Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Chemnitz (FSS)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
10
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 10 KR 270/15 ER
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Eine Edelmetallversorgung kann zur Regelversorgung iSd § 56 Abs. 1, Abs. 2 Sätze 2 und 3 SGB V gehören, wenn das Restgebiss bereits mit Edelmetall versorgt ist.
2. Der Anordnungsanspruch dazu ist hinreichend wahrscheinlich, wenn ein Träger der Gesetzlichen Unfallversicherung dem Antragsteller in der Vergangenheit eine Edelmetallversorgung mit dieser Begründung genehmigt hat.
3. Der Leistungsanspruch des § 55 SGB V besteht in der Bezuschussung der Kosten der Regelversorgung, also in einer Geldleistung, nicht in einer Sachleistung.
4. Die Verpflichtung zu einer vorläufigen Geldleistung nimmt die Hauptsache jedenfalls dann nicht vorweg, wenn im Hauptsacheverfahren der Sozialhilfeträger beigeladen ist.
2. Der Anordnungsanspruch dazu ist hinreichend wahrscheinlich, wenn ein Träger der Gesetzlichen Unfallversicherung dem Antragsteller in der Vergangenheit eine Edelmetallversorgung mit dieser Begründung genehmigt hat.
3. Der Leistungsanspruch des § 55 SGB V besteht in der Bezuschussung der Kosten der Regelversorgung, also in einer Geldleistung, nicht in einer Sachleistung.
4. Die Verpflichtung zu einer vorläufigen Geldleistung nimmt die Hauptsache jedenfalls dann nicht vorweg, wenn im Hauptsacheverfahren der Sozialhilfeträger beigeladen ist.
I. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig einen Zuschuss zu gewähren, der die tatsächlichen Kosten der Regelversorgung des Unterkiefers des Antragstellers entsprechend des Heil- und Kostenplans vom 09.11.2016 abdeckt. II. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt. III. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller 50 % seiner notwendig entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Entscheidung betrifft das führende Verfahren S 10 KR 270/15 ER sowie das hinzuverbundene Verfahren S 10 KR 89/17 ER.
Im Verfahren S 10 KR 270/15 ER (sowie dem zugehörigen Hauptsacheverfahren S 10 KR 563/14) ist streitig der Zahnersatz für den Oberkiefer des Antragstellers.
Im Verfahren S 10 KR 89/17 ER (und dem zugehörigen Hauptsacheverfahren S 10 KR 795/16) ist streitig die Versorgung mit Zahnersatz des Unterkiefers des Antragstellers.
Zum Oberkiefer des Antragstellers (ER-Antrag vom 08.05.2015) liegt ein Heil- und Kostenplan, der den aktuellen Sanierungsbedarf im Oberkiefer des Antragstellers beschreibt, nicht vor.
Zum Unterkiefer existiert der Heil- und Kostenplan vom 09.11.2016, der auch eine Edelmetallversorgung beinhaltet. Mit Bescheid vom 18.11.2016 bestätigte die Antragsgegnerin die Bezuschussung dieses Heil- und Kostenplanes. Der Zuschuss beziehe sich auf die Kosten für die Regelversorgung. Wenn der Zuschuss die tatsächliche Rechnungssumme der Regelversorgung nicht abdeckt, wird zugesichert, auch diesen Betrag zu übernehmen.
Im Widerspruchsbescheid vom 08.02.2017 weist die Antragsgegnerin darauf hin, dass sich die zahnprothetische Regelversorgung an den zahnmedizinisch notwendigen zahnärztlichen und zahntechnischen Leistungen, die zu einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen gehören und dem allgemein anerkannten Stand der zahnmedizinischen Erkenntnisse entsprechen, orientiert. Die Brückenversorgung in einer Goldlegierung gehöre nicht zur Regelversorgung.
Am 14.02.2017 beantragte der Antragsteller zur Versorgung des Unterkiefers den Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Mit Schriftsatz vom 22.02.2017 verwies die Antragsgegnerin darauf, dass sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund fehlten. Dem Antragsteller sei ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache zumutbar. Darüber hinaus dürfe durch eine einstweilige Anordnung nicht die Hauptsache vorweggenommen werden.
