Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 13 SB 912/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 4416/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 01.10.2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Der Kläger trägt die Kosten des auf seinen Antrag gemäß § 109 SGG eingeholten Gutachtens von Dr. H. vom 20.07.2016 sowie seine baren Auslagen endültig selbst.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, mit welchem Grad der Behinderung (GdB) die bei dem Kläger vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen zu bewerten sind.
Der 1974 geborene Kläger stellte beim Landratsamt K.- Amt für Versorgung und Rehabilitation (LRA) am 13.10.2011 einen Erstantrag nach § 69 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX).
Das LRA holte daraufhin einen Befundschein des Facharztes für Allgemeinmedizin U.(Bl. 24 der Verwaltungsakte) ein und ließ diesen versorgungsmedizinisch auswerten. Entsprechend der versorgungsmedizinischen Stellungnahme der Dr. S. vom 20.03.2012 stellte das LRA mit Bescheid vom 21.03.2012 (Bl. 33 der Verwaltungsakte) bei dem Kläger einen GdB von 20 seit dem 13.10.2011 fest. Folgende Funktionsbeeinträchtigungen lägen vor: ein Kopfschmerzsyndrom, Migräne (GdB 20), eine chronische Magenschleimhautentzündung, ein Speiseröhrengleitbruch (GdB 10), ein verheilter Wirbelbruch, eine Wirbelsäulenverformung (GdB 10) und eine Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks (GdB 10). Die Auswirkungen dieser Funktionsbeeinträchtigungen seien mit einem Gesamt-GdB von 20 angemessen bewertet. Die darüber hinaus geltend gemachten Gesundheitsstörungen – eine operierte Sinusitis sowie ein Zustand nach Rippenprellung – bedingten keinen Einzel-GdB von wenigstens 10 und stellten daher keine Behinderung im Sinne des SGB IX dar.
Mit Schreiben vom 13.04.2012 erhob der Kläger hiergegen Widerspruch (Bl. 35 der Verwaltungsakte) und führte zur Begründung an, sein Rücken sei nicht mehr so stabil, er könne auch nichts Schweres heben. Ebenso sei die Migräne ein Problem.
Das LRA forderte daraufhin einen Befundschein des Facharztes für Orthopädie Dr. L. an (Bl. 45 der Verwaltungsakte) und ließ diesen versorgungsmedizinisch auswerten. Entsprechend der versorgungsmedizinischen Stellungnahme des Dr. B. vom 18.01.2013 half das LRA dem Widerspruch des Klägers mit Teil-Abhilfebescheid vom 04.02.2013 (Bl. 49 der Verwaltungsakte) teilweise ab und stellte einen GdB von 30 seit dem 13.10.2011 fest. Folgende Funktionsbeeinträchtigungen lägen vor: ein Kopfschmerzsyndrom, eine Migräne (GdB 20), eine chronische Magenschleimhautentzündung, ein Speiseröhrengleitbruch (GdB 10), ein verheilter Wirbelbruch, eine Wirbelsäulenverformung, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (GdB 20) und eine Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks (GdB 10).
Soweit der Kläger darüber hinaus an seinem Widerspruch festhielt, wies das Regierungspräsidium Stuttgart diesen mit Widerspruchsbescheid vom 28.02.2013 (Bl. 55 der Verwaltungsakte) zurück. Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen könnten keinen höheren GdB als 30 begründen.
Am 11.03.2013 erhob der Kläger hiergegen Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) und führte zur Begründung an, die einzelnen bei ihm vorliegenden Behinderungen seien nicht ausreichend gewürdigt worden. Der Beklagte habe keine fachübergreifende Begutachtung durch einen neutralen Sachverständigen vorgenommen. Die bei ihm vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen seien wie folgt zu bewerten:
Kopfschmerzsyndrom, Migräne GdB 40 chronische Magenschleimhautentzündung, Speiseröhrengleitbruch, GdB 20 verheilter Wirbelbruch, Wirbelsäulenverformung, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule GdB 30 Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks. GdB 20
Das Gesamtbehinderungsbild führe zu einem GdB von mindestens 50.
Das SG hat zur medizinischen Aufklärung des Sachverhalts Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen. Der Orthopäde Dr. L. gab an (Auskunft vom 16.05.2013 - Bl. 27 f. der SG-Akte), bei dem Kläger bestünde ein BWS-Syndrom mit Myelopathie in Höhe BWK 11 bei Zustand nach Mehrfachkompressionsfrakturen thorakal sowie ein lumbales Wurzelreizsyndrom bei Segmentinstabilität L4/5. Den GdB bewerte er auf seinem Fachgebiet mit 40. Facharzt für Allgemeinmedizin U. teilte mit (Auskunft vom 16.06.2013 - Bl. 29 ff. der SG-Akte), bei dem Kläger bestünden folgende Diagnosen: Refluxösophagitis Grad B bei Hiatushernie, rez. Gastritis, Helicobacter-Pylori negativ, letzte Erradikation 2006 und 2009, Cluster-Kopfschmerz, rezidivierende Migräneanfälle, Skoliose und Kyphose der BWS und LWS, Zustand nach BWK-7-Fraktur 1999 und nach Unfall 2010 erneute BWK-Fraktur (BG-Unfall), chronische Sinusitis mit rezidivierenden Infekten, Impingementsyndrom der linken Schulter sowie Epicondylitis radialis links. Er schätze den Gesamt-GdB auf 50.
Nachdem der Kläger mitgeteilt hatte, er habe am 13.06.2013 einen Arbeitsunfall erlitten, befragte das SG erneut den Orthopäden Dr. L ... Dieser gab mit Schreiben vom 23.09.2013 (Bl. 42 f. der SG-Akte) an, von einem Unfall am 13.06.2013 sei ihm nichts bekannt. Der Kläger sei am 08.07.2013 wegen einer Dorsolumbalgie vorstellig geworden.
Das SG erhob sodann weiter Beweis durch schriftliche Befragung des Chirurgen Dr. B. als sachverständigen Zeugen. Dieser teilte mit (Auskunft vom 16.12.2013 - Bl. 52 f. der SG-Akte), bei dem Kläger bestünden folgende Diagnosen: Schulterprellung rechts, Prellung rechter Unterschenkel, Prellung LWS infolge des Unfalls im Juni 2013. Es handele sich dabei um leichte bis mittelmäßige Beschwerden.
Auf Antrag des Klägers gem. § 109 SGG holte das SG das orthopädische Gutachten des Arztes für Orthopädie Dr. H. vom 12.02.2014 ein, der den Kläger am 05.02.2014 persönlich untersuchte (Bl. 57 ff. der SG-Akte). Der Kläger leide unter einer fixierten Rundrückenfehlform bei keilförmiger Ausheilung einer Fraktur des 7. und 11. BWK, einer chronischen Periarthritis humerus scapularis recht sowie einer initialen Retropatellararthrose beider Kniegelenke. Er schätze den GdB hinsichtlich der Brustwirbelsäule auf 40. Insgesamt bestehe ein GdB von 50.
Mit Schreiben vom 18.09.2014 reichte der Kläger den Befundbericht des Facharztes für Psychiatrie Dr. H. vom 15.09.2014 (Bl. 87 der SG-Akte) zu den Akten. Bei dem Kläger bestünden im Rahmen einer seelischen Erkrankung depressiv-dysphorische Verstimmungen, eine Antriebsschwäche, Erschöpfung, eine erhöhte Reizbarkeit, Schlafstörungen und eine verminderte Belastbarkeit.
Mit Urteil vom 01.10.2014 verpflichtete das SG den Beklagten einen GdB von 40 seit dem 13.10.2011 festzustellen. Im Übrigen wies es die Klage ab.
Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 10.10.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24.10.2014 Berufung bei dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Zur Begründung führt er aus, das SG habe nicht alle Erkenntnisquellen ausgeschöpft. Ein Facharztbericht des Dr. G. sei nicht eingeholt worden. Ein solcher hätte ergeben, dass das chronische Kopfschmerzsyndrom und seine psychischen Beschwerden höher zu bewerten seien. Dies führe zu einem Gesamt-GdB von mindestens 50.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 01.10.2014 abzuändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 21.03.2012 in der Gestalt des Teil-Abhilfebescheides vom 04.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 28.02.2013 zu verurteilen, bei ihm einen GdB von mindestens 50 seit dem 13.10.2011 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte ist der Berufung entgegengetreten.
Der Senat hat zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhalts Beweis erhoben durch schriftliche Vernehmung des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. H ... Dieser hat angegeben (Auskunft vom 26.02.2015 - Bl. 18 f. der Senatsakte), der Kläger befinde sich seit September 2013 in regelmäßiger Behandlung. Bei dem Kläger bestünden folgende Diagnosen: Angst und depressive Störung gemischt, posttraumatische Belastungsstörung, emotional instabile Persönlichkeitsstörung, Cluster Kopfschmerzen, Migräne ohne Aura, schwere depressive Episode.
Zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhalts hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung des neurologisch-psychiatrischen Gutachtens des Facharztes für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S. vom 23.09.2015 (Bl. 30 ff. der Senatsakte), der den Kläger am 14.09.2015 persönlich untersucht hat. Auf psychiatrischem Fachgebiet bestünden die Verdachtsdiagnosen eines depressiv-agitierten Syndroms und einer emotional-instabilen Persönlichkeit. Aufgrund des Aggravationsverhaltens könne die tatsächliche Art und die Ausprägung psychopathologischer Symptome mit einer annähernd diagnostischen Sicherheit nicht bestimmt werden. Es sei daher auch nicht möglich, einen GdB annähernd genau zu beziffern.
Im Rahmen der Untersuchung hat der Kläger weitere Befundberichte vorgelegt (Bl. 64 ff. der Senatsakte). Insbesondere hat er den Entlassbericht der M. Klinik am Südpark vom 27.07.2015 (Bl. 68 ff. der Senatsakte) zu den Akten gereicht, wo sich der Kläger in der Zeit vom 25.06.2015 bis 23.07.2015 in stationärer Behandlung befand.
Zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhalts hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung eines psychiatrischen Gutachtens nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. H. vom 20.07.2016 (Bl. 88 ff. der Senatsakte), der den Kläger am 15.04.2016 persönlich untersucht hat. Bei dem Kläger bestünden folgende Gesundheitsstörungen: Angst und depressive Störung gemischt, posttraumatische Belastungsstörung, emotional instabile Persönlichkeitsstörung, Dysthymia. Er schätze den GdB für die psychische Störung auf 40. Der Gesamt-GdB liege bei 50 bis 60.
Der Senat hat die versorgungsmedizinische Stellungnahme des Dr. R. vom 20.10.2016 (Bl. 107 ff. der Senatsakte) Dr. H. zur ergänzenden Stellungnahme übersandt. Dieser hat mit Schreiben vom 02.12.2016 mitgeteilt (Bl. 113 f. der Senatsakte), es erscheine ihm sehr fragwürdig und geradezu unmenschlich, die posttraumatische Belastungsstörung des Klägers im Hinblick auf seine Lebens- und Leidensgeschichte in Frage zu stellen. Er habe die aus der posttraumatischen Belastungsstörung resultierenden Funktionsstörungen und ihre Auswirkungen auf die Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit sehr deutlich dargestellt. Zusammenfassend schätze er den GdB für die psychische Störung weiterhin mit 40 ein.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Schreiben des Beklagten vom 02.03.2017, Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 09.03.2017).
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die angefallenen Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf einen Band Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1 SGG), ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, jedoch nicht begründet.
Das SG hat den Beklagten zutreffend verurteilt, bei dem Kläger einen GdB von 40 seit dem 13.10.2011 festzustellen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von 50.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die der Zuerkennung eines GdB zugrundeliegende Behinderung wird gemäß § 69 Abs. 1 SGB IX im Hinblick auf deren Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Dabei stellt die Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2009 (BGBl. I, 2412), den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG) – wie auch die zuvor geltenden Anhaltspunkte (AHP) - auf funktionelle Beeinträchtigungen ab, die im Allgemeinen zunächst nach Funktionssystemen zusammenfassend (dazu vgl. Teil A Nr. 2 Buchst. e) VG) und die hieraus gebildeten Einzel-GdB (vgl. A Nr. 3a) VG) nach § 69 Abs. 3 SGB IX anschließend in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen sind. Die Feststellung der jeweiligen Einzel-GdB folgt dabei nicht einzelnen Erkrankungen sondern den funktionellen Auswirkungen aller derjenigen Erkrankungen, die ein einzelnes Funktionssystem betreffen.
Der Senat ist nach eigener Prüfung zu der Überzeugung gelangt, dass die beim Kläger vorliegenden Funktionsbehinderungen in ihrer Gesamtschau einen höheren Gesamt-GdB als 40 nicht rechtfertigen.
Im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche konnte der Senat einen höheren Einzel-GdB als 20 nicht feststellen.
Nach Teil B Nr. 3.7 VG ist bei Neurosen, Persönlichkeitsstörungen oder Folgen psychischer Traumen mit leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen der GdB mit 0 bis 20, bei stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) der GdB mit 30 bis 40 und bei schweren Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB mit 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB mit 80 bis 100 zu bewerten.
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist bei dem Kläger eine mehr als leichte psychische Störung nicht nachgewiesen. Bei der Untersuchung durch Facharzt für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S. am 14.09.2015 (Gutachten vom 23.09.2015) wirkte der Kläger in der Grundstimmung dysphorisch gereizt und innerlich sehr angespannt. Die affektive Resonanzfähigkeit war eingeschränkt und zum negativen Pol verschoben. Das formale Denken war nicht verlangsamt, es war folgerichtig. In der Gestik und Mimik wirkte er durchgehend lebhaft. Vom Gesamteindruck her war der Kläger agitiert. Im interaktionellen Verhalten wirkte der Kläger nahezu durchgehend appelativ. Die Sprache war regelrecht moduliert, fest. Es lagen keine Störungen des Bewusstseins, der Orientierung, der Auffassung und der Konzentration vor. Zwar führte der Kläger mehrfach Gedächtnisstörungen an, dies stand jedoch im Gegensatz zu einigen recht detaillierten Angaben. Für eine hirnorganisch bedingte Gedächtnisstörung ergab sich kein Anhalt. Im neurologischen Untersuchungsbefund zeigte sich intermittierend eine Aggravation bzw. Simulation gerade bei der Prüfung der motorischen Fähigkeiten und der Koordination.
Eine stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit ist aufgrund dieser Befunde nicht nachgewiesen. Denn die anspruchsbegründenden Tatsachen sind, dies gilt nach allgemeinen Grundsätzen des sozialgerichtlichen Verfahrens auch im Schwerbehindertenrecht grundsätzlich im Vollbeweis, d.h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachzuweisen (vgl. BSG 15.12.1999 - B 9 VS 2/98 R, juris; Bayerisches LSG 05.02.2013 - L 15 SB 23/10, juris). Für diesen Beweisgrad ist es zwar nicht notwendig, dass die erforderlichen Tatsachen mit absoluter Gewissheit feststehen. Ausreichend, aber auch erforderlich ist indessen ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch mehr am Vorliegen der Tatsachen zweifelt (vgl. BSG 28.06.2000 - B 9 VG 3/99 R, juris), d.h. dass die Wahrscheinlichkeit an Sicherheit grenzt (BSG 05.05.1993 - 9/9a RV 1/92, juris). Lässt sich der Vollbeweis nicht führen, geht die Nichterweislichkeit einer Tatsache zu Lasten dessen, der sich zur Begründung seines Anspruchs oder rechtlichen Handelns auf ihr Vorliegen stützen.
Der Senat konnte sich unter Berücksichtigung der vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht davon überzeugen, dass bei dem Kläger eine psychische Beeinträchtigung in der Form einer stärker behindernden Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit in allen Lebensbereichen vorliegt. Dabei ist zunächst unerheblich, ob die bei dem Kläger vorliegenden Beeinträchtigungen als posttraumatische Belastungsstörung (so Dr. H.) zu bewerten sind oder nicht (zweifelnd Dr. S.). Maßgeblich für die Bewertung des GdB ist nicht die Diagnose, sondern die Auswirkung der Gesundheitsstörung am Leben in der Gesellschaft (BSG 30.09.2009 - B 9 SB 4/08 R, juris). Im Rahmen des stationären Aufenthalts in der Median Klinik am Südpark gab der Kläger an, er unternehme sportliche Aktivitäten, wobei er ca. 30 Minuten am Tag Laufe. Er beschrieb einen Halt durch seine Ehefrau und Kinder. Eine wesentliche Beeinträchtigung der familiären Situation kann damit nicht festgestellt werden. Während des stationären Aufenthalts profitierte der Kläger deutlich von seiner Selbstöffnung und von der Problemklärung im einzeltherapeutischen Rahmen. Er nahm regelmäßig an der problemlösungsorientierten Gruppentherapie teil und brachte sich aktiv ein. Der Kläger gab insoweit selbst an, er ziehe sich nicht mehr stark zurück und sei im Kontakt offener geworden. Es kam zu einer Verbesserung der psychischen Belastbarkeit und der sozialen Kontaktfähigkeit. In der Untersuchung durch Dr. H. gab der Kläger an, er besuche manchmal die Moschee und versuche mit anderen Leuten in Kontakt zu kommen, auch wenn er diese Kontakte nicht lange aushalten könne. Der Kläger ist in der Lage, sein Sozialleben zu gestalten und daran auch emotional und geistig teilzuhaben. Ein stärkerer sozialer Rückzug ist nicht erkennbar.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. H. vom 20.07.2016 bzw. der ergänzenden Stellungnahme vom 02.12.2016. Soweit Dr. H. den GdB auf psychiatrischem Fachgebiet mit 40 bewertet, lässt sich dem Gutachten mangels detaillierter Darstellung der Alltagsbewältigung und des psychosozialen Umfelds nicht entnehmen, dass eine entsprechende Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit bei dem Kläger vorliegt. Hierauf wird in den versorgungsärztlichen Stellungnahmen des Dr. R. vom 20.10.2016 und 20.01.2017 überzeugend hingewiesen.
