinstanzliche Entscheidung überhaupt bewusst geworden, dass das Vorliegen eines Arbeitsunfalles im Wege der Nothilfe in Betracht zu ziehen war, weswegen sie auch im Schriftsatz vom 15. August 2013 erstmals im Berufungsverfahren die Beiladung der Unfallkasse Hessen angeregt hatte, worüber das Sozialgericht – auch ohne Antrag eines Beteiligten – von Amts wegen hätte entscheiden müssen. Diese Verpflichtung der notwendigen Beiladung missachtend hat das Sozialgericht unter Hinweis auf § 139 Abs. 2 SGB VII die Beklagte als landwirtschaftlichen Unfallversicherungsträger zur Feststellung einer allein in den Zuständigkeitsbereich der Beigeladenen zu 2 fallenden Versicherungsfall der Nothilfe verurteilt, was durch Befolgen des § 75 Abs. 2 SGG gerade vermieden werden soll und kann. Da die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 SGB VII zu verneinen und die des § 2 Abs. 1 Ziffer 13a SGB VII zu bejahen sind, stellt sich die von der Beigeladenen zu 2 aufgeworfene Frage der konkurrierenden Zuständigkeit zweier Unfallversicherungsträger nicht und das Problem des Vorranges der Versicherung aus dem Arbeitsverhältnis – auch bei einer arbeitnehmerähnlichen Tätigkeit (§ 135 Abs. 1 Ziffer 5 und Abs. 6 SGB VII) – bedurfte keiner Entscheidung. Die Berufungen des Klägers und der Beigeladenen zu 2, die die Feststellung eines landwirtschaftlichen Arbeitsunfalles erstrebt hatten, waren danach zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung (Ziffer III. des Tenors) hatte auf der Grundlage des § 197a SGG i.V.m. mit §§ 154 bis 162 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zu ergehen. Denn weder der Kläger als landwirtschaftlicher Unternehmer noch die Beklagte als landwirtschaftlicher Unfallversicherungsträger gehören zu den in § 183 SGG kostenprivilegierten Beteiligten. Der Unternehmer kann ausnahmsweise selbst Versicherter im Sinne des § 183 SGG sein, wenn er einen Streit um die eigene Versicherung führt oder eigene Unfallversicherungsleistungen geltend macht (Leitherer, a.a.O., Anm. 5a zu § 183 m.w.N. auch aus der Rechtsprechung). Wie der Senat wiederholt festgestellt hat, ist der gesetzlich unfallversicherte Unternehmer in einem mitgliedschaftsrechtlichen Streitverfahren nicht als nach § 183 Satz 1 SGG kostenprivilegierter "Versicherter" anzusehen (beispielsweise Beschlüsse des Senats vom 17. Dezember 2004, Az.: L 3 U 78/04, sowie vom 4. September 2006, Az.: L 3 B 59/06 U ebenso BSG – Beschlüsse vom 3. Januar 2006, Az.: B 2 U 367/05 B, sowie vom 23. November 2006, Az.: B 2 U 258/06 und Köhler, Das Kostenprivileg des § 183 SGG im Falle eines unfallversicherten Unternehmers, in: Die Sozialgerichtsbarkeit 2008, S. 76 bis 80). In Übereinstimmung mit dem erstinstanzlichen Urteil und der darin zitierten Entscheidung des LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 29. Juni 2011, L 3 U 11/08 - juris) kommt eine Kostenprivilegierung des Klägers nach § 183 SGG nicht in Betracht, da die von ihm geltend gemachte Haftungsbeschränkung nach den §§ 104 ff. SGB VII nicht als Sozialleistung an den Unternehmer als Leistungsempfänger angesehen werden kann.

Da der Kläger nach Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung und Abweisung der Klage gegen Bescheid und Widerspruchsbescheid der Beklagten im erstinstanzlichen Verfahren unterlegen ist, waren ihm insoweit nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten aufzuerlegen. Nach § 162 Abs. 1 VwGO gehören zu den erstattungsfähigen Kosten neben den Gerichtskosten die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten, wobei nach § 162 Abs. 2 VwGO die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwaltes stets erstattungsfähig sind. Der Kläger hat entsprechend § 162 Abs. 3 VwGO die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1 zu erstatten; dies entspricht der Billigkeit (§ 163 Abs. 3 VwGO), da der Beigeladene zu 1 im Verfahren obsiegt, mit Erfolg Anträge gestellt und auch das gerichtliche Verfahren wesentlich gefördert hat (dazu Leitherer, a.a.O., Anm. 28, 29 zu § 197a).