Ein Anordnungsanspruch bestehe ebenfalls nicht, weil eine Goldlegierung nicht zur Regelversorgung gehöre.
II.
Gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
1. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass für den Oberkiefer des Antragstellers ein aktueller Heil- und Kostenplan nicht existiert. Der diesbezügliche Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung war daher wie tenoriert abzulehnen.
2a. Der Anordnungsanspruch zur Versorgung des Unterkiefers entsprechend des Heil- und Kostenplans vom 09.11.2016 liegt nach Ansicht des Gerichts mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vor.
Der Leistungsanspruch richtet sich in der Hauptsache gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 SGB V auf die Bezuschussung der Kosten für die medizinisch notwendige Versorgung, also die Regelversorgung. Diese hat sich gemäß § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB V an den zahnmedizinisch notwendigen zahnärztlichen und zahntechnischen Leistungen zu orientieren, die zu einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen nach dem allgemein anerkannten Stand der zahnmedizinischen Erkenntnisse gehören.
Zur Frage, ob die Versorgung mit Edelmetall zur Regelversorgung gehört, verweist das Gericht darauf, dass der Antragsteller im Jahr 2011 durch einen unfallbedingten Sturz einen Zahnschaden erlitten hat. Dieser Schaden wurde durch die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft reguliert. Im Rahmen der Zahnbehandlung wurde auch eine Edelmetalllegierung genehmigt, weil das Restgebiss des Antragstellers mit Edelmetall versorgt war.
Schon daraus ergibt sich nach Ansicht des Gerichts mit hinreichender Wahrscheinlichkeit, dass der Antragsteller im Hauptsacheverfahren obsiegen wird. Auch die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft als Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung ist verpflichtet, lediglich die notwendige Versorgung zu leisten.
2b. Zum Anordnungsgrund:
Der Anspruch auf Versorgung des Unterkiefers des Antragstellers richtet sich nach § 55 SGB V. Der dort normierte Leistungsanspruch besteht nach Ansicht des Gerichts jedoch nicht in der Sachleistung, sondern in der Zahlung eines Zuschusses zu den Kosten der Regelversorgung, also einer Geldleistung. Sollte der Antragsteller in der Hauptsache unterliegen, kann der Zuschuss zurückgezahlt werden. Überdies ist im Hauptsacheverfahren der Sozialhilfeträger beigeladen. Eine Vorwegnahme der Hauptsache kann daher nicht eintreten.
Die Antragsgegnerin ist sich auch bewusst, dass sie die Kosten der Regelversorgung im Fall des Antragstellers vollständig zu übernehmen hat, da der Antragsteller Hilfen zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII bezieht.
Der Streit bezieht sich auf die Frage, ob eine Goldversorgung zur Regelversorgung gehört. Dazu sind gegebenenfalls Gutachten einzuholen. Das Gericht hält es für nicht zumutbar, dass der Antragsteller darauf verwiesen wird, den Ausgang eines jahrelangen Grundsatzstreites abzuwarten.
Dem Antrag war daher wie tenoriert teilweise stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Gründe:
I.
Die Entscheidung betrifft das führende Verfahren S 10 KR 270/15 ER sowie das hinzuverbundene Verfahren S 10 KR 89/17 ER.
Im Verfahren S 10 KR 270/15 ER (sowie dem zugehörigen Hauptsacheverfahren S 10 KR 563/14) ist streitig der Zahnersatz für den Oberkiefer des Antragstellers.
Im Verfahren S 10 KR 89/17 ER (und dem zugehörigen Hauptsacheverfahren S 10 KR 795/16) ist streitig die Versorgung mit Zahnersatz des Unterkiefers des Antragstellers.
Zum Oberkiefer des Antragstellers (ER-Antrag vom 08.05.2015) liegt ein Heil- und Kostenplan, der den aktuellen Sanierungsbedarf im Oberkiefer des Antragstellers beschreibt, nicht vor.
Zum Unterkiefer existiert der Heil- und Kostenplan vom 09.11.2016, der auch eine Edelmetallversorgung beinhaltet. Mit Bescheid vom 18.11.2016 bestätigte die Antragsgegnerin die Bezuschussung dieses Heil- und Kostenplanes. Der Zuschuss beziehe sich auf die Kosten für die Regelversorgung. Wenn der Zuschuss die tatsächliche Rechnungssumme der Regelversorgung nicht abdeckt, wird zugesichert, auch diesen Betrag zu übernehmen.