Ein höherer Teil-GdB als 20 war daher für die depressive Störung nicht anzunehmen.
Im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche leidet der Kläger weiterhin unter einer Migräne, für die ein Teil-GdB jedoch nicht anzunehmen ist. Nach Teil B Nr. 2.3 VG ist eine echte Migräne je nach Häufigkeit und Dauer der Anfälle und Ausprägung der Begleiterscheinungen zu bewerten. Eine leichte Verlaufsform (Anfälle durchschnittlich einmal monatlich) bedingt einen GdB von 0 bis 10, eine mittelgradige Verlaufsform (häufigere Anfälle, jeweils einen oder mehrere Tage anhaltend) rechtfertigt die Feststellung eines GdB von 20 bis 40. 2007 waren die neurologische Untersuchung sowie die Kernspintomographie des Schädels und das Elektroencephalogramm unauffällig (Bl. 12 der Verwaltungsakte). Während einer stationären Behandlung in der Klinik für Neurologie des Klinikums K.-L. konnte keine Kopfschmerzepisode während des Aufenthaltes vom 13.02. bis zum 15.02.2006 beobachtet werden. Im Zeitraum von April 2011 bis Juni 2013 sind lediglich vier Behandlungen nachgewiesen (Auskunft des Hausarztes U. vom 16.06.2013). Aktuelle neurologische Fachberichte fehlen. Eine entsprechende Symptomatik wurde auch nicht im Entlassbericht der M. Klinik am Südpark beschrieben, in der sich der Kläger in der Zeit vom 25.06.2015 bis 23.07.2015 in stationärer Behandlung befand. Soweit der Kläger gegenüber Dr. S. angab, die Schmerzen würden zwei Mal pro Woche auftreten und für eine halbe bis zwei Stunden anhalten, ist dieser Schweregrad wegen des Fehlens entsprechender neurologischer Arztberichte nicht nachgewiesen. Auch Dr. S. konnte weder die Diagnose an sich noch das Ausmaß des Leidens bestätigen. Vorliegend steht nach alledem schon das Vorliegen einer Migräne an sich in Frage, jedenfalls ist eine Anfallshäufigkeit von durchschnittlich einmal im Monat nicht nachgewiesen. Die Nichterweislichkeit von Tatsachen, vorliegend das Ausmaß bzw. der Schweregrad des Kopfschmerzleidens, woraus der Kläger Rechte herleiten will, geht jedoch nach den Grundsätzen über die objektive Feststellungslast zu seinen Lasten (BSG 08.10.1964 - 1 RA 63/62, juris). Ein Teil-GdB für die Migräne konnte der Senat daher nicht feststellen.
Insgesamt konnte daher im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche ein Einzel-GdB von 20 angenommen werden.
Im Funktionssystem des Rumpfes, zu dem der Senat die Wirbelsäule einschließlich der Halswirbelsäule zählt, war ein Einzel-GdB von 30 anzunehmen.
Bei dem Kläger besteht eine fixierte Rundrückenfehlform bei keilförmiger Ausheilung einer Fraktur des 7. und 11. Brustwirbelkörper. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten des Dr. H. vom 12.02.2014 sowie dem Entlassbericht der M. Klinik am Südpark vom 27.07.2015. Nach Teil B Nr. 18.9 VG ist bei Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 10, mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 30 und mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten ein Teil-GdB von 30 bis 40 gerechtfertigt. Maßgebend ist dabei, dass die Bewertungsstufe GdB 30 bis 40 erst erreicht wird, wenn mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorliegen. Die Obergrenze des GdB 40 ist danach erreicht bei schweren Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten (Urteil des erkennenden Senats vom 24.01.2014 - L 8 SB 2497/11, juris).
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule des Klägers mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten. Bei der Untersuchung durch Dr. H. am 05.02.2014 zeigte sich die Wirbelsäule in der Aufsicht gerade, die Taillendreiecke waren symmetrisch. In der seitlichen Ansicht zeigte sich eine Gibbus ähnlich gestaltete Kyphose der Brustwirbelsäule, so dass bei angelegtem Rücken ein Kopf-Wand-Abstand von 15 cm bestand. Eine Reklination war aus dieser Fehlhaltung hinaus nicht möglich. Die Restbeweglichkeit der Wirbelsäule erfolgte aus der Lendenwirbelsäule. Die Drehung der Wirbelsäule nach rechts/links gelang dabei mit 20-0-20°, die Seitneigung nach rechts/links ebenfalls mit 20-0-20°. Das Schober’sche Zeichen betrug 0 cm, das Ott’sche Zeichen der Lendenwirbelsäule betrug 10/13,5 cm. Der Kinn-Brust-Abstand betrug 0 cm. Die Reklination der Halswirbelsäule war bis 10° durchführbar. Die Drehung des Kopfes nach rechts/links gelang mit 60-0-60°, die Seitneigung nach rechts/links mit 60-0-60°. Der Senat konnte damit im Bereich der Brustwirbelsäule schwerwiegende Funktionsbeeinträchtigungen feststellen, die einem GdB von 30 entsprechen. Schwerwiegende Funktionsbeeinträchtigungen in einem weiteren Wirbelsäulenabschnitt, mit der Folge, dass ein GdB von 40 anzunehmen wäre, liegen hingegen nicht vor. Auch die mitgeteilten Bewegungseinschränkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule sind allenfalls als mittelgradige Einschränkungen zu qualifizieren. Neurologische Defizite oder Wurzelreizerscheinungen ließen sich nicht objektivieren. Auch motorische Ausfälle ließen sich nicht feststellen.
Soweit Dr. H. dennoch einen GdB von 40 für die Beeinträchtigungen im Bereich der Wirbelsäule annimmt, entspricht dies nicht den Vorgaben der VG. Auch Dr. H. teilt insoweit mit, dass lediglich eine Behinderung der Brustwirbelsäule zu bewerten sei. Andere über das Alter hinausgehende oder abweichende Veränderungen auf orthopädischem Fachgebiet zeigten sich nicht.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der zeugenschaftlichen Auskunft des Orthopäden Dr. L. vom 16.05.2013. Soweit dieser hierin ebenfalls einen GdB von 40 annimmt, teilt er schon keine Befunde mit, die eine entsprechende Einschätzung rechtfertigen könnten. Gleiches gilt für das ärztliche Attest des Dr. L. vom 07.07.2015.
Die Einschätzung wird auch durch die Angaben im Entlassbericht der M. Klinik am Südpark vom 27.07.2015 gestützt. Dort werden zwar anamnestisch Schmerzen in Brust und Lendenwirbelsäule beschrieben, ansonsten zeigten sich bei der Untersuchung des Klägers aber ein altersbezogener unauffälliger Untersuchungsbefund des Bewegungsapparates. Es fanden sich keine Paresen, das Lasègue-Zeichen war beidseits negativ. Es zeigte sich eine normale und seitengleiche Kraftentfaltung sowie ein normaler Muskeltonus. Koordination und Sensibilität waren ohne Auffälligkeiten.
Auch bei der Untersuchung am 14.09.2015 durch Facharzt für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie Dr. S. zeigte sich eine uneingeschränkte Kopfbeweglichkeit ohne Anhalt für Paresen. Sichere Nervendehnungszeichen lagen nicht vor. Im Langsitz war die Wirbelsäulenbeweglichkeit auffallend besser.
Darüber hinaus hat auch Hausarzt U. die Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule mit einem GdB von 30 bewertet (Auskunft vom 16.06.2013), freilich ohne dies näher zu begründen.
Ein höherer Einzel-GdB als 30 war im Funktionssystem des Rumpfes nach alledem nicht festzustellen.
Im Funktionssystem der Verdauung konnte der Senat unter Berücksichtigung eines Speiseröhrengleitbruchs sowie einer chronischen Magenschleimhautentzündung einen Einzel-GdB von 10 feststellen.