Der Beigeladenen zu 2 konnten Kosten im Verfahren nur insoweit auferlegt werden, als sie am Verfahren teilgenommen hat. Da sie erstinstanzlich nicht beigeladen war, war sie an den erstinstanzlich entstandenen Kosten nicht zu beteiligen. In der zweiten Instanz wurde die Beigeladene zu 2 als notwendig Beigeladene gemäß § 75 Abs. 5 SGG verurteilt, so dass sie wie eine Beklagte zu behandeln (Leitherer, a.a.O., Anm. 13a zu § 197a) und als unterlegener Beteiligter gemäß § 197a Abs. 2 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO mit Kosten zu belasten war. Wie die Beigeladene zu 2 war auch der Kläger zweitinstanzlich als unverändert unterliegender Beteiligter (§ 154 Abs. 1 VwGO) mit Kosten zu belasten. Für mehrere Kostenpflichtige sehen §§ 159 VwGO i.V.m. 100 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) eine Haftung für die Kosten nach Kopfteilen vor. Eine davon abweichende Kostenverteilung zwischen Kläger und Beigeladener zu 2 wäre nur bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligungen im Verfahren entsprechend § 100 Abs. 2 ZPO in Betracht gekommen. Von einer solchen war nicht auszugehen, so dass der Kläger und die Beigeladene zu 2 die zweitinstanzlich entstandenen Kosten des Gerichtsverfahrens sowie die zweitinstanzlich entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1 – wie für die erste Instanz im Hinblick auf den Kläger bereits dargelegt – je zur Hälfte zu tragen haben. Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

Der nach § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG nach dem Gerichtskostengesetz (GKG) festzusetzende Streitwert war – wie mit den Beteiligten im Senatstermin erörtert – nach der sich aus dem Antrag des Klägers bei objektiver Beurteilung für ihn ergebenden Bedeutung der Sache zu bestimmen (§ 52 Abs. 1 GKG). Dies entspricht in der Regel dem wirtschaftlichen Interesse des Klägers an der erstrebten Entscheidung (BSG in SozR 3-1930 § 8 Nr. 2 – im Allgemeinen auch für den Beigeladenen), wobei die rechtliche Tragweite der Entscheidung und die Auswirkungen einzubeziehen sind, die ein Erfolg des Begehrens für die wirtschaftliche und sonstige Lage des Klägers hat (Hartmann, Kostengesetze, 44. Auflage, Anm. 11 zu § 52 GKG). Die wirtschaftliche Bedeutung des Verfahrens, in dem es als Vorverfahren mit Bindungswirkung für das Zivilverfahren um die Feststellung der Haftungsbeschränkung des Klägers als landwirtschaftlicher Unternehmer geht (§§ 104, 108 SGB VII), liegt für den Kläger darin, dass er den vom Beigeladenen zu 1 gegen ihn erhobenen zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen entgehen will. Diese Ansprüche sind unter Hinweis auf die Klageschrift vor dem Landgericht Hanau vom 27. März 2008 vom Bevollmächtigten des Beigeladenen zu 1 im Senatstermin mit derzeit zumindest EUR 9.470 für die Schadenspositionen Haushaltsführungsschaden, Sachschäden und Fahrtkosten der Ehefrau zur Klinik inklusive eines Schmerzensgeldes in Höhe von EUR 5.000 beziffert worden. Da sich die aus dem Antrag des Klägers ergebende wirtschaftliche Bedeutung auf diese Weise ermitteln ließ, war – anders als vom Sozialgericht mit Beschluss vom 21. November 2012 angenommen – nicht der Auffangstreitwert des § 52 Abs. 2 GKG in Höhe von EUR 5.000 sondern EUR 9.470 als Streitwert für beide Instanzen festzustellen, wobei der Senat von der erstinstanzlichen Entscheidung abweichen und diese korrigieren durfte (§ 63 Abs. 3 Satz 1 GKG; dazu Leitherer, a.a.O., Anm. 5 zu § 197a; BSGE 97, 153, 157).
Rechtskraft
Aus
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