Im Widerspruchsbescheid vom 08.02.2017 weist die Antragsgegnerin darauf hin, dass sich die zahnprothetische Regelversorgung an den zahnmedizinisch notwendigen zahnärztlichen und zahntechnischen Leistungen, die zu einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen gehören und dem allgemein anerkannten Stand der zahnmedizinischen Erkenntnisse entsprechen, orientiert. Die Brückenversorgung in einer Goldlegierung gehöre nicht zur Regelversorgung.
Am 14.02.2017 beantragte der Antragsteller zur Versorgung des Unterkiefers den Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Mit Schriftsatz vom 22.02.2017 verwies die Antragsgegnerin darauf, dass sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund fehlten. Dem Antragsteller sei ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache zumutbar. Darüber hinaus dürfe durch eine einstweilige Anordnung nicht die Hauptsache vorweggenommen werden.
Ein Anordnungsanspruch bestehe ebenfalls nicht, weil eine Goldlegierung nicht zur Regelversorgung gehöre.
II.
Gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
1. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass für den Oberkiefer des Antragstellers ein aktueller Heil- und Kostenplan nicht existiert. Der diesbezügliche Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung war daher wie tenoriert abzulehnen.
2a. Der Anordnungsanspruch zur Versorgung des Unterkiefers entsprechend des Heil- und Kostenplans vom 09.11.2016 liegt nach Ansicht des Gerichts mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vor.
Der Leistungsanspruch richtet sich in der Hauptsache gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 SGB V auf die Bezuschussung der Kosten für die medizinisch notwendige Versorgung, also die Regelversorgung. Diese hat sich gemäß § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB V an den zahnmedizinisch notwendigen zahnärztlichen und zahntechnischen Leistungen zu orientieren, die zu einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen nach dem allgemein anerkannten Stand der zahnmedizinischen Erkenntnisse gehören.
Zur Frage, ob die Versorgung mit Edelmetall zur Regelversorgung gehört, verweist das Gericht darauf, dass der Antragsteller im Jahr 2011 durch einen unfallbedingten Sturz einen Zahnschaden erlitten hat. Dieser Schaden wurde durch die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft reguliert. Im Rahmen der Zahnbehandlung wurde auch eine Edelmetalllegierung genehmigt, weil das Restgebiss des Antragstellers mit Edelmetall versorgt war.
Schon daraus ergibt sich nach Ansicht des Gerichts mit hinreichender Wahrscheinlichkeit, dass der Antragsteller im Hauptsacheverfahren obsiegen wird. Auch die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft als Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung ist verpflichtet, lediglich die notwendige Versorgung zu leisten.
2b. Zum Anordnungsgrund:
Der Anspruch auf Versorgung des Unterkiefers des Antragstellers richtet sich nach § 55 SGB V. Der dort normierte Leistungsanspruch besteht nach Ansicht des Gerichts jedoch nicht in der Sachleistung, sondern in der Zahlung eines Zuschusses zu den Kosten der Regelversorgung, also einer Geldleistung. Sollte der Antragsteller in der Hauptsache unterliegen, kann der Zuschuss zurückgezahlt werden. Überdies ist im Hauptsacheverfahren der Sozialhilfeträger beigeladen. Eine Vorwegnahme der Hauptsache kann daher nicht eintreten.
Die Antragsgegnerin ist sich auch bewusst, dass sie die Kosten der Regelversorgung im Fall des Antragstellers vollständig zu übernehmen hat, da der Antragsteller Hilfen zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII bezieht.
Der Streit bezieht sich auf die Frage, ob eine Goldversorgung zur Regelversorgung gehört. Dazu sind gegebenenfalls Gutachten einzuholen. Das Gericht hält es für nicht zumutbar, dass der Antragsteller darauf verwiesen wird, den Ausgang eines jahrelangen Grundsatzstreites abzuwarten.
Dem Antrag war daher wie tenoriert teilweise stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Rechtskraft
Aus
Login
FSS
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