Bei dem Kläger besteht zunächst eine chronische Magenschleimhautentzündung. Dies entnimmt der Senat der Auskunft des Hausarztes U. vom 16.06.2013. Nach Teil B Nr. 10.2 VG ist bei organischen und funktionellen Krankheiten des Magen-Darmkanals der GdB nach dem Grad der Beeinträchtigung des Allgemeinzustandes, der Schwere der Organstörung und nach der Notwendigkeit besonderer Diätkost zu beurteilen. Nach Teil B Nr. 10.2.1 VG bedingt eine chronische Gastritis (histologisch gesicherte Veränderung der Magenschleimhaut) einen GdB von 0 bis 10. Bei der Untersuchung durch Dr. S. zeigte sich bei dem Kläger ein guter körperlicher Allgemeinzustand. Bei einer Körpergröße von ca. 175 cm betrug das Körpergewicht 80 bis 85 kg. Dies entspricht auch den Angaben im Entlassbericht der M. Klinik am Südpark vom 27.07.2015, wonach bei dem Kläger bei einer Körpergröße von 168 cm und einem Gewicht von 88 kg ein BMI von 32 kg/m² und damit eine Adipositas Grad I bestand. Es wurde von einer Gewichtszunahme von 5 kg in den letzten sechs Monaten berichtet. Nachdem damit keine Beeinträchtigung des Ernährungszustandes festzustellen ist, kann ein Teil-GdB nicht angenommen werden.
Der Kläger leidet zudem an einem Speiseröhrengleitbruch. Dies entnimmt der Senat der Auskunft des Hausarztes U. vom 16.06.2013. Nach Teil B Nr. 11.3 VG bedingt eine Speisenröhrengleithernie einen GdB von 0 bis 10. Ein höherer Teil-GdB als 10 ist insoweit nicht festzustellen.
Im Funktionssystem der Arme konnte der Senat keine GdB-relevante Funktionsbeeinträchtigung feststellen. Dies gilt insbesondere auch für den Bereich der Schulter, für den der Beklagte einen Teil-GdB von 10 angenommen und der Kläger einen solchen von 20 gefordert hat. Nach Teil B Nr. 18.13 VG sind Bewegungseinschränkung des Schultergelenks (einschließlich des Schultergürtels) mit einem GdB von 10 zu bewerten, wenn die Armhebung nur bis zu 120° mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit gelingt. Ist eine Armhebung nur bis zu 90° mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit möglich, ist ein GdB von 20 anzunehmen. Zwar besteht bei dem Kläger ein Impingement-Syndrom, wesentliche Bewegungseinschränkungen sind hiermit jedoch nicht verbunden. Bei der Untersuchung durch Dr. H. gelang das Vorheben/Rückführen des Armes beidseits mit 170-0-40°, Seitwärts hochheben und Rückführen des Armes beidseits mit 180-0-40° und die Innen-/Außenrotation bei 90° Abduktion beidseits mit 90-0-90°. Funktionsgriffe wie der Nacken- und Schürzengriff gelangen einwandfrei. Auch bei der Untersuchung in der Median Klinik am Südpark (Entlassbericht vom 27.07.2015) zeigte sich ein unauffälliger Untersuchungsbefund des Bewegungsapparates. Eine GdB-relevante Einschränkung liegt damit nicht vor.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den sachverständigen Zeugenauskünften des Dr. L. vom 16.05.2013 sowie des Hausarztes U. vom 16.06.2013, die zwar einen GdB von 10 annehmen, jedoch schon keine Befunde mitteilen, die diese Annahme rechtfertigen könnten.
Weitere – bisher nicht berücksichtigte – GdB-relevante Funktionsbehinderungen, die einen Einzel- bzw. Teil-GdB von wenigstens 10 bedingen, wurden weder geltend gemacht noch konnte der Senat solche feststellen. Dies gilt insbesondere auch für Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich der unteren Extremitäten
Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen nicht für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben mit den sachverständigen Zeugenauskünften und den Gutachten dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Denn der medizinisch festgestellte Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung des GdB unter Einschluss der Bewertung der sich zwischen den einzelnen Erkrankungen und Funktionsbehinderungen ergebenden Überschneidungen und Wechselwirkungen.
Damit ist bei dem Kläger ein höherer GdB als 40 nicht festzustellen. Die Bemessung des Gesamt-GdB erfolgt nach § 69 Abs. 3 SGB IX. Danach ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. Insoweit scheiden dahingehende Rechtsgrundsätze, dass ein Einzel-GdB nie mehr als die Hälfte seines Wertes den Gesamt-GdB erhöhen kann, aus. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. A Nr. 3 VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der VersMedV einschließlich der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3 3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Es ist also eine Prüfung vorzunehmen, wie die einzelnen Behinderungen sich zueinander verhalten und ob die Behinderungen in ihrer Gesamtheit ein Ausmaß erreichen, das die Schwerbehinderung bedingt. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft – gleiches gilt für alle Feststellungsstufen des GdB – nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 50 – oder anderer Werte - fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 – B 9 SB 2/13 R – SozR 4-3250 § 69 Nr. 18 = juris). Damit entscheidet nicht allein die Anzahl einzelner Einzel-GdB oder deren Höhe die Höhe des festzustellenden Gesamt-GdB. Vielmehr ist der Gesamt-GdB durch einen wertenden Vergleich dadurch zu bilden, dass die in dem zu beurteilenden Einzelfall bestehenden Funktionsbehinderungen mit den vom Verordnungsgeber in den VG für die Erreichung einer bestimmten Feststellungsstufe des GdB bestimmten Funktionsbehinderungen in Beziehung zu setzen sind – z.B. ist bei Feststellung der Schwerbehinderung der Vergleich mit den für einen GdB von 50 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen, bei Feststellung eines GdB von 60 ist der Vergleich mit den für einen GdB von 60 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen usw. vorzunehmen.
Zur Überzeugung des Senats ist der Gesamt-GdB unter integrierender Bewertung der Funktionsbehinderungen und unter Beachtung ihrer gegenseitigen Auswirkungen der Gesamt-GdB zu bilden aus Einzel-GdB-Werten von
• 30 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Rumpfes (Wirbelsäule) • 20 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche und • 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen des Funktionssystems der Verdauung,
wobei sich Einzel-GdB-Werte von 10 regelmäßig nicht erhöhend auswirken.
Die Feststellung eines höheren GdB als 40 kommt derzeit nach Auffassung des Senats nicht in Betracht.
Vorliegend spricht gegen die Annahme einer Schwerbehinderung ein wertungsmäßiger Vergleich mit anderen Erkrankungsgruppen, für die ein Einzel-GdB von 50 festgestellt werden kann. Die Schwerbehinderteneigenschaft kann nur angenommen werden, wenn die zu berücksichtigende Gesamtauswirkung der verschiedenen Funktionsstörungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft so schwer wie etwa die vollständige Versteifung großer Abschnitte der Wirbelsäule (bei dem Kläger bestehen schwere Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt), schwere Störungen (z.B. schwere Zwangskrankheiten) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten (bei dem Kläger sind leichtere psychovegetative oder psychische Störungen belegt) oder die Totalentfernung des Magens bei Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustands (bei dem Kläger besteht eine chronische Gastritis) beeinträchtigen. Auch in ihrer Zusammenschau liegen beim Kläger derartig schwere Funktionsstörungen nicht vor, weshalb ein GdB von 50 vorliegend nicht gerechtfertigt ist.
Die Berufung war daher nach alledem zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG. Die Kosten des gemäß § 109 SGG im Berufungsverfahren eingeholten Gutachtens des Dr. H. vom 20.07.2016 sowie die baren Auslagen des Klägers, über die als Gerichtskosten der Senat in Ausübung des ihm nach § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG zustehenden Ermessens von Amts wegen auch im Urteil entscheiden kann (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg L 1 U 3854/06 KO-B, juris; Urteil des Senats vom 23.11.2012 – L 8 U 3868/11, unveröffentlicht), werden nicht auf die Staatskasse übernommen. Der Kläger hat diese daher endG.tig selbst zu tragen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats können die Kosten eines nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens dann auf die Staatskasse übernommen werden, wenn dieses Gutachten für die gerichtliche Entscheidung von wesentlicher Bedeutung war und zu seiner Erledigung beigetragen bzw. zusätzliche, für die Sachaufklärung bedeutsame Gesichtspunkte erbracht hat. Es muss sich, gemessen an dem Prozessziel des Klägers, um einen wesentlichen Beitrag gehandelt haben und dementsprechend die Entscheidung des Rechtsstreits (oder die sonstige Erledigung) maßgeblich gefördert haben. Durch die Anbindung an das Prozessziel wird verdeutlicht, dass es nicht genügt, wenn eine für die Entscheidung unmaßgebliche Abklärung eines medizinischen Sach-verhalts durch das Gutachten nach § 109 SGG vorangetrieben worden ist. Vielmehr muss sich die Förderung der Sachaufklärung auf den Streitgegenstand beziehen (Kühl in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Auflage, § 109 RdNr. 11).
Hiervon ausgehend ist es nicht gerechtfertigt, die Kosten des Gutachtens von Dr. H. auf die Staatskasse zu übernehmen. Das Gutachten hat den Rechtsstreit nicht objektiv gefördert und nicht zu seiner Erledigung beigetragen.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Der Kläger trägt die Kosten des auf seinen Antrag gemäß § 109 SGG eingeholten Gutachtens von Dr. H. vom 20.07.2016 sowie seine baren Auslagen endültig selbst.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, mit welchem Grad der Behinderung (GdB) die bei dem Kläger vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen zu bewerten sind.
Der 1974 geborene Kläger stellte beim Landratsamt K.- Amt für Versorgung und Rehabilitation (LRA) am 13.10.2011 einen Erstantrag nach § 69 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX).
Das LRA holte daraufhin einen Befundschein des Facharztes für Allgemeinmedizin U.(Bl. 24 der Verwaltungsakte) ein und ließ diesen versorgungsmedizinisch auswerten. Entsprechend der versorgungsmedizinischen Stellungnahme der Dr. S. vom 20.03.2012 stellte das LRA mit Bescheid vom 21.03.2012 (Bl. 33 der Verwaltungsakte) bei dem Kläger einen GdB von 20 seit dem 13.10.2011 fest. Folgende Funktionsbeeinträchtigungen lägen vor: ein Kopfschmerzsyndrom, Migräne (GdB 20), eine chronische Magenschleimhautentzündung, ein Speiseröhrengleitbruch (GdB 10), ein verheilter Wirbelbruch, eine Wirbelsäulenverformung (GdB 10) und eine Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks (GdB 10). Die Auswirkungen dieser Funktionsbeeinträchtigungen seien mit einem Gesamt-GdB von 20 angemessen bewertet. Die darüber hinaus geltend gemachten Gesundheitsstörungen – eine operierte Sinusitis sowie ein Zustand nach Rippenprellung – bedingten keinen Einzel-GdB von wenigstens 10 und stellten daher keine Behinderung im Sinne des SGB IX dar.
Mit Schreiben vom 13.04.2012 erhob der Kläger hiergegen Widerspruch (Bl. 35 der Verwaltungsakte) und führte zur Begründung an, sein Rücken sei nicht mehr so stabil, er könne auch nichts Schweres heben. Ebenso sei die Migräne ein Problem.
Das LRA forderte daraufhin einen Befundschein des Facharztes für Orthopädie Dr. L. an (Bl. 45 der Verwaltungsakte) und ließ diesen versorgungsmedizinisch auswerten. Entsprechend der versorgungsmedizinischen Stellungnahme des Dr. B. vom 18.01.2013 half das LRA dem Widerspruch des Klägers mit Teil-Abhilfebescheid vom 04.02.2013 (Bl. 49 der Verwaltungsakte) teilweise ab und stellte einen GdB von 30 seit dem 13.10.2011 fest. Folgende Funktionsbeeinträchtigungen lägen vor: ein Kopfschmerzsyndrom, eine Migräne (GdB 20), eine chronische Magenschleimhautentzündung, ein Speiseröhrengleitbruch (GdB 10), ein verheilter Wirbelbruch, eine Wirbelsäulenverformung, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (GdB 20) und eine Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks (GdB 10).
Soweit der Kläger darüber hinaus an seinem Widerspruch festhielt, wies das Regierungspräsidium Stuttgart diesen mit Widerspruchsbescheid vom 28.02.2013 (Bl. 55 der Verwaltungsakte) zurück. Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen könnten keinen höheren GdB als 30 begründen.
Am 11.03.2013 erhob der Kläger hiergegen Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) und führte zur Begründung an, die einzelnen bei ihm vorliegenden Behinderungen seien nicht ausreichend gewürdigt worden. Der Beklagte habe keine fachübergreifende Begutachtung durch einen neutralen Sachverständigen vorgenommen. Die bei ihm vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen seien wie folgt zu bewerten:
Kopfschmerzsyndrom, Migräne GdB 40 chronische Magenschleimhautentzündung, Speiseröhrengleitbruch, GdB 20 verheilter Wirbelbruch, Wirbelsäulenverformung, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule GdB 30 Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks. GdB 20
Das Gesamtbehinderungsbild führe zu einem GdB von mindestens 50.
Das SG hat zur medizinischen Aufklärung des Sachverhalts Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen. Der Orthopäde Dr. L. gab an (Auskunft vom 16.05.2013 - Bl. 27 f. der SG-Akte), bei dem Kläger bestünde ein BWS-Syndrom mit Myelopathie in Höhe BWK 11 bei Zustand nach Mehrfachkompressionsfrakturen thorakal sowie ein lumbales Wurzelreizsyndrom bei Segmentinstabilität L4/5. Den GdB bewerte er auf seinem Fachgebiet mit 40. Facharzt für Allgemeinmedizin U. teilte mit (Auskunft vom 16.06.2013 - Bl. 29 ff. der SG-Akte), bei dem Kläger bestünden folgende Diagnosen: Refluxösophagitis Grad B bei Hiatushernie, rez. Gastritis, Helicobacter-Pylori negativ, letzte Erradikation 2006 und 2009, Cluster-Kopfschmerz, rezidivierende Migräneanfälle, Skoliose und Kyphose der BWS und LWS, Zustand nach BWK-7-Fraktur 1999 und nach Unfall 2010 erneute BWK-Fraktur (BG-Unfall), chronische Sinusitis mit rezidivierenden Infekten, Impingementsyndrom der linken Schulter sowie Epicondylitis radialis links. Er schätze den Gesamt-GdB auf 50.
Nachdem der Kläger mitgeteilt hatte, er habe am 13.06.2013 einen Arbeitsunfall erlitten, befragte das SG erneut den Orthopäden Dr. L ... Dieser gab mit Schreiben vom 23.09.2013 (Bl. 42 f. der SG-Akte) an, von einem Unfall am 13.06.2013 sei ihm nichts bekannt. Der Kläger sei am 08.07.2013 wegen einer Dorsolumbalgie vorstellig geworden.
Das SG erhob sodann weiter Beweis durch schriftliche Befragung des Chirurgen Dr. B. als sachverständigen Zeugen. Dieser teilte mit (Auskunft vom 16.12.2013 - Bl. 52 f. der SG-Akte), bei dem Kläger bestünden folgende Diagnosen: Schulterprellung rechts, Prellung rechter Unterschenkel, Prellung LWS infolge des Unfalls im Juni 2013. Es handele sich dabei um leichte bis mittelmäßige Beschwerden.
Auf Antrag des Klägers gem. § 109 SGG holte das SG das orthopädische Gutachten des Arztes für Orthopädie Dr. H. vom 12.02.2014 ein, der den Kläger am 05.02.2014 persönlich untersuchte (Bl. 57 ff. der SG-Akte). Der Kläger leide unter einer fixierten Rundrückenfehlform bei keilförmiger Ausheilung einer Fraktur des 7. und 11. BWK, einer chronischen Periarthritis humerus scapularis recht sowie einer initialen Retropatellararthrose beider Kniegelenke. Er schätze den GdB hinsichtlich der Brustwirbelsäule auf 40. Insgesamt bestehe ein GdB von 50.
Mit Schreiben vom 18.09.2014 reichte der Kläger den Befundbericht des Facharztes für Psychiatrie Dr. H. vom 15.09.2014 (Bl. 87 der SG-Akte) zu den Akten. Bei dem Kläger bestünden im Rahmen einer seelischen Erkrankung depressiv-dysphorische Verstimmungen, eine Antriebsschwäche, Erschöpfung, eine erhöhte Reizbarkeit, Schlafstörungen und eine verminderte Belastbarkeit.
Mit Urteil vom 01.10.2014 verpflichtete das SG den Beklagten einen GdB von 40 seit dem 13.10.2011 festzustellen. Im Übrigen wies es die Klage ab.
Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 10.10.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24.10.2014 Berufung bei dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Zur Begründung führt er aus, das SG habe nicht alle Erkenntnisquellen ausgeschöpft. Ein Facharztbericht des Dr. G. sei nicht eingeholt worden. Ein solcher hätte ergeben, dass das chronische Kopfschmerzsyndrom und seine psychischen Beschwerden höher zu bewerten seien. Dies führe zu einem Gesamt-GdB von mindestens 50.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 01.10.2014 abzuändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 21.03.2012 in der Gestalt des Teil-Abhilfebescheides vom 04.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 28.02.2013 zu verurteilen, bei ihm einen GdB von mindestens 50 seit dem 13.10.2011 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte ist der Berufung entgegengetreten.
Der Senat hat zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhalts Beweis erhoben durch schriftliche Vernehmung des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. H ... Dieser hat angegeben (Auskunft vom 26.02.2015 - Bl. 18 f. der Senatsakte), der Kläger befinde sich seit September 2013 in regelmäßiger Behandlung. Bei dem Kläger bestünden folgende Diagnosen: Angst und depressive Störung gemischt, posttraumatische Belastungsstörung, emotional instabile Persönlichkeitsstörung, Cluster Kopfschmerzen, Migräne ohne Aura, schwere depressive Episode.
Zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhalts hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung des neurologisch-psychiatrischen Gutachtens des Facharztes für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S. vom 23.09.2015 (Bl. 30 ff. der Senatsakte), der den Kläger am 14.09.2015 persönlich untersucht hat. Auf psychiatrischem Fachgebiet bestünden die Verdachtsdiagnosen eines depressiv-agitierten Syndroms und einer emotional-instabilen Persönlichkeit. Aufgrund des Aggravationsverhaltens könne die tatsächliche Art und die Ausprägung psychopathologischer Symptome mit einer annähernd diagnostischen Sicherheit nicht bestimmt werden. Es sei daher auch nicht möglich, einen GdB annähernd genau zu beziffern.
Im Rahmen der Untersuchung hat der Kläger weitere Befundberichte vorgelegt (Bl. 64 ff. der Senatsakte). Insbesondere hat er den Entlassbericht der M. Klinik am Südpark vom 27.07.2015 (Bl. 68 ff. der Senatsakte) zu den Akten gereicht, wo sich der Kläger in der Zeit vom 25.06.2015 bis 23.07.2015 in stationärer Behandlung befand.
Zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhalts hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung eines psychiatrischen Gutachtens nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. H. vom 20.07.2016 (Bl. 88 ff. der Senatsakte), der den Kläger am 15.04.2016 persönlich untersucht hat. Bei dem Kläger bestünden folgende Gesundheitsstörungen: Angst und depressive Störung gemischt, posttraumatische Belastungsstörung, emotional instabile Persönlichkeitsstörung, Dysthymia. Er schätze den GdB für die psychische Störung auf 40. Der Gesamt-GdB liege bei 50 bis 60.
Der Senat hat die versorgungsmedizinische Stellungnahme des Dr. R. vom 20.10.2016 (Bl. 107 ff. der Senatsakte) Dr. H. zur ergänzenden Stellungnahme übersandt. Dieser hat mit Schreiben vom 02.12.2016 mitgeteilt (Bl. 113 f. der Senatsakte), es erscheine ihm sehr fragwürdig und geradezu unmenschlich, die posttraumatische Belastungsstörung des Klägers im Hinblick auf seine Lebens- und Leidensgeschichte in Frage zu stellen. Er habe die aus der posttraumatischen Belastungsstörung resultierenden Funktionsstörungen und ihre Auswirkungen auf die Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit sehr deutlich dargestellt. Zusammenfassend schätze er den GdB für die psychische Störung weiterhin mit 40 ein.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Schreiben des Beklagten vom 02.03.2017, Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 09.03.2017).
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die angefallenen Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf einen Band Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1 SGG), ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, jedoch nicht begründet.
Das SG hat den Beklagten zutreffend verurteilt, bei dem Kläger einen GdB von 40 seit dem 13.10.2011 festzustellen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von 50.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die der Zuerkennung eines GdB zugrundeliegende Behinderung wird gemäß § 69 Abs. 1 SGB IX im Hinblick auf deren Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Dabei stellt die Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2009 (BGBl. I, 2412), den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG) – wie auch die zuvor geltenden Anhaltspunkte (AHP) - auf funktionelle Beeinträchtigungen ab, die im Allgemeinen zunächst nach Funktionssystemen zusammenfassend (dazu vgl. Teil A Nr. 2 Buchst. e) VG) und die hieraus gebildeten Einzel-GdB (vgl. A Nr. 3a) VG) nach § 69 Abs. 3 SGB IX anschließend in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen sind. Die Feststellung der jeweiligen Einzel-GdB folgt dabei nicht einzelnen Erkrankungen sondern den funktionellen Auswirkungen aller derjenigen Erkrankungen, die ein einzelnes Funktionssystem betreffen.
Der Senat ist nach eigener Prüfung zu der Überzeugung gelangt, dass die beim Kläger vorliegenden Funktionsbehinderungen in ihrer Gesamtschau einen höheren Gesamt-GdB als 40 nicht rechtfertigen.
Im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche konnte der Senat einen höheren Einzel-GdB als 20 nicht feststellen.
Nach Teil B Nr. 3.7 VG ist bei Neurosen, Persönlichkeitsstörungen oder Folgen psychischer Traumen mit leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen der GdB mit 0 bis 20, bei stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) der GdB mit 30 bis 40 und bei schweren Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB mit 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB mit 80 bis 100 zu bewerten.
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist bei dem Kläger eine mehr als leichte psychische Störung nicht nachgewiesen. Bei der Untersuchung durch Facharzt für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S. am 14.09.2015 (Gutachten vom 23.09.2015) wirkte der Kläger in der Grundstimmung dysphorisch gereizt und innerlich sehr angespannt. Die affektive Resonanzfähigkeit war eingeschränkt und zum negativen Pol verschoben. Das formale Denken war nicht verlangsamt, es war folgerichtig. In der Gestik und Mimik wirkte er durchgehend lebhaft. Vom Gesamteindruck her war der Kläger agitiert. Im interaktionellen Verhalten wirkte der Kläger nahezu durchgehend appelativ. Die Sprache war regelrecht moduliert, fest. Es lagen keine Störungen des Bewusstseins, der Orientierung, der Auffassung und der Konzentration vor. Zwar führte der Kläger mehrfach Gedächtnisstörungen an, dies stand jedoch im Gegensatz zu einigen recht detaillierten Angaben. Für eine hirnorganisch bedingte Gedächtnisstörung ergab sich kein Anhalt. Im neurologischen Untersuchungsbefund zeigte sich intermittierend eine Aggravation bzw. Simulation gerade bei der Prüfung der motorischen Fähigkeiten und der Koordination.
Eine stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit ist aufgrund dieser Befunde nicht nachgewiesen. Denn die anspruchsbegründenden Tatsachen sind, dies gilt nach allgemeinen Grundsätzen des sozialgerichtlichen Verfahrens auch im Schwerbehindertenrecht grundsätzlich im Vollbeweis, d.h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachzuweisen (vgl. BSG 15.12.1999 - B 9 VS 2/98 R, juris; Bayerisches LSG 05.02.2013 - L 15 SB 23/10, juris). Für diesen Beweisgrad ist es zwar nicht notwendig, dass die erforderlichen Tatsachen mit absoluter Gewissheit feststehen. Ausreichend, aber auch erforderlich ist indessen ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch mehr am Vorliegen der Tatsachen zweifelt (vgl. BSG 28.06.2000 - B 9 VG 3/99 R, juris), d.h. dass die Wahrscheinlichkeit an Sicherheit grenzt (BSG 05.05.1993 - 9/9a RV 1/92, juris). Lässt sich der Vollbeweis nicht führen, geht die Nichterweislichkeit einer Tatsache zu Lasten dessen, der sich zur Begründung seines Anspruchs oder rechtlichen Handelns auf ihr Vorliegen stützen.
Der Senat konnte sich unter Berücksichtigung der vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht davon überzeugen, dass bei dem Kläger eine psychische Beeinträchtigung in der Form einer stärker behindernden Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit in allen Lebensbereichen vorliegt. Dabei ist zunächst unerheblich, ob die bei dem Kläger vorliegenden Beeinträchtigungen als posttraumatische Belastungsstörung (so Dr. H.) zu bewerten sind oder nicht (zweifelnd Dr. S.). Maßgeblich für die Bewertung des GdB ist nicht die Diagnose, sondern die Auswirkung der Gesundheitsstörung am Leben in der Gesellschaft (BSG 30.09.2009 - B 9 SB 4/08 R, juris). Im Rahmen des stationären Aufenthalts in der Median Klinik am Südpark gab der Kläger an, er unternehme sportliche Aktivitäten, wobei er ca. 30 Minuten am Tag Laufe. Er beschrieb einen Halt durch seine Ehefrau und Kinder. Eine wesentliche Beeinträchtigung der familiären Situation kann damit nicht festgestellt werden. Während des stationären Aufenthalts profitierte der Kläger deutlich von seiner Selbstöffnung und von der Problemklärung im einzeltherapeutischen Rahmen. Er nahm regelmäßig an der problemlösungsorientierten Gruppentherapie teil und brachte sich aktiv ein. Der Kläger gab insoweit selbst an, er ziehe sich nicht mehr stark zurück und sei im Kontakt offener geworden. Es kam zu einer Verbesserung der psychischen Belastbarkeit und der sozialen Kontaktfähigkeit. In der Untersuchung durch Dr. H. gab der Kläger an, er besuche manchmal die Moschee und versuche mit anderen Leuten in Kontakt zu kommen, auch wenn er diese Kontakte nicht lange aushalten könne. Der Kläger ist in der Lage, sein Sozialleben zu gestalten und daran auch emotional und geistig teilzuhaben. Ein stärkerer sozialer Rückzug ist nicht erkennbar.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. H. vom 20.07.2016 bzw. der ergänzenden Stellungnahme vom 02.12.2016. Soweit Dr. H. den GdB auf psychiatrischem Fachgebiet mit 40 bewertet, lässt sich dem Gutachten mangels detaillierter Darstellung der Alltagsbewältigung und des psychosozialen Umfelds nicht entnehmen, dass eine entsprechende Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit bei dem Kläger vorliegt. Hierauf wird in den versorgungsärztlichen Stellungnahmen des Dr. R. vom 20.10.2016 und 20.01.2017 überzeugend hingewiesen.
Ein höherer Teil-GdB als 20 war daher für die depressive Störung nicht anzunehmen.
Im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche leidet der Kläger weiterhin unter einer Migräne, für die ein Teil-GdB jedoch nicht anzunehmen ist. Nach Teil B Nr. 2.3 VG ist eine echte Migräne je nach Häufigkeit und Dauer der Anfälle und Ausprägung der Begleiterscheinungen zu bewerten. Eine leichte Verlaufsform (Anfälle durchschnittlich einmal monatlich) bedingt einen GdB von 0 bis 10, eine mittelgradige Verlaufsform (häufigere Anfälle, jeweils einen oder mehrere Tage anhaltend) rechtfertigt die Feststellung eines GdB von 20 bis 40. 2007 waren die neurologische Untersuchung sowie die Kernspintomographie des Schädels und das Elektroencephalogramm unauffällig (Bl. 12 der Verwaltungsakte). Während einer stationären Behandlung in der Klinik für Neurologie des Klinikums K.-L. konnte keine Kopfschmerzepisode während des Aufenthaltes vom 13.02. bis zum 15.02.2006 beobachtet werden. Im Zeitraum von April 2011 bis Juni 2013 sind lediglich vier Behandlungen nachgewiesen (Auskunft des Hausarztes U. vom 16.06.2013). Aktuelle neurologische Fachberichte fehlen. Eine entsprechende Symptomatik wurde auch nicht im Entlassbericht der M. Klinik am Südpark beschrieben, in der sich der Kläger in der Zeit vom 25.06.2015 bis 23.07.2015 in stationärer Behandlung befand. Soweit der Kläger gegenüber Dr. S. angab, die Schmerzen würden zwei Mal pro Woche auftreten und für eine halbe bis zwei Stunden anhalten, ist dieser Schweregrad wegen des Fehlens entsprechender neurologischer Arztberichte nicht nachgewiesen. Auch Dr. S. konnte weder die Diagnose an sich noch das Ausmaß des Leidens bestätigen. Vorliegend steht nach alledem schon das Vorliegen einer Migräne an sich in Frage, jedenfalls ist eine Anfallshäufigkeit von durchschnittlich einmal im Monat nicht nachgewiesen. Die Nichterweislichkeit von Tatsachen, vorliegend das Ausmaß bzw. der Schweregrad des Kopfschmerzleidens, woraus der Kläger Rechte herleiten will, geht jedoch nach den Grundsätzen über die objektive Feststellungslast zu seinen Lasten (BSG 08.10.1964 - 1 RA 63/62, juris). Ein Teil-GdB für die Migräne konnte der Senat daher nicht feststellen.
Insgesamt konnte daher im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche ein Einzel-GdB von 20 angenommen werden.
Im Funktionssystem des Rumpfes, zu dem der Senat die Wirbelsäule einschließlich der Halswirbelsäule zählt, war ein Einzel-GdB von 30 anzunehmen.
Bei dem Kläger besteht eine fixierte Rundrückenfehlform bei keilförmiger Ausheilung einer Fraktur des 7. und 11. Brustwirbelkörper. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten des Dr. H. vom 12.02.2014 sowie dem Entlassbericht der M. Klinik am Südpark vom 27.07.2015. Nach Teil B Nr. 18.9 VG ist bei Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 10, mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ein Teil-GdB von 30 und mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten ein Teil-GdB von 30 bis 40 gerechtfertigt. Maßgebend ist dabei, dass die Bewertungsstufe GdB 30 bis 40 erst erreicht wird, wenn mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorliegen. Die Obergrenze des GdB 40 ist danach erreicht bei schweren Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten (Urteil des erkennenden Senats vom 24.01.2014 - L 8 SB 2497/11, juris).
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule des Klägers mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten. Bei der Untersuchung durch Dr. H. am 05.02.2014 zeigte sich die Wirbelsäule in der Aufsicht gerade, die Taillendreiecke waren symmetrisch. In der seitlichen Ansicht zeigte sich eine Gibbus ähnlich gestaltete Kyphose der Brustwirbelsäule, so dass bei angelegtem Rücken ein Kopf-Wand-Abstand von 15 cm bestand. Eine Reklination war aus dieser Fehlhaltung hinaus nicht möglich. Die Restbeweglichkeit der Wirbelsäule erfolgte aus der Lendenwirbelsäule. Die Drehung der Wirbelsäule nach rechts/links gelang dabei mit 20-0-20°, die Seitneigung nach rechts/links ebenfalls mit 20-0-20°. Das Schober’sche Zeichen betrug 0 cm, das Ott’sche Zeichen der Lendenwirbelsäule betrug 10/13,5 cm. Der Kinn-Brust-Abstand betrug 0 cm. Die Reklination der Halswirbelsäule war bis 10° durchführbar. Die Drehung des Kopfes nach rechts/links gelang mit 60-0-60°, die Seitneigung nach rechts/links mit 60-0-60°. Der Senat konnte damit im Bereich der Brustwirbelsäule schwerwiegende Funktionsbeeinträchtigungen feststellen, die einem GdB von 30 entsprechen. Schwerwiegende Funktionsbeeinträchtigungen in einem weiteren Wirbelsäulenabschnitt, mit der Folge, dass ein GdB von 40 anzunehmen wäre, liegen hingegen nicht vor. Auch die mitgeteilten Bewegungseinschränkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule sind allenfalls als mittelgradige Einschränkungen zu qualifizieren. Neurologische Defizite oder Wurzelreizerscheinungen ließen sich nicht objektivieren. Auch motorische Ausfälle ließen sich nicht feststellen.
Soweit Dr. H. dennoch einen GdB von 40 für die Beeinträchtigungen im Bereich der Wirbelsäule annimmt, entspricht dies nicht den Vorgaben der VG. Auch Dr. H. teilt insoweit mit, dass lediglich eine Behinderung der Brustwirbelsäule zu bewerten sei. Andere über das Alter hinausgehende oder abweichende Veränderungen auf orthopädischem Fachgebiet zeigten sich nicht.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der zeugenschaftlichen Auskunft des Orthopäden Dr. L. vom 16.05.2013. Soweit dieser hierin ebenfalls einen GdB von 40 annimmt, teilt er schon keine Befunde mit, die eine entsprechende Einschätzung rechtfertigen könnten. Gleiches gilt für das ärztliche Attest des Dr. L. vom 07.07.2015.
Die Einschätzung wird auch durch die Angaben im Entlassbericht der M. Klinik am Südpark vom 27.07.2015 gestützt. Dort werden zwar anamnestisch Schmerzen in Brust und Lendenwirbelsäule beschrieben, ansonsten zeigten sich bei der Untersuchung des Klägers aber ein altersbezogener unauffälliger Untersuchungsbefund des Bewegungsapparates. Es fanden sich keine Paresen, das Lasègue-Zeichen war beidseits negativ. Es zeigte sich eine normale und seitengleiche Kraftentfaltung sowie ein normaler Muskeltonus. Koordination und Sensibilität waren ohne Auffälligkeiten.
Auch bei der Untersuchung am 14.09.2015 durch Facharzt für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie Dr. S. zeigte sich eine uneingeschränkte Kopfbeweglichkeit ohne Anhalt für Paresen. Sichere Nervendehnungszeichen lagen nicht vor. Im Langsitz war die Wirbelsäulenbeweglichkeit auffallend besser.
Darüber hinaus hat auch Hausarzt U. die Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule mit einem GdB von 30 bewertet (Auskunft vom 16.06.2013), freilich ohne dies näher zu begründen.
Ein höherer Einzel-GdB als 30 war im Funktionssystem des Rumpfes nach alledem nicht festzustellen.
Im Funktionssystem der Verdauung konnte der Senat unter Berücksichtigung eines Speiseröhrengleitbruchs sowie einer chronischen Magenschleimhautentzündung einen Einzel-GdB von 10 feststellen.
Bei dem Kläger besteht zunächst eine chronische Magenschleimhautentzündung. Dies entnimmt der Senat der Auskunft des Hausarztes U. vom 16.06.2013. Nach Teil B Nr. 10.2 VG ist bei organischen und funktionellen Krankheiten des Magen-Darmkanals der GdB nach dem Grad der Beeinträchtigung des Allgemeinzustandes, der Schwere der Organstörung und nach der Notwendigkeit besonderer Diätkost zu beurteilen. Nach Teil B Nr. 10.2.1 VG bedingt eine chronische Gastritis (histologisch gesicherte Veränderung der Magenschleimhaut) einen GdB von 0 bis 10. Bei der Untersuchung durch Dr. S. zeigte sich bei dem Kläger ein guter körperlicher Allgemeinzustand. Bei einer Körpergröße von ca. 175 cm betrug das Körpergewicht 80 bis 85 kg. Dies entspricht auch den Angaben im Entlassbericht der M. Klinik am Südpark vom 27.07.2015, wonach bei dem Kläger bei einer Körpergröße von 168 cm und einem Gewicht von 88 kg ein BMI von 32 kg/m² und damit eine Adipositas Grad I bestand. Es wurde von einer Gewichtszunahme von 5 kg in den letzten sechs Monaten berichtet. Nachdem damit keine Beeinträchtigung des Ernährungszustandes festzustellen ist, kann ein Teil-GdB nicht angenommen werden.
Der Kläger leidet zudem an einem Speiseröhrengleitbruch. Dies entnimmt der Senat der Auskunft des Hausarztes U. vom 16.06.2013. Nach Teil B Nr. 11.3 VG bedingt eine Speisenröhrengleithernie einen GdB von 0 bis 10. Ein höherer Teil-GdB als 10 ist insoweit nicht festzustellen.
Im Funktionssystem der Arme konnte der Senat keine GdB-relevante Funktionsbeeinträchtigung feststellen. Dies gilt insbesondere auch für den Bereich der Schulter, für den der Beklagte einen Teil-GdB von 10 angenommen und der Kläger einen solchen von 20 gefordert hat. Nach Teil B Nr. 18.13 VG sind Bewegungseinschränkung des Schultergelenks (einschließlich des Schultergürtels) mit einem GdB von 10 zu bewerten, wenn die Armhebung nur bis zu 120° mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit gelingt. Ist eine Armhebung nur bis zu 90° mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit möglich, ist ein GdB von 20 anzunehmen. Zwar besteht bei dem Kläger ein Impingement-Syndrom, wesentliche Bewegungseinschränkungen sind hiermit jedoch nicht verbunden. Bei der Untersuchung durch Dr. H. gelang das Vorheben/Rückführen des Armes beidseits mit 170-0-40°, Seitwärts hochheben und Rückführen des Armes beidseits mit 180-0-40° und die Innen-/Außenrotation bei 90° Abduktion beidseits mit 90-0-90°. Funktionsgriffe wie der Nacken- und Schürzengriff gelangen einwandfrei. Auch bei der Untersuchung in der Median Klinik am Südpark (Entlassbericht vom 27.07.2015) zeigte sich ein unauffälliger Untersuchungsbefund des Bewegungsapparates. Eine GdB-relevante Einschränkung liegt damit nicht vor.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den sachverständigen Zeugenauskünften des Dr. L. vom 16.05.2013 sowie des Hausarztes U. vom 16.06.2013, die zwar einen GdB von 10 annehmen, jedoch schon keine Befunde mitteilen, die diese Annahme rechtfertigen könnten.
Weitere – bisher nicht berücksichtigte – GdB-relevante Funktionsbehinderungen, die einen Einzel- bzw. Teil-GdB von wenigstens 10 bedingen, wurden weder geltend gemacht noch konnte der Senat solche feststellen. Dies gilt insbesondere auch für Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich der unteren Extremitäten
Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen nicht für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben mit den sachverständigen Zeugenauskünften und den Gutachten dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Denn der medizinisch festgestellte Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung des GdB unter Einschluss der Bewertung der sich zwischen den einzelnen Erkrankungen und Funktionsbehinderungen ergebenden Überschneidungen und Wechselwirkungen.
Damit ist bei dem Kläger ein höherer GdB als 40 nicht festzustellen. Die Bemessung des Gesamt-GdB erfolgt nach § 69 Abs. 3 SGB IX. Danach ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. Insoweit scheiden dahingehende Rechtsgrundsätze, dass ein Einzel-GdB nie mehr als die Hälfte seines Wertes den Gesamt-GdB erhöhen kann, aus. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. A Nr. 3 VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der VersMedV einschließlich der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3 3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Es ist also eine Prüfung vorzunehmen, wie die einzelnen Behinderungen sich zueinander verhalten und ob die Behinderungen in ihrer Gesamtheit ein Ausmaß erreichen, das die Schwerbehinderung bedingt. Insoweit ist für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft – gleiches gilt für alle Feststellungsstufen des GdB – nach den allgemeinen Beschreibungen in den einleitenden Teilen der VG als Maßstab der Vergleich zu den Teilhabebeeinträchtigungen anderer Behinderungen anzustellen, für die im Tabellenteil ein Wert von 50 – oder anderer Werte - fest vorgegeben ist (BSG 16.12.2014 – B 9 SB 2/13 R – SozR 4-3250 § 69 Nr. 18 = juris). Damit entscheidet nicht allein die Anzahl einzelner Einzel-GdB oder deren Höhe die Höhe des festzustellenden Gesamt-GdB. Vielmehr ist der Gesamt-GdB durch einen wertenden Vergleich dadurch zu bilden, dass die in dem zu beurteilenden Einzelfall bestehenden Funktionsbehinderungen mit den vom Verordnungsgeber in den VG für die Erreichung einer bestimmten Feststellungsstufe des GdB bestimmten Funktionsbehinderungen in Beziehung zu setzen sind – z.B. ist bei Feststellung der Schwerbehinderung der Vergleich mit den für einen GdB von 50 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen, bei Feststellung eines GdB von 60 ist der Vergleich mit den für einen GdB von 60 in den VG vorgesehenen Funktionsbehinderungen usw. vorzunehmen.
Zur Überzeugung des Senats ist der Gesamt-GdB unter integrierender Bewertung der Funktionsbehinderungen und unter Beachtung ihrer gegenseitigen Auswirkungen der Gesamt-GdB zu bilden aus Einzel-GdB-Werten von
• 30 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Rumpfes (Wirbelsäule) • 20 für die Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche und • 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen des Funktionssystems der Verdauung,
wobei sich Einzel-GdB-Werte von 10 regelmäßig nicht erhöhend auswirken.
Die Feststellung eines höheren GdB als 40 kommt derzeit nach Auffassung des Senats nicht in Betracht.
Vorliegend spricht gegen die Annahme einer Schwerbehinderung ein wertungsmäßiger Vergleich mit anderen Erkrankungsgruppen, für die ein Einzel-GdB von 50 festgestellt werden kann. Die Schwerbehinderteneigenschaft kann nur angenommen werden, wenn die zu berücksichtigende Gesamtauswirkung der verschiedenen Funktionsstörungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft so schwer wie etwa die vollständige Versteifung großer Abschnitte der Wirbelsäule (bei dem Kläger bestehen schwere Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt), schwere Störungen (z.B. schwere Zwangskrankheiten) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten (bei dem Kläger sind leichtere psychovegetative oder psychische Störungen belegt) oder die Totalentfernung des Magens bei Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustands (bei dem Kläger besteht eine chronische Gastritis) beeinträchtigen. Auch in ihrer Zusammenschau liegen beim Kläger derartig schwere Funktionsstörungen nicht vor, weshalb ein GdB von 50 vorliegend nicht gerechtfertigt ist.
Die Berufung war daher nach alledem zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG. Die Kosten des gemäß § 109 SGG im Berufungsverfahren eingeholten Gutachtens des Dr. H. vom 20.07.2016 sowie die baren Auslagen des Klägers, über die als Gerichtskosten der Senat in Ausübung des ihm nach § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG zustehenden Ermessens von Amts wegen auch im Urteil entscheiden kann (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg L 1 U 3854/06 KO-B, juris; Urteil des Senats vom 23.11.2012 – L 8 U 3868/11, unveröffentlicht), werden nicht auf die Staatskasse übernommen. Der Kläger hat diese daher endG.tig selbst zu tragen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats können die Kosten eines nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens dann auf die Staatskasse übernommen werden, wenn dieses Gutachten für die gerichtliche Entscheidung von wesentlicher Bedeutung war und zu seiner Erledigung beigetragen bzw. zusätzliche, für die Sachaufklärung bedeutsame Gesichtspunkte erbracht hat. Es muss sich, gemessen an dem Prozessziel des Klägers, um einen wesentlichen Beitrag gehandelt haben und dementsprechend die Entscheidung des Rechtsstreits (oder die sonstige Erledigung) maßgeblich gefördert haben. Durch die Anbindung an das Prozessziel wird verdeutlicht, dass es nicht genügt, wenn eine für die Entscheidung unmaßgebliche Abklärung eines medizinischen Sach-verhalts durch das Gutachten nach § 109 SGG vorangetrieben worden ist. Vielmehr muss sich die Förderung der Sachaufklärung auf den Streitgegenstand beziehen (Kühl in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Auflage, § 109 RdNr. 11).
Hiervon ausgehend ist es nicht gerechtfertigt, die Kosten des Gutachtens von Dr. H. auf die Staatskasse zu übernehmen. Das Gutachten hat den Rechtsstreit nicht objektiv gefördert und nicht zu seiner Erledigung beigetragen.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